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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juni 2025
26. Jahrgang
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1. Die teilweise Finanzierung des Erwerbs mittels Bankdarlehen steht der Einziehung von Immobilien gemäß § 76a Abs. 4 Satz 1 StGB nicht grundsätzlich entgegen.
2. Der weit auszulegende Begriff des „Herrührens“ in § 76a Abs. 4 Satz 1 StGB erfasst auch eine Kette von Verwertungshandlungen, bei denen der ursprünglich bemakelte Gegenstand – gegebenenfalls mehrfach – durch einen anderen oder auch durch mehrere Surrogate ersetzt wird. Maßgeblich ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, wonach Gegenstände dann als bemakelt anzusehen sind, wenn sie sich im Sinne eines Kausalzusammenhangs auf die Vortat zurückführen lassen, mithin ihre Ursache in der rechtswidrigen Tat haben.
3. In Fällen, in denen durch die Aufnahme eines Bankdarlehens möglicherweise legal erworbene und inkriminierte Geldmittel miteinander vermischt werden, ist der Einziehungsgegenstand nach den Grundsätzen zu bestimmen, die für den Geldwäschetatbestand bei „Teilkontamination“ entwickelt worden sind. Danach kommt es entscheidend darauf an, dass der aus Vortaten herrührende Anteil bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht völlig unerheblich ist.
4. Verfassungsrechtlichen Bedenken, die darauf abstellen, dass die weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Herrühren“ unter Rückgriff auf die von der Rechtsprechung zur Begründung einer Strafbarkeit wegen Geldwäsche entwickelten Grundsätze dem rein vermögensordnenden Charakter der Vermögensabschöpfung in Fällen der sogenannten Mischfinanzierung zuwiderlaufen könnte, wird zumindest in Fällen, in denen sich die Vermischung legaler und illegaler Geldmittel als Folge nicht hinreichend aufklärbarer Straftaten der organisierten Kriminalität darstellt, dadurch Rechnung getragen, dass die Ausgestaltung der Norm als Soll-Vorschrift im Einzelfall unverhältnismäßige Einziehungsanordnungen verhindert.
5. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme kann anknüpfend an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu „Verschiebungsfällen“ bei der Dritteinziehung und zu § 74f Abs. 1 StGB auf das Ausmaß der Bösgläubigkeit des betroffenen Dritten, die Höhe der Bemakelungsquote und den aktuellen Verkehrswert des Einziehungsgegenstands abgestellt werden und zudem Berücksichtigung finden, wer wirtschaftlicher Eigentümer der bemakelten Sache ist und ob die in diese investierten Geldmittel „faktisch“ aus strafbaren Handlungen stammen, es sich mithin um inkriminierte Gelder handelt, die beispielsweise über eine Darlehenskonstruktion in den Wirtschaftskreislauf eingespeist werden.
6. Die Frage der Bemakelung ist grundsätzlich bezogen auf die einzelnen Einziehungsgegenstände zu prüfen, nicht nur allgemein für eine (Teil-)Kontamination des Vermögens der Einziehungsbeteiligten. Hierfür sind bei Grundstücken insbesondere Feststellungen zum Kaufpreis, zu der aufgenommenen Darlehenssumme, zu den Kaufnebenkosten und zu den Kosten der nachfolgenden
Unterhaltung der Grundstücke, einschließlich etwaiger Sanierungs- oder Modernisierungskosten erforderlich. Ferner ist zu prüfen, ob eine Finanzierungsform allein deshalb gewählt wurde, um aus deliktischen Quellen stammende Geldmittel in legale Finanzströme einzuschleusen. Daher fließen in die Bestimmung des Anteils der Bemakelung auch inkriminierte Gelder ein, die für die Rückführung des Darlehens, einschließlich etwaiger Sondertilgungen, genutzt werden. Dabei steht der Einsatz erzielter Mieteinnahmen für die Begleichung von Darlehensforderungen der Annahme einer Bemakelung des Grundstücks nicht entgegen. Um bei mischfinanzierten Vermögenswerten einen unverhältnismäßigen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Eigentumsgarantie des Artikel 14 Abs. 1 GG zu vermeiden, ist die Höhe des Anteils illegaler Geldmittel an den für jedes Grundstück gesondert zu erfassenden Gesamtaufwendungen genau in den Blick zu nehmen.
7. Die Bemakelungsquote dient maßgeblich der Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals „Herrühren“ in den sogenannten Vermischungsfällen und bildet einen gewichtigen Gesichtspunkt bei der sich im Rahmen der Ermessensausübung stellenden Frage der Verhältnismäßigkeit der Einziehung.
Die erweiterte Einziehung eines durch oder für eine andere rechtswidrige Tat erlangten Gegenstands nach § 73a Abs. 1 StGB setzt nicht voraus, dass dieser bei Begehung der Anknüpfungstat im Vermögen des Betroffenen gegenständlich vorhanden war.
