Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
April 2005
6. Jahrgang
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1. Befehl zur Tötung eines Demonteurs von Selbstschussanlagen an der innerdeutschen Grenze. (BGHSt)
2. Zu den Grundsätzen des BGH zur Behandlung von "Mauerschützen" und Selbstschussanlagen an der deutsch-deutschen Grenze. (Bearbeiter)
1. Pflichtwidrig im Sinne einer fahrlässigen Tatbestandsverwirklichung handelt, wer objektiv gegen eine Sorgfaltspflicht verstößt, die gerade dem Schutz des beeinträchtigten Rechtsguts dient und zu einer Rechtsgutverletzung führt, die der Täter nach seinen subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten hätte vermeiden können. Art und Maß der anzuwendenden Sorgfalt bestimmen sich nach den Anforderungen, die bei objektiver Betrachtung einer Gefahrenlage ex ante an einen besonnenen und gewissenhaften Menschen in der konkreten Lage und sozialen Rolle des Handelnden zu stellen sind (BGH NStZ 2003, 657, 658).
2. Im Rahmen der Vorwerfbarkeit ist bei vorliegender Erfolgsabwendungspflicht nicht entscheidend, ob die Pflichtwidrigkeit in einem aktiven Tun liegt oder in einem Unterlassen begründet ist. Der Erfolg einer fahrlässigen Tötung kann genauso wie der einer fahrlässigen Brandstiftung durch ein pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt werden. Für die Entscheidung der Frage, ob ein Tun oder ein Unterlassen vorliegt, kommt es auf den Schwerpunkt des Täterverhaltens an. Darüber hat der Tatrichter in wertender Würdigung zu entscheiden (vgl. dazu BGH NStZ 1999, 607).
3. Wird der Umgang mit Feuer und sei es auch nur in Form von entzündeten Zigaretten und glimmender Asche zugelassen, erfordert es die allgemein bekannte Gefahr, die sich in dem achtlosen Umgang mit Feuer und Zigarettenresten verwirklichen kann, dass ein Übergreifen auf Papier und sonstige leicht entflammbare Materialien verhindert oder jedenfalls auf ein Minimum reduziert wird. Diese schon allgemein bestehende Sorgfaltspflicht kann aufgrund besonderer Umstände noch besonders gesteigert sein.
4. Der Senat kann offen lassen, ob generell eine Pflichtverletzung schon dann anzunehmen ist, wenn Eltern ihre sich im Kleinkindalter befindenden Kinder über längere Zeit ohne Aufsicht in der Wohnung zurücklassen.
1. In Verdeckungsabsicht handelt auch derjenige, welcher - um der Strafverfolgung zu entgehen - das Opfer einer Straftat tötet, selbst wenn dieses die Tat bereits einer anderen Person mitgeteilt hatte, jedoch allein aufgrund der Aussage eines solchen Zeugen vom Hörensagen die Tatumstände noch nicht in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang aufgedeckt würden. (BGHSt)
2. In Verdeckungsabsicht handelt, wer als Täter ein Opfer deswegen tötet, um dadurch eine vorangegangene Straftat als solche oder auch Spuren zu verdecken, die bei einer näheren Untersuchung Aufschluss über bedeutsame Tatumstände geben könnten (BGHSt 15, 291, 295 ff.; BGHSt 41, 358, 360). Allerdings scheidet begrifflich eine Tötung zur Verdeckung einer Straftat dann aus, wenn diese bereits aufgedeckt ist (vgl. BGH GA 1979, 108). (Bearbeiter)
1. Eine schutzlose Lage im Sinne von § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist gegeben, wenn die Schutz- und Verteidigungsmöglichkeiten des Opfers in einem solchen Maße verringert sind, dass es dem ungehemmten Einfluss des Täters preisgegeben ist.
