HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Oktober 2007
8. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Über die Individualisierung tatbestandsmäßiger Erfolge - "Persönlicher Schadenseinschlag" bei den Körperverletzungsdelikten

Anmerkung zu BGH, Urteil vom 15. März 2007 - 4 StR 522/06 = BGH HRRS 2007 Nr. 539

Von Prof. Dr. Hans-Ullrich Paeffgen / Wiss. Mit. Thomas Grosse-Wilde, Bonn

Im konkreten Sachverhalt geht es um eine Tat, bei der dem Opfer von zwei gemeinschaftlich handelnden Tätern mit einem scharfen Gipserbeil die ersten beiden Glieder des rechten Mittelfingers vollständig weggeschlagen, Zeige- und Ringfinger der rechten Hand nahezu vollständig abgetrennt wurden. Die Verletzung am Ringfinger heilte aus; der Zeigefinger konnte zwar erhalten werden, musste aber versteift werden und ist seither im Mittelgelenk nicht mehr beweglich, so dass das Opfer seine Faust nicht mehr schließen kann. Das LG meinte, die Abtrennung lediglich der ersten beiden Glieder des rechten Mittelfingers stelle keinen Verlust eines wichtigen Körpergliedes im Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB dar. Die Versteifung des rechten Zeigefingers habe keine dauernde Unbrauchbarkeit im Sinne dieser Vorschrift zur Folge, da dem Finger "die ihm im sozialen Leben zugewiesene Zeigefunktion" erhalten geblieben sei.

Der BGH vollzieht in der Rechtssache 4 StR 522/06[1] eine ausdrückliche Kehrtwende gegenüber einer bisherigen gefestigten Rechtsprechung[2] bzgl. § 226 I Nr. 2 StGB, die einst schon vom Reichsgericht (zu § 224 a.F.) entfaltet worden war.

I. Das Reichsgericht bestimmte die Wichtigkeit eines Körperglieds in § 226 I Nr. 2 StGB (§ 224 a.F.) rein abstrakt und generalisierend danach, ob dessen Verlust "für jeden normalen Menschen eine wesentliche Beeinträchtigung des gesamten Körpers in seinen regelmäßigen Verrichtungen" zeitigt. Es stellte also allein darauf ab, welche Bedeutung das Körperglied für den Menschen überhaupt hat, unabhängig von den individuellen Besonderheiten des Verletzten.[3] Diese Rechtsprechung hatte der Bundesgerichtshof bisher im Grundsatz fortgeführt.[4]

Dem stehen seit Geraumem zwei Auffassungen im Schrifttum gegenüber, zum einen diejenige, die (jegliche) individuellen Verhältnisse des Tatopfers für die "Wichtigkeit" berücksichtigen will (z.B. Berufspianist, Linkshändigkeit)[5], zum anderen eine differenzierende, die zwischen individuellen sozialen Bezügen, die vom Rechtsgüterschutz der §§ 223, 226 nicht umfaßt seien (insb. Beruf) und der individuellen körperlichen Disposition (z.B. Rechts- oder Linkshändigkeit, Vorschädigung) unterscheidet.[6]

II. In seinem Urteil vom 15. März 2007 verwirft der 4. Strafsenat ausdrücklich die bisherige Rechtsprechung als "zu eng und nicht mehr zeitgemäß"[7] und schließt sich einer am Einzelfall orientierten Betrachtung insofern an, als nunmehr auch individuelle Körpereigenschaften und dauerhafte körperliche (Vor-)Schädigungen des Verletzten für § 226 I Nr. 2 zu berücksichtigen seien. Der BGH nimmt (weil dies in concreto nicht entscheidungserheblich war) in dem angezogenen Judikat allerdings nicht dazu Stellung, ob er auch soziale Sonderfähigkeiten einbeziehen will.