1. Medienberichterstattung über eine Straftat sowie die Person des Angeklagten stellt – selbst wenn sie „aggressiven und vorverurteilenden“ Charakter hat – zwar regelmäßig keinen bestimmenden Strafzumessungsgrund dar. Das Tatgericht kann eine mediale Berichterstattung jedoch strafmildernd berücksichtigen, wenn sie zum einen weit über das gewöhnliche Maß hinausgeht, das jeder Straftäter über sich ergehen lassen muss, und sich zum anderen deshalb besonders nachteilig für den Angeklagten ausgewirkt hat. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn der Angeklagte im Zuge einer intensiv verfahrensbegleitenden Berichterstattung mit vollem Namen genannt wird und unverpixelte Bilder von ihm veröffentlicht werden.
2. Der Strafbarkeit nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a Alternative 2 StGB steht nicht entgegen, dass sich die Diebstahlstat gerade auf Werkzeuge bezieht. Es kann genügen, dass der Angeklagte die gefährlichen Werkzeuge als Tatbeute nach ihrem Ergreifen und damit bei einem Teil des Diebstahlsgeschehens – in einer Phase vor Tatbeendigung – bei sich führt.
1. Die Frage, ob die Schuld des Angeklagten besonders schwer wiegt, hat das Tatgericht aufgrund einer Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit zu beantworten. Entscheidend ist die Abwägung der im Einzelfall für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände.
2. Die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld kann dabei nur dann in Betracht kommen, wenn Umstände vorliegen, die Gewicht haben. Solche Umstände können beispielsweise die besondere Verwerflichkeit der Tatausführung oder der Motive, mehrere Opfer bei einer Tat, die Begehung mehrerer Mordtaten oder – im oder ohne Zusammenhang mit dem Mord begangene – weitere schwere Straftaten sein.
3. Bei der Nachprüfung der Entscheidung ist dem Revisionsgericht eine ins einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt; insbesondere ist es gehindert, seine eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Tatgerichts zu setzen. Es hat allerdings zu prüfen, ob das Tatgericht alle maßgeblichen Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat.
1. Eine in einem früheren Verfahren ausgesprochene einheitliche Jugendstrafe nach § 31 JGG erfüllt die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB, wenn zu erkennen ist, dass der Täter wenigstens bei einer der ihr zugrundeliegenden Straftaten eine Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hätte, sofern sie als Einzeltat gesondert abgeurteilt worden wäre. Dies festzustellen ist tatgerichtliche Aufgabe, die der über die Sicherungsverwahrung entscheidenden Strafkammer obliegt.
2. Dabei hat das Tatgericht festzustellen, wie der Richter des Vorverfahrens die einzelnen Taten bewertet hat; es darf sich nicht an dessen Stelle setzen und im Nachhinein
eine eigene Strafzumessung vornehmen. Entsprechende Feststellungen muss das Tatgericht so belegen, dass eine ausreichende revisionsgerichtliche Überprüfung möglich ist.
Eine vom Täter nicht verschuldete lange Zeitspanne zwischen Tat und Urteil ist auch in Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern ein bestimmender Strafzumessungsgesichtspunkt; vor allem dann, wenn der Angeklagte seither nicht mehr straffällig geworden ist.
Zwar muss, auch wenn mehrere Angeklagte in einem Verfahren abgeurteilt werden, für jeden von ihnen die Strafe unter Abwägung aller in Betracht kommender Umstände aus der Sache selbst gefunden werden. Der Gesichtspunkt, dass gegen Mittäter verhängte Strafen auch in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen sollen, kann aber nicht völlig unbeachtet bleiben. Deswegen müssen Unterschiede jedenfalls dann erläutert werden, wenn sie sich nicht aus der Sache selbst ergeben.
Nach § 64 StGB nF darf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nur angeordnet werden, wenn aufgrund „tatsächlicher Anhaltspunkte zu erwarten ist“, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist des § 67d Abs. 1 Satz 1 oder 3 StGB zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen. Durch die Neufassung sind die Anforderungen an eine günstige Behandlungsprognose „moderat angehoben“ worden, indem jetzt eine „Wahrscheinlichkeit höheren Grades“ vorausgesetzt ist. Dabei ist die Beurteilung der Erfolgsaussicht im Rahmen einer richterlichen Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonst maßgeblichen, also prognosegünstigen und -ungünstigen Umstände vorzunehmen.
Ein Straferlass im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB tritt nicht nur als Folge eines Beschlusses nach § 56g Abs. 1 StGB, sondern auch durch eine Amnestieregelung ein. Dabei treten die Rechtswirkungen des Straferlasses nach Art. 313 Abs. 1 EGStGB unmittelbar kraft Gesetzes (ipso jure) ein, ohne dass es einer Entscheidung der Vollstreckungsbehörde bedarf.
