HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Aug./Sept. 2011
12. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Korruptionsdelikte und Pharmamarketing – Sind Vertragsärzte Amtsträger oder Beauftragte der Krankenkassen?

Kommentar zu BGH, Beschl. v. 05.05.2011 – 3 StR 458/10 = BGH HRRS 2011 Nr. 800 und BGH, Beschl. v. 20.07.2011 – 5 StR 115/11 = BGH HRRS 2011 Nr. 801

Von Rechtsanwalt Markus Rübenstahl, Mag. iur., Frankfurt am Main

I. Einführung

Wie Blitze aus heiterem Himmel kommen Vorlagebeschlüsse der Strafsenate des BGH mit gravierend strafverschärfendem Inhalt selten. Im Fall der 1. Vorlagefrage des Beschlusses vom 05.05.2011 könnte man jedoch ausnahmsweise von einer "gelungenen" Überraschung sprechen, jedenfalls wenn man meint, dass die betroffenen Ärzte und Pharmaunternehmen, aber auch weite Teile der Strafjustiz und Anwaltschaft[1] aus solchem Anlass aus allen Wolken fallen sollten:

Gemäß § 132 Abs. 4 GVG legt der 3. Strafsenat dem Großen Senat für Strafsachen wegen grundsätzlicher Bedeutung die Rechtsfrage vor, ob ein niedergelassener, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassener Arzt bei Wahrnehmung der ihm in diesem Rahmen übertragenen Aufgaben – hier: Verordnung von Hilfsmitteln (§§ 33, 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V) – als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB anzusehen ist, mit der Folge der Anwendbarkeit der Korruptionstatbestände nach den §§ 331 ff. StGB. Der 3. Strafsenat bejaht diese bislang in der Rspr. nicht ersichtliche und in der Literatur kaum vertretene[2] Ansicht entschieden. Ergebnis und Begründung können nicht überzeugen (hierzu unter II.). Hilfsweise befragt der 3. Strafsenat – für den Fall der Verneinung dieser vorrangigen Rechtsfrage – den großen Senat, ob ein niedergelassener, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassener Arzt bei Wahrnehmung der ihm in diesem Rahmen übertragenen Aufgaben jedenfalls im Sinne des § 299 StGB als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen anzusehen ist. Diese in der Literatur überwiegend abgelehnte[3] wenn auch zwischenzeitlich in Literatur[4] und untergerichtlicher Rspr.[5] breit vertretene Auffassung billigt der 3. Strafsenat hilfsweise. Auch insoweit vermag seine Begründung nicht überzeugen (hierzu unter III.). In all´ dem Blitz und Donner sollte nicht überhört werden, dass der Senat eher leise darauf hinweist, dass für Vorteilsgewährungen an Vertragsärzte im Tatzeitraum (bis ca. 2008) – jedenfalls bei entsprechender Rechtsberatung der Betroffenen – ein strafbefreiender, unvermeidbarer Verbotsirrtum (§ 17 S. 1 StGB) nahe liegen soll. Dem ist zuzustimmen, wobei der zeitliche Anwendungsbereich des Verbotsirrtums allerdings weiter reichen muss, als es der 3. Strafsenat hier ausspricht und auch die geforderte Rechtsberatung nicht als zwingende Voraussetzung anzusehen ist (hierzu unter IV.).

Zu den drei vorgenannten Rechtsfragen wird in der Folge Stellung genommen, wobei der entscheidungsgegenständliche Sachverhalt und die Argumentation des 3. Strafsenats nur insoweit wiedergegeben werden, als sie für den Gedankengang dieser Stellungnahme maßgeblich sind. Im Übrigen wird auf den Text der in derselben Ausgabe abgedruckten Entscheidung[6] verwiesen.

Unter II. wird auch auf die parallele Konstellation der Verordnung von Arzneimitteln gem. § 73 Abs. 2 SGB V durch Vertragsärzte Bezug genommen, die der 5. Strafsenat durch Beschluss vom 20.07.2011[7] nunmehr ebenfalls dem Großen Senat für Strafsachen zur Entscheidung vorgelegt hat. Nach der Argumentation des Beschlusses

vom 05.05.2011 ist anzunehmen, dass der 3. Strafsenat hinsichtlich der Verordnung von Medikamenten ebenfalls von einer Amtsträgerstellung des Vertragsarztes ausgehen würde. Der 5. Strafsenat bezieht bedauerlicherweise in seinem Beschluss vom 20.07.2011 zu der eigenen Vorlagefrage betreffend die Verordnung von Medikamenten im Ergebnis nicht eindeutig Stellung. Er scheint jedoch skeptisch gegenüber der Auffassung des 3. Strafsenats zu sein, dass § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB bei der Verordnung von Hilfsmitteln eingreift. Der 5. Strafsenat sieht bei den "beiden Sachverhalten[…]im Rahmen der eigentlichen Problembetrachtung möglicherweise beachtliche Abweichungen". In der Tendenz äußert er sich dahingehend, dass nur bei der Verordnung von Arzneimitteln die Befugnisse des Arztes eindeutig in den Bereich der vertragsärztlichen Verantwortlichkeit fallen, mit der Folge, dass hier offenbar aus seiner Sicht eine Amtsträger- oder Beauftragtenstellung des Vertragsarztes näher liege als bei der Verordnung von Hilfsmitteln. Dem kann im Ergebnis nur soweit zugestimmt werden, als die Argumente, die der 5. Strafsenat gegen die Amtsträgerstellung bei der Hilfsmittelverordnung vorbringt – ergänzend und nicht unbedingt ausschlaggebend – zutreffend erscheinen, nicht aber der möglicherweise implizierte Umkehrschluss für die Verordnung von Medikamenten.

II. Vertragsärzte sind keine Amtsträger

1. Krankenkassen als "sonstige Stellen" im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB?

Der Senat stützt die aus seiner Sicht tragende Annahme, gesetzliche Krankenkassen seien "sonstige Stellen" im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB – mit der Konsequenz, dass Vertragsärzte "in deren Auftrag" und damit als sonstige Amtsträger tätig sein können – darauf, es handele sich bei diesen um "behördenähnliche Institutionen" (Rn. 22). Dafür spreche schon deren Organisationsform als Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 4 Abs. 1 SGB V), denn diese habe erhebliche indizielle Bedeutung (Rn. 23).[8] Diese Ansicht des BGH muss jedoch kritisch am Wortlaut der seit 1997 geltenden Fassung der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB gemessen werden. Danach hat die Einordnung als sonstige Stelle gerade "unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform" zu erfolgen. Darin kommt objektiv zum Ausdruck, dass die öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Organisation der sonstigen Stelle als nicht entscheidungserheblich anzusehen ist. Im – später umgesetzten – Gesetzesentwurf der Regierungsfraktionen CDU/CSU und FDP wurde explizit festgestellt, dass für die Frage der Amtsträgereigenschaft die Art der Aufgabe maßgeblich sein soll und es nicht darauf ankomme, in welcher (Rechts-)Form diese wahrgenommen werde.[9] Dieser Rechtsform kommt – außer für die Bestimmung, ob es sich um eine Behörde im Sinne der Vorschrift handelt – mithin kein Präjudiz zu, auch wenn dem historischen Gesetzgeber in concreto eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Norm auf bestimmte staatsnahe Kapitalgesellschaften anstrebte.

Entgegen dem 3. Strafsenat ist die als nicht entscheidungserheblich offen gelassene (Rn. 25) Frage durchaus maßgeblich, ob die gesetzlichen Krankenkassen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben "als verlängerter Arm des Staates" angesehen werden können – was nach den gesetzlichen Vorgaben des § 29 Abs. 2 und 3 SGB V nicht der Fall ist.[10] Zwar hat der BGH inzwischen mehrfach geäußert, das Abgrenzungskriterium sei für den Bereich der Tätigkeit privatrechtlich organisierter Einrichtungen und Unternehmen der öffentlichen Hand entwickelt worden, weil es (nur) in diesem Zusammenhang eines aussagekräftigen Unterscheidungsmerkmals von staatlichem und privatem Handeln bedürfe.[11] Der 3. Strafsenat zieht hier allerdings nicht hinreichend in Betracht, dass diese Rspr. auf der Grundlage der alten, nicht der geltenden Fassung des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB entwickelt wurde[12] und eine Differenzierung nach der Rechtsform durch den Wortlaut des Korruptionsbekämpfungsgesetzes gerade ausgeschlossen ist (s.o.). Zudem lässt sich der Leitentscheidung (zur GTZ) nicht entnehmen, dass die öffentlich-rechtlichen Institutionen – insbesondere Behörden – im geringeren Maß staatlicher Steuerung unterliegen müssen als private, sondern eher, dass eine solche Steuerung bei ersteren implizit als bestehend vorausgesetzt wurde.[13] Da es darum ging, ob (private) sonstige Stellen Behörden gleichzustellen sind und diese Gleichstellung vom BGH als entscheidendes Kriterium gesehen wurde[14], erscheint das Erfordernis der staatlichen Steuerung auch bei öffentlich-rechtlichen "sonstigen Stellen" sinnvoll.

2. Vertragsärzte als "Beauftragte" der Krankenkassen ("sonstige Stellen")?

Selbst wenn man unterstellt, dass das Erfordernis der Gleichstellung der Krankenkasse selbst mit einer Behörde – und daher deren Stellung als "verlängerter Arm" des Staates – wegen der öffentlich-rechtlichen Organisation nicht erforderlich sei, ist dies jedenfalls hinsichtlich des niedergelassenen, freiberuflichen Vertragsarztes der Fall.

Der 3. Strafsenat berücksichtigt nicht hinreichend, dass der Vertragsarzt seine Tätigkeit nicht "bei" einer "sonstigen Stelle" (Krankenkasse) ausübt, sondern allenfalls "im Auftrag" einer solchen. An eine solche Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch organisationsexterne Privat-

rechtssubjekte sind aber nach bisher h. M. erhöhte Anforderungen hinsichtlich der organisatorischen Anbindung an den Staat und der behördenähnlichen Ausgestaltung dieser Aufgaben zu stellen.[15] Diese sind hier nicht erfüllt.

a) Keine Tätigkeit des Vertragsarztes "bei" einer "sonstigen Stelle" (Krankenkasse)

Auch den Befürwortern der Amtsträgerstellung zufolge übt der Vertragsarzt seine Tätigkeit nicht "bei" der Krankenkasse als – der Rspr. zufolge – "sonstiger Stelle" ausübt, sondern allenfalls "im Auftrag" der Krankenkasse.[16] Unstrittig ist er dort nicht beschäftigt, sondern wirkt vielmehr gem. § 72 Abs. 1 S. 1 SGB V mit den Krankenkassen bei der Versorgung der Kranken lediglich – als Organisationsexterner – zusammen.[17] Auch der 3. Strafsenat erwähnt, dass der Vertragsarzt durch die Zulassung (§ 95 SGB V) gerade nicht in ein Dienstverhältnis zu den Kassen oder den kassenärztlichen Vereinigungen eintritt (Rn. 31). Folgerichtig hält auch der 3. Strafsenat eingangs fest, seiner Ansicht nach übe der Vertragsarzt "im Auftrag" – und nicht etwa: "bei" – einer sonstigen Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung aus (Rn. 20).[18] Vor diesem Hintergrund enttäuscht es, dass der 3. Strafsenat in seinen umfangreichen begründenden Ausführungen nicht explizit auf dieses "Auftragsverhältnis" zurückkommt. Der 3. Strafsenat räumt zwar – durch Verweis auf das Urteil des BGH vom 29.01.1998[19] – implizit ein, dass bei Freiberuflern eine Amtsträgerstellung nach h. Rspr. die dort genannten strengen Voraussetzungen erfordert. Er vermeidet aber eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob, wie in dem gerade zitierten Fall des "Ortsingenieurs", der Vertragsarzt für die Krankenkasse(n) oder gar für eine staatliche oder kommunale Gebietskörperschaft "wie eines ihrer Organe nach außen auftreten sollte" [20] . Der 3. Strafsenat hätte angesichts der selbst zitierten Rspr. allen Anlass gehabt, größte Sorgfalt darauf zu verwenden, die Auftragsbeziehung des Vertragsarztes zu den Krankenkassen ("sonstigen Stellen") unter Berücksichtigung der Maßstäbe der bisherigen Rechtsprechung zu analysieren und zu bewerten. Die für die Unerheblichkeit des Kriteriums der Steuerungsmöglichkeit ("verlängerter Arm des Staates") angebotene Begründung (Rn. 25), dieses sei für Privatrechtssubjekte entwickelt worden und auf die Erfüllung öffentlicher Aufgaben in Organisationsformen des öffentlichen Rechts nicht übertragbar,[21] verkennt, dass es diesbezüglich auf den Vertragsarzt ankommt, nicht auf die Krankenkasse. Einer öffentlich-rechtlichen Organisationsform unterliegen nur die Krankenkassen als juristische Personen des öffentlichen Rechts, allenfalls noch die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) nicht aber die einzelne Vertragsärzte. Diese bleiben – auch als mögliche "Beauftragte" einer "sonstigen Stelle" – primär Privatrechtssubjekte. Für den einzelnen Vertragsarzt enthält auch das SGB V allenfalls Handlungsformen des öffentlichen Rechts, nicht aber eine solche Organisationsform. Da auf die Organisation der Aufgabenerfüllung in der Person des Vertragsarztes abzustellen ist, müssen für ihn die Maßgaben der Rspr. gelten, die für andere beauftragte Privatrechtssubjekte gelten.

b) Anforderungen an die Tätigkeit "im Auftrag einer sonstigen Stelle"

Da der Amtsträgerbegriff einen Personenkreis abgrenzen soll, der in besonderer Weise auf die Integrität und Funktionsfähigkeit der Verwaltung und das äußere Erscheinungsbild eines rechtsstaatlichen Verwaltungsapparats einwirken kann, unterscheiden sich die beiden Tatbestandsvarianten des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB nach zutreffender Auffassung in ihren Anforderungen, denn die Beschäftigung "bei” einer Behörde betont eher den institutionellen, die Beschäftigung "im Auftrag” einer öffentlichen Stelle hingegen mehr den funktional-inhaltlichen Bestandteil der Aufgabenwahrnehmung.[22] Da bei der hier allenfalls in Betracht kommenden Tätigkeit "im Auftrag" – der Krankenkasse als laut dem 3. Strafsenat sonstiger Stelle – der funktional-inhaltliche Aspekt in den Vordergrund rückt und es sich bei dem Vertragsarzt an sich um einen selbständig wirtschaftenden Privaten und Freiberufler handelt, müsste dieser nach der älteren und ständigen Rspr.[23] bei einer Gesamtbetrachtung als "verlängerter Arm” des Staates erscheinen. Prägnant formuliert müsste er den Staat für jedermann erkennbar repräsentieren, indem er Aufgaben der öffentlichen Verwaltung auf staatsspezifische Art und Weise erledigt.[24] Zudem bedürfte es eines Bestellungsaktes.[25]

c) Kein Bestellungsakt in Gestalt der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung

Bereits von Klötzer[26] wurde zudem der Auffassung, die Zulassung des Arztes zur vertragsärztlichen Versorgung (§ 95 SGB V) sei eine Bestellung des Vertragsarztes im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB (Rn. 28 ff.),[27] zutreffend entgegengehalten, dass die Zulassung allenfalls eine für die Begründung der Amtsträgereigenschaft des Ver-

tragsarztes nicht ausreichende organisatorische Anbindung an die KV, nicht aber eine solche an die Krankenkasse – die aber nach Auffassung der Rspr. die maßgebliche "sonstige Stelle" sein soll – selbst darstellen kann.[28] Auch der 3. Strafsenat erkennt, dass dadurch direkte Vertrags- und Rechtsbeziehungen regelmäßig nur zwischen Krankenkasse und KV entstehen (Rn. 30), nicht zwischen Krankenkasse und Vertragsarzt. Nur die Krankenkasse soll aber laut dem 3. Strafsenat die maßgebliche "sonstige Stelle" sein, in deren Auftrag der Vertragsarzt agiere. Daher kann die Zulassung den Vertragsarzt nicht zum Amtsträger machen.[29]

Es kommt hinzu, dass der 3. Strafsenat unterstellt – angesichts der Vielzahl der gängigen Krankenkassen konsequenterweise unterstellen muss – der Vertragsarzt werde kraft Kassenzulassung nicht nur im Auftrag einer, sondern vieler "sonstiger Stellen" im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB tätig (Rn. 39 ff.). Darin liegt zumindest – vergleicht man etwa die Stellung des Vertragsarztes mit dem ausnahmsweise als Amtsträger "im Auftrag einer Behörde" angesehenen "Ortsarchitekten" bzw. "Ortsingenieur"[30] – eine auffällige Abweichung von der bisherigen Rspr. Hier wurde darauf abgestellt, dass sich ein besonders enges Verhältnis – ausweislich eines Rahmenvertrags – ergab und der Betreffende praktisch fest in die Organisation einer bestimmten – insoweit gewissermaßen "unvollständigen" – öffentlich-rechtlichen Körperschaft "wie eines ihrer Organe" eingegliedert war.[31] Dies hatte natürlich auch zur Folge, dass der Betreffende und sein Handeln seitens der Allgemeinheit eindeutig diesem Auftraggeber zugerechnet wurden. Umgekehrt resultierten die einschlägigen Entscheidungen der öffentlich-rechtlichen Person ersichtlich aus dem Handeln dieses einen Freiberuflers. Eine entsprechende Sicht auf einen niedergelassenen Vertragsarzt, der gemittelt über die KV mit zahlreichen Krankenkassen in – öffentlich-rechtlich mitgeprägten – vielfältigen Geschäftsbeziehungen steht, wäre lebensfern. Von einer organischen Eingliederung des Vertragsarztes in eine Krankenkasse oder die Gesamtheit der gesetzlichen Krankenkassen, die der eines "Ortsarchitekten" bzw. "Ortsingenieurs" vergleichbar wäre, kann daher nicht gesprochen werden. Es fehlt schon an einer vergleichbar eindeutigen Zuordnung.

