HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Oktober 2018
19. Jahrgang
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V. Wirtschaftsstrafrecht und Nebengebiete


Entscheidung

935. BGH 3 StR 132/18 – Beschluss vom 24. Juli 2018 (LG Hannover)

Untreue durch den gesetzlichen Betreuer (kein Vermögensschaden durch Veranlassung einer testierunfähigen Person zur testamentarischen Begünstigung des Betreuers; keine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Erben zu Lebzeiten des Erblassers; Fortwirkung des gesetzlichen Betreuungsverhältnisses über den Tod der betreuten Person hinaus); Ablehnung von Beweisanträgen wegen Bedeutungslosigkeit.

§ 266 StGB; § 1890 BGB; § 1896 BGB; § 1908i BGB; § 1922 BGB; § 244 Abs. 3 StPO

1. Veranlasst ein vermögensfürsorgepflichtiger gesetzlicher Betreuer (§§ 1896 ff. BGB) eine von ihm betreute testierunfähige Person, ihn testamentarisch zu begünstigen, so liegt darin – entgegen OLG Celle NStZ-RR 2013, 176, 177 – noch kein Gefährdungsschaden: Solange die betreute Person lebt, ist durch das Testament der Wert ihres Vermögens nicht geschmälert. Dass sie infolge Testierunfähigkeit über ihr Vermögen nicht anderweitig letztwillig verfügen kann, berührt allein ihre Dispositionsfreiheit.

2. Für den rechtmäßigen Erben besteht zwar im Erbfall die Gefahr, dass er durch das Testament, sollte es zu Unrecht als wirksam erachtet werden, des Nachlasses ganz oder teilweise verlustig geht; das betrifft indes lediglich eine ungesicherte Aussicht, der kein Vermögenswert zukommt. Überdies ist zu Lebzeiten der betreuten Person der Betreuer dem Erben gegenüber – anders als nach Eintritt des Erbfalles – nicht vermögensfürsorgepflichtig.

3. Die gesetzliche Betreuung wirkt über den Tod der betreuten Person hinaus. Die Abwicklung des Betreuungsverhältnisses mit deren Erben gehört noch zu dem von der Vermögensfürsorgepflicht umfassten Tätigkeitsbereich; sie ist als Teil der Tätigkeit anzusehen, zu der der Betreuer zuvor bestellt war. In diesem Umfang besteht nach dem Tod der betreuten Person die Vermögensfürsorgepflicht des Betreuers gegenüber dem Erben als ihrem Rechtsnachfolger fort; sie umfasst nach § 1908i i.V.m. § 1890 BGB die Rechnungslegung und Vermögensherausgabe.


Entscheidung

812. BGH 1 StR 111/18 – Beschluss vom 5. Juli 2018 (LG Stuttgart)

Vorenthalten von Arbeitsentgelt (erforderliche Angabe der Berechnungsgrundlagen und der Berechnung der vorenthaltenen Beiträge im Urteil: Beruhen des Urteils auf fehlerhafter Angabe der Berechnungsgrundlagen); Steuerhinterziehung (erforderliche Angabe der Besteuerungsgrundlagen).

§ 266a Abs. 1 StGB; § 370 Abs. 1 AO; § 267 Abs. 2 StPO; § 337 StPO

1. Dem Tatgericht obliegt es bei einer Verurteilung nach § 266a Abs. 1 StGB nach ständiger Rechtsprechung, die geschuldeten Beiträge – für die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte gesondert – nach Anzahl, Beschäftigungszeiten, Löhnen der Arbeitnehmer und der Höhe des Beitragssatzes der örtlich zuständigen Krankenkasse festzustellen, um eine revisionsgerichtliche Nachprüfung zu ermöglichen, weil die Höhe der geschuldeten Beiträge auf der Grundlage des Arbeitsentgelts nach den Beitragssätzen der jeweiligen Krankenkassen sowie den gesetzlich geregelten Beitragssätzen der Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung zu berechnen ist. Falls solche Feststellungen im Einzelfall nicht möglich sind, kann die Höhe der vorenthaltenen Beiträge auf Grundlage der tatsächlichen Umstände geschätzt werden. Die Grundsätze, die die Rechtsprechung bei Taten nach § 370 AO für die Darlegung der Berechnungsgrundlagen der verkürzten Steuern entwickelt hat, gelten insoweit entsprechend. Es genügt nicht, die vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge lediglich der Höhe nach anzugeben. Vielmehr müssen die Urteilsgründe die Berechnungsgrundlagen und Berechnungen im Einzelnen wiedergeben (vgl. hierzu ausführlich BGH NStZ 2017, 352, 353 mwN).

2. Bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung müssen die steuerlich erheblichen Tatsachen festgestellt sein. Dazu gehören insbesondere diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (Besteuerungsgrundlagen, vgl. BGH NJW 2009, 2546, 2547, Rn. 13). Die auf den festgestellten Besteuerungsgrundlagen aufbauende Steuerberechnung ist Rechtsanwendung und Aufgabe des Tatgerichts.

3. Ist dem Revisionsgericht die sachlichrechtliche Überprüfung aufgrund unzureichender Feststellung der Berechnungsgrundlagen nicht zuverlässig möglich, so beruht das Urteil grundsätzlich auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 337 StPO). Ausnahmsweise kann trotz unzureichender Darstellung ein Beruhen dann ausgeschlossen werden, wenn sich die Darstellungsmängel allein auf die Überprüfbarkeit der Höhe der hinterzogenen Steuern oder Sozialabgaben – mithin die Überprüfbarkeit des Schuldumfangs – durch das Revisionsgericht beziehen und auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen sicher ausgeschlossen werden kann, dass die Berechnung den Angeklagten in Bezug auf den Schuldumfang beschwert.


Entscheidung

830. BGH 1 StR 605/16 – Beschluss vom 10. Juli 2018 (LG Hof)

Bankrott (Begriff der Zahlungsunfähigkeit: Überzeugungsbildung des Tatgerichts, Abgrenzung zur Zahlungsstockung, Berücksichtigung rechtskräftig festgestellter, aber bestrittener Forderungen).

§ 283 Abs. 1 StGB; § 17 Abs. 2 InsO; § 261 StPO

1. Der Schuldner ist im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die prozessuale Feststellung der Zahlungsunfähigkeit erfolgt sowohl für das Insolvenzverfahren als auch im Insolvenzstraftaten betreffenden Strafverfahren in der Regel durch eine betriebswirtschaftliche Methode, die eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten einerseits und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder kurzfristig herbeizuschaffenden Mittel andererseits voraussetzt (vgl. BGH NStZ-RR 2018, 216 f. mwN).

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich das Tatgericht im Strafprozess die Überzeugung (§ 261 StPO) vom Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Abs. 2 InsO auch auf der Grundlage wirtschaftskriminalistischer Beweisanzeichen bilden, zu denen etwa das Ignorieren von Rechnungen oder Mahnungen sowie gescheiterte Vollstreckungsversuche gehören (vgl. BGH NJW 2014, 164, 165). Die auf solche Weise feststellbare Zahlungsunfähigkeit ist allerdings von der bloßen, straftatbestandlich nicht genügenden Zahlungsstockung abzugrenzen (siehe nur BGH NStZ-RR 2018, 216 f.). Dazu muss zusätzlich zur stichtagsbezogenen Gegenüberstellung eine Prognose erstellt werden, ob innerhalb einer Drei-Wochen-Frist mit der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit sicher zu rechnen ist, etwa durch Kredite, Zuführung von Eigenkapital, Einnahmen aus dem normalen Geschäftsbetrieb oder Veräußerung von Vermögensgegenständen (vgl. BGH NJW 2014, 164, 165).

3. Sind Forderungen rechtskräftig zuerkannt und kann deshalb aus ihnen sogleich vollstreckt werden, müssen sie bei der Bewertung der Zahlungsunfähigkeit berücksichtigt werden. Auf die materielle Richtigkeit der zugrunde liegenden Urteile kommt es dann im Hinblick auf das Krisenmerkmal nicht an.


Entscheidung

984. BGH 5 StR 381/18 – Beschluss vom 15. August 2018 (LG Leipzig)

Verhältnis von Bankrotthandlung und Zahlungseinstellung (kein Verhältnis von Ursache und Wirkung erforderlich; Zusammenhang; Betroffenheit derselben Gläubiger).

§ 283 StGB

Die Bankrotthandlung und die Zahlungseinstellung (§ 283 Abs. 6 StGB) müssen grundsätzlich nicht im Verhältnis von Ursache und Wirkung zueinanderstehen. Vielmehr kann die Bankrotthandlung der Zahlungseinstellung auch nachfolgen; erforderlich ist nur ein Zusammenhang zwischen ihr und der Zahlungseinstellung in dem Sinne, dass dieselben Gläubiger sowohl durch die Bankrotthandlung benachteiligt als auch von der Zahlungseinstellung betroffen werden.


Entscheidung

955. BGH 3 StR 430/17 – Beschluss vom 22. März 2018 (LG Düsseldorf)

Untreue bei der treuhänderischen Verwaltung von Forderungen aus Inhaberschuldverschreibungen (Nachteil durch Verzicht auf Sicherheiten; Bezifferung; Gefährdungsschaden; Schadensrelevanz einer Pflichtverletzung).

