HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Februar 2020
21. Jahrgang
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V. Wirtschaftsstrafrecht und Nebengebiete


Entscheidung

128. BGH 5 StR 366/19 – Beschluss vom 8. Januar 2020 (LG Saarbrücken)

BGHSt; Untreue (Haushaltsuntreue; Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit; Pflichtverletzung; evidente und schwerwiegende Verstöße; gravierende Pflichtverletzung; individueller Schadenseinschlag bei Beauftragung rechtswidriger Dienstleistungen; Untreue durch Unterlassen); keine Verletzung des gesetzlichen Richters durch Überschreitung der zulässigen Tagesarbeitszeit; mitteilungspflichtige verständigungs-

bezogene Gespräche (Anregung der Verfahrenseinstellung; einseitiges Ansinnen des Verteidigers); prozessualer Tatbegriff.

§ 266 StGB; Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG; § 243 Abs. 4 StPO; § 264 StPO

1. Ein Entscheidungsträger handelt im Bereich der öffentlichen Verwaltung nicht stets pflichtwidrig, wenn er nicht das sparsamste im Sinne des niedrigsten Angebots wählt. Beim Unterlassen eines Preisvergleichs oder einer Ausschreibung kommt eine Strafbarkeit nur bei evidenten und schwerwiegenden Pflichtverstößen in Betracht. (BGHSt)

2. Ein Vermögensnachteil kann bei der Haushaltsuntreue auch nach den Grundsätzen des persönlichen Schadenseinschlags eintreten. (BGHSt)

3. Ein Verstoß gegen das haushaltsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit kann eine untreuerelevante Pflichtwidrigkeit darstellen. Dieses Gebot stellt indes nur einen äußeren Begrenzungsrahmen des bestehenden Entfaltungs- und Gestaltungsspielraums dar und verhindert nur solche Maßnahmen, die mit den Grundsätzen vernünftigen Wirtschaftens schlicht unvereinbar sind. (Bearbeiter)

4. Bei der Beauftragung einer Detektei durch die öffentliche Hand wird der Auftraggeber angesichts der Ungeregeltheit des Berufsbildes und der großen Unterschiede zwischen den am Markt vertretenen Detekteien ganz wesentlich auf Faktoren wie Seriosität, Auftreten am Markt, Größe, Dauer des Bestehens, Empfehlungen, Bewertungen und den persönlichen Eindruck abstellen dürfen. Gibt der öffentliche Auftraggeber diesen Faktoren gegenüber dem Preis den Vorrang, liegt ein evidenter und schwerwiegender Pflichtverstoß fern. (Bearbeiter)

5. Nimmt eine Detektei im Auftrag einer Kommune rechtswidrige Ermittlungshandlungen vor, sind diese für eine an Recht und Gesetz gebundene Kommune regelmäßig subjektiv ohne Wert. Die Zahlung der vertragsgemäßen Vergütung für solche Leistungen begründet daher regelmäßig einen Vermögensschaden in voller Höhe aufgrund eines individuellen Schadenseinschlags. (Bearbeiter)

6. Eine Überschreitung der zulässigen Tagesarbeitszeit durch den ursprünglich zutreffend bestimmten gesetzlichen Richter führt regelmäßig nicht zu einem Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG. Die Arbeitszeitvorschriften dienen nicht dem Schutz des Beschuldigten, sondern dem der in der Justiz tätigen Personen. Der Angeklagte kann sich demnach auf ihre Verletzung nicht berufen, weil sein Rechtskreis dadurch nicht berührt ist. Es kann insoweit dahinstehen, ob der Senat der Auffassung des 2. Strafsenats folgen könnte, wonach bei dem absoluten Dienstleistungsverbot des Mutterschutzes anderes gelten soll (vgl. BGH HRRS 2017 Nr. 143). (Bearbeiter)