d) Keine Stellung als Beliehener

Die Annahme des 3. Strafsenats, dass der Vertragsarzt angesichts seiner sozialrechtlichen Kompetenzen im Rahmen der Gesundheitsversorgung als ein mit öffentlich-rechtlicher Vertragsmacht Beliehener bezeichnet werden könne (Rn. 36),[32] erscheint ebenfalls zweifelhaft. Die Rspr. hat bezüglich Privater bereits festgestellt, dass eine Beleihung mit der Wirkung der Eingliederung in die hoheitliche Sphäre bei behördenexternen Personen, denen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung nicht unmittelbar durch die beauftragende Behörde, sondern in einer Kette von Unterbeauftragungen übertragen werden, einen förmlichen Bestellungsakt erfordert.[33] Hier liegt aber in Gestalt der Zulassung gem. § 95 SGB V eine Bestellung des Kassenarztes durch die (angeblich) sonstige Stelle, die Krankenkasse, gar nicht vor. Die Zulassung erfolgt nicht im Auftrag der Krankenkasse(n). Das Rechtsverhältnis des Vertragsarztes besteht vielmehr mit der KV und lässt sich – durch die Zulassung – gerade nicht auf die Krankenkasse(n) zurückführen.

e) Keine Stellung des Vertragsarztes als "verlängerter Arm" der Krankenkassen

Auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsgüterschutzes der §§ 331 ff. StGB (und anderer Amtsdelikte) muss der Gesichtspunkt der Eingliederung in den Staatsapparat bzw. die Stellung des Betroffenen als dessen "verlängerter Arm" bei Privaten wie dem Vertragsarzt genauso entscheidend sein wie im Falle des "Ortsarchitekten" bzw. der GTZ und muss daher auf die (Un-)Anwendbarkeit des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB durchschlagen.[34] Zu Recht hat der BGH als erforderlich angesehen, dass "privatrechtlich organisierte Einrichtungen, die Verwaltungsaufgaben erfüllen" nach außen hin als Arm des Staates "erscheinen". [35] Die §§ 331 ff. StGB schützen nach h. Rspr. nämlich das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität von Trägern staatlicher Funktionen und zugleich in die Sachlichkeit staatlicher Entscheidungen.[36] Es kommt daher – jedenfalls für die Anwendbarkeit der §§ 331 ff. StGB – maßgeblich darauf an, ob die Allgemeinheit oder wesentliche Teile derselben Private ausnahmsweise als "verlängerten Arm" des Staates wahrnehmen. Nur in diesem Fall gilt diesen Privaten ein gleichermaßen intensives – und gleichermaßen schutzwürdiges – Vertrauen wie eindeutig staatlichen Funktionsträgern (etwa Statusbeamten). Nur dann wird das durch die § 331 ff. StGB geschützte Vertrauen durch die Erfahrung der Käuflichkeit in gleicher Intensität enttäuscht, wie dies bei einer Vorteilszuwendung an andere Amtsträger geschieht[37] . Die Frage stellen, ob die Allgemeinheit einen niedergelassenen Vertragsarzt einen weisungsgebundenen staatlichen Funktionär mit beamtengleichem Integritätsanspruch gleichsetzen wird, heißt, diese Frage zu verneinen. Es darf schon bezweifelt werden, dass die Allgemeinheit die gesetzlichen Krankenkassen selbst als Teil oder "verlängerten Arm" des Staates ansehen.

f) Therapiefreiheit und unternehmerisch-freiberufliche Stellung des Vertragsarztes
aa) Therapiefreiheit des Vertragsarztes trotz sozialrechtlicher Regulierung

Letztlich entscheidend muss der Umstand ins Gewicht fallen, dass der Vertragsarzt seine ärztliche Tätigkeit freiberuflich und gerade bezüglich der in Rede stehenden Verordnungstätigkeit weisungsunabhängig ausübt (Therapiefreiheit).[38] Dies wird vom 3. Strafsenat im Grundsatz nicht bestritten (Rn. 41). Auch der Vertragsarzt ist im Verhältnis zum Patienten primär an den gesetzlichen Auftrag des § 1 Abs. 1 BÄO gebunden, seine Leistungen allein an der medizinischen Indikation mit dem Ziel umfassender Hilfe für den Patienten auszurichten.[39] Unstrittig wird die Therapiefreiheit, Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit des Vertragsarztes im Rahmen der Behandlung gesetzlich krankenversicherter Personen durch sozialversicherungsrechtliche Vorgaben und Leistungsbeschränkungen reguliert. Durch diese wird der Arzt auf Therapieformen beschränkt, die ausreichend, notwendig, zweckmäßig bzw. wirtschaftlich sind bzw. dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 70 Abs. 1 SGB V; für Verordnungsentscheidungen vgl. auch § 73 Abs. 2, 5 SGB V) oder – im Falle neuer Behandlungsmethoden – vom gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen anerkannt sind (§ 135 SGB V).[40] Hierbei handelt es sich aber nur um einen (volks-)wirtschaftlich veranlassten Rahmen für die fortbestehende Therapiefreiheit, der diese mit ausgeprägten, breiten Beurteilungs- und Ermessensspielräumen des Arztes im Kern erhält. Der Arzt ist bei seinen ärztlichen Entscheidungen Weisungen von Nichtärzten – auch der Krankenkassen als Institutionen – nicht unterworfen.[41] Er kann nicht zu einer bestimmten Behandlung oder Arzneimitteltherapie gedrängt oder gar verpflichtet werden und darf über die Behandlung innerhalb des oben genannten Korridors des medizinischen Standards frei entscheiden. Mithin darf der Vertragsarzt grundsätzlich die ihm geeignet erscheinende diagnostische oder therapeutische Methode auswählen,[42] mithin auch die Verordnung von Arzneimitteln. Diese unterliegen rechtlich nicht der Disposition der Krankenkasse, der KV oder Dritter. Die Verantwortung für die Behandlung und die Verordnung von Medikamenten u. Ä. verbleibt beim Vertragsarzt. Aufgrund der fortbestehenden Therapiefreiheit kann bei der Allgemeinheit nicht der Eindruck entstehen, dass der Vertragsarzt seine ärztliche Heilbehandlung und seine Verordnungstätigkeit als "verlängerter Arm" der Krankenkasse oder gar des Staates ausübt. Daher ist auch wegen der im Hinblick auf §§ 331 ff. StGB erforderlichen rechtsgutsbezogenen Betrachtungsweise eine Amtsträgerstellung des Vertragsarztes ausgeschlossen.[43]

bb) Therapiefreiheit der Krankenhausärzte trotz Beamtenstellung und Eingliederung in öffentlich-rechtliche Institutionen

