HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 631
Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 80/25, Beschluss v. 11.03.2025, HRRS 2025 Nr. 631
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 31. Oktober 2024 im Adhäsionsausspruch
a) aufgehoben, soweit die Ersatzpflicht des Angeklagten für entstehende materielle und immaterielle Schäden der Adhäsionsklägerin festgestellt worden ist, insoweit wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen; und
b) dahin geändert, dass Zinsen seit dem 24. Oktober 2024 zu zahlen sind.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels, die der Neben- und Adhäsionsklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen und die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im Adhäsionsverfahren hat es der Adhäsionsklägerin Schmerzensgeld nebst Prozesszinsen seit dem 25. Oktober 2024 zuerkannt und festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, ihr „alle infolge der festgestellten Einwirkungen des Angeklagten auf sie in der Nacht vom 17. auf den 18. Januar 2024 entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit sie nicht auf einen Träger der Sozialversicherung oder Dritte übergegangen sind oder übergehen werden“, womit ausweislich der Urteilsgründe alle zukünftigen immateriellen und materiellen Schäden gemeint sind. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat im Adhäsionsausspruch in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Die Feststellung der Ersatzpflicht des Angeklagten für alle zukünftigen immateriellen und materiellen Schäden der Adhäsionsklägerin hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:
„Die […] Ausführungen der Kammer […] belegen […] nicht, dass das für die Feststellung der Ersatzpflicht des Revisionsführers für die zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden der Adhäsionsklägerin erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) vorliegt. Dies setzt die Möglichkeit eines zukünftigen Schadenseintritts voraus, wobei eine bloß abstrakt-theoretische Möglichkeit nicht genügt; erforderlich ist vielmehr, dass aufgrund konkreter Anhaltspunkte bei verständiger Würdigung mit dem Eintritt eines zukünftigen Schadens wenigstens zu rechnen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2023 - 6 StR 359/23, Rn. 10 m.w.N.).
Das ist den Urteilsgründen mit Blick auf etwaige zukünftige materielle Schäden der Adhäsionsklägerin nicht zu entnehmen. Die Kammer bejaht das Feststellungsinteresse mit dem knappen Hinweis, dass ‚der Eintritt weiterer Schäden der Nebenklägerin möglich erscheint‘, und verweist im Übrigen auf die Feststellungen zu den Taten und ihren Auswirkungen […]. Aus diesen folgt indes nicht, dass sich die Adhäsionsklägerin (weiterhin) in ärztlicher Behandlung befinde, ihre körperlichen Verletzungen noch nicht verheilt seien o.ä. […].
Dies gilt auch hinsichtlich etwaiger zukünftiger immaterieller Schäden. Zwar ist mit Blick auf die psychische Beeinträchtigung der Adhäsionsklägerin festgestellt worden, dass diese weiterhin unter Angstzuständen leide […]; ob und ggf. in welchem Maße sich diese in Zukunft ausweiten oder andere Beeinträchtigungen hinzutreten könnten, hat die Kammer aber weder dargelegt noch ist dies sonst ersichtlich. Dies wäre jedoch Voraussetzung für die Bejahung eines Feststellungsinteresses betreffend etwaiger zukünftiger, vom zugesprochenen Schmerzensgeld nicht abgedeckter immaterieller Schäden gewesen. Verlangt der Geschädigte für erlittene Verletzungen ein Schmerzensgeld, so werden durch den Klageantrag nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgelds nämlich alle diejenigen Schadensfolgen bereits erfasst, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar sind oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden kann (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Juli 2024 - 2 StR 192/24, Rn. 6; vom 6. Oktober 2021 - 6 StR 389/21, Rn. 3; vom 22. Oktober 2019 - 2 StR 397/19, Rn. 8). Eine darüberhinausgehende Feststellungsklage erfordert deshalb die Wahrscheinlichkeit der Entstehung anderer als bereits bei der Bemessung des Schmerzensgeldes in den Blick genommener zukünftiger Schäden (vgl. BGH a.a.O.). Hieran fehlt es - wie dargelegt - jedoch.
Der Adhäsionsausspruch ist daher insoweit aufzuheben. Danach ist auszusprechen, dass von einer Entscheidung abzusehen ist, weil der Antrag insoweit unbegründet erscheint (§ 406 Abs. 1 Satz 3 StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2024 - 2 StR 238/23, Rn. 11). Eine Zurückverweisung der Sache zur teilweisen Erneuerung des Adhäsionsverfahrens kommt nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2023 - 6 StR 359/23, Rn. 13 m.w.N.).“ Dem tritt der Senat bei.
2. Außerdem ist der Ausspruch über die Zinsen in der Adhäsionsentscheidung zu berichtigen. Die Adhäsionsklägerin hat Anspruch auf Prozesszinsen auf den ihr zugesprochenen Schmerzensgeldbetrag gemäß § 404 Abs. 2 StPO, § 291 Satz 1, § 187 Abs. 1 BGB analog ab dem Tag, der auf den Eintritt der Rechtshängigkeit folgt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2020 - 4 StR 431/19, BGHR StPO § 357 Erstreckung 15 mwN). Dies war hier der 24. Oktober 2024, denn ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls ging der Antrag am 23. Oktober 2024 bei dem Landgericht ein, wodurch er rechtshängig wurde (§ 404 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Dass der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift eine Änderung nicht beantragt hat, hindert den Senat nicht an einer Korrektur im Beschlussweg. Ebenso wenig steht ihr das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) entgegen. Der Senat ist nicht gehindert, die Zinsentscheidung aufgrund des Rechtsmittels des Angeklagten auf das rechtlich zutreffende frühere und damit für den Angeklagten ungünstigere Datum zu ändern, denn bei den im Adhäsionsverfahren verfolgten Ansprüchen handelt es sich nicht um Rechtsfolgen der Tat im Sinne von § 358 Abs. 2 StPO (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Oktober 2000 - 3 StR 426/00, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 11, und vom 26. März 2024 - 4 StR 426/23, ZfSch 2024, 644 Rn. 3).
3. Der geringe Teilerfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels, den besonderen Kosten des Adhäsionsverfahrens und den notwendigen Auslagen der Adhäsions- und Nebenklägerin zu belasten.
HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 631
Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede