HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Oktober 2018
19. Jahrgang
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Strafrechtliche/strafverfahrensrechtliche Entscheidungen des BVerfG/EGMR/EuGH


Entscheidung

751. BVerfG 2 BvR 237/18 (2. Kammer des Zweiten Senats) – Beschluss vom 16. August 2018 (OLG München)

Auslieferung nach Ungarn zum Zwecke der Strafverfolgung aufgrund eines Europäischen Haftbefehls (keine unionsrechtliche Determiniertheit des Verfahrensrechts; Recht auf effektiven Rechtsschutz; gerichtliche Sachaufklärungspflicht im auslieferungsrechtlichen Zulässigkeitsverfahren; Anhaltspunkte in der Rechtsprechung des EGMR für menschenunwürdige Haftbedingungen in Ungarn; systemische Mängel in ungarischen Haftanstalten; grundsätzliches Vertrauen gegenüber Mitgliedsstaaten der Europäischen Union im Hinblick auf Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtsschutz; Erschütterung des Vertrauens im Einzelfall; Prüfungspflicht der Gerichte); Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde (ausreichende Begründung auch ohne ausdrückliche Benennung des als verletzt gerügten Grundrechts).

Art. 1 Abs. 1 GG; Art. 19 Abs. 4 GG; § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG; § 92 BVerfGG; Art. 4 GRCh; Art. 35 Abs. 1 EMRK; Art. 3 EMRK

1. Anhaltspunkte für eine Gefahr, dass ein Verfolgter bei seiner Auslieferung nach Ungarn aufgrund eines Europäischen Haftbefehls wegen systemischer Mängel in den ungarischen Haftanstalten menschenunwürdige Haftbedingungen erleidet, ergeben sich insbesondere aus dem Urteil des EGMR vom 10. März 2015 (Varga and Others v. Hungary, Nr. 14097/12 u.a.). Das über die Zulässigkeit der Auslieferung entscheidende Gericht hat dem nachzugehen und weitere Informationen insbesondere zu der

Haftanstalt einzuholen, in der der Verfolgte inhaftiert werden würde.

2. Die Aufklärung der tatsächlichen Umstände oder die Einholung einer Zusicherung hinsichtlich der konkreten Haftbedingungen ist nicht deshalb entbehrlich, weil – wie der EGMR anerkannt hat – ein am 1. Januar 2017 in Kraft getretenes ungarisches Gesetz nunmehr präventive und nachträgliche Rechtsbehelfe gegen menschenrechtswidrige Haftbedingungen vorsieht.

3. Der Auslieferungsverkehr mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist durch den Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl unionsrechtlich weitgehend determiniert. Dies gilt jedoch nicht für das Prozessrecht; insoweit verweist der Rahmenbeschluss weitreichend auf das innerstaatliche Recht und belässt jedem Mitgliedstaat die Freiheit, seine Regelungen über ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren anzuwenden.

4. Mit Blick auf das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes haben die Gerichte im Verfahren über die Zulässigkeit einer Auslieferung den entscheidungserheblichen Sachverhalt aufzuklären und etwaige Auslieferungshindernisse in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig zu prüfen.

5. Einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ist im Hinblick auf die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit und des Menschenrechtsschutzes grundsätzlich besonderes Vertrauen entgegenzubringen. Das Vertrauen kann jedoch erschüttert werden, wenn im Einzelfall tatsächliche Anhaltspunkte dafür sprechen, dass bei einer Auslieferung die unverzichtbaren Anforderungen an den Schutz der Menschenwürde nicht eingehalten würden.

6. Das über die Auslieferung entscheidende Gericht trifft insoweit die Pflicht, Ermittlungen hinsichtlich der Rechtslage und der Praxis im ersuchenden Mitgliedstaat vorzunehmen, wenn der Betroffene hinreichende Anhaltspunkte hierfür dargelegt hat. Diese Verpflichtung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH zur Durchführung des Europäischen Haftbefehls.

7. Eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Zulässigkeitsentscheidung im Auslieferungsverfahren, mit der unter Vortrag des maßgeblichen Sachverhalts eine mangelnde gerichtliche Sachaufklärung gerügt wird, genügt den Begründungsanforderungen auch dann, wenn sie das in Betracht kommende Grundrecht nicht ausdrücklich benennt.