Von einer Amtsträgerstellung des Vertragsarztes bei der Therapie, insbesondere der Verordnungstätigkeit (§ 73 Abs. 2 SGB V) kann umso weniger die Rede sein, wenn man die Stellung verbeamteter und angestellter Ärzte im Rahmen der Heilbehandlung vergleichend in den Blick nimmt: Universitäts- und Krankenhausärzte (staatlicher oder kommunaler Krankenhäuser) werden wegen einer Verbeamtung (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 a StGB) oder aufgrund ihrer Aufgaben bei diesen öffentlich-rechtlichen bzw. staatlichen Krankenhäusern – Behörden bzw. sonstige Stellen zwar als Amtsträger gem. § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB angesehen.[44] Nach zutreffender Ansicht ist aber die ärztliche Diagnose und Heilbehandlung im Sinne des § 1 BÄO nicht Teil ihrer Dienstausübung als Amtsträger.[45] Zutreffend hat das OLG Karlsruhe ausgeführt, dass der an sich als Amtsträger anzusehende (Krankenhaus-)Arzt, wovon der Patient auch ausgehe, in demselben Umfange wie jeder frei praktizierende Arzt verpflichtet sei, die Regeln der ärztlichen Kunst zu beachten und alle notwendigen Heilmaßnahmen durchzuführen.[46] Dieser trete dem Patienten daher hinsichtlich der an ihm durchzuführenden Heilbehandlung nicht als Amtsträger gegenüber, der in Ausübung eines Amtes handele, sondern als Arzt, der unabhängig davon, ob er seinen Beruf freiberuflich, an einem privaten oder an einem öffentlichen Krankenhaus ausübe, allein aufgrund seiner Bestallung verpflichtet sei, alles in seinen Kräften Stehende zu tun, um dem Patienten zu helfen.[47] Deshalb sei Art und Umfang der jeweils erforderlichen ärztlichen Maßnahmen allein der von ihm zu verantwortenden Entscheidung überlassen. Der (Krankenhaus-)Arzt sei insoweit völlig unabhängig und eine (rechtliche) Einflussmöglichkeit durch den Krankenhausträger oder die Leitung des Krankenhauses bestehe nicht.[48] Entsprechendes muss auch im Rahmen des SGB V erst recht (s.o.) für den freiberuflichen, niedergelassenen Vertragsarzt bei der Verordnung von Medikamenten oder Hilfsmitteln und anderen ärztlichen Maßnahmen gelten.

cc) Berufsrechtlich und tatsächlich freiberufliche Stellung des Vertragsarztes

Wenn das ärztliche Berufsrecht (§ 1 Abs. 2 BÄO) den ärztlichen Beruf zudem als "seiner Natur nach freien Beruf" einordnet, darf diese gesetzgeberische Wertung bei der Auslegung des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB neben den sozialrechtlichen Normen nicht unbeachtet bleiben. Dies würde gegen den Rechtsgrundsatz der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung verstoßen.[49] Die genannte Norm widerspricht tendenziell der Einordnung selbständig ausgeübter ärztlicher Tätigkeit als öffentlich-rechtlicher Dienstausübung.[50] Diese Regelung und ihre Lebenswirklichkeit – der Vertragsarzt tritt typischerweise als niedergelassener Arzt und eigenverantwortlich-freiberuflich wirtschaftender "Unternehmer" auf – prägt naturgemäß auch die Sichtweise der Öffentlichkeit. Dies wiederum schließt – wie ausgeführt – praktisch aus, dass die Rechtsgüter der §§ 331 ff. StGB durch Vorteilsgewährungen an freiberuflich agierende niedergelassene Vertragsärzte verletzt werden (s.o.). Auch der Vertragsarzt ist in erster Linie Arzt im Sinne der BÄO. Dies berücksichtigt der 3. Strafsenat nicht zureichend.

Auch die Rechtsprechung des BVerfG, wonach der Vertragsarzt das ganze wirtschaftliche Risiko seines Berufes selbst trägt und die Kassenzulassung ihm lediglich eine besondere Erwerbschance bietet,[51] bezieht der 3. Strafsenat nicht in seine Überlegungen ein. In Bezug auf die Einbindung des Arztes in das System der KV und Krankenkassen hat das BVerfG herausgestellt, dass die Tätigkeit des Arztes "auch im Rahmen dieses Systems freiberuflich bleibt". Die Krankenversicherung baue lediglich ihr Kassenarztsystem auf dem freien Arztberuf auf, in dem sie das Vorhandensein dieses Berufes praktisch und rechtlich voraussetzt und sich zunutze macht, ohne den Charakter der Tätigkeit des Vertragsarztes zu ändern.[52] Diese Aussagen des BVerfG verdeutlichen in besonderer Weise den unternehmerischen Aspekt der freiberuflichen Tätigkeit des Arztes, der abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmekonstellationen (s.o.) eine Amtsträgerstellung ausschließt.[53]

Vor diesem Hintergrund sind die umfangreichen Ausführungen des 3. Strafsenat, die über die zahlreichen sozialrechtlichen Normen, die die Tätigkeit des Vertragsarztes direkt oder indirekt reglementieren (Rn. 32 ff.) – und allenfalls belegen könnten, dass dieser in die Erfüllung öffentlicher Aufgaben eingebunden ist – nicht ausschlaggebend. Insbesondere der Umstand, dass Vertragsärzte – überwiegend jedoch über die KV – der Kontrolle und ggf. Sanktionierung durch die Krankenkassen unterliegen (Rn. 37), ist für § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB nicht entscheidend. Mit ähnlichem Recht könnte man auf den Gedanken kommen, andere im öffentlichen Interesse und zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben reglementierte oder kontrollierte Freiberufler und private Unternehmen als Amtsträger anzusehen. Hier gäbe es – legt man die Ausführungen des 3. Strafsenats zugrunde – keine klaren Grenzen – und evtl. kein Halten – mehr.

Die vom 3. Strafsenat gewählte, einseitig sozialrechtliche Sichtweise liefert keinen verallgemeinerungsfähigen Ansatz zur Bestimmung der Grenzen des Anwendungsbereichs des Amtsträgerbegriffs. Sie wird auch der komplexen und mehrdimensionalen rechtlichen und tatsächlichen Identität des Vertragsarztes nicht gerecht. Es ist am Großen Senat in Strafsachen, die strafrechtliche Stellung des Vertragsarztes – unter voller und unvoreingenommener Würdigung aller in Betracht zu ziehender Aspekte – zutreffend zu bestimmen.

dd) Zutreffende Ausführungen des 5. Strafsenats zu Hilfsmitteln gem. § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V im Vorlagebeschluss vom 20.07.2011

Insbesondere gelten die obigen Ausführungen für den in der Vorlage des 3. Strafsenats herausgegriffenen Fall der Verordnung von Hilfsmitteln. Zutreffend lässt der 5. Strafsenat im Vorlagebeschluss vom 20.07.2011[54] anklingen, dass bei den hier betroffenen TENS-Geräten eine Amtsträgerstellung weniger überzeugend ist als bei der Verordnung von Medikamenten. Der 5. Strafsenat weist insbesondere darauf hin, dass es sich bei den verordneten TENS-Geräten um Hilfsmittel (§ 33 SGB V), die der ärztlichen Verordnung unterliegen (§ 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V) handelt und deren Verordnung in der Regel nur das Hilfsmittel an sich, nicht jedoch das konkrete Hilfsmittel eines bestimmten Herstellers betrifft (Rn. 18). Das Sammeln der Verordnungen und die Übersendung an den Leistungserbringer (den Hersteller und Vermieter der TENS-Geräte) fällt daher nicht in den unmittelbaren Aufgabenbereich des Vertragsarztes (vgl. Rn. 18). Eine Konstruktion der Amtsträgerstellung über die Einbeziehung dieser Handlungen in die vertragsärztliche Tätigkeit trägt daher nicht. Richtig ist auch der Hinweis des 5. Strafsenats, dass dem Vertragsarzt bei Hilfsmitteln das Letztentscheidungsrecht fehlt. Soweit keine vertragliche Regelung zwischen dem Leistungserbringer und der gesetzlichen Krankenkasse besteht, ist der Versicherte nämlich (auch aus Sicht des 3. Strafsenats) nicht berechtigt, die Verordnung selbst bei einem Leistungserbringer einzureichen und muss vor der Abgabe eines Geräts die Bewilligung der Krankenkasse einzuholen (Rn. 19). Berechtigter Weise wirft der 5. Strafsenat daher die Frage auf, ob ein Vertragsarzt bei der Verordnung von Hilfsmitteln in einem öffentlich-rechtlich geprägten Bereich der im Rahmen des Sachleistungsprinzips für die Krankenkasse zu erbringenden ärztlichen Leistungen handelt (Rn. 19).[55] Angesichts seiner rein ärztlich-fachlichen und zugleich für das Zustandekommen der vertraglichen Bindungen nicht maßgeblichen Tätigkeit ist dies zu verneinen.[56] Auch aus diesem Grund wäre eine Amtsträger-

stellung des Vertragsarztes gerade für die vom 3. Strafsenat vorgelegte Fallkonstellation der Verordnung von Hilfsmitteln abzulehnen.

