HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Oktober 2007
8. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Strafbarkeit der Werbung für Terrororganisationen

Zugleich Besprechung von BGH Beschluss v. 16. Mai 2007 - AK 6/07 u. StB 3/07 = BGH HRRS 2007 Nr. 800.

Von Dr. Marco Mansdörfer, Freiburg *

I. Die grundsätzliche Bedeutung der Entscheidung

Eine höchstrichterliche Entscheidung, die trotz des allgemein verschärften Kampfes gegen den Terrorismus die Bedeutung einer einschlägigen Strafvorschrift signifikant einschränkt, erregt Aufmerksamkeit. Dies gilt erst recht, wenn die meisten Ermittlungsverfahren nach § 129a StGB wegen Werbens für eine terroristische Vereinigung eingeleitet werden[1], dadurch in der Praxis vielfach der Zugriff auf bedeutsame strafprozessuale Ermittlungsbefugnisse eröffnet wird[2] und genau dieser Mechanismus nun in nicht unerheblichem Umfang außer Kraft gesetzt wird. Das allein sollte ausreichen, den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16. Mai 2007 kritisch zu würdigen.

II. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt

B verbreitete von seinem Wohnsitz aus über eine Kommunikationssoftware in einem islamistisch ausgerichteten Chatroom im Internet Audio- und Videobotschaften von Rädelsführern oder Mitgliedern der ausländischen Terrororganisationen Al-Qaeda und Al-Qaeda im Zweistromland. Dazu spielte er die Botschaften entweder in Echtzeit im Chatroom ab, stellte sie in den Textchat ein oder machte die Dateien anderen über Links zugänglich. Auf diese Weise verbreitete B Texte, in denen im Wesentlichen durch die Rädelsführer Bin Laden, Al Zarqawi und Al-Zawahiri zur Teilnahme am Djihad sowie zur Tötung von Gegnern aufgerufen wurde oder bereits begangene terroristische Anschläge gerechtfertigt wurden. Die Überwachung des Internetverkehrs des B führte schließlich zu dessen Festnahme und zur Anordnung von Untersuchungshaft, über deren Fortdauer nun zu entscheiden war.

III. Der Entscheidungstenor und seine Begründung

Die Ermittlungsrichter des 3. Strafsenats ordneten im Ergebnis zwar die Fortdauer der Untersuchungshaft an; sie änderten den Haftbefehl aber dahin, dass B nicht der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung gem. § 129a Abs. 5 S. 1 StGB in 40 Fällen, sondern (nur) des Werbens um Mitglieder oder Unterstützter gem. § 129a Abs. 5 S. 2 StGB in 26 Fällen verdächtig sein sollte.

Aus dem Tenor des Beschlusses folgt zweierlei. Erstens: Bestimmte Verhaltensweisen wurden aus dem Tatbestand des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung in den Tatbestand des Werbens um Mitglieder verlagert. Zweitens: In einer ganzen Reihe von Fällen wird das Verhalten des B offensichtlich für straflos gehalten.

Damit wird auch klar, womit sich der Beschluss eigentlich beschäftigt. Es geht zum einen um die Abgrenzung der verschiedenen Tatbestandsalternativen des § 129a Abs. 5 StGB. Diese Abgrenzung wurde notwendig, weil der Gesetzgeber die verschiedenen Verhaltensweisen durch das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung vom 22. Dezember 2003 mit unterschiedlichen Strafdrohungen sanktioniert hat[3]. Zum anderen versucht der Staatsschutzsenat, diejenigen Handlungen näher zu konkretisieren, die der Gesetzgeber durch das 34. Strafrechtsänderungsgesetz vom 22. August 2002[4] als bloße Sympathiewerbung straffrei stellen wollte.