Unter Strafwürdigkeits- und Einzelfall-Gerechtigkeits-Aspekten mag diese Rechtsprechungsänderung gefallen, aus der Perspektive des Bestimmtheits-Grundsatzes hingegen bleibt sie irritierend - und das bei einem (Erfolgs-)Qualifikationstatbestand mit einem derart exuberanten Strafrahmen (im Falle des Abs. 1: ein bis zehn, beim Abs. 2 sogar: drei bis fünfzehn Jahre[8]). Denn jedenfalls eine "soziale Funktionen" einbeziehende Betrachtungsweise hinge von einer unüberschaubaren Komponenten-Vielfalt ab (Beispiel: Hat sich der Künstler vielleicht schon zur Ruhe gesetzt?; Soll ein Zeh für den Zirkusartisten [Seiltänzer]o. Ballettänzer auch erfaßt werden?). Konsequenz wäre zudem, auch bei den anderen Fällen des Folgenkatalogs des § 226 individuelle soziale Funktionen tatbestandlich in den Blick zu nehmen (z.B. bei Nr. 3 - der dauernden Entstellung - die kleine Narbe im Gesicht oder am Dekolleté beim Fotomodell usw.).[9]

Übrigens bietet auch § 16 I StGB häufig keine Ausflucht, wenigstens über die (subjektive) Zurechnung eine solch diffus definierte schwere Folge i.S.d. § 226 wirksam einzugrenzen. Denn obgleich nach allgemeiner Vorsatzlehre die den Begriff des wichtigen Gliedes mitkomponierenden und -konstituierenden Umstände dem Täter bekannt sein müssen, um ihm als vorsätzlich verwirklicht vorgeworfen werden zu können[10], reicht gemäß § 18 für § 226 I - nach h.M.[11] - nun einmal schon "wenigstens Fahrlässigkeit" hinsichtlich jener Folge aus (erfolgsqualifiziertes Delikt[!]). Die hierfür lediglich erforderliche "Vorhersehbarkeit" oder "Erkennbarkeit" des Zusatzerfolges ist bekanntlich selbst in der Fahrlässigkeitsdogmatik ein bloß schwaches Regulativ.

Eine nahezu unbeschränkte[12] Individualisierung tatbestandsmäßiger Erfolge ist unter dem Regime des Art. 103 II GG auch schwerlich statthaft, bedeutete sie doch eine systemwidrige Inkorporation von Umständen i.S.d. § 46 II StGB (namentlich "die verschuldeten Auswirkungen der Tat") in den Garantietatbestand. Dabei betreffen diese Umstände eigentlich allein die Strafzumessung.[13] Bei dieser können auch "außertatbestandliche" Folgen berücksichtigt werden,[14] wenn denn einmal feststeht, welcher Straftatbestand erfüllt ist.

Ansätze weitgehender Individualisierung/Versubjektivierung des tatbestandsmäßigen Erfolges werden bei mannigfaltigen Deliktstatbeständen diskutiert - und überwiegend abgelehnt[15]: So schon beim Grundtatbestand des § 223 in Form der körperlichen Mißhandlung als üblen, unangemessenen Behandlung, durch die das das körperliche Wohlbefinden mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird.[16] Denn ob die Beeinträchtigung mehr als nur unerheblich und damit als unangemessen anzusehen ist, kann nicht nach dem (möglicherweise höchst willkürlichen) subjektiven Empfinden,[17] sondern nur aus Sicht eines normativen Maßstabs-Homunculus in der Lage des Opfers bestimmt werden.[18] Ebenso wird bei den §§ 185 ff. ein rein faktischer Ehrbegriff (i.S.e. Identifizierung der Ehre mit dem Selbstgefühl nach dem Motto: "Beleidigt ist, wer sich beleidigt fühlt.") praktisch nicht mehr vertreten,[19] wie auch bei § 263 das bloße "Affektionsinteresse" des Getäuschten nicht geschützt ist;[20] grundsätzlich kommt es für die zur Schadensfeststellung vorzunehmenden Gesamtsaldierung allein auf die objektive Sachlage an. Andererseits wird dieser Grundsatz von der Rspr. (und h.L.) in Anschluß an BGHSt. 16, 321 (326) ("Melkmaschinen-Fall") durch gewisse, aber im einzelnen umstrittene Fallgruppen des "persönlichen Schadenseinschlags" wieder eingeschränkt.[21]

Schließlich gilt Ähnliches cum grano salis für die Nötigung, § 240 StGB, denn obschon Rechtsprechung und h.L. die von dieser Vorschrift geschützte Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung in einem empirisch-psychologisierenden Sinn verstehen, so ist doch die Eignung des Nötigungsmittels, den

Genötigten i.S.d. Täterverlangens zu motivieren, nicht nur faktische, sondern normative Tatbestandsvoraussetzung;[22] sie entfällt, wenn von dem Bedrohten in seiner Lage erwartet werden könne, daß er der Bedrohung in besonnener Selbstbehauptung standhält.[23]

Entscheidend für das Gericht in unserem Fall, nunmehr (zumindest) auf die "mittlere" Individualisierungs-Linie einzuschwenken, ist folgendes anti-diskriminierungs-konnotierte Argument: Individuelle körperliche Besonderheiten eines Tatopfers bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Wichtigkeit eines Körperglieds gänzlich zu ignorieren, sei "nicht mehr zeitgemäß" und "widerspräche dem heutigen Verständnis eines gleichberechtigten Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher körperlicher Beschaffenheit." Dem mag man prima facie aus individualisierendem Gerechtigkeits-Empfinden beistimmen wollen.[24] Dass dieser Wunsch, dem Gerechtigkeitsempfinden zum Siege zu verhelfen, aber - angesichts der Gesetzesfassung - durchaus trügerisch ist, habe ich anderweitig darzutun versucht.[25] Wenn ich mittels einer verdünnten Säure einem Sänger die Stimmbänder verätze, so wird dieser ebenso brotlos werden, wie der Geigenvirtuose, dem ich böswillig zwei Glieder des kleinen Fingers seiner linken Geigenhand amputiere. Aber - ersteres wird man (derzeit) auch mit den kühnsten Interpretationstricks nicht unter § 226 fassen können. Deswegen ist es ein Irrglaube, zu meinen, verfeinerte Individualisierung in der Schadenszurechnung führe immer zu einem Mehr an Gerechtigkeit. Vielmehr muß man sich darüber im Klaren sein, dass eine solche, allein auf die Konsequenzen für das Opfer sich focussierende Sichtweise zu fragwürdigen Ergebnissen führen kann: Sollen für § 226 I Nr. 2 auch dauerhafte Vorschädigungen des Opfers maßgebend sein, so kann im Einzelfall eine vergleichsweise geringfügige vorsätzliche, in ihrer Potentialität aber immerhin absehbare, gleichwohl nur fahrlässig verursachte Intensivierung einer schon bestehenden Vor-Schädigung in eine dauernde Gebrauchsunfähigkeit eines "wichtigen Gliedes" "umschlagen" und zur Bestrafung aus der Erfolgsqualifikation führen, auch wenn der isolierte Unwertgehalt der Tat für den außenstehenden Betrachter gering scheint. - Allerdings ist zuzugestehen, daß derartige Argumentationen schon bisher gelegentlich in der bisherigen Rechtsprechung zu § 226 I Nr. 1 (bzgl. des Verlustes des Sehvermögens) zu beobachten waren.[26] Sollte der BGH mit dieser Individualisierungs-Rechtsprechung fortfahren, so bleibt in Zukunft für die angedeuteten "Ausreißer" - mehr noch als ohnehin schon zuvor - nur der Ausweg über Abs. 3, die Annahme eines minder schweren Falls - durchaus ein methodologisches sacrificium intellectus.