III. Vertragsärzte als "Beauftragte" im Sinne des § 299 StGB?

Auch die Begründung der weniger überraschenden Schlussfolgerung des 3. Strafsenats, die Vertragsärzte seien jedenfalls "Beauftragte" im Sinne des § 299 StGB[57] entkräftet wesentlichen Bedenken gegen diese Ansicht nicht vollständig. Vor dem Hintergrund der intensiven Diskussion der vergangenen Jahre in Lit. und Rspr. wird hier nur auf die – aus Sicht des Verfassers – durch die Argumentation des 3. Strafsenats nicht befriedigend beantworteten Kritikpunkte eingegangen. Im Übrigen sei auf die eingehenderen Darlegungen in der Literatur verwiesen.[58]

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass gegen eine Stellung des Kassenarztes als "Beauftragter" im Sinne des § 299 StGB jedenfalls bei Behandlungs- und Verordnungsentscheidungen auch die obigen Ausführungen zur (grundsätzlichen) Therapiefreiheit des Vertragsarztes und dessen primäre Pflicht zur Orientierung am Wohl des Patienten – nicht an den wirtschaftlichen Interessen der Krankenkassen – sprechen.[59] Zutreffend hat der BGH noch unter der Geltung des § 12 UWG darauf abgestellt, dass eine außenstehende Person (nur) "Beauftragter" sein könne, wenn sie an die Interessen des Auftraggebers gebunden sei.[60] Vorliegend ist aber beim Vertragsarzt eine vorrangige – sozial- und berufsrechtliche (s.o.) – Bindung an die (Gesundheits-)Interessen des Patienten, gegenüber dem (Vermögens-)Interesse der Krankenkasse zu konstatieren. Es genügt nicht, auf die §§ 31 ff., 72 Abs. 1, 95 SGB V zu verweisen,[61] um eine Interessenwahrnehmung des Vertragsarztes zugunsten der Krankenkassen zu begründen. Aus der Gesamtschau der Normen des SGB V und des Berufsrechts ergibt sich, dass vorrangig – und das ist gerade keine formale Konstruktion – die Verpflichtung des Vertragsarztes zur Orientierung am Patienteninteresse ist und nicht die am wirtschaftlichen Interesse der Krankenkasse.[62] Dass die Krankenkasse als ein allenfalls sekundär nach Maßgabe des SGB V geschützter "Auftraggeber" des Vertragsarztes als "Beauftragter" im Sinne des § 299 StGB anzusehen ist, harrt weiter einer überzeugenden Begründung.

Zudem ist auch im Rahmen des § 299 StGB die sozialversicherungsrechtliche Vorgabe zur Art und Weise der Zusammenarbeit zu berücksichtigen. Danach wirken die Krankenkassen bei der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung ihrer Versicherten mit den Ärzten zusammen (§ 72 Abs. 1 S. 1 SGB V).[63] Zutreffend weist Klötzer darauf hin, dass die Formulierung des Gesetzgebers gerade impliziert, dass Krankenkassen und Vertragsärzte jeder für sich in einem eigenen Verantwortungsbereich tätig werden.[64] Während die Krankenkasse den ihren Mitgliedern gesetzlich zustehenden Anspruch auf Krankenbehandlung erfüllt, nimmt der Arzt eine ihm originär zugewiesene freiberuflich Aufgabe wahr und trägt deshalb auch die alleinige Verantwortung und Entscheidungsgewalt für die medizinische Behandlung, er wird nur für die eigene Praxis tätig (s.o.), nicht im Auftrag der Kassen.[65]

Es ist – entgegen dem 3. Strafsenat (Rn. 71) – auch weiter daran festzuhalten, dass eine Beauftragtenstellung der Vertragsärzte wegen der Einschaltung der KV in das sozialrechtliche Versorgungssystem in Zweifel zu ziehen ist,[66] jedenfalls angesichts der jetzigen Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen, KV und Vertragsarzt. Soweit der 3. Strafsenat darauf hinweist, dass in anderen Fällen, etwa bei einem Testamentsvollstrecker oder Insolvenzverwalter, eine unmittelbare rechtliche Beziehung zwischen "Beauftragtem" und "Auftraggeber" nicht verlangt wird,[67] übersieht er, dass in diesem Fällen – anders als hier – kein Verhältnis zwischen beiden besteht, bei dem die Rechtsbeziehungen des einen zum anderen nach den gesetzlichen Regelungen maßgeblich und auf Dauer nur über ein drittes Subjekt – die KV – bestehen, welches selbständig gestaltet wird, wie vorliegend durch die KV. Jedenfalls in einem solchen Falle sollte ein "Durchlaufen" einer Beauftragung gem. § 299 StGB vom angeblichen Auftraggeber (Krankenkasse) über die KV bis zum Vertragsarzt nur auf eindeutige gesetzliche oder vertragliche Regelungen gestützt werden, aus denen sich dieses ergibt, nicht auf eine bloß faktische Einwirkungsmöglichkeit oder die Gesamtsystematik der Normen des SGB V. Zutreffend wurde aber aus sozialrechtlicher Sicht dargelegt, dass der Vertragsarzt in keiner Rechtsbeziehung zu den gesetzlichen Krankenkassen steht.[68]

Soweit davon die Rede ist, es müsse keine unmittelbare rechtsgeschäftliche Beziehung zwischen Kassenarzt und Krankenkasse bestehen, um ersteren zum Beauftragten von letzterer zu machen,[69] wenn eine Bindung an die Interessen des Betriebs besteht, so ist dem zu erwidern, dass auch die mittelbare rechtsgeschäftliche Bindung an die Interessen der Krankenkasse noch darzulegen wäre, da die Patienteninteressen primär zu wahren sind (s.o.).

Man würde das bestehende Gesundheitssystem auf den Blickwinkel der gesetzlichen Krankenkassen reduzieren, wenn nach deren wirtschaftlicher Interessenlage eine postulierte Wächterfunktion des Vertragsarztes zugunsten der Finanzinteressen der Kassen zu Lasten anderer wichtigerer Aspekte als tätigkeitsprägend konstruiert werden würde, mit der Folge, dass der Vertragsarzt deshalb als Beauftragter der Kassen im Sinne des § 299 StGB anzusehen wäre. Dies ist entgegen dem 3. Strafsenat abzulehnen.

IV. Unvermeidbarer Verbotsirrtum der an einer Vorteilsgewährung zugunsten von Vertragsärzten Beteiligten

Zu recht geht der 3. Strafsenat hingegen davon aus, dass eine individuelle Strafbarkeit der Vorteilsgeber nach den §§ 299, 331 ff. StGB (dasselbe gilt für die Vorteilsnehmer) vorliegend aufgrund eines unvermeidbaren Verbotsirrtums (§ 17 S. 1 StGB) auszuschließen sei (Rn. 18), weil der – in diesem Sinne anwaltlich beratene – Geschäftsführer von der Straflosigkeit des Geschäftsmodells überzeugt war und "die nahezu allgemeine Auffassung in Rechtsprechung und Literatur zur Tatzeit dahin ging".

1. Hinsichtlich des § 299 StGB

Ungeachtet einiger bereits vorher divergierender Stellungnahmen in der Literatur[70] bestand diese herrschende Einschätzung hinsichtlich der Unanwendbarkeit des § 299 StGB auf Vertragsärzte nicht nur im hier fallrelevanten Tatzeitraum – offenbar bis November 2008 (Rn. 7) –, sondern tatsächlich mindestens bis zum Bekanntwerden des Beschluss des OLG Braunschweig vom 23.02.2010 fort. Die Unvermeidlichkeit eines Verbotsirrtums bzgl. der Anwendbarkeit des § 299 StGB bis zum Bekanntwerden der ersten richterlichen Entscheidung im entgegengesetzten Sinn muss insbesondere aufgrund der Einstellungsentscheidungen der Staatsanwaltschaften in öffentlichkeitswirksamen Verfahren angenommen werden. In der Praxis kamen nämlich insbesondere die StA Ulm – im bekannt gewordenen Einstellungsbeschluss gegen Verantwortliche der Fa. Ratiopharm – und im Anschluss daran die GenStA Stuttgart noch in den Jahren 2005/2006 zu dem Schluss, dass Vertragsärzte nicht taugliche Täter im Sinne des § 299 StGB sein können.[71] Über Verurteilungen eines niedergelassenen Vertragsarztes nach § 299 Abs. 1 StGB wurden hingegen in einschlägigen Rechtsprechungsübersichten nicht berichtet.[72]

