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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juli 2021
22. Jahrgang
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1. Nach Art. 103 Abs. 2 GG hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen der Strafbarkeit selbst zu bestimmen, darf dabei aber auf andere, auch unionsrechtliche Vorschriften verweisen. Solche Verweisungen sind in der Regel dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der verweisende Gesetzgeber sich den Inhalt von Rechtsvorschriften des anderen Normgebers in der Fassung zu eigen macht, wie sie bei Erlass seines Gesetzesbeschlusses galt. Eine Änderung des in Bezug genommenen Gesetzes hat bei einer solch statischen Verweisung keine Auswirkungen auf den Inhalt der Verweisungsnorm. Zudem kommt es nicht darauf an, ob die Bezugsnorm bereits oder noch gilt.
2. § 143a Abs. 1 Nr. 1 MarkenG a.F. war nicht als Blankettstrafvorschrift ausgestaltet, die erst durch die Verweisung auf die Gemeinschaftsmarkenverordnung ausgefüllt würde (siehe bereits BGH HRRS 2018 Nr. 229). Der Gesetzgeber hat vielmehr den vollen Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 Satz 2 GMV in die Verweisungsnorm aufgenommen, sodass sich aus ihr selbst abschließend das zu ahndende Verhalten ergibt. Die Änderung der in Bezug genommenen Gemeinschaftsmarkenverordnung bis hin zu ihrer Aufhebung und die Ersetzung der Regelungen durch die Unionsmarkenverordnung haben diesen Gleichlauf jedenfalls für die Konstellation der unberechtigten Benutzung der Marke zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt.
3. Der Tatbestand der „Einfuhr“ i.S.d. Markenstrafrechts verlangt kein eigenhändiges Verbringen der Ware in den Geltungsbereich des Markengesetzes. Mittäter kann auch derjenige sein, der diese von anderen Personen über die Grenze transportieren lässt. Voraussetzung dafür ist ein die Tatbegehung fördernder Beitrag, der sich als ein Teil der Tätigkeit aller darstellt und der die Handlungen der anderen als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheinen lässt. Im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung sind von besonderer Bedeutung der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Einfluss bei der Vorbereitung der Tat und der Tatplanung, der Umfang der Tatbeteiligung und die Teilhabe an der Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille dazu, sodass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch von dem Willen des Betreffenden abhängen. Entscheidender Bezugspunkt bei allen diesen Merkmalen ist der Einfuhrvorgang selbst.
1. Nach dem Kompensationsverbot gemäß § 370 Abs. 4 Satz 3 AO liegt eine Steuerhinterziehung auch dann vor, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt werden können. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt das Kompensationsverbot allerdings dann nicht, wenn die verschwiegenen steuererhöhenden Umstände in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit ebenfalls verschwiegenen steuermindernden Umständen stehen.
2. Ermäßigungsgründe und Steuervorteile, die wegen des Kompensationsverbots nicht berücksichtigungsfähig sind, können aber im Rahmen der Strafzumessung strafmildernd einzustellen sein, weil dem Täter einer Steuerhinterziehung nur die verschuldeten (steuerlichen) Auswirkungen der Tat zur Last zu legen sind (st. Rspr.).
Der faktische Geschäftsführer eines Unternehmens erlangt durch eine Steuerhinterziehung einen einziehbaren Steuervorteil, weil sich diese wegen seiner aus § 34 Abs. 1 AO resultierenden Pflicht zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten des in seinem Vermögen wirtschaftlich niederschlagen.
1. Der Alltagssprache entnommene Beschreibungen wie „Polenböller“ lassen nicht erkennen, ob insoweit die tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme eines Tatbestandsmerkmals von § 3 Abs. 1, § 3a Abs. 1 SprengG erfüllt sind.
2. Das Regelbeispiel des gewerbsmäßigen Handelns nach § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG ist nicht in die Urteilsformel aufzunehmen, weil es nur die Strafzumessung betrifft.