§ 266 StGB

1. Auch der Verzicht auf die Einräumung oder die Aufgabe von Sicherheiten für eine Forderung des Vermögensinhabers kann einen Vermögensschaden bewirken. Besteht für den Vermögensinhaber die konkrete Gefahr, mit der ausstehenden Forderung auszufallen, so liegt bereits zum Zeitpunkt des Verzichts bzw. der Aufgabe in dem

drohenden Vermögensverlust ein – regelmäßig vom Tatgericht der Höhe nach zu beziffernder – Gefährdungsschaden; kommt es zum Forderungsausfall, ist der Vermögensverlust eingetreten.

2. Ist die Sicherung der Werthaltigkeit einer Forderung (hier: aus einer Inhaberschuldverschreibung) Teil der Vermögensbetreuungspflicht (§ 266 StGB) eines Treunehmers, ist eine Verletzung dieser Pflicht dann für einen untreuespezifischen Vermögensnachteil relevant, wenn wenn es zu negativen Auswirkungen auf die abzusichernde Forderung oder deren Erfüllung kommt. Solche Auswirkungen können etwa darin bestehen, dass die Ansprüche erst gar nicht entstehen, wieder erlöschen, nicht mehr durchsetzbar sind oder – in einem bezifferbaren Umfang – in ihrer Bonität beeinträchtigt werden. Entsprechende Auswirkungen sind jeweils anhand konkreter Feststellungen zu belegen.


Entscheidung

915. BGH 4 StR 647/17 – Beschluss vom 21. Juni 2018 (LG Essen)

Unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Offenlassen der Frage, ob mehrere Taten durch eine einheitliche, jeweils teilidentische Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Tat verbunden werden); Bandenhandel mit Betäubungsmitteln (Verbindung aufeinander folgender Teilakte); bandenmäßige unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln (Tateinheit zu einer Beihilfe zum Bandenhandel möglich).

§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG; § 30a Abs. 1 BtMG

1. Der Senat kann die Frage offenlassen, ob mehrere Taten der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch eine einheitliche, jeweils teilidentische Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Tat verbunden werden. Während der 1. und der 2. Strafsenat ebenso wie der erkennende Senat entschieden haben, dass in diesen Fällen eine einheitliche Tat im materiellrechtlichen Sinne anzunehmen, hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs eine Verklammerung mehrerer Einfuhrtaten von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch ein einheitliches jeweils teilidentisches Delikt des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG verneint.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verbindet in den Fällen des § 30a Abs. 1 BtMG der Bandenhandel die im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes aufeinander folgenden Teilakte, insbesondere auch den Teilakt der unerlaubten Einfuhr, zu einer einzigen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit.

3. Der täterschaftlichen bandenmäßigen unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln kommt neben einer Beihilfe zum Bandenhandel ein eigener Unrechtsgehalt zu, so dass Tateinheit möglich ist.


Entscheidung

773. BGH 3 StR 236/15 – Beschluss vom 24. Juli 2018 (LG Stade)

Konkurrenzen beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (mehrere Umsatzgeschäfte als einheitliche Tat im materiellrechtlichen Sinne; natürliche Handlungseinheit; Tateinheit; Aufsuchen des Lieferanten; Bezahlung einer zuvor „auf Kommission“ erhaltenen Betäubungsmittelmenge; Transport des Kaufgeldes; Bewertungseinheit).

§ 29 BtMG; § 52 StGB

Das Aufsuchen des Lieferanten, um zuvor erhaltene Betäubungsmittel zu bezahlen und eine neue Menge abzuholen, stellt eine einheitliche Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge dar (vgl. BGH [Großer Senat] HRRS 2018 Nr. 679). Es handelt sich insoweit regelmäßig nicht um eine Bewertungseinheit, sondern um eine Tat in sechs rechtlich zusammentreffenden Fällen, da die teilidentische Ausführungshandlung jeweils gleichartige Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB begründet.


Entscheidung

801. BGH 5 StR 547/17 – Urteil vom 18. Juli 2018 (LG Saarbrücken)

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Zweckbestimmung bei Gebrauchsgegenständen; Bewusstsein des gebrauchsbereiten Mitführens; keine Verwendungsabsicht für konkrete Straftat; Anforderungen an die Beweiswürdigung); Bewertungseinheit beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (in einem Akt erworbene Gesamtmenge); Umfang der revisionsgerichtlichen Prüfung der Beweiswürdigung.

