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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Mai 2025
26. Jahrgang
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1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden, dass die erweiterte Einziehung eines durch oder für eine andere rechtswidrige Tat erlangten Gegenstands nach § 73a Abs. 1 StGB nicht voraussetzt, dass dieser bei Begehung der Anknüpfungstat im Vermögen des Betroffenen gegenständlich vorhanden war.
2. Die §§ 73 Abs. 1, 73a Abs. 1, 76a Abs. 4 StGB schaffen ein aufeinander abgestimmtes lückenloses System der Einziehung von inkriminiertem Vermögen nach einem Rangverhältnis. Vorrangig ist das durch oder für eine nachweisbare rechtswidrige Tat Erlangte mit der Aburteilung der Tat nach § 73 Abs. 1 StGB einzuziehen. Ist die Erwerbstat jedoch nicht in dem für eine Strafverfolgung erforderlichem Maße aufzuklären, sind durch oder für sie erlangte Vermögensgegenstände nach § 73a Abs. 1 StGB in dem wegen einer anderen Straftat (Anknüpfungstat) geführten Strafverfahren einzuziehen. Erweist sich eine solche erweiterte Einziehung als unmöglich, weil die Anknüpfungstat nicht verfolgt oder verurteilt werden kann, sind die in dem Strafverfahren sichergestellten Gegenstände gleichwohl nach § 76a Abs. 4 StGB selbstständig einzuziehen. In dieser Systematik entstünde eine Lücke, würde man inkriminierte Vermögensgegenstände, die erst nach der Anknüpfungstat durch nicht aufklärbare rechtswidrige Taten erlangt wurden, von der erweiterten Einziehung nach § 73a Abs. 1 StGB ausnehmen.
3. Gegenstände des Täters oder Teilnehmers im Sinne des § 73a Abs. 1 StGB sind alle, die sich zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts im Vermögen des als solchen verurteilten Angeklagten befinden. Der Wortlaut umfasst daher auch solche Gegenstände, die dieser erst nach der Anknüpfungstat erlangt hat. Voraussetzung ist insoweit allein, dass das Gericht den Gegenstand seinem Vermögen zuordnet und die uneingeschränkte Überzeugung von der rechtswidrigen Herkunft gewinnt.
4. Die Vermögensabschöpfung ist keine Reaktion auf früheres normwidriges Verhalten des Betroffenen, sondern
Antwort auf eine gegenwärtige Störung der Vermögensordnung. Schon diese gegenüber den weiteren Rechtsfolgen der Tat eigenständige Stellung und Funktion des Rechtsinstituts sprechen dagegen, die erweiterte Einziehung von einem sachlichen oder zeitlichen Konnex zwischen Anknüpfungstat und Vermögenslage abhängig zu machen.
1. „Durch“ die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist ein Vermögenswert, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zugeflossen ist, dass er dessen faktischer Verfügungsgewalt unterliegt. Kann der Tatbeteiligte im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen, hat er faktische Verfügungsgewalt. Unerheblich ist deshalb, ob das Erlangte beim Täter oder Teilnehmer verbleibt oder ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dieser eine unmittelbar aus der Tat gewonnene (Mit-)Verfügungsmacht später – etwa durch absprachegemäße Weitergabe an einen anderen – wieder aufgegeben hat.
2. Anders liegt es, wenn der Tatbeteiligte den Gegenstand nur transitorisch erhalten hat, weil er ihn kurzfristig weiterzuleiten hatte. Ein solcher transitorischer Besitz ist allerdings dann nicht anzunehmen, wenn der Tatbeteiligte den durch die Tat erlangten Gegenstand – ungeachtet einer Ablieferungspflicht und etwaiger engmaschiger telefonischen Kontrolle – über eine nicht unerhebliche Zeit unter Ausschluss der anderen Tatbeteiligten in seiner faktischen Verfügungsgewalt hält. Relevant sind also vor allem Dauer und Intensität des Besitzes sowie die tatsächliche Möglichkeit der Einflussnahme durch weisungsbefugte Hinterleute aufgrund ihrer Anwesenheit vor Ort. Ob die tatsächlichen Verhältnisse eine faktische Verfügungsgewalt des Täters belegen, obliegt in erster Linie der Wertung des Tatgerichts.
3. Geht es um den Zufluss aus Betrugstaten erlangter Gelder auf ein Konto, kommt es darauf an, ob der Täter faktisch über die aus den Überweisungen resultierenden Guthaben verfügen kann; da es sich beim Erlangen um einen tatsächlichen Vorgang handelt, sind die zivilrechtlichen Rechtsverhältnisse hierfür unerheblich.
Zulässiges Verteidigungsverhalten darf weder hangbegründend noch als Anknüpfungspunkt für die Gefährlichkeit des Angeklagten verwertet werden. Wenn der Täter die ihm zur Last gelegte Tat leugnet, bagatellisiert oder einem anderen die Schuld zuschiebt, ist dies grundsätzlich zulässiges Verteidigungsverhalten. Die Grenze zulässigen Verteidigungsverhaltens ist erst überschritten, wenn das Leugnen, Verharmlosen oder die Belastung des Opfers oder eines Dritten Ausdruck einer besonders verwerflichen Einstellung des Täters ist, etwa weil die Falschbelastung mit einer Verleumdung oder Herabwürdigung oder der Verdächtigung einer besonders verwerflichen Handlung einhergeht.