1. Die Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 6a AufenthG betrifft nach dem Gesetzeswortlaut nicht nur Verstöße gegen die kraft Gesetzes eintretende Meldepflicht nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, sondern auch gegen eine vollziehbar durch Verwaltungsakt angeordnete Meldepflicht nach § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Für eine einschränkende Auslegung sieht der Senat keinen Anlass. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Norm bestehen insoweit nicht.
2. Voraussetzung einer Strafbarkeit wegen wiederholten Meldeverstoßes nach § 95 Abs. 1 Nr. 6a AufenthG ist, dass bereits der die Wiederholung begründende Erstverstoß vorsätzlich geschah.
1. Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit. Hiervon sind solche Handlungen abzugrenzen, die lediglich typische Vorbereitungen darstellen, weil sie weit im Vorfeld des beabsichtigten Güterumsatzes liegen. Dabei ist auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles abzustellen. Die Aufzucht von Cannabispflanzen erfüllt den Tatbestand des Handeltreibens, wenn der Anbau auf die gewinnbringende Veräußerung der herzustellenden Betäubungsmittel zielt.
2. Allein der Erwerb von Setzlingen zum Zweck des anschließenden Anbaus stellt jedoch noch keine auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit dar. In derartigen Fällen entfaltet vielmehr der (verdrängte) Straftatbestand des Anbaus von Betäubungsmitteln insoweit eine Begrenzungsfunktion für den Tatbestand des Handeltreibens, als er den Versuch erst mit dem unmittelbaren Ansetzen zur Aussaat oder zum Anpflanzen beginnen lässt, wobei sich die Abgrenzung zwischen Vorbereitungsstadium und Versuch nach allgemeinen Kriterien anhand der Umstände des Einzelfalls richtet. Eine Vollendung des Handeltreibens tritt regelmäßig erst mit dem Anbau in Verkaufs- und Gewinnerzielungsabsicht, also mit Anpflanzung der Setzlinge ein, denn der (vollendete) Anbau erfordert das Einpflanzen der Setzlinge in die dazu bestimmten Gefäße.
1. Eine Waffe oder Munition „besitzt“ i.S.d. § 52 Abs. 3 Nr. 2 WaffG, wer die tatsächliche Gewalt darüber ausübt. Der Besitz im waffenrechtlichen Sinn entspricht daher grundsätzlich dem unmittelbaren Besitz des § 854 BGB. Neben der objektiven Sachherrschaft ist ein Herrschaftswille und somit die Kenntnis vom Entstehen der (objektiven) Sachherrschaft erforderlich. Bei Gegenständen, die sich in der eigenen Wohnung befinden, ist hierfür nicht notwendig, dass der Herrschaftswille stets aktuell vorhanden ist. Es genügt vielmehr ein genereller Herrschaftswille über die Gegenstände, die sich im eigenen Herrschaftsbereich befinden.
2. Ein bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln setzt voraus, dass der Täter die Schusswaffe oder sonstige, ähnlich gefährliche Gegenstände bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich ihrer in irgendeinem Stadium des Tathergangs jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne besondere Schwierigkeiten bedienen kann.
3. Hebt das Revisionsgericht ein Urteil auf, erhält es die Feststellungen aber in Anwendung des § 353 Abs. 2 StPO aufrecht, weil diese nicht von dem Rechtsfehler betroffen sind, ist das Tatgericht im weiteren Verfahren an diese Feststellungen gebunden. Er darf sie zwar noch ergänzen; die ergänzenden Feststellungen dürfen den bindend gewordenen jedoch nicht widersprechen. Beweisergebnisse, die im Widerspruch zu bindenden Feststellungen stehen, haben außer Betracht zu bleiben.
Bei der Einziehung von Erlösen aus dem Handel mit Betäubungsmitteln kommt eine Gesamtschuld zwischen Betäubungsmittelhändlern auf verschiedenen Handelsstufen nicht in Betracht.