Dazu geht der Senat folgendermaßen vor: Er definiert zunächst das Unterstützen einer terroristischen Vereinigung wie bislang als das Fördern der Tätigkeit oder der Bestrebungen der Organisation in Bezug auf deren inneren Frieden, einzelne Taten oder das kriminelle Potential der Organisation[5]. Die Unterstützungshandlung soll der terroristischen Vereinigung auch einen Vorteil bringen müssen; ein messbarer Nutzen soll aber nicht notwendig sein. Im nächsten Schritt schließt der Senat die Sympathiewerbung aus dem Bereich des Unterstützens ausdrücklich aus und begründet dies mit dem Willen des Gesetzgebers, an den er sich gebunden fühlt[6]. Zuletzt setzt sich der Senat eingehend mit den vom Generalbundesanwalt in einer Zuschrift zum Verfahren erhobenen Bedenken auseinander und konkretisiert seinen Ansatz: So soll neben einfacher Sympathiewerbung auch Sympathiewerbung mit propagandistischem Charakter[7] und aus Konsistenzerwägungen auch das bloße Verbreiten entsprechender Inhalte[8] straflos sein. Außerdem soll dasjenige Werben um Mitglieder, Unterstützer oder Sympathie durch § 129a Abs. 5 S. 2 StGB privilegiert sein, das eine Beihilfe im Sinne der §§ 129a Abs. 1 - 3, 27 StGB darstellen könnte[9]. Ob das auch gilt, wenn das Werben im Einzelfall tatsächlich zu einem messbaren Vorteil geführt hat, bleibt offen[10]. Als messbarer Vorteil wird etwa der Beitritt eines neuen Mitglieds angeführt.

IV. Entscheidungskritik

1. Der Bundesgerichtshof war in der Entscheidung dazu aufgerufen, die Untergrenze des Strafrechts im Bereich der Bildung terroristischer Vereinigungen zu bestimmen. Solche Grenzziehungen gehören zu den schwierigsten Fragen im Strafrecht überhaupt. Das liegt unter anderem daran, dass diese Grenze nicht mit einem einzelnen fixen Kriterium festgelegt werden kann. In der Sache lässt sich nur ein mehr oder weniger vager Katalog inhaltlich von einander abhängiger Kriterien aufstellen, mit dessen Hilfe man sich im Einzelfall an die Grenzen strafbaren Verhaltens annähern kann[11]. Umso erfreulicher ist es, dass der BGH eine Entscheidung getroffen hat, die im Ergebnis uneingeschränkte Zustimmung verdient. Wenn der Begründung gleichwohl an manchen Stellen die letzte Schärfe und Überzeugungskraft fehlt, so liegt dies hauptsächlich daran, dass sich das Gericht in erster Linie von einer historisch-systematischen Auslegungsmethode[12] hat leiten lassen.

2. Das fordert zu der Überlegung heraus, ob und inwieweit die Entscheidung auch von materialen rechtstheoretischen Erwägungen getragen wird. Dazu sollen im Ausgangspunkt die Fallgruppen der Werbung für terroristische Vereinigungen aufgenommen werden, die das Gericht selbst entwickelt hat. Diese werden dann je für sich auf ihre Strafwürdigkeit hin untersucht. Werbung kann man dabei generell als eine planmäßige öffentliche Information oder Einflussnahme mit dem Ziel, den Adressaten wirkungsvoll im Sinne der beworbenen Sache anzusprechen, verstehen[13]. Allgemeinpolitische Äußerungen ohne einen hinreichenden Bezug zu einer bestimmten Terrororganisation fallen also nicht unter den Begriff der Werbung und sind von vorneherein tatbestandslos.

a) Die erste und vom BGH generell straffrei gestellte Fallgruppe ist Sympathiewerbung, die objektiv keine tatsächlichen Erfolge zeitigt und subjektiv auch nicht darauf angelegt ist[14]. Konkretisierungsbedürftig ist vor allem, was mit der Redewendung "tatsächlicher Erfolg" gemeint ist. Sympathiewerbung ist jede Form von Werbung, die die Adressaten der Werbemaßnahme für die Ziele und Handlungen der Terrororganisationen lediglich günstig beeinflussen will, ohne dass die Adressaten zu einem bestimmten Verhalten motiviert werden sollen.