Entscheidung

755. BVerfG 2 BvR 1550/17 (2. Kammer des Zweiten Senats) – Beschluss vom 2. Juli 2018 (OLG Rostock)

Klageerzwingungsverfahren (Ermittlungsverfahren gegen Ärzte wegen eines Todesfalls nach einer Chemotherapie; Recht auf effektiven Rechtsschutz; Darlegungsanforderungen an einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung; lediglich schlüssige Darlegung des hinreichenden Tatverdachts; Darstellung des wesentlichen Inhalts der mitgeteilten Beweismittel; keine vollständige Wiedergabe eines Sachverständigengutachtens; Zulässigkeit des Einkopierens von Aktenbestandteilen in Ausnahmefällen; Unschädlichkeit lediglich ergänzender Bezugnahme auf Beweismittel; Pflicht zur Ermöglichung eines Klageerzwingungsantrags vor Ablauf der Verjährungsfrist).

Art. 19 Abs. 4 GG; § 170 Abs. 2 StPO; § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO; § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO; § 172 Abs. 3 Satz 2 StPO; § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB; § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB; § 222 StGB

1. Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO so auszulegen, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung in groben Zügen den Gang des Ermittlungsverfahrens, den Inhalt der angegriffenen Bescheide und die Gründe für ihre Unrichtigkeit wiedergeben und eine aus sich selbst heraus verständliche Schilderung des Sachverhalts enthalten muss, der bei Unterstellung des hinreichenden Tatverdachts die Erhebung der öffentlichen Klage rechtfertigt.

2. Die Darlegungsanforderungen an einen Klageerzwingungsantrag dürfen nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht überspannt werden. Die Zulässigkeit des Antrags erfordert lediglich eine schlüssige Darlegung des hinreichenden Tatverdachts. Ob ein solcher tatsächlich besteht, hat das Gericht erst im Verfahren nach § 173 StPO zu prüfen.

3. Im Hinblick auf ein Sachverständigengutachten gehört es nicht zur erforderlichen Darstellung des wesentlichen Inhalts des mitgeteilten Beweismittels, dass die Ausführungen des Sachverständigen vollständig wiedergegeben werden. Es genügt, das Gutachten in seinem Kerngehalt und seinen Schlussfolgerungen darzustellen. Dem Gericht darf dabei kein unzutreffendes oder entstellendes Bild des Ermittlungsergebnisses präsentiert und es dürfen keine Umstände verheimlicht werden, die dem Antragsbegehren den Boden entziehen könnten.

4. Zwar ist es grundsätzlich unzulässig, in Bezug genommene Aktenbestandteile in die Antragsschrift einzukopieren. Anderes gilt jedoch in Ausnahmefällen, wenn es auf den Wortlaut der eingefügten Unterlagen ankommt und das Einkopieren lediglich das – anderenfalls notwendige – vollständige Abschreiben dieser Unterlagen ersetzt.

5. Ein Klageerzwingungsantrag, der den wesentlichen Inhalt der mitgeteilten Beweismittel in der gebotenen Weise darstellt, wird nicht dadurch unzulässig, dass er ergänzend eine – an sich nicht zulässige, zu seiner Prüfung jedoch überhaupt nicht erforderliche – Bezugnahme auf Beweisunterlagen enthält. Auch der Eingang derartiger Unterlagen erst nach Ablauf der Frist des § 172 Abs. 3 Satz 2 StPO ist unschädlich.

6. Auch wenn ein Oberlandesgericht die an einen Klageerzwingungsantrag zu stellenden Darlegungsanforderungen überspannt hat, bleibt eine hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde ohne Erfolg, wenn die Tat unter Zugrundelegung des aus dem Antrag ersichtlichen Gangs des Ermittlungsverfahrens verjährt wäre und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Behörden ihre Pflicht verletzt haben, das Ermittlungsverfahren so zeitnah abzuschließen, dass dem Berechtigten eine Antragstellung noch innerhalb der Verjährungsfristen möglich ist.


Entscheidung

752. BVerfG 2 BvR 745/14 (3. Kammer des Zweiten Senats) – Beschluss vom 13. August 2018 (LG Augsburg / AG Augsburg)

Recht auf rechtliches Gehör (Pflicht zur Berücksichtigung einer bei der Vorinstanz fristgerecht eingegangenen Beschwerdebegründung); strafrechtliche Vermögensabschöpfung nach bisherigem Recht (Vorrang vor einer Beschlagnahme begründeter dinglicher Rechte Dritter vor staatlichem Auffangrechtserwerb).