7. Gespräche über eine vollständige Einstellung des Verfahrens nach § 153a Abs. 2 StPO unterfallen regelmäßig der Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 StPO. Das gilt jedoch regelmäßig nicht, wenn es sich lediglich um ein Ansinnen des Verteidigers handelt, das nicht auf Zustimmung stößt. Einseitige Wünsche und Anregungen stellen noch keine verständigungsbezogenen Erörterungen dar, sondern sollen solche lediglich vorbereiten. (Bearbeiter)


Entscheidung

154. BGH 1 StR 634/18 – Urteil vom 11. Juli 2019 (LG Frankfurt a. M.)

BGHSt; Steuerhehlerei (Anstiftung zur Steuerhinterziehung als mitbestrafte Vortat einer späteren Steuerhehlerei: Unterschied zur allgemeinen Hehlerei; Steuerhehlerei durch Ankauf von Zigaretten ohne Steuerzeichen: keine gleichzeitige Strafbarkeit wegen des Verstoßes gegen die Pflicht zur Verwendung von Steuerzeichen und gegen die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung nach dem TabStG); Einziehung (Erlangtes Etwas bei der Steuerhehlerei: kein Erlangen der durch den Lieferanten hinterzogenen Steuern).

§ 370 Abs. 1 Nr. 2, 3 AO, § 374 AO; § 17 TabStG; § 23 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 TabStG; § 73 Abs. 1 StGB

1. Anstiftungshandlungen, die auf eine Verbringung von mit Verbrauchsteuern belasteten Waren gerichtet sind, an denen der Täter eine Steuerhehlerei begeht, sind regelmäßig nicht als Anstiftung zur Steuerhinterziehung strafbar; im Verhältnis zur Steuerhehlerei stellt sich die Anstiftung zur Steuerhinterziehung als mitbestrafte Vortat dar. (BGHSt)

2. Eine mitbestrafte Vortat liegt vor, wenn im Verlauf eines deliktischen Geschehens verschiedene Angriffsobjekte beeinträchtigt werden, die konkrete Sachverhaltsgestaltung aber ergibt, dass das Schwergewicht des Unrechts nur unter dem Gesichtspunkt des nachfolgenden Delikts zu behandeln ist. Dies ist insbesondere bei Durchgangsdelikten gegeben, deren Unrechtsgehalt deshalb nicht über den der „Haupttat“ hinausgeht, weil er sich darin erschöpft, einen intensiveren Angriff auf dasselbe Rechtsgut vorzubereiten. (Bearbeiter)

3. Eine unterschiedliche konkurrenzrechtliche Bewertung von Steuerhehlerei und allgemeiner Hehlerei wird durch die unterschiedlichen Rechtsgutinhaber und das eingeschränkte Tatobjekt der Steuerhehlerei gerechtfertigt. (Bearbeiter)

4. Das Erlangen eigener Verfügungsmacht über Zigaretten ohne Steuerzeichen fällt in den Anwendungsbereich der Steuerhehlerei; dieser Tatbestand würde entwertet, wenn dieser Lebenssachverhalt zugleich unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen die Pflicht zum Verwenden von Steuerzeichen nach § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 17 TabStG strafbar wäre. Die Übernahme der Zigaretten wird auch insoweit allein durch die Strafvorschrift des § 374 AO erfasst. Gleiches gilt für eine Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 23 Abs. 1 TabStG. Der eher formale Gesichtspunkt der Verkürzung eines in der eigenen Person des Steuerhehlers nach § 23 Abs. 1 Satz 1, 2 TabStG entstehenden Steueranspruchs hätte gegenüber der bereits vollendeten Schädigung des Tabaksteueraufkommens und seiner – jedenfalls aus steuerstrafrechtlicher Sicht – nach § 71 AO eingetretenen Haftung ohnehin kein zusätzliches strafwürdiges Gewicht. (Bearbeiter)