Daraus folgt, dass auch Sympathiewerbung einen Werbeerfolg anstrebt, konkret: das Erzeugen von Sympathie. Der "tatsächliche Erfolg", von dem der BGH spricht, muss also über das Erwecken bloßer Sympathie hinausreichen. Gleichwohl darf der Begriff des tatsächlichen Erfolges nicht zu eng interpretiert werden, der BGH stellt schließlich selbst klar, dass unterstützende Werbung nach § 129 Abs. 5 S. 1 StGB strafbar sein soll. Die Fallgruppe der reinen Sympathiewerbung beschreibt daher sehr limitierte Verhaltensweisen. Typische Fälle sind insbesondere das Erklären und Befürworten der Ideologie und der Ziele einer terroristischen Vereinigung einschließlich der Aufforderung zum Überdenken etwaiger kritischer Gegenpositionen.

In diesem eng umgrenzten Bereich lassen sich Gründe für eine kriminalstrafrechtliche Sanktionierung des Verhaltens nur schwer finden. Würden solche Sympathieäußerungen strafrechtlich sanktioniert, würden letztlich vor allem Gefühle und das herrschende Meinungsbild vor systemfeindlichen Gedanken geschützt. Ein solcher Schutz kann aber angesichts des ständigen kulturellen Wandels in einer Gesellschaft, ihrer Abhängigkeit von einem lebendigen Diskurs und dem dafür notwendigen Minderheitenschutz nicht gewollt sein[15]. Auch in vergleichbaren Situationen ist solches Verhalten im StGB nicht unter Strafe gestellt und kann jedenfalls keine Strafdrohungen rechtfertigen, wie sie in § 129a Abs. 5 S. 1 StGB für das Unterstützen einer terroristischen Vereinigung vorgesehen sind[16].

Dies gilt auch, soweit der Bundesgerichtshof die Sympathiewerbung auf propagandistische Werbung erstreckt. Propagandistische Werbung zeichnet sich gegenüber sonstiger Werbung vor allem durch ihre systematische Anlage, eine besondere Finesse und eine zugleich angestrebte Breitenwirkung aus[17]. Inhaltlich unterscheidet sich propagandistische Werbung aber nicht zwingend von sonstiger Sympathiewerbung und die gesteigerte Wirksamkeit einer Werbebotschaft allein ist für sich noch kein Strafbarkeitsgrund.

Sympathiewerbung kann schließlich auch nicht allein deshalb bestraft werden, weil sie möglicherweise die Kampfbereitschaft der Terrororganisation stärkt, Einfluss auf deren Kampfmethoden hat oder innerhalb der Organisation das Gefühl der Zusammengehörigkeit fördert[18]. Solche Effekte sind vom Ziel einer echten Sympathiewerbung nicht erfasst und können auch nicht als sichere Folge vorhergesehen werden. Im Fall der echten Sympathiewerbung sind dies unvermeidbare Nebenfolgen eines erlaubten Handelns.

b) Die zweite Form der Werbung für terroristische Vereinigungen ist die Werbung von Mitgliedern für Organisationen nach § 129a Abs. 3 StGB. Es geht also um Mitgliederwerbung für Vereinigungen, deren Tätigkeit nicht auf die Begehung, sondern lediglich auf die Androhung von Katalogstraftaten nach § 129a Abs. 2 StGB gerichtet ist. Da diese Katalogstraftaten nur geeignet sein müssen, die Bevölkerung, Behörden oder öffentliche Organisationen einzuschüchtern[19], verletzt die Androhung entsprechender Taten noch keine spezifischen individuellen Freiheiten. Leib oder Leben der Einzelnen werden also nicht direkt verletzt; beeinträchtigt werden allenfalls die Rahmenbedingungen zur Ausübung solcher Freiheiten. Das Werben um Mitglieder und Unterstützer ist aber nicht nur darauf gerichtet, Personen für die Inhalte der Vereinigung zu gewinnen. Es geht in erster Linie darum, die menschliche Basis, auf die die Vereinigung tatsächlich zurückgreifen kann, zu verbreitern.