III. Auch die vom BGH in Anschluß an Rengier[27] darüber hinaus praktizierte ausdehnende Auslegung hinsichtlich der dauernden "Gebrauchsunfähigkeit" eines wichtigen Körpergliedes - starke Funktionsbeeinträchtigung genügt für "dauernde Unbrauchbarkeit" - lässt sich sicher - teleologisch und isoliert betrachtet - gut vertreten.[28] Demnach setzt die dauernde Gebrauchsunfähigkeit keinen völligen, in jeder Hinsicht eingetretenen Funktionsverlust des betroffenen Körpergliedes voraus. Vielmehr sei im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung zu ermitteln, ob als Folge der vorsätzlichen Körperverletzung so viele Funktionen ausgefallen sind, dass das Körperglied weitgehend unbrauchbar geworden ist und von daher die wesentlichen faktischen Wirkungen denjenigen eines physischen Verlusts entsprechen. Eine solche Interpretation von Gebrauchsunfähigkeit als weitgehende Unbrauchbarkeit entspricht dem Willen des "Reform"-Gesetzgebers von 1998 (Schaffung der 2. Modalität des § 226 I Nr. 2)[29] und lässt sich, bei entsprechendem Wohlwollen, noch als unter die Wortlautgrenze fallend auffassen. Als Duplik gegen eine naheliegende Replik könnte man anführen, dass man anderenfalls durch geschickte Argumentation auch bei massiven verletzungsbedingten Beeinträchtigungen immer noch irgendeine Rest-Funktionstauglichkeit ausmachen könnte.[30] Zudem bedeutet jene Argumentation eine Harmonisierung mit der Auslegung zu § 226 I Nr. 1.[31]

Gleichwohl sollte nicht übersehen werden, daß wir nur einen weiteren Schritt auf einer schiefen Ebene in der Auslegung der Tatbestands-Voraussetzungen tun: Ursprünglich war der Totalverlust vorausgesetzt; dann stellte der Gesetzgeber unter dem Druck vermeintlicher oder tatsächlicher Unbilligkeiten[32] diesem Merkmal die dauernde Gebrauchsunfähigkeit zur Seite. Und was ist unsere Reaktion? Wir bosseln am "dauernd" und an der "Unfähigkeit" herum, um auch noch den letzten - vermeintlichen - Einzelfall-Gerechtigkeits-Aspekt einbezie-

hen zu können. Dabei wird aber geflissentlich vergessen, dass der Gesetzgeber den Tatbestand inzwischen zu einem Verbrechenstatbestand hochgezont hat. Bei anderen Verbrechenstatbeständen täten wir uns mit dieser scheinbar unbegrenzten Auslegungs-Abschüssigkeit schwer[33] - hoffentlich.

Insgesamt werden viele das Urteil des 4. Strafsenats sachgerecht finden - und fraglos ist es sicher vertretbar. Aber es ist spannungsreicher im Hinblick auf die Anforderungen des Verfassungsrechtssatzes des Art. 103 II GG, als dies in der Entscheidungs-Begründung zum Ausdruck kommt.[34] Die notwendigerweise abstrakte Beschreibung des tatbestandsmäßigen Erfolges einer Erfolgsqualifikation eignet sich nun einmal nur begrenzt dafür, das jeweilige Unrechtsquantum eines individuellen Verbrechens nuanciert wiederzuspiegeln. Dies ist eigentlich die Aufgabe sachgerechter Strafzumessung. Jedenfalls macht eine kaum begrenzbare, ja nahezu "grenzenlose" Individualisierung aus Qualifikationstatbeständen "apokryphe Regelbeispiele", - was es eigentlich unbedingt zu vermeiden gölte.

Das eigentliche Problem dieses Tatbestandes ist allerdings nicht die Öffnung der Interpretation auf individuelle körperliche Dispositionen hin, sondern der übersetzte Strafrahmen, den uns das 6. Strafrechtsreformgesetz beschert hat.


[1] NJW 2007, 1988-1989 = StV 2007, 353-354 = NStZ 2007, 470-471.