§ 29 BtMG; § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG; § 52 StGB; § 261 StPO

1. Eine Bestrafung gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt voraus, dass der Täter bei der Tat eine Schusswaffe oder einen Gegenstand mit sich führt, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist. Diese Zweckbestimmung, die von dem Bewusstsein, den Gegenstand gebrauchsbereit mit sich zu führen, zu unterscheiden ist, braucht nicht im Hinblick auf die konkret beabsichtigte Straftat getroffen worden zu sein, da § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG insoweit keine Verwendungsabsicht erfordert. Ausreichend ist vielmehr, dass die Zweckbestimmung zu irgendeinem Zeitpunkt vor der Tatbegehung erfolgt ist.

2. Vielfach ergibt sich diese für die Verwirklichung des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG erforderliche Zweckbestimmung ohne weiteres aus den äußeren Umständen; hierzu kann die Beschaffenheit des Gegenstandes ebenso zählen wie seine sonstigen Verwendungsmöglichkeiten oder der Ort seiner Aufbewahrung. Kommt bei einem Gebrauchsgegenstand die konkrete Möglichkeit in Betracht, dass ihn der Täter aus anderen Gründen mit sich führt, so ist die Annahme zu begründen, er habe ihn zur Verletzung von Menschen bestimmt. Fehlt dagegen nach den Umständen des Falles ein nachvollziehbarer Grund dafür, dass der Täter einen objektiv gefährlichen Gegenstand griffbereit mit sich führt, liegt die Annahme einer Zweckbestimmung im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG regelmäßig nahe.


Entscheidung

825. BGH 1 StR 233/18 – Beschluss vom 26. Juni 2018 (LG München I)

Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Bestimmung der nicht geringen Menge eines Betäubungsmittels).

§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG

1. Das Tatgericht hat nach der vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung angewandten Methode (vgl. nur BGHSt 60, 134 ff. Rn. 35) den Grenzwert der nicht geringen Menge eines Betäubungsmittels stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und -intensität festzulegen. Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs (vgl. BGHSt 35, 179). Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten. Das Vielfache ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials zu bemessen (vgl. BGHSt 53, 89). Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen (vgl. BGHSt 51, 318).

2. In Internetforen berichtete szenetypischen Durchschnittsdosierungen stellen keine geeignete Erkenntnisgrundlage zur durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Konsum des Stoffes gewöhnten Konsumenten dar. Dies gilt, weil es sich bei Einträgen in User-Foren nicht um wissenschaftlich gesicherte Daten handelt, diese Angaben häufig auf erfahrene Konsumenten zurückgehen, bei denen bereits mit einer Toleranzentwicklung zu rechnen ist und interindividuelle Unterschiede in der Reaktion auf den Wirkstoff unberücksichtigt bleiben.


Entscheidung

931. BGH 3 StR 88/18 – Beschluss vom 28. Mai 2018 (LG Duisburg)

Voraussetzungen einer konkurrenzrechtlichen Bewertungseinheit beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (tatbestandliche Handlungseinheit; ein und derselbe Güterumsatz; dieselbe Rauschgiftmenge; einheitlicher Erwerbsvorgang; gleichzeitiger Besitz; teilweises Überschneiden der tatbestandlichen Ausführungshandlungen; Tateinheit unabhängig von einer Bewertungseinheit; über bloße Gleichzeitigkeit hinausgehende Besitzausübung).

§ 29 BtMG; § 52 StGB

Mehrere Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln stehen unabhängig vom Vorliegen einer Bewertungseinheit zueinander dann in Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB, wenn ihre tatbestandlichen Ausführungshandlungen sich – teilweise – überschneiden. Da das Vorhalten einer Handelsmenge zum Vertrieb als Teilakt des Handeltreibens anzusehen ist, vermag der gleichzeitige Besitz zweier für den Verkauf bestimmter Vorräte jedenfalls dann Tateinheit in diesem Sinne zu begründen, wenn die Art und Weise der Besitzausübung über eine bloße Gleichzeitigkeit hinausgeht und die Wertung rechtfertigt, dass – etwa wegen eines räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs – die tatsächliche Ausübung des Besitzes über die eine Menge zugleich die Ausübung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die andere darstellt.


Entscheidung

772. BGH 3 StR 189/18 – Urteil vom 26. Juli 2018 (LG Oldenburg)

Rechtsfehlerhafter Strafausspruch im Jugendstrafrecht (einheitliche Rechtsfolge; ausnahmsweise Unterbleiben der Einbeziehung; gewichtige erzieherische Gründe; Zweckmäßigkeit; Möglichkeit der Aussetzung zur Bewährung; fehlende Mitteilung des Vollstreckungsstandes einer Vorverurteilung; schulderhöhende Berücksichtigung des Vollendungsvorsatzes trotz Rücktritt vom Versuch).