Aus rechtstheoretischer Sicht scheint es nicht völlig ausgeschlossen, ein solches Verhalten unter Strafe zu stellen. Da die Verhaltensweisen aber weit im Vorfeld konkreter Rechtsgutsverletzungen bei einer Störung des öffentlichen Friedens verortet sind, bedürfte der Einsatz von Strafe einer besonderen Legitimation. Anerkannte Kriterien dafür sind vor allem das Maß der Belästigung und das Fehlen alternativer hoheitlicher Maßnahmen[20]. Die tatsächliche Belästigung der Allgemeinheit durch die Werbung an sich wird zumeist gering sein. Mitgliederwerbung findet im Regelfall in einem nicht-öffentlichen Rahmen statt und richtet sich von vorneherein an einen von der allgemeinen Öffentlichkeit klar abgegrenzten Adressatenkreis. Solche mehr oder minder im Geheimen ablaufenden Aktivitäten sind nicht oder nur in einem sehr geringen Maß geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören. Das Strafrecht würde in einen Bereich eingreifen, in dem dem Verhalten an sich noch keine Gefahren für rechtlich besonders geschützte Interessen anhaften. Das aber ist mit dem Gedanken der Strafe als Reaktion auf und Tadel für ein zuvor verschuldetes Unrecht kaum mehr zu erfassen[21]. Im Übrigen erscheinen präventivpolizeiliche Maßnahmen - etwa das Überwachen oder Abschalten entsprechender Internetforen - zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ausreichend.

c) Die bisherigen Ausführungen provozieren die Frage, ob damit nicht auch das Werben von Mitgliedern oder Unterstützern für terroristische Vereinigungen im Sinne von § 129a Abs. 2 StGB straffrei sein muss. Die Frage zu stellen, heißt zugleich, sie zu verneinen. Das strafrechtlich sanktionierte Werbeverbot führt hier dazu, den Sumpf unmittelbar schädigender terroristischer Aktivitäten durch Verbote gegenüber den Anbietern terroristischen Gedankenguts bereits im Vorfeld der Taten auszu-

trocknen. Strafrechtliche Verbote dieser Art kennt das Strafrecht auch an anderer Stelle. So lässt sich das Verbot der Verbreitung pornographischer Schriften in den §§ 184 ff. StGB in erster Linie damit erklären, dass die Eindämmung des entsprechenden Marktes zukünftige Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung potentieller Opfer verhindern soll[22].

Im Gegensatz zur Werbung von Mitgliedern und Unterstützern von terroristischen Vereinigungen im Sinne von § 129a Abs. 3 StGB zeichnet sich die Mitgliederwerbung im Sinne von § 129a Abs. 5 S. 2 StGB durch einen direkten Bezug zu einer konkreten Rechtsgutsverletzung aus. Die Vereinigung, für die Mitglieder geworben werden sollen, beeinträchtigt nicht nur den öffentlichen Frieden. Sie setzt sich qualitativ höhere Ziele. Gemeint sind hier terroristische Vereinigungen, die nicht einmal vor schwersten Straftaten zurückscheuen. Mord, Geiselnahmen sowie Anschläge mit Giften oder ionisierenden Strahlen sollen nicht nur angedroht, sondern in die Tat umgesetzt werden. Das Werben von Mitgliedern und Unterstützern ist dann als Vorfeldtätigkeit zu konkreten Angriffen auf wichtige Rechtsgüter des Einzelnen bzw. der Allgemeinheit einzustufen.

Die Legitimation einer strafrechtlichen Sanktionierung solcher Verhaltensweisen fällt ungleich leichter als in den zuvor beschriebenen Sachverhaltskonstellationen. Welche dieser Vorfeldaktivitäten mit Strafe bedroht werden sollen, kann der Gesetzgeber verhältnismäßig frei entscheiden. Er muss aber in der Lage sein, die gefährlichen Handlungsweisen hinreichend genau zu beschreiben und klar von neutralem Alltagsverhalten abzugrenzen. Insoweit sind gegen die Strafbarkeit der Werbung von Mitgliedern für terroristische Vereinigungen im Sinne von § 129a Abs. 5 S. 2 StGB keine Einwände zu erheben. Der Gesetzgeber hat deutlich gemacht, dass er Handlungen unter Strafe stellen will, die dazu dienen, besonders gefährlichen terroristischen Vereinigungen neue Mitglieder oder Unterstützer zu verschaffen. Der Begriff der Werbung setzt überdies voraus, dass der Wille der Adressaten zwar beeinflusst werden soll, die neuen Mitglieder aber prinzipiell eine freie Entscheidung treffen müssen. Extensivere Formulierungen wären zwar durchaus denkbar gewesen. Der Gesetzgeber hätte neben dem Werben von Mitglieder auch untersagen können, einer terroristischen Organisation Mitglieder auf sonstige Weise zuzuführen. Von derartigen Möglichkeiten hat er aber keinen Gebrauch gemacht.