5. Der Steuerhehler nach § 374 AO hat weder „durch die Tat“ noch „für sie“ die von seinem Lieferanten hinterzo-

genen Steuern und Abgaben erlangt. Er ersparte sich „durch die Tat“ auch keine Aufwendungen. Daran ändert sich auch nichts durch die mitbestraften Vortaten der Anstiftung des (späteren) Steuerhehlers zur Steuerhinterziehung; denn dadurch wird der Anstifter nicht zum Steuerschuldner. Vielmehr erlangt der Steuerhehler, indem er die Zigaretten ankauft oder sich sonst verschafft, zunächst die Zigaretten und durch den anschließenden Weiterverkauf den hieraus erzielten Erlös. (Bearbeiter)


Entscheidung

153. BGH 1 StR 58/19 – Beschluss vom 13. November 2019 (LG Kiel)

Anfrage- und Vorlageverfahren; Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (Verjährungsbeginn).

§ 132 Abs. 2, Abs. 3 GVG; § 266a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB; § 78a Satz 1 StGB

Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Bei Taten gemäß § 266a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 StGB beginnt die Verjährungsfrist mit dem Verstreichenlassen des Fälligkeitszeitpunktes zu laufen. Der Senat fragt bei den anderen Strafsenaten an, ob an – gegebenenfalls – entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.


Entscheidung

133. BGH 5 StR 486/19 – Beschluss vom 11. Dezember 2019 (LG Braunschweig)

Tätigkeit als Sparkassenangestellter als Wahrnehmung von Aufgaben öffentlicher Verwaltung (Daseinsvorsorge; Amtsträger; Kreditversorgung; Rückabwicklung von Kreditverträgen); Antrag als Voraussetzung einer Einziehung von Taterträgen im subjektiven Verfahren.

§ 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB; § 73 StGB; § 435 StPO

Ein Sparkassenangestellter nimmt regelmäßig nur dann Aufgaben öffentlicher Verwaltung i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB wahr, soweit die Sparkasse im Rahmen ihrer Tätigkeit als Kommunalbank tätig wird. Der Senat kann insoweit offenlassen, ob die Ausreichung von Krediten in Ausübung des gesetzlichen Auftrags (vorliegend nach § 4 Abs. 1 NSpG) als Form der Daseinsvorsorge hierunter fällt. Jedenfalls wer ausschließlich mit der Rückabwicklung notleidender Kreditverträge befasst ist, nimmt regelmäßig keine Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahr, da dies lediglich der Minimierung des Verlustrisikos des Kreditinstituts dient.


Entscheidung

110. BGH 3 StR 233/19 – Urteil vom 27. November 2019 (LG Lüneburg)

Vorsätzliches Inverkehrbringen von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport (keine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit; Anabolika als Arzneimittel; bedenkliche Arzneimittel; Arzneimittelbegriff; unionsrechtliche Vorgaben); Anforderungen an dynamische Verweisungen auf nichtstaatliche Regelungen (Gesetzlichkeitsprinzip; Bestimmtheit; Rechtsstaatlichkeit; Demokratie; Bundesstaatsprinzip).

§ 95 Abs. 1 AMG; § 6a AMG; Art. 103 Abs. 2 GG

1. Der Senat ist trotz geäußerter Bedenken (s. BGH HRRS 2019 Nr. 72) nicht von der Verfassungswidrigkeit des § 6a Abs. 2 S. 1 AMG in der vom 26.10.2012 – 12.08.2013 geltenden Fassung überzeugt.

2. Art. 103 Abs. 2 GG enthält – gemäß der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (siehe zum Ganzen BVerfG HRRS 2016 Nr. 1112) – die Verpflichtung, wesentliche Fragen der Strafwürdigkeit oder Straffreiheit im demokratisch-parlamentarischen Willensbildungsprozess zu klären und die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Dabei muss der Gesetzgeber den Tatbestand nicht stets vollständig im förmlichen Gesetz umschreiben, sondern darf auf andere Vorschriften, auch anderer Normgeber, verweisen.