[2] Ausdrücklich gibt er die Position des gleichen Senates, wiedergegeben bei Dallinger MDR 1953, 597, auf, dass der Verlust des Zeigefingers der eines wichtigen Gliedes ist, weil er eine "erhebliche Beeinträchtigung der Lebensbetätigung für jedermann ist", a.a.O., Hervorh. v. Verf. Aufgegeben wird also - um dies zu betonen - in erster Linie der Maßstab/die Bezugsgröße (eben. der "Jedermann").

[3] Vgl. RGSt 6, 346, 347; 62, 161, 162; 64, 201, 202; RG GA Bd. 47 (1900), 168; Bd. 52 (1905), 91.

[4] BGH MDR bei Dallinger 1953, 597; ebenso grds. BGH NJW 1991, 990; zustimmend: Joecks, Studienkommentar7 § 226 Rn. 14 (mit Hinweis auf den Gesetzeswortlaut: § 226 spricht vom Verlust eines wichtigen Gliedes "des Körpers", nicht "ihres Körpers"[der verletzten Person]); Kindhäuser, BT-I3, § 10 Rn. 25; Küpper, BT 13, § 2 Rn. 21; NK2-Paeffgen, § 226 Rn. 27; Wessels/Hettinger, BT-1 30 , Rn. 289.

[5] Schönke /Schröder27-Stree, § 226 Rn. 2; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT-I9, § 9 Rn. 21; Rengier, BT-II8, § 15 Rn. 8; Henkel, Recht und Individualität (1958). S. 54 Fn. 85.

[6] LK11-Hirsch, § 226 Rn. 15; MüKo-Hardtung, § 226 Rn. 27; SK7-Horn/Wolters, § 226 Rn. 10; Tröndle/Fischer54, § 226 Rn. 7.

[7] Rn. 10.

[8] Zur Geschichte dieser "Strafrahmen-Explosion" siehe NK2-Paeffgen, § 226 Rn. 1 f.

[9] Ablehnend LK11-Hirsch, § 226 Rn. 15; NK2-Paeffgen, § 226 Rn. 30.

[10] Abs. 1 in der Variante "bedingt vorsätzlich", gegebenenfalls, bei Dolus directus 1. oder 2. Grades, Abs. 2; vgl. SK7-Horn/Wolters, § 226 Rn. 18.

[11] Kindhäuser, BT-I3, § 10 Rn. 38; Lackner/Kühl26, § 226 Rn. 5; Tröndle/Fischer 54 , § 46 Rn. 14; a.A.: (mit Rücksicht auf die anderenfalls nicht zu bewältigenden Spannungen zwischen den verschiedenen Rechtsvoraussetzungs- und Rechtsfolgenseiten: Leichtfertigkeit) NK2-Paeffgen, § 226 Rn. 16, 17.

[12] …jedenfalls in ihren Grenzen nicht erkennbare …

[13] LK11-Hirsch11 § 226 Rn. 15; Wessels/Hettinger, BT-130, Rn. 289.

[14] NK 2 -Streng, § 46 Rn. 58; zu den intrikaten Problemen, welche außertatbestandlichen Folgen als relevante Strafzumessungstatsachen i.S.v. § 46 II 2 StGB in Betracht kommen, vgl. Puppe, Spendel-FS (1992), S. 451 ff.; vgl. ferner Bloy ZStW 107 (1995), 576 ff.; Hörnle, Tatproportionale Strafzumessung, S. 251 ff.; Meier, Strafrechtliche Sanktionen2, 174 f.

[15] Auch Henkel, Recht und Individualität (1958), S. 54 Fn. 85 - grds. Anhänger einer individualisierbaren Betrachtungsweise bzgl. § 226 / § 224 a.F. gesteht zu: "Nur darf allerdings die "subjektive" Beurteilung der Wichtigkeit des Verlustes seitens des Betroffenen nicht von Einfluß sein, sondern es muß bei dem "objektiven Urteil" verbleiben, wie der Verlust - unter Berücksichtigung aller persönlichen Verhältnisse des Verletzten - verständigerweise einzuschätzen