d) Vom Bundesgerichtshof nur angedeutet ist die vierte Form von Werbung für terroristische Vereinigungen: die unterstützende Werbung im engeren Sinne[23]. Diese Form von Werbung kann nach § 129a Abs. 5 S. 1 StGB strafbar sein. Dabei ist - im Unterschied zur Mitgliederwerbung - nur für das konkrete Strafmaß von Bedeutung, ob eine Vereinigung im Sinne von § 129a Abs. 1 u. 2 StGB oder von § 129 Abs. 3 StGB unterstützt werden soll.

Diese unterstützende Werbung näher zu konkretisieren, ist kein leichtes Unterfangen. Es ist daher kein Zufall, dass es der Bundesgerichtshof insoweit bei Andeutungen belassen hat. Die unterstützende Werbung unterscheidet sich von der Sympathiewerbung und der Mitgliederwerbung in erster Linie durch ihre Zielrichtung und ihren Inhalt. Das Ziel der unterstützenden Werbung muss über das Erregen von Sympathie oder das Werben von Mitgliedern hinausreichen. Denkbar wären etwa Spendenaufrufe, Aufrufe, eine Vereinigung in ihren nicht-militanten Operationen zu unterstützen, oder Werbebotschaften, die zu zivilem Ungehorsam oder ähnlichem auffordern. Der Bundesgerichtshof deutet außerdem an, eine unterstützende Werbung nur bestrafen zu wollen, wenn sie zu einem messbaren Vorteil für die terroristische Vereinigung geführt hat[24]. Das wäre konsequent. Zwar ändert die Werbung durch einen solchen positiven Effekt nicht ihren grundsätzlichen Charakter. Es entspricht aber der inneren Systematik des Strafgesetzbuchs, Beihilfehandlungen nur dann unter Strafe zu stellen, wenn sie tatsächlich zu einem Erfolg geführt haben. Die versuchte Beihilfe ist schließlich in den §§ 27 ff. StGB nicht umsonst grundsätzlich straffrei gestellt. Auch in § 111 StGB wird die misslungene Aufforderung zu Straftaten nur in den engen Grenzen des § 111 Abs. 2 StGB pönalisiert.

3. Nach solchen rein national inspirierten Überlegungen fordert der europäische Hintergrund in der Entstehungsgeschichte des § 129a StGB noch zu einem Blick auf den Rahmenbeschluss der Europäischen Union zur Terrorismusbekämpfung (RB) heraus[25]. Die rahmenbeschlusskonforme Auslegung des nationalen Strafrechts gehört spätestens seit der Entscheidung des EuGH im Fall Pupino zum Standard sorgsamer Gesetzesinterpretation[26]. Auch der Bundesgerichtshof wendet diese Auslegungsmethode mittlerweile wie selbstverständlich an[27].