Nach h. Rspr. kommt es für die Unvermeidbarkeit des Irrtums darauf an, ob der konkrete Täter nach seinen individuellen Fähigkeiten bei Einsatz aller seiner Erkenntniskräfte und sittlichen Wertvorstellungen unter Umständen auch durch Erkundigung zur Unrechtseinsicht hätte kommen können.[73] Vor dem oben geschilderten Hintergrund kommt es hier nicht darauf an, dass bei komplexen Sachverhalten und erkennbar schwierigen Rechtsfragen an sich regelmäßig ein detailliertes, schriftliches – nicht im Ruch einer Gefälligkeit stehendes – Gutachten eines hinreichend unabhängigen Rechtskundigen erforderlich ist.[74] Dies gilt zum einen deshalb, weil nach zutreffender Rspr. bei objektiv noch nicht geklärten Rechtsfragen die Vermeidbarkeit eines Irrtums über die Rechtswidrigkeit zu verneinen ist, soweit noch keine einschlägigen Judikate und Entscheidungen vorliegen.[75] Nach menschlichem Ermessen können hier nämlich auch bei rechtskundiger Beratung keine sicheren und der voraussichtlichen, maßgeblichen Sicht der Rspr. entsprechende Expertisen eingeholt werden.[76] Aufgrund der der Fachöffentlichkeit und weiten Kreisen im Gesundheitswesen bekannt gewordenen prominenten zitierten Entscheidungen der genannten Staatsanwaltschaften und mangels entgegengesetzter, öffentlich gewordener Entscheidungen oder Äußerungen der Justiz bestand schon in der Sache kein Anlass zur Einholung von Rechtsrat. Eine Erkundigungspflicht im Sinne des § 17 StGB angesichts vereinzelter Literaturäußerungen ist bei einer solchen Konstellation nicht anzunehmen, denn die Rechtsfrage musste vorläufig für die Praxis als im Sinne der Straflosigkeit geklärt gelten. Dies gilt insbesondere, weil die abweichende Literaturauffassung[77] zumindest von der GenStA Stuttgart noch für ihre entgegengesetzte Entscheidung zur Kenntnis genommen werden und beurteilt werden konnte. Selbst wenn man eine Erkundigungspflicht bejahen wollte, war ein Irrtum bis zum o.g. Zeitpunkt unvermeidbar, weil die Einholung eines – lege artis an Rechtsprechungspraxis und h. M. orientierten – Gutachtens angesichts der herrschenden Lit. und der genannten Entscheidungen nicht zu der Auskunft geführt hätte, dass ein Vertragsarzt als "Beauftragter" im Sinne des § 299 StGB anzusehen sei. Die Feststellung der Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums setzt aber voraus, dass eine (gebotene) Erkundigung zur Erkenntnis der Rechtswidrigkeit des Handelns geführt hätte.[78] Beides hat zur Folge, dass die durch den 3. Strafsenat erwähnte, fallbezogene rechtliche Beratung des Vorteilsgebers mit der Aussage, das Geschäftsmodell sei legal, hier keine zwingende Voraussetzung für einen schuldausschließenden Verbotsirrtum war.

2. Hinsichtlich der §§ 331 ff. StGB

Hinsichtlich der Überzeugung, dass der Vertragsarzt kein Amtsträger gem. § 11 Abs. 1 StGB ist, ist im Hinblick auf die §§ 331 ff. StGB unter dem Gesichtspunkt des § 17 S. 2 StGB eine selbständige Bewertung nötig. Denn § 17

StGB stellt auf das "Unrecht” und nicht die bloße "Rechtswidrigkeit” eines Verhaltens ab und bezieht dieses somit auf eine konkrete Tat. Erforderlich ist daher, dass sich die "Unrechtseinsicht” auf eine "spezifische Rechtsgutsverletzung” bezieht, mithin sich der Täter gerade des straftatbestandlich vertypten Unrechts – hier der §§ 331 i.V.m. 11 Abs. 1 ff. StGB bewusst sein muss.[79] Hier fällt die Bewertung allerdings noch eindeutiger zugunsten der Unvermeidbarkeit aus, da bis zur Veröffentlichung der Pressemeldung des besprochenen Vorlagebeschlusses des Senats am 5.5.2011 weder Entscheidungen noch auch nur Ermittlungsverfahren gem. §§ 331 ff. StGB wegen der Vorteilsgewährung an Vertragsärzte bekannt wurden noch – anders als bzgl. § 299 StGB – eine ernsthafte und aktuelle Diskussion in der Lit. festzustellen war. Letzteres wird insbesondere durch die lakonische Kommentierung Fischers in seinem Standardwerk für die Praxis treffend auf den Punkt gebracht, die in der aktuellen Auflage von 2011 schlicht lautet: "Keine Amtsträger sind Vertragsärzte durch Zulassung zur kassenärztlichen Versorgung".[80] Vor diesem Hintergrund bestand bis zum 5.5.2011 weder eine Erkundigungspflicht bzgl. strafrechtlicher Risiken nach §§ 331 ff. StGB, noch hätte eine rechtskundige Stellungnahme nach menschlichem Ermessen zu der Auskunft führen können, dass Vertragsärzte in dieser Funktion wegen Amtsträgerdelikten, insbesondere gem. §§ 331 ff. StGB, strafbar wären. Zu dieser Erkenntnis hätte wenn überhaupt offenbar eine – nach den Voraussetzungen des § 17 StGB nicht vorgesehene – Erkundigung bei den Mitgliedern des 3. Strafsenats führen können.

Wendet man ein, dass es nach h. Rspr. nicht auf eine Kenntnis der Strafbarkeit, sondern auf das Unrechtsbewusstsein – einschließlich des Verstoßes gegen berufsrechtliche oder sozialrechtliche Normen – insgesamt ankommt,[81] dürfte man bzgl. der im Raum stehenden Bestechungsvorwürfe dennoch zu keinem anderen Ergebnis als dem oben beschriebenen. Erforderlich ist nämlich eine Unrechtseinsicht bzgl. des spezifisch geschützten Rechtsguts (hier der §§ 299, 331 ff. StGB).[82] Selbst wenn ein Vertragsarzt bewusst Normen des SGB V bei der Verordnung von Hilfsmitteln oder Medikamenten zu Lasten der Krankenkassen verletzen und insofern Unrechtsbewusstsein haben sollte, wird er – bei lebensnaher Betrachtung – jedoch keine Vorstellung von einer daraus resultierenden Verletzung der Freiheit des Wettbewerbs (§ 299 StGB) oder des Vertrauens der Allgemeinheit in die Lauterkeit der öffentlichen Verwaltung (§§ 331 ff. StGB) haben. Allenfalls hinsichtlich des spezifischen Rechtsguts der Untreue (§ 266 StGB) – des Vermögens (der Krankenkasse) – könnte bei konkreten Anhaltspunkten im Einzelfall eine Unrechtseinsicht angenommen werden. Bei genauerer Betrachtung ist zudem bzgl. §§ 299, 331 ff. StGB ein Unrechtsbewusstsein konkret hinsichtlich der "Unrechtsvereinbarung" – Vorteilsgewährung für die Verordnungsentscheidung – nötig, da die Straftat hierin liegt, nicht in der ggf. nachfolgenden Verordnungsentscheidung. Bezüglich dieser Vereinbarung sind keine speziellen Verbote des SGB V oder der BÄO ersichtlich. Zwar verbieten die Berufsordnungen der Ärzte bundeseinheitlich die Annahme und Vereinbarung von Vorteilen für die Verordnung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln oder Medizinprodukten.[83] Bei der Ärztlichen Berufsordnung stellt sich bereits die Frage, ob es sich um ein staatliches (materielles) Gesetz handelt, und die Kenntnis der Verletzung "verbindlichen Rechts" und der Wertordnung anzunehmen ist.[84] Jedenfalls schützt die genannte Vorschrift erkennbar weder den freien Wettbewerb noch das Vertrauen in die Lauterkeit der öffentlichen Verwaltung, sondern spezifische Belange der sachgerechten, medizinisch adäquaten ärztlichen Berufsausübung. Eine Kenntnis der Verletzung eines solchen berufsrechtlichen Verbots – mit anderem Schutzgut – führt mithin nicht zu der für §§ 299, 331 ff. StGB erforderlichen Unrechtseinsicht hinsichtlich der durch diese Normen geschützten Rechtsgüter.

Selbst wenn dies so wäre, ist hilfsweise darauf hinzuweisen, dass die Auffassung der höchstrichterlichen Rspr. nicht konsistent ist, wonach sich zwar einerseits das Unrechtsbewusstsein auf die spezifische Rechtsgutsverletzung des betroffenen (Straf-)Tatbestands beziehen muss,[85] andererseits aber angeblich nicht aber auf die (strafrechtliche oder ordnungswidrigkeitsrechtliche) Sanktionierbarkeit.[86] Zutreffend und vor allem konsistent erscheint vielmehr die Auffassung in der Literatur, die zumindest das Bewusstsein, gegen ein sanktionsbewehrtes rechtliches Verbot zu verstoßen, als notwendig ansieht.[87] Da eine Kenntnis von einem Verstoß gegen die o.g. berufsrechtliche Norm anderer Schutzrichtung noch nicht die erforderliche Kenntnis der sozialen Bedeutung[88] eines Verstoßes gegen die §§ 299, 331 ff. StGB vermittelt, reicht deren Kenntnis gerade nicht aus, um einen unvermeidlichen Verbotsirrtum auszuschließen.