Art. 103 Abs. 1 GG; § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB a. F.; § 73e Abs. 1 Satz 2 StGB a. F.; § 111c Abs. 5 StPO a. F.; § 111i Abs. 5 StPO a. F.; § 306 Abs. 2 StPO; § 136 BGB; § 772 ZPO

1. Auch wenn der Verteidiger mitgeteilt hatte, eine Beschwerdebegründung erfolge „derzeit nicht“, hat das Beschwerdegericht mit seiner Entscheidung bis zum Ablauf einer durch die Vorinstanz gesetzten Äußerungsfrist zu warten. Eine Beschwerdebegründung, die der Verteidiger fristgerecht bei dem Ausgangsgericht eingereicht hat, muss das Beschwerdegericht berücksichtigen, wenn eine rechtzeitige Vorlage nach der Geschäftsorganisation – insbesondere bei Nutzung einer gemeinsamen Posteingangsstelle – möglich war.

2. Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, jeden Schriftsatz zu berücksichtigen, der innerhalb einer gesetzlichen oder richterlich bestimmten Frist bei Gericht eingeht. Das Gericht ist insgesamt dafür verantwortlich, dass das Gebot des rechtlichen Gehörs eingehalten wird; auf ein Verschulden kommt es insoweit nicht an.

3. Nach dem differenzierten Regelungskonzept des staatlichen Auffangrechtserwerbs vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung blieben vor einer Beschlagnahme begründete dingliche Rechte Dritter grundsätzlich bestehen. Das durch die Beschlagnahme begründete relative Veräußerungsverbot zugunsten des Staates hinderte danach nicht die Zwangsvollstreckung aus einem vor dem Verbot entstandenen Pfandrecht.


Entscheidung

753. BVerfG 2 BvR 1258/18 (1. Kammer des Zweiten Senats) – Beschluss vom 1. August 2018 (OLG Karlsruhe / AG Villingen-Schwenningen)

Fortdauer der Untersuchungshaft (Freiheitsgrundrecht; Unschuldsvermutung; Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen; Beginn der Hauptverhandlung regelmäßig spätestens drei Monate nach Eröffnungsreife; Pflicht zur Entscheidung über die Zulassung der Anklage vor Terminierung; Verzögerungen bei der Terminsabstimmung und Saalfindung).

Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG; Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 6 Abs. 2 EMRK; § 112 StPO; § 121 Abs. 1 StPO; § 203 StPO; § 213 StPO

1. Eine Haftfortdauerentscheidung genügt den verfassungsrechtlichen Begründungsanforderungen nicht, wenn keine Umstände dargelegt sind, aufgrund derer die zuständige Strafkammer trotz Eröffnungsreife nicht über die Zulassung der ihr bereits seit knapp drei Monaten vorliegenden Anklage entschieden hat.

2. Ist eine Terminierung der Hauptverhandlung auf absehbare Zeit nicht möglich, weil noch Termine abgestimmt werden müssen oder ein geeigneter Sitzungssaal gefunden werden muss, hat das Gericht vorab über die Zulassung der Anklage zu entscheiden und damit das Zwischenverfahren abzuschließen.

3. Eine Haftsache ist nicht mit der gebotenen Zügigkeit gefördert worden, wenn sich der Angeschuldigte bereits seit fast einem Jahr in Untersuchungshaft befindet und der Kammervorsitzende erst zweieinhalb Monate nach Eingang der Anklage mit der Terminsabstimmung begonnen hat.

4. Die Anordnung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft ist wegen der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Unschuldsvermutung nur ausnahmsweise zulässig, wenn die unabweisbaren Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung den Freiheitsanspruch des Beschuldigten überwiegen. Bei der Abwägung ist dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen.

5. Die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte müssen alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um mit der gebotenen Schnelligkeit die notwendigen Ermittlungen abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. Im Falle der Entscheidungsreife ist über die Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung zu beschließen und anschließend im Regelfall innerhalb von weiteren drei Monaten mit der Hauptverhandlung zu beginnen.

6. Allein die Schwere der Straftat und die sich daraus ergebende Straferwartung vermag jedenfalls bei erheblichen, vermeidbaren und dem Staat zuzurechnenden Verfahrensverzögerungen, die ihre Ursache nicht in dem konkreten Verfahren haben, die Fortdauer einer ohnehin bereits lang andauernden Untersuchungshaft nicht zu rechtfertigen.

7. Haftfortdauerentscheidungen unterliegen von Verfassungs wegen einer erhöhten Begründungstiefe und erfordern regelmäßig schlüssige und nachvollziehbare Ausführungen zum Fortbestehen der Voraussetzungen der Untersuchungshaft, zur Abwägung zwischen Freiheitsgrundrecht und Strafverfolgungsinteresse sowie zur Frage der Verhältnismäßigkeit.