Der Rahmenbeschluss der Europäischen Union zur Terrorismusbekämpfung soll eine Angleichung der Definition der terroristischen Straftaten, einschließlich der Straftaten, die im Zusammenhang mit terroristischen Vereinigungen begangen werden, in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bewirken[28]. Für die Fälle der Werbung für terroristische Vereinigungen kommt vor allem Art. 4 RB eine besondere Bedeutung zu. Nach Art. 4 Abs. 1 RB (deutsche Fassung) trifft jeder Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen damit die Anstiftung zu oder die Mittäterschaft an einer Begehung einer terroristischen Straftat, einer Straftat im Zusammenhang mit

einer terroristischen Vereinigung oder einer Straftat im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten unter Strafe gestellt wird. Bereits in der deutschen Fassung des Rahmenbeschlusses auffällig ist die Aneinanderreihung der Begriffe "Anstiftung zur Begehung" und "Mittäterschaft". Nach der gängigen deutschen Gesetzgebung würde bei einer solchen Aufzählung die Mittäterschaft als die schwerere Beteiligungsform vor der Anstiftung erwähnt werden.

Ein Hinweis, wie der europäische Rahmenbeschluss in diesem Punkt tatsächlich zu verstehen sein könnte, könnte aus der englischsprachigen Fassung des Rahmenbeschlusses folgen. Wo in der deutschen Fassung von Anstiftung zur Begehung und Mittäterschaft die Rede ist, stehen in der englischen Version die drei Begriffe "inciting, aiding or abbetting". Danach soll also das Verleiten, Helfen oder Ermutigen zu einem terroristischen Akt unter Strafe gestellt werden. Die Übersetzung dieser Begrifflichkeiten mit Anstiftung und Mittäterschaft könnte zwar einem Wörterbuch entnommen sein[29]. Tatsächlich verbirgt sich freilich hinter den Begriffen aiding und abetting eine umfassende Pönalisierung der Teilnahmestrafbarkeit sowie mit dem Begriff inciting eine Vorverlagerung der Strafbarkeit auf das Verleiten zu entsprechenden terroristischen Straftaten[30].

Das heißt allerdings nicht, dass die Überlegungen des BGH zur Restriktion des § 129a StGB zu einer Gesetzesinterpretation führen würden, die dem Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung inhaltlich widerspricht. Die common law Straftat des incitement erfasst zunächst alle Verhaltensweisen, die einen anderen zu einer Straftat verleiten[31]. Darunter fällt grundsätzlich auch das Werben für die Begehung einer Straftat. Voraussetzung für eine Strafbarkeit ist aber stets, dass das Verhalten ein Element des Ermutigens oder Überredens enthält[32]. Auch danach ist also die reine Sympathiewerbung für eine terroristische Vereinigung nicht vom Tatbestand des incitement erfasst.

Die Differenzierung des Gesetzgebers zwischen einer Mitgliederwerbung für Vereinigungen im Sinne von § 129a Abs. 1 und 2 StGB einerseits und Vereinigungen im Sinne von § 129a Abs. 3 StGB andererseits erscheint ebenfalls rahmenbeschlusskonform. Zwar reicht der Rahmenbeschluss nach seiner englischen Fassung im Bereich der Mitgliederwerbung weiter als das deutsche Recht[33]. Die spanische Fassung des RB verlangt dagegen mit den Begriffen "inducción o complicidad" nur die Pönalisierung von echten Teilnahmehandlungen[34]. Die vom deutschen Gesetzgeber gewählte Interpretation des Rahmenbeschlusses erscheint daher zulässig. Das unterstützende Werben im Sinne der vierten vom Bundesgerichtshof entwickelten Fallgruppe fällt dagegen sowohl unter die englische (aiding) als auch unter die spanische (complicidad) und sogar unter die französische (se rendre complice d´une infraction[35]) Fassung des Rahmenbeschluss. Insoweit scheint also ein eindeutiger Wille des europäischen Gesetzgebers feststellbar.

Aufgrund einer fehlenden einheitlichen Terminologie ist die rahmenbeschlusskonforme Auslegung also wenig ergiebig. Unschärfen werden außerdem noch an anderen Punkten deutlich: Der Begriff "incitement" erfasst auch die Korrumpierung des fremden Willens durch das Ausüben von Druck[36]. Solche Vorgehensweisen fallen nicht mehr unter den natürlichen Wortlaut des "Werbens" in § 129a StGB. Die deutsche Fassung des Rahmenbeschlusses mit der Unterscheidung zwischen Anstiftung und Mittäterschaft wiederum passt nicht in das österreichische Konzept des Einheitstäters[37]. Eine relative Eigenständigkeit darf aber auch die Begriffspaarung in der französischen Fassung des RB ("d´inciter à commettre une infraction ou de s´en rendre complice") für sich in Anspruch nehmen.