V. Ergebnis und Konsequenzen

Es bleibt demnach festzuhalten, dass die Einordnung des Vertragsarztes als Amtsträger gem. § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB durch den 3. Strafsenat und den 5. Strafsenat nicht überzeugend ist und die als Beauftragter gem. § 299 StGB jedenfalls nicht unangreifbar begründet wurde. Vertragsärzte sollten in dieser Funktion daher durch die Strafjustiz weiterhin nicht als Täter passiver Korruptionsdelikte und als Adressaten aktiver Korruptionstaten verfolgt werden.

Zu befürchten ist jedoch nach der Tendenz der vorliegenden Entscheidungen, dass zukünftig – zumindest – § 299 StGB auf Vertragsärzte angewandt werden wird. Auch

eine Bejahung der Anwendbarkeit der §§ 331 ff. StGB auf Vertragsärzte durch den Großen Senat für Strafsachen kann angesichts der Vorlage durch zwei Strafsenate keinesfalls ausgeschlossen werden.

Hinsichtlich der Ausführungen zu § 17 StGB ist die Entscheidung des 3. Strafsenats dahingehend zu präzisieren, dass ein Verbotsirrtum – würde man hypothetisch die Richtigkeit der Auffassung zu §§ 299, 331 ff. StGB unterstellen – hinsichtlich der Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) mindestens bis zum 23.02.2010 als unvermeidbar und strafbefreiend geltend muss, hinsichtlich der Amtsträgerbestechungsdelikte gem. §§ 331 ff. StGB hingegen mindestens bis zum 5.5.2011. Dies hat nach zutreffender Auffassung auch unabhängig davon zu gelten, ob seitens der Betroffenen anwaltlicher Rechtsrat zu diesen Fragen eingeholt wurde, vorausgesetzt, sie gingen davon aus, nicht Beauftragte bzw. Amtsträger im Sinne der Bestechungsdelikte zu sein.

Die Entscheidungen erfordern jedoch präventiv – so noch nicht geschehen – eine zeitnahe, entsprechende Anpassung der Compliance-Richtlinien insbesondere bei Herstellern von Pharmaprodukten und sonstigen Medizinprodukten, vorsichtshalber auch unter Berücksichtigung der strengeren Vorgaben der §§ 331 ff. StGB.

Weiter werden Unternehmen, die in steuerlich nicht festsetzungsverjährter Zeit (§§ 169 ff. AO) Zuwendungen an Vertragsärzte gewährt haben, zeitnah – spätestens nach der Entscheidung des Großen Senats – systematisch aufzuarbeiten haben, inwieweit solche Zuwendungen (Geld, Einladungen, Reisen etc.), soweit sie als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) gewinnmindernd geltend gemacht wurden, dem Abzugsverbot für Vorteile im Sinne des Bestechungsstrafrechts gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG i. V. m. § 299 StGB oder sogar i. V. m. §§ 331 ff. StGB unterliegen. Insoweit wird – sinnvollerweise vor der nächsten Außen- bzw. Betriebsprüfung – eine berichtigende Nacherklärung (§ 153 Abs. 1 AO) abzugeben sein. Falls eine Untersuchung und Nacherklärung unterbleibt, könnte (ggf. zusätzlich) eine Strafverfolgung der bis jetzt hinsichtlich der §§ 299, 331 ff. StGB noch gutgläubigen Gesellschaftsorgane wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) drohen.


[1] Vgl. nur den die strafrechtliche Praxis dominierenden Kommentar von Fischer, 58. Aufl. (2011), § 11 Rn. 22 c.

[2] Neupert NJW 2006, 2811; Pragal/Apfel A&R 2007, 10, 16 f.

[3] Taschke StV 2005, 406, 410; Bernsmann/Schoß GesR 2005, 193, 195 f.; Geis wistra 2005, 369; Geis GesR 2006, 345, 347; Geis wistra 2007, 361; Reese PharmR 2006, 92, 96; Sahan ZIS 2007, 69; Klötzer NStZ 2008, 12 ff.; Kölbel wistra 2009, 129, 132; Brockhaus/Dann/Teubner/Tsambikakis wistra 2010, 418; Dieners PharmR 2010, 232; Geis wistra 2010, 280; Schneider StV 2010, 366; Schneider HRRS 2010, 241, 245 ff.; Sobotta GesR 2010, 471; Steinhilper MedR 2010, 499; Warntjen/Schelling PharmR 2010, 509; Weidhaas ZMGR 2010, 199.

[4] Fischer (Fn. 1) § 299 Rn. 10b ff.; LK/Tiedemann, 12. Aufl. (2008), § 299 Rn. 18; NK/Dannecker, 3. Aufl. (2010), § 299 Rn. 23c; Böse/Mölders MedR 2008, 585, 586 ff.

[5] OLG Braunschweig NStZ 2010, 392.

[6] HRRS 2011 Nr. 800.

[7] HRRS 2011 Nr. 801.

[8] Unter Hinweis auf BGHSt 54, 39, 41 = HRRS 2009 Nr. 717 und 54, 202, 208 = HRRS 2010 Nr. 109.

[9] BT-Drs. 13/5584 vom 24.09.1996, S. 6, 9.

[10] Der Status der Kassen als Selbstverwaltungskörperschaften wird in § 29 Abs. 2 SGB IV so bestimmt, dass die Selbstverwaltung nicht durch die Bediensteten der Krankenkassen, sondern grundsätzlich durch die Versicherten und die Arbeitgeber ausgeübt wird (politische Selbstverwaltung); § 29 Abs. 3 SGB IV enthält die Garantie, dass die Krankenkassen ihre Aufgaben selbstständig und unabhängig von fachlichen Weisungen staatlicher Stellen wahrnehmen können (rechtliche Selbstverwaltung), Quaas/Zuck, MedR, 2. Aufl. (2008), § 7 Rn. 9 m.w.N.

[11] BGHSt 43, 370, 377; 45, 16, 19; 45, 49; 45, 214, 219; 50, 299, 303 = HRRS 2006 Nr. 123; 54, 202, 212 = HRRS 2010 Nr. 109.

[12] BGHSt 43, 370 ff.

[13] BGHSt 43, 370, 377 f.

[14] BGHSt 43, 370, 377 f.

[15] Fischer (Fn. 1) § 11 Rn. 18, 20, 22a m.w.N.; Welp, FS f. Lackner, 1. Aufl. (1987), 761, 764; vgl. in der Rspr.: BGHSt 42, 233; 43, 370, 377; 45, 16, 19; 46, 310, 312 f.; 49, 214, 219 = HRRS 2004 Nr. 800; 50, 299, 303 = HRRS 2006 Nr. 123; 54, 202, 212 = HRRS 2010 Nr. 109; BGH NJW 1998, 2373; 2007, 2932, 2933 f. = HRRS 2007 Nr. 561; BGH NStZ 2008, 87, 88 = HRRS 2007 Nr. 881.

[16] Neupert NJW 2006, 2811, 2813; Pragal/Apfel A&R 2007, 10, 16 f.

[17] Taschke StV 2005, 406, 409; vgl. auch Neupert NJW 2006, 2811, 2813, der eine Amtsträgerstellung befürwortet.

[18] So schon Neupert NJW 2006, 2811, 2813; Pragal/Apfel A&R 2007, 10, 16f.

[19] BGH NJW 1998, 2373 ("Ortsingenieur").

[20] BGH NJW 1998, 2373, 2374.

[21] BGHSt 54, 202, 212 = HRRS 2010 Nr. 109.

[22] Lenckner ZStW 106 (1994), 502, 531 f.; Haft NJW 1995, 1113, 1114 f.; Neupert NJW 2006, 2811, 2813.

[23] Vgl. neuerdings BGHSt 50, 299, 303 = HRRS 2006 Nr. 123; 54, 202, 212 = HRRS 2010 Nr. 109; BGH NJW 2004, 693, 694 = HRRS 2004 Nr. 74; 2007, 2932, 2933 = HRRS 2007 Nr. 561; NStZ 2006, 628, 630 = HRRS 2006 Nr. 612; 2007, 211 = HRRS 2006 Nr. 985; 2009, 562, 563 = HRRS 2009 Nr. 229 u. Fischer (Fn. 1) § 11 Rn. 22a.

[24] BGHSt 46, 310, 313 = BGH NJW 2001, 2102; BGH NJW 2004, 693 = HRRS 2004 Nr. 74; Fischer (Fn. 1) § 11 Rn. 22 m.w.N.; vgl. Lenckner ZStW 106 (1994), 502, 533f.; Schramm JuS 1999, 333, 336.

