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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Mai 2004
5. Jahrgang
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1. Der Grundsatz des § 261 StPO verbietet ausnahmslos, dass Aufzeichnungen, die ein Prozessbeteiligter über die Vernehmung eines Zeugen in der Hauptverhandlung gemacht hat, zur Widerlegung der tatrichterlichen Feststellungen im Revisionsverfahren herangezogen werden. Diese verfahrensrechtliche Situation kann nicht dadurch umgangen werden, dass der Angeklagte in der laufenden Hauptverhandlung auf seine abweichende Wiedergabe und Würdigung von Zeugenaussagen einen Befangenheitsantrag stützt.
2. Ein Befangenheitsantrag, der sich auf eine bestimmte vorläufige Beweiswürdigung durch das Gericht während der Hauptverhandlung stützt, ist mangels Begründung unzulässig (§ 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO). Eine solche Begründung ist aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet. Eine derart ungeeignete Begründung ist ihrem völligen Fehlen gleichzustellen.
3. Der Tatbestand des § 174 a Abs. 2 StGB kann auch dann erfüllt sein, wenn das Opfer der sexuellen Handlungen sich ihnen in dem Glauben, sie seien medizinisch indiziert, freiwillig unterwirft. Denn die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers wird auch dann verletzt und die Krankheit oder Hilfsbedürftigkeit ausgenutzt, wenn ihm die Notwendigkeit einer Maßnahme aus Anlass der Krankheit oder Hilfsbedürftigkeit nur vorgespiegelt wird. Das Opfer duldet eine solche "ärztliche Handlung" nämlich nur, weil es sich dadurch Hilfe erhofft (obiter dictum).
1. Fehlende Sprachkenntnisse eines Angeklagten können die Wirksamkeit eines von ihm abgegebenen Rechtsmittelverzichts in Frage stellen.
2. Ob der Angeklagte genügend Kenntnisse der deutschen Sprache hat, entscheidet der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen. Wird gerügt, dass kein Dolmetscher zugezogen wurde, prüft das Revisionsgericht, ob die Grenzen des Ermessens eingehalten wurden. Dies gilt auch, wenn es um die Wirksamkeit eines vom Tatrichter zu Protokoll genommenen mündlichen Rechtsmittelverzichts geht.
3. Jedenfalls dann, wenn der Angeklagte mehrfach über die Möglichkeit eines Rechtsmittels belehrt und er sogar ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass ein Rechtsmittelverzicht der Verteidiger ihn selbst nicht binden würde, ist für die Annahme eines im Hinblick auf vorangegangenes Verfahrensgeschehen (mögliche verfahrensbeendende Absprache; Verzichtserklärung des
Verteidigers) rechtserheblichen Willensmangels des Angeklagten bei der Abgabe des Rechtsmittelverzichts kein Raum.
1. Von den Ermittlungsbehörden nach Abschluss des tatrichterlichen Verfahrens gewonnene neue Erkenntnisse können im Revisionsverfahren keine Berücksichtigung mehr finden.
2. Rechtlich zu beanstanden sind Beweiserwägungen dann, wenn sie erkennen lassen, dass das Gericht überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt und dabei nicht beachtet hat, dass eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und von niemandem anzweifelbare Gewissheit nicht erforderlich ist, vielmehr ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit genügt, das vernünftige und nicht bloß auf theoretische Möglichkeiten gegründete Zweifel nicht zulässt.
1. Eine Verfahrensverlängerung, die dadurch entstanden ist, dass das Urteil im Rechtsmittelzug teilweise aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden muss, begründet für sich genommen regelmäßig keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung.
2. Die Entscheidung des Revisionsgerichts, dass bis zum tatrichterlichen Urteil kein Verfahrenshindernis infolge rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung entstanden sei, ergeht regelmäßig in Rechtskraft für das gesamte weitere Verfahren, und dies grundsätzlich auch ungeachtet späterer weiterer Verzögerungen.
Kündigt ein Zeuge an, von einem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, sofern der Angeklagte bei seiner Vernehmung anwesend sein wird, darf das Gericht den Angeklagten während der Vernehmung im Interesse der Wahrheitsfindung gemäß § 247 Satz 1 StPO aus dem Sitzungszimmer entfernen.
Erklärungen des Angeklagten in einem Protokoll können auch dann gem. § 254 Abs. 1 StPO im Wege der Verlesung zum Inbegriff der Hauptverhandlung gemacht werden, wenn die gem. § 168a Abs. 3 StPO notwendige Genehmigung und Unterschrift durch den als Beschuldigten vernommenen Angeklagten nicht erfolgt sind. Das Protokoll bleibt auch in diesem Fall ein richterlichen Protokolls nach § 168a StPO.
Es ist rechtlich zu missbilligen, wenn ein offensichtlich unbegründetes Ablehnungsgesuch des Angeklagten als unzulässig zurückgewiesen wird, denn die offensichtliche Unbegründetheit des Ablehnungsantrags ist mit seiner Unzulässigkeit nicht gleichzusetzen.
Die Auffassung, dass bei der Teilaufhebung eines Urteils im Rechtsfolgenausspruch die zu § 21 StGB getroffenen Feststellungen rechtskräftig feststehen, trifft nicht zu (vgl. BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 18).
Für die Bewilligung einer Pauschvergütung ist der BGH nur insoweit zuständig, als es um die Revisionshauptverhandlung geht (§ 99 Abs. 2 Satz 2 BRAGO); für die Bewilligung einer Pauschvergütung für die Anfertigung der Revisionsbegründungsschrift ist hingegen das OLG zuständig (§ 99 Abs. 2 Satz 1 BRAGO).