V. Zusammenfassung

Der Bundesgerichtshof hat in einer Zeit, in der der Verweis auf mögliche terroristische Straftaten fast jede Schranke rechtsstaatlichen Strafrechts zu durchbrechen droht, Besonnenheit bewiesen. Der Beschluss ist ein wichtiger Wegweiser für die künftige Beurteilung der Strafbarkeit von Werbung für Terrororganisationen. Mit der Unterscheidung zwischen grundsätzlich strafloser reiner Sympathiewerbung, nur im Einzelfall strafbarer Mitgliederwerbung und regelmäßig strafbarer unterstützender Werbung wurden Fallgruppen herausgearbeitet, die in der Systematik und der Entstehungsgeschichte des § 129a StGB zwar angelegt, in dieser Deutlichkeit bis dato aber nicht hervorgetreten sind. Obwohl die Entscheidung an den maßgeblichen Passagen betont historisch-systematisch argumentiert, lassen sich die Ergebnisse auch material in ein in sich konsistentes System einordnen und als richtig legitimieren. Ernüchternd fällt dagegen der Versuch einer rahmenbeschlusskonformen Interpretation des § 129a StGB aus. Gerade in den Randbereichen der Strafbarkeit, wo im Grunde die größten Unterschiede in den nationalen Gesetzgebungen erwartet werden dürfen, kann der Rahmenbeschluss zu keiner Klärung der Sachfragen beitragen. Der Grund dafür liegt in den Divergenzen der verschiedenen Sprachfassungen des Rahmenbeschlusses und den unterschiedlichen nationalen Rechten.


* Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Strafrecht und Rechtstheorie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Prof. Dr. Wolfgang Frisch).

[1] Siehe dazu die entsprechenden Daten bei v. Bubnoff, LK-StGB, vor § 129a StGB Rn. 15 f.; von Plottnitz ZRP 2002, 351 (352).

[2] Dazu stellvertretend Helm StV 2006, 719 (719 f.).

[3] BGBl 2003 I 2836. Unterstützen iSv. § 129 a Abs. 5 S. 1 = Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren; Werben iSv § 129 a Abs. 5 S. 2 = Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren.

[4] BGBl 2002 I 3390.

[5] Nr. 3 b der Entscheidungsgründe.

[6] Nr. 3 b der Entscheidungsgründe mit gedanklichem Bezug auf die Ausführungen unter Nr. 3 a.

[7] Nr. 3 c aa der Entscheidungsgründe.

[8] Nr. 3 c cc der Entscheidungsgründe.

[9] Nr. 3 c bb der Entscheidungsgründe.

[10] Nr. 3 c bb der Entscheidungsgründe.

[11] Sie beispielhaft aus dem Bereich der Rechtsprechung zu § 266 StGB BGHSt 47, 187 (188 LS. 2 u. 3); für das strafrechtliche Schrifttum stellvertretend Frisch, in: Festschrift für Stree/Wessels, Heidelberg, 1993, S. 69 (69 ff.).

[12] Siehe insbesondere die den Beschluss tragenden Erwägungen in Nr. 3 a und b der Entscheidungsgründe.

[13] Vgl. etwa die wirtschaftswissenschaftliche Begriffsbestimmung bei Nieschlag/Dichtl/Hörschgen, Marketing, 19. Aufl., Berlin, 2002, S. 989.

[14] Nr. 3 b und c bb der Entscheidungsgründe.

[15] Dazu stellvertretend Feinberg, The moral limits of the Criminal Law, Vol. 2, Offense to others, Oxford, 1985, ch. 8; hieran anknüpfend etwa v. Hirsch, in: FS f. Eser, München, 2005, S. 189 (191 ff.).