[25] BGHSt 42, 232; 43, 96, 105; stdg. Rspr., jüngst etwa BGH NStZ 2008, 87, 88 = HRRS 2007 Nr. 881.

[26] Klötzer NStZ 2008, 12 ff.

[27] Neupert NJW 2006, 2811, 2813.

[28] Klötzer NStZ 2008, 12, 16.

[29] Klötzer NStZ 2008, 12, 16; zustimmend Fischer (Fn. 1) § 11 Rn. 22c.

[30] BGHSt 43, 96, 105 = BGH NJW 1997, 3034 = BGH NStZ 1997, 540 ff. ("Ortsarchitekt"); BGH NJW 1998, 2373, 2374 ("Ortsingenieur").

[31] BGHSt 43, 96, 105; BGH NJW 1998, 2373, 2374.

[31] BGH NJW 1998, 2373, 2374.

[32] So auch BGHSt 49, 17, 18 f.; BSGE 73, 271, 277 f.; 77, 194, 199 f.; 79, 190, 194; vgl. schon Schwerdtfeger NZS 1998, 97, 101; Spellbrink NZS 1999, 1, 2.

[33] OLG Stuttgart StV 2009, 77 f.

[34] Vgl. BGH NJW 1998, 1874, 1876 ("GTZ").

[35] BGH NJW 1998, 1874, 1876.

[36] So etwa BGHSt 15, 88, 96f.; 47, 309; 49, 280; BGH NJW 1987, 1342; 2001, 2558; 2004, 3571 = HRRS 2004 Nr. 959; 2007, 2934 = HRRS 2007 Nr. 561; OLG Hamburg StV 2001, 287, OLG Hamm NStZ 2002, 38, OLG Stuttgart NJW 2002, 228.

[37] Vgl. BGH NJW 1998, 1874, 1876.

[38] Spickhoff, MedR BÄO, 1. Aufl. (2011) § 1 Rn. 8 m.w.N.

[39] Spickhoff (Fn. 38) § 1 Rn. 3.

[40] Spickhoff (Fn. 38) § 1 Rn. 8 spricht von einer faktischen Einschränkung.

[41] Spickhoff (Fn. 38) § 1 Rn. 6 m.w.N.

[42] Spickhoff (Fn. 38) § 1 Rn. 6 m.w.N.

[43] Gegen eine Amtsträgerstellung schon Taschke StV 2005, 406, 409; Geis wistra 2007, 361, 364; Klötzer NStZ 2008, 212 f.

[44] OLG Karlsruhe NJW 1983, 352 zu § 340 StGB.

[45] OLG Hamburg MedR 2000, 371   ff. verweist zutreffend nur darauf, dass ein (Krankenhaus-)Arzt dienstliche Handlungen vornimmt, wenn er forscht, Vorträge hält, bestimmte Medizinprodukte selbst bestellt, einen anderen Krankenhausmitarbeiter zu deren Beschaffung veranlasst, bei der Auswahl mitwirkt, Gespräche mit den Herstellerfirmen führt, ein positives Votum zugunsten eines bestimmten Medikaments oder eines bestimmten Geräts abgibt usw.

[46] OLG Karlsruhe NJW 1983, 352, 353 zu § 340 StGB.

[47] OLG Karlsruhe NJW 1983, 352, 353 zu § 340 StGB.

[48] OLG Karlsruhe NJW 1983, 352, 353 zu § 340 StGB.

[49] Die strafrechtliche Auslegung hat nach h. Rspr. (RGSt 70, 251, 254 f; BGHSt 13, 102, 117; 25, 97, 99; 34, 221, 225) darauf zu achten, dass sich die Gesamtheit der gesetzlichen Bestimmungen möglichst zu einem widerspruchslosen Ganzen fügt.

[50] Taschke StV 2005, 406, 410 f.

[51] BVerfGE 11, 31 ff.

[52] BVerfGE 11, 31, 39f.

[53] In diesem Sinne (vorwiegend zu § 299 StGB): Taschke StV 2005, 406, 411; Reese PharmR 2006, 92, 97; Klötzer NStZ 2008, 212, 214.

[54] BGH HRRS 2011 Nr. 801 Rn. 18 ff., im Weiteren werden nur die Rn. des Beschlusses zitiert.

[55] Vgl. auch entsprechende Überlegungen bei Klötzer NStZ 2008, 12, 14 ff.

[56] Klötzer NStZ 2008, 12, 15 f.

[57] BGH HRRS 2011 Nr. 800. In der Folge werden wiederum nur die Rn. des Beschlusses vom 05.05.2011 zitiert.

[58] Insbesondere Taschke StV 2005, 406, 410; Geis wistra 2005, 369 ff.; Geis GesR 2006, 345 ff.; Klötzer NStZ 2008, 12 ff.; Brockhaus/Dann/Teubner/Tsambikakis wistra 2010, 418 ff.

[59] Zutreffend Geis GesR 2006, 345, 347; Geis wistra 2005, 369, 370; Brockhaus/Dann/Teubner/Tsambikakis wistra 2010, 418, 419 f.

[60] BGHSt 2, 401; vgl. auch Fischer (Fn. 1) § 299 Rn. 10a, andererseits aber Rn. 10b ff.

[61] Fischer (Fn. 1) § 299 Rn. 10e.

[62] Schneider StV 2010, 366, 367 f.

[63] Klötzer NStZ 2008, 12, 14 .

[64] Klötzer NStZ 2008, 12, 14 .

[65] Taschke StV 2005, 406, 411; Geis wistra 2005, 369, 370; Reese PharmR 2006, 92, 96; Klötzer NStZ 2008, 12, 14.

[66] Brockhaus/Dann/Teubner/Tsambikakis wistra 2010, 418, 420; a. A. Fischer (Fn. 1) § 299 Rn. 10 d; Dannecker GesR 2010, 281, 284.

[67] BGHSt 2, 396, 401; auch Dannecker GesR 2010, 281, 284.

[68] Schnapp, FS f. Herzberg, 1. Aufl. (2008), 795, 801, 805; in diesem Sinne auch Geis wistra 2005, 369 ff.; 2007, 361, 362; Klötzer NStZ 2008, 12, 15   f; Schmidl wistra 2006, 286, 288.

[69] Fischer (Fn. 1) § 299 Rn. 10e unter Verweis auf BGHSt 2, 396, 401.

[70] Fischer (Fn. 1) § 299 Rn. 10b ff.; Pragal NStZ 2005, 133; Pragal/Apfel A&R 2007, 10, 16 f.; Böse/Mölders MedR 2008, 585, 586 ff.

[71] Zitiert nach Ulsenheimer, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl. (2010), § 152 Rn. 116. Die Entscheidungen wurden seinerzeit durch die Justiz in BW auch elektronisch veröffentlicht.

[72] Vgl. Wasserburg NStZ 2007, 198   ff. (Rechtsprechungsübersicht zum Arztstrafrecht – Juni 2002 bis Juni 2006); Ulsenheimer (Fn. 71) § 152 Rn. 116.

[73] BGHSt 3, 357, 366; 4, 1; 236; BGH NJW 1962, 1831; BGH NStZ 2000, 307, 309; OLG Düsseldorf NStZ 1981, 444; OLG Köln NJW 1996, 472.

[74] BGH NStZ-RR 2009, 13 LS Nr. 6.

[75] OLG Karlsruhe NJW 2003, 1061.

[76] OLG Karlsruhe NJW 2003, 1061.

[77] Pragal NStZ 2005, 133.

[78] BGHSt 37, 55, 67; BGH NJW 1996, 1606; OLG Braunschweig StV 1998, 492.

[79] BGHSt 15, 376, 382; OLG Stuttgart NStZ 1993, 344; OLG Karlsruhe NJW 2003, 1061.

[80] Fischer (Fn. 1) § 11 Rn. 22c.

[81] BGHSt 52, 227, 239 f = HRRS 2008 Nr. 591.

[82] BGHSt 10, 35 f.; 15, 376 f.; BGH wistra 1995, 306; BGH NStZ 1996, 237.

[83] Vgl. § 34 Abs. 1 NWBOÄ, zitiert nach Neupert NJW 2006, 2811.

[84] In diesem Sinn (für Bayern) wohl Bayer. LandesberGer für die Heilberufe NStZ-RR 2002, 185 f.

[85] BGH wistra 1995, 306; BGH NStZ 1996, 237; OLG Stuttgart NStZ 1993, 345.

[86] BGHSt 11, 266; BGHSt 52, 227, 239 f.

[87] Neumann in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 3. Auflage (2010) § 17 Rn. 21-24; Otto Jura 1990, 647; Laubenthal/Baier GA 2000, 207.

[88] Neumann (Fn. 88) § 17 Rn. 30 f. m.w.N.