3. Verweist ein Gesetzgeber dabei auf andere Vorschriften in ihrer jeweils geltenden Fassung (dynamische Verweisung), kann dies dazu führen, dass er den Inhalt seiner Vorschriften nicht mehr in eigener Verantwortung bestimmt und damit der Entscheidung Dritter überlässt. Damit sind dynamische Verweisungen zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, aber nur in dem Rahmen zulässig, den die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Bundesstaatlichkeit ziehen; grundrechtliche Gesetzesvorbehalte können diesen Rahmen zusätzlich einengen.

4. Eine allgemeine Aussage, welchen Grad an gesetzlicher Bestimmtheit der einzelne Straftatbestand haben muss, lässt sich nicht treffen. Vielmehr ist im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung möglicher Regelungsalternativen zu entscheiden, ob der Gesetzgeber seinen Verpflichtungen aus Art. 103 Abs. 2 GG im Einzelfall nachgekommen ist. Zu prüfen sind die Besonderheiten des jeweiligen Straftatbestands einschließlich der Umstände, die zu der gesetzlichen Regelung führen, wobei der Gesetzgeber die Strafbarkeitsvoraussetzungen umso genauer festlegen und präziser bestimmen muss, je schwerer die von ihm angedrohte Strafe ist. Auch der Kreis der Normadressaten ist von Bedeutung.

5. Auch eine Verweisung auf Regelungen außerstaatlicher Stellen (hier das Übereinkommen gegen Doping) ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Wenn deren Inhalt im Wesentlichen feststeht, liegt kein unzulässiger Verzicht des Gesetzgebers auf seine Rechtsetzungsbefugnis vor und ist den sich aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaats- sowie dem Demokratieprinzip ergebenden Anforderungen Genüge getan.


Entscheidung

126. BGH 3 StR 561/18 – Urteil vom 14. November 2019 (LG Osnabrück)

Beihilfe zum Einschleusen mit Todesfolge (Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts; Unerlaubtsein der Einreise; das Leben gefährdende Behandlung; Hilfeleisten; Merkmal der „Geschleusten“).

§ 95 Abs. 1 AufenthG; § 96 AufenthG; § 97 AufenthG; § 27 StGB

1. Der Senat neigt dazu, das Merkmal der „Geschleusten“ in § 97 Abs. 1 AufenthG dahingehend zu verstehen, dass darin jeder geschleuste Mensch unabhängig von seinem Alter und seiner (strafrechtlichen) Handlungsfähigkeit zu sehen ist. Würde man mit der Gegenmeinung unter „Geschleusten“ im Sinne des § 97 Abs. 1 AufenthG nur

„taugliche Haupttäter“ gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG verstehen, würden gerade die schwächsten Personen aus dem Schutzbereich der Erfolgsqualifikation ausgenommen.

2. Bereits die Zusage einer Handlung (hier: betreffend die Unterstützung von illegal einzuschleusenden Personen) kann eine die objektiven Voraussetzungen der Beihilfe begründende Unterstützungshandlung sein; Voraussetzung ist indes, dass die Zusicherung selbst einen objektiven Nutzen entfaltet. Demgegenüber ist es nicht erforderlich, dass die Handlung des Gehilfen für den Eintritt des Erfolges in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Weise kausal wird.


Entscheidung

172. BGH 4 StR 136/19 – Beschluss vom 10. Dezember 2019 (LG Halle)

Subventionsbetrug (Beginn der Verjährung bei Auszahlung von Teilbeträgen).

§ 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB

Zwar setzt § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB den tatsächlichen Erhalt der unter Verwendung falscher Angaben beantragten Zuwendung nicht als Erfolg voraus. Ungeachtet dessen beginnt die Verjährung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber erst mit dem tatsächlichen Erhalt der Subvention. Soweit die Subvention ihrem Empfänger in Teilbeträgen zugewendet wird, beginnt die Verjährung mit dem Eingang der letzten Teilzahlung.