Entscheidung

754. BVerfG 2 BvR 1548/14 (3. Kammer des Zweiten Senats) – Beschluss vom 11. Juli 2018 (LG Köln / AG Köln)

Auferlegung einer Missbrauchsgebühr (unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen eine Durchsuchungsanordnung; unrichtiger Vortrag zu einer Sachentscheidungsvoraussetzung; Versuch der Täuschung des Bundesverfassungsgerichts über die Wahrung der Beschwerdefrist durch Vorlage einer gefälschten Ausfertigung der angefochtenen Entscheidung).

§ 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG; § 34 Abs. 2 BVerfGG; § 92 BVerfGG; § 93 Abs. 1 BVerfGG; § 102 StPO

1. Die gegen eine Durchsuchungsanordnung gerichtete Verfassungsbeschwerde genügt nicht den Substantiie-

rungsanforderungen, wenn der Beschwerdeführer wahrheitswidrig vorträgt, die angefochtene Entscheidung sei ihm erst so spät zugegangen, dass die Beschwerdefrist des § 93 Abs. 1 BVerfGG gewahrt sei.

2. Untermauert der Beschwerdeführer seinen wahrheitswidrigen Vortrag durch Vorlage einer gefälschten Ausfertigung der angefochtenen Entscheidung, aus deren Faxaufdruck der behauptete Übermittlungszeitpunkt hervorgeht, um das Bundesverfassungsgericht über die Fristwahrung zu täuschen, so rechtfertigt dies die Auferlegung einer Missbrauchsgebühr.


Entscheidung

756. BVerfG 2 BvR 2071/16 (3. Kammer des Zweiten Senats) – Beschluss vom 13. August 2018 (OLG Frankfurt am Main / LG Limburg a. d. Lahn)

Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (Nichteinhaltung der gesetzlichen Überprüfungsfrist; Sicherstellung einer rechtzeitigen Entscheidung; verfahrensrechtliche Absicherung des Freiheitsgrundrechts; Darlegung der Gründe einer Fristüberschreitung in der Fortdauerentscheidung); Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde (Rechtsschutzbedürfnis; Feststellungsinteresse nach prozessualer Überholung einer Fortdauerentscheidung; tiefgreifender Grundrechtseingriff).

Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG; Art. 104 Abs. 1 GG; § 66 StGB; § 67e Abs. 2 StGB

1. Eine Entscheidung über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung, die erst zehn Monate nach Ablauf der gesetzlichen Überprüfungsfrist ergeht, ohne dass ein Grund für die Fristüberschreitung angegeben wird, verletzt das Freiheitsgrundrecht des Untergebrachten.

2. Ein Beschluss, durch den der vorübergehend in einer Entziehungsanstalt Untergebrachte in den Vollzug der Sicherungsverwahrung rücküberwiesen wird, der sich zur Fortdauer der Sicherungsverwahrung jedoch nicht verhält, bleibt hinsichtlich der Einhaltung der gesetzlichen Überprüfungsfrist außer Betracht.

3. Die gesetzlichen Vorschriften über die regelmäßige Überprüfung der weiteren Unterbringung in der Sicherungsverwahrung dienen der Wahrung des Übermaßverbots bei der Beschränkung des Freiheitsgrundrechts. Das Vollstreckungsgericht muss eine rechtzeitige Entscheidung vor Ablauf der Überprüfungsfrist sicherstellen und dabei berücksichtigen, dass der Betroffene in aller Regel persönlich anzuhören und gegebenenfalls sachverständig zu begutachten ist.

4. Gründe für eine etwaige Fristüberschreitung sind zur verfahrensrechtlichen Absicherung des Freiheitsgrundrechts in der Fortdauerentscheidung darzulegen. Dies soll eine Überprüfung ermöglichen, ob die Fristüberschreitung trotz sorgfältiger Führung des Verfahrens zustande kam oder ob sie auf einer Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht beruhte.

5. Das Rechtsschutzbedürfnis für die verfassungsgerichtliche Überprüfung einer Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung besteht angesichts des damit verbundenen tiefgreifenden Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht auch dann fort, wenn die angegriffene Entscheidung nicht mehr die aktuelle Grundlage der Unterbringung bildet, weil zwischenzeitlich eine erneute Fortdauerentscheidung ergangen ist.