2. Der Senat hält - obiter - für das Nötigen unter Ausnutzung einer schutzlosen Lage gem. § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB für erforderlich, dass das Opfer dem Täter gegenüber von Widerstand absehen muss, weil es diesen aufgrund des Ausgeliefertseins für sinnlos erachtet. Daher ist nach Ansicht des Senats zugleich auf Seiten des Opfers die Kenntnis der schutzlosen Lage notwendige Voraussetzung eines objektiv tatbestandsmäßigen Verhaltens (Abgrenzung von BGHR StGB § 177 Abs. 1 Schutzlose Lage 6 = BGH 2 StR 351/03 - Urteil vom 28. Januar 2004; Bekräftigung des Senatsurteils BGH 3 StR 446/02 vom 27. März 2003).
1. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Freiheitsberaubung "auf andere Weise" auch durch schnelles Fahren mit einem Fahrzeug begangen werden kann, um hierdurch einen Fahrzeuginsassen am Verlassen des Wagens zu hindern (vgl. BGH NStZ 1992, 33, 34). Dabei kommt es für die Erheblichkeit der Tathandlung allerdings nicht allein auf deren Dauer, sondern auch auf das Gewicht der Einwirkung auf das geschützte Rechtsgut an (vgl. BGHSt 14, 314, 315).
2. Der Tatbestand der Freiheitsberaubung nach § 239 Abs. 1 StGB ist in der Begehungsform "auf sonstige Weise" nicht bereits dann erfüllt, wenn ein Fahrzeugführer entgegen der ausdrücklichen Aufforderung eines Fahrzeuginsassen, die Fahrweise zu ändern, unverändert gefährdend weiterfährt. Vielmehr muss für die Annahme des Widerrufs eines ursprünglich erteilten Einverständnisses in die Beförderung mit dem Fahrzeug und zur Verwirklichung des Tatbestands der Freiheitsberaubung in einem solchen Fall hinzukommen, dass der Mitfahrer den eindeutigen und unmissverständlichen Wunsch zum Ausdruck bringt, das Fahrzeug unter den gegebenen Umständen verlassen zu wollen.
3. Die Freiheitsberaubung "auf andere Weise" kennt hinsichtlich des Tatmittels keine Begrenzung. Es reicht vielmehr jedes Mittel aus, das geeignet ist, einem anderen die Fortbewegungsfreiheit zu nehmen, insbesondere ihm, sei es auch nur vorübergehend, die Möglichkeit zu nehmen, einen Raum zu verlassen (BGHR StGB § 239 Abs. 1 Freiheitsberaubung 2).
1. Die objektiven Voraussetzungen der Heimtücke können selbst dann erfüllt sein, wenn das Opfer den Angeklagten kurz vor der Fahrzeugkollision bemerkt und mit einer Fahrzeugattacke gerechnet haben sollte. Dies schließt die Arglosigkeit des Opfers nicht von vornherein aus. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Wesentlich ist, dass der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren (BGHSt 39, 353, 368; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 2 m.w.Nachw.).
2. Das Opfer muss gerade aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein (BGHSt 32, 382, 384). Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Opfer auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3, 15).
1. Hat der Täter eine Zahlungskarte mit Garantiefunktion in der Absicht erworben, sie alsbald einzusetzen, und handelt er gemäß diesem Tatplan, so bildet die Beschaffung (als Vorbereitungsakt) mit dem Gebrauch (als Ausführungsakt) eine einzige Tat der Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion.
2. Eine Verurteilung wegen - neben dem Gebrauchmachen von einer Zahlungskarte mit Garantiefunktion - tateinheitlich verwirklichter Urkundenfälschung durch bloße Vorlage einer gefälschten Kreditkarte kommt nicht in Betracht. Das insoweit verwirklichte Unrecht wird durch den Tatbestand des § 152 b Abs. 1 StGB miterfasst, der gegenüber § 267 Abs. 1 StGB das speziellere Delikt ist. Anders kann es liegen, wenn der Täter über die bloße Vorlage der Kreditkarte hinaus noch einen Belastungsbeleg mit dem Namen des wirklichen Karteninhabers unterschreibt.
Widerstandsunfähigkeit im Sinne von § 179 StGB setzt voraus, dass der Geschädigte gerade aufgrund seines Zustands zum Tatzeitpunkt zur Abwehr gegenüber den sexuellen Übergriffen des Täters nicht in der Lage war. Eine Widerstandsunfähigkeit in diesem Sinne folgt nicht schon allein daraus, dass der Geschädigte geistig behindert ist.