§ 31 JGG; § 105 JGG; § 17 Abs. 2 JGG; § 27 JGG

Nach § 31 Abs. 2 S. 1 JGG ist bei der Ahndung von Straftaten nach Jugendstrafrecht, wenn eine anderweitige, bereits rechtskräftige Verurteilung zu einer Sanktion gemäß § 27 JGG noch nicht erledigt ist, grundsätzlich auf eine einheitliche Rechtsfolge zu erkennen. Die Einbeziehung der früheren Verurteilung darf nur ausnahmsweise unterbleiben, wenn dies aus gewichtigen erzieherischen Gründen zweckmäßig ist. Die Verhängung einer zweiten selbständigen Jugendstrafe ist danach nicht bereits dann zulässig, wenn bei Erkennung auf eine Einheitsjugendstrafe wegen deren Höhe eine Aussetzung der Vollstreckung ausgeschlossen, die Aussetzung aber erzieherisch noch vertretbar wäre.


Entscheidung

872. BGH 2 StR 150/18 – Urteil vom 18. Juli 2018 (LG Aachen)

Jugendstrafe (Maßstab zur Bestimmung der Schwere der Schuld).

§ 17 Abs. 2 Var. 2 JGG

1. Nach der Rechtsprechung und Teilen der Literatur kommt dem Unrecht der Tat bei der Prüfung der Schwere der Schuld im Sinne von § 17 Abs. 2 Var. 2 JGG im Allgemeinen keine selbstständige Bedeutung zu. Entscheidend ist, inwieweit sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit sowie die Tatmotivation des Heranwachsenden in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben. Der äußere Unrechtsgehalt der Tat ist jedoch insofern von Belang, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und die Schwere seiner Schuld gezogen werden können. Der Unrechtsgehalt der Tat, der auch in der gesetzlichen Strafandrohung zum Ausdruck kommt, darf demnach auch bei der Prüfung, ob die Verhängung einer Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld geboten ist, nicht unberücksichtigt bleiben.

2. Erziehungsgedanke und Schuldausgleich stehen in der Regel miteinander in Einklang. Bei einem Gewaltverbrechen kann die Schwere der Schuld aber auch eigenständige Bedeutung haben. Schwere Gewaltdelikte begründen regelmäßig die Schwere der Schuld, wenngleich dies nach der Rechtsprechung nicht ausnahmslos der Fall ist. Der Strafzweck des gerechten Schuldausgleichs darf in solchen Fällen jedenfalls nicht völlig hinter den Erziehungsgedanken zurücktreten; denn auf die Möglichkeit der Bestrafung schwerer Straftaten durch Verhängung einer Jugendstrafe kann auch in Fällen nicht verzichtet werden, in denen ein Jugendlicher oder Heranwachsender nicht erziehungsbedürftig oder erziehungsfähig ist. Jedenfalls aber ist die Schwere der Schuld mit zunehmendem Alter des Heranwachsenden modifiziert zu beurteilen. Dies gilt erst recht, wenn der Angeklagte, der zur Tatzeit noch Heranwachsender war, im Urteilszeitpunkt bereits Erwachsener ist. In solchen Fällen ist die Zielsetzung der Jugendstrafe anders zu bewerten, als etwa bei einem Jugendlichen, der das die Strafmündigkeit begründende

Alter gerade erreicht hat. Welches Gewicht den einzelnen Zumessungserwägungen zukommt, ist abhängig vom Einzelfall. Der Tatrichter hat dazu eine umfassende Abwägung vorzunehmen.


Entscheidung

891. BGH 4 StR 87/18 – Beschluss vom 30. August 2018 (LG Dessau-Roßlau)

Milderung des allgemeinen Strafrechts für Heranwachsende; Sicherungsverwahrung (Prüfung der Erkennung auf eine lebenslange Freiheitsstrafe).

§ 211 Abs. 1 StGB; § 106 Abs. 1 JGG

Die Prüfung, ob abweichend von der nach § 211 Abs. 1 StGB vorgesehenen lebenslangen Freiheitsstrafe gemäß § 106 Abs. 1 JGG auf eine zeitige Freiheitsstrafe von zehn bis fünfzehn Jahren zu erkennen ist, liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Frage in den Vordergrund zu stellen, ob eine spätere Wiedereingliederung des Täters erwartet werden kann. Demgegenüber darf der Sühnezweck der Strafe bei der gebotenen Abwägung nicht überbewertet werden.