[16] Vgl. etwa zur Tatbestandslosigkeit bloßer Sachinformationen und bloßer Befürwortung von Straftaten im Rahmen von § 111 StGB BGHSt 32, 310 (311); Paeffgen, in: NK-StGB, 2. Aufl., Baden-Baden, 2005, § 111 Rn. 12 f.; Bloy JR 1985, 206 (206 f.).

[17] Vgl. die Definition des Begriffs der Propaganda bei Häcker/Stapf (Hrsg.), Dorsch Psychologisches Wörterbuch, 14. Aufl., Bern, 2004, S. 737 sowie die Ausführungen von Pechriggl, in: Gries/Schmale (Hrsg.), Kultur der Propaganda, Bochum, 2005, S. 37 (55 f.).

[18] So die frühere Rechtsprechung in BGH NJW 1988, 1677 (1678).

[19] Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB-Kommentar, 27. Aufl., München, 2006, § 129a Rn. 2a StGB.

[20] Besonders deutlich herausgearbeitet sind diese Kriterien wieder bei Feinberg, wie Fn. 14, ch. 8 u. 9.

[21] Ebenso Jakobs, Strafrecht AT, 2. Aufl., Berlin, 1991, 6. Abschn. Rn. 86a.

[22] Stellvertretend Böse, in: FS f. F. C. Schröder, Heidelberg, 2006, S. 751 (754, 757).

[23] Nr. 3 c bb der Entscheidungsgründe.

[24] Weitergehend die ältere Rechtsprechung in BGHSt 29, 99 (101) in Anlehnung an die Rechtslage bei § 257 StGB.

[25] Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung (2002/475/JI) ABl. L 164/3 vom 22. Juni 2002.

[26] EuGH NJW 2005, 2839 unter anderem mit ablehnender Anm. Hillgruber JZ 2005, 841 und mit zustimmender Anm. Herrmann EuZW 2005, 436; grundlegend zur rahmenbeschlusskonformen Auslegung Hecker, Europäisches Strafrecht, 2. Aufl., Berlin, 2007, S. 379 ff., speziell zur Rechtssache Pupino S. 380 ff. (dort auch mit weiteren Nachweisen zum Schrifttum).

[27] Zuletzt etwa im Rahmen der teleologischen Interpretation von § 274 StPO bei der Bewertung des Stellenwerts des Opferschutzes, vgl. BGH HRRS 2007 Nr. 600 Rn. 52; ähnlich der methodische Zugriff auf das EU-Recht in BGH NJW 2005, 1519 (1520 f.).

[28] Vgl. Erwägungsgrund 6 des Rahmenbeschlusses.

[29] Konkret würde sich eine entsprechende Übersetzung etwa unter Zuhilfenahme von Bugg/Simon, Langenscheidt Alpmann, Fachwörterbuch Kompakt Englisch, München, 2006 ergeben.

[30] Zur genauen Bedeutung dieser common law Begrifflichkeiten und ihrer Stellung im Straftatsystem des common law Mansdörfer, in ders. (Hrsg.), Die allgemeine Straftatlehre des common law, § 5 IV. 1. und Macke, a. a. O., § 6 II.

[31] Dazu umfassend Smith&Hogan, Criminal Law, 10th ed., London 2002, ch. 8. II., 12. I..

[32] Siehe Smith&Hogan, wie Fn. 31, ch. 12 I. 2.; Macke, wie Fn. 30, § 6 II 1. m. w. N.

[33] Vgl. Art. 1 Abs. 1 (i) iVm Art. 4 Abs. 1 Rahmenbeschluss in der englischen Sprachfassung.

[34] Zur Teilnahme im Spanischen Strafgesetzbuch ausführlich Perez Alonso ZStW 117 (2005), 431 (439 ff.).

[35] Zum Begriff der complicité im französischen Strafrecht Desportes/Le Gunehec, Droit Pénal Général, 9. Aufl., Paris, 2002, Rn. 534 ff.

[36] Stellvertretend Smith&Hogan, wie Fn. 31, ch. 12 I. 2.

[37] Zur Festlegung auf das Einheitstätersystem in § 13 öStGB stellvertretend Fabrizy, StGB-Kommentar, 8. Aufl., Wien, 2002, § 13 Rn. 1