1. Im Erkenntnisverfahren ist es grundsätzlich zulässig, wenn der Angeklagte zu seiner Verteidigung die ihm zur Last gelegten Taten leugnet, bagatellisiert oder einem anderen die Schuld zuschiebt. Zulässiges Verteidigungsverhalten darf einem Angeklagten weder bei der Strafzumessung noch bei der Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung oder über die Anordnung eines Berufsverbots zum Nachteil gereichen.
2. Auch bei der Entscheidung über eine Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung darf zulässiges Verteidigungsverhalten weder hangbegründend noch als Anknüpfungspunkt für die Gefährlichkeit des Angeklagten verwertet werden.
3. Ist das Erkenntnisverfahren abgeschlossen, kommt der Gesichtspunkt zulässiger Verteidigung nicht in gleicher Weise zum Tragen. Die im Strafvollstreckungsverfahren ergehenden Entscheidungen haben vielmehr die rechtskräftigen Feststellungen zugrunde zu legen und hieran gerade auch ein für die Entscheidung in Betracht zu ziehendes Verhalten der verurteilten Person im Vollzug zu messen. Im Verfahren nach § 66b StGB ist es statthaft und sogar geboten, ein relativierendes Verhalten des Verurteilten im Vollzug als ungünstigen Prognosefaktor innerhalb der gemäß § 66b Satz 1 Nr. 2 StGB zu betrachtenden Entwicklung des Betroffenen in die gebotene Gesamtwürdigung einzubeziehen.
1. Der Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB bezeichnet einen eingeschliffenen inneren Zustand, der den Täter immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Ein Hang liegt danach bei demjenigen vor, der dauerhaft zur Begehung von Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Das Vorliegen eines solchen Hangs hat der Tatrichter unter sorgfältiger Gesamtwürdigung aller für die Beurteilung der Persönlichkeit des Täters und seiner Taten maßgebenden Umstände darzulegen. Diese Würdigung bedarf in den Fällen von § 66 Abs. 2 und 3 Satz 2 StGB, bei denen
Vortaten und Vorverbüßungen fehlen, besonderer Sorgfalt. Zu berücksichtigen ist auch die zeitliche Verteilung der Straftaten, wobei längere straffreie Zeiträume zwar im Grundsatz, aber nicht zwingend gegen einen Hang sprechen.
2. Wenn die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Maßregel gegen einen Ersttäter vorliegen, kann nach der Wertung des Gesetzgebers schon allein aus den abgeurteilten Taten ein Hang ableitbar sein; dem Fehlen von Vorstrafen kann dann kein großes Gewicht zugemessen werden. Die Vorschriften des § 66 Abs. 2 und 3 Satz 2, § 66a Abs. 1 und 2 StGB ermöglichen vielmehr neben der Verurteilung zur verwirkten Freiheitsstrafe bereits bei Erstserientätern die Verhängung unbefristeter Freiheitsentziehung in Sicherungsverwahrung zur Sicherung der Allgemeinheit vor gefährlichen Hangtätern.
Bei dem Täter-Opfer-Ausgleich bedarf es für die erforderliche Übernahme von Verantwortung zwar nicht stets, aber doch insbesondere bei Gewaltdelikten in aller Regel eines umfassenden Geständnisses. Sind für das Opfer aber nach gelungenen Ausgleichsbemühungen die strafrechtliche Ahndung und das Verteidigungsverhalten des Täters nicht mehr von besonderem Interesse, so steht ein nur eingeschränktes Geständnis, nach dem Sinn und Zweck der Regelung, der Anwendung des § 46a StGB nicht entgegen.
1. Die für eine Unterbringungsanordnung notwendige Gefahrenprognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens (namentlich Art, Häufigkeit und Rückfallfrequenz früherer Taten) sowie der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln und hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche rechtswidrigen Taten von dem Täter infolge seines Zustands drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt.
2. Neben der konkreten Krankheits- und Kriminalitätsentwicklung sind die auf die Person des Täters und seine konkrete Lebenssituation bezogenen Risikofaktoren einzustellen, die eine individuelle krankheitsbedingte Disposition zur Begehung von Straftaten jenseits der Anlasstaten belegen können.
3. Das Tatgericht ist nicht nur zu einer sorgfältigen Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen verpflichtet, sondern auch dazu, die wesentlichen Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen.
4. Die Art der Tatausführung darf einem Angeklagten nur dann ohne Abstriche strafschärfend zur Last gelegt werden, wenn sie ihm in vollem Umfang vorwerfbar ist, was bei einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit nicht der Fall ist. Da auch der im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähige Täter für die von ihm begangene Tat in ihrer konkreten Ausgestaltung verantwortlich ist, bleibt für eine strafschärfende Berücksichtigung zwar durchaus Raum, jedoch nur nach dem Maß der geminderten Schuld.
1. § 849 BGB ist auf den Schmerzensgeldanspruch des durch eine Straftat Verletzten weder ausdrücklich noch entsprechend anwendbar.
2. § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB findet auf den Schmerzensgeldanspruch aus unerlaubter Handlung nach § 823 BGB weder unmittelbar noch entsprechend Anwendung.