Entscheidung

130. BGH 5 StR 464/19 – Beschluss vom 12. Dezember 2019 (LG Dresden)

Eigennützigkeit als Voraussetzung des (mit-)täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln; keine Anwendbarkeit der verbotenen Vernehmungsmethoden bei anderweitiger Beschaffung von Beweismaterial; Beschlagnahme (freiwillige Herausgabe).

§ 29 BtMG; § 25 StGB; § 94 StPO; § 136a StPO

1. (Mit-)Täterschaftliches Handeltreiben erfordert das eigennützige Bemühen, den Umsatz von Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern. Eigennützig ist eine solche Tätigkeit nur, wenn das Handeln des Täters vom Streben nach Gewinn geleitet wird oder er sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil verspricht, durch den er materiell oder immateriell bessergestellt wird. Hinsichtlich der Eigennützigkeit sind konkrete Feststellungen im Urteil erforderlich.

2. Die Vorschrift des § 136a StPO bezieht sich ausschließlich auf Vernehmungen. Sie ist demgemäß auf die anderweitige Beschaffung von Beweismaterial nicht anwendbar.


Entscheidung

143. BGH 5 StR 610/19 – Beschluss vom 11. Dezember 2019 (LG Zwickau)

Bewaffnete Einfuhr von Betäubungsmitteln (jederzeit zu realisierende Herrschaftsmöglichkeit); Nachträgliche Gesamtstrafe (Härteausgleich bei Zusammentreffen mit Jugendstrafe).

§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG; § 55 StGB

Eine das mit-sich-Führen i.S.d. § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG begründende jederzeit zu realisierende Herrschaftsmöglichkeit ist regelmäßig auch dann anzunehmen, wenn die Waffe/der zur Verletzung geeignete und bestimmte Gegenstand sich in einer Tasche befindet, die sich der Beifahrer des den Pkw bei der Einfuhr steuernden Täters um den Hals gehängt hat. Das gilt jedenfalls dann, wenn damit zu rechnen ist, dass sich der Beifahrer gegenüber einem Griff des Täters nach der Tasche nicht widersetzen würde.


Entscheidung

163. BGH 2 StR 294/19 – Urteil vom 23. Oktober 2019 (LG Marburg)

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Mitsichführen bei räumlicher Entfernung).

§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG

1. Der Täter muss die Waffe oder den gefährlichen Gegenstand bei der Tatbegehung bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich haben, dass er sich seiner jederzeit bedienen kann. Setzt sich die Tat aus mehreren Einzelakten zusammen, so reicht es zur Tatbestandserfüllung aus, wenn der qualifizierende Umstand auch nur bei einem Einzelakt verwirklicht ist.

2. Für den Qualifikationstatbestand gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG genügt es, dass die Schusswaffe bzw. der gefährliche Gegenstand sich so in der räumlichen Nähe des Täters befinden, dass er sich ihrer jederzeit, also ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne besondere Schwierigkeiten bedienen kann. Ein Tragen der Waffe oder des Gegenstandes am Körper ist nicht erforderlich.

3. Die räumliche Entfernung zwischen dem Aufbewahrungsort der Betäubungsmittel und dem der Waffe bzw. des gefährlichen Gegenstandes zu einem bestimmten Zeitpunkt – etwa dem der Durchsuchung einer Wohnung – hat allerdings lediglich indizielle Bedeutung für die Beurteilung einer jederzeitigen ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne größere Schwierigkeiten zu realisierenden Zugriffsmöglichkeit des Täters. Denn für das Mitsichführen ist angesichts des Zwecks der Qualifikation die Zugriffsmöglichkeit des Täters des Betäubungsmitteldelikts auf Waffen oder sonstige Gegenstände gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 Var. 2 BtMG während irgendeines, aber näher zu bestimmenden Zeitpunkts im gesamten Tatverlauf ausschlaggebend.