Der Betrag des nach § 73a StGB eingezogenen Geldes ist in bestimmten Fällen auf den nach § 73 Abs. 1, § 73c StGB eingezogenen Wert von Taterträgen anzurechnen. Denn der Umstand, dass das Gericht das Geld keiner konkreten Tat hat zuordnen können, bedingt, dass das Geld auch aus den abgeurteilten Taten stammen könnte. Da der gleiche Vermögensvorteil nur einmal eingezogen werden darf, ist in solchen Konstellationen durch eine Minderung des nach § 73 Abs. 1, § 73c StGB einzuziehenden Wertes sicherzustellen, dass es nicht zu einer doppelten Abschöpfung kommt.
1. Bei einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung müssen die Urteilsgründe die einzelnen Taten, die Tatzeiten, (kurz) die ihnen zugrundeliegenden Lebenssachverhalte und die jeweils verhängten Einzelstrafen, das Datum der Verurteilung, gegebenenfalls das Datum der Berufungshauptverhandlung, den Eintritt der Rechtskraft sowie ihren Vollstreckungsstand mitteilen.
2. Liegen mehrere Vorverurteilungen vor, kommt es nach § 55 Abs. 1 Satz 2 StGB für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung auf dasjenige Urteil in dem früheren Verfahren an, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmalig geprüft werden konnten. Das ist jede Entscheidung zur Schuld- und Straffrage, namentlich auch ein Berufungsurteil, wenn wenigstens noch über einen Teil des Strafausspruchs zu befinden war.
1. Macht ein Adhäsionskläger zukünftige materielle und immaterielle Schäden geltend, setzt das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) die Möglichkeit eines zukünftigen Schadenseintritts voraus. Dafür genügt eine bloß abstrakt-theoretische Möglichkeit nicht; erforderlich ist vielmehr, dass aufgrund konkreter Anhaltspunkte bei verständiger Würdigung mit dem Eintritt eines zukünftigen Schadens wenigstens zu rechnen ist.
2. Verlangt der Geschädigte für erlittene Verletzungen ein Schmerzensgeld, so werden durch den Klageantrag nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgelds alle diejenigen Schadensfolgen bereits erfasst, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar sind oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden kann. Eine darüberhinausgehende Feststellungsklage erfordert deshalb die Wahrscheinlichkeit der Entstehung anderer als bereits bei der Bemessung des Schmerzensgeldes in den Blick genommener zukünftiger Schäden.
Sind die Anlasstaten für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht erheblich im Sinne von § 63 Satz 1 StGB, müssen besondere Umstände vorliegen, die die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustands erhebliche Taten begehen wird (§ 63 Satz 2 StGB). Bei den zu erwartenden Taten muss es sich um solche handeln, die geeignet erscheinen, den Rechtsfrieden schwer zu stören sowie das Gefühl der Rechtssicherheit erheblich zu beeinträchtigen, und damit zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind. Die zu stellende Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln und in den Urteilsgründen nachvollziehbar darzulegen.
Bei der Strafzumessung sind etwaige Härten in den Blick zu nehmen, die durch die zusätzliche Vollstreckung von Strafen drohen, welche von Gerichten anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union verhängt wurden, wenn diesbezüglich in zeitlicher Hinsicht die Voraussetzungen für eine Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB erfüllt wären. Es gelten dieselben Grundsätze wie bei einer an sich gesamtstrafenfähigen, aus zufälligen Gründen aber nicht mehr berücksichtigungsfähigen inländischen Vorstrafe in Form eines Härteausgleichs.
1. Kann über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine im Raum stehende Maßregelanordnung nach § 64 StGB keine Klarheit gewonnen werden, weil die Erkenntnismöglichkeiten des Tatgerichts nicht ausreichen, ist die Zuziehung eines Sachverständigen nach § 246a Abs. 1 Satz 2 StPO veranlasst. Dabei gehört es zu den Aufgaben des Sachverständigen, durch eine Befragung des Angeklagten im Rahmen der Exploration und die Auswertung von – gegebenenfalls noch herbeizuschaffendem – Aktenmaterial Defizite des Gerichts bei der Tatsachenfeststellung auszugleichen.
2. Eine Erfolgsaussicht i.S. des § 64 StGB kann bestehen, wenn zu erwarten ist, dass eine genügende Therapiemotivation im Rahmen des Maßregelvollzugs geweckt werden kann. Das Fehlen bisheriger eigenständiger Bemühungen des Angeklagten um eine Drogentherapie kann überdies nicht mit einer verfestigten Therapieunwilligkeit gleichgesetzt werden. Im Übrigen kann eine bekundete Therapieunwilligkeit zwar im Einzelfall durchaus ein gewichtiges Indiz gegen eine Erfolgsaussicht sein, doch genügt sie nicht, um eine Ausnahme von der grundsätzlichen Begutachtungspflicht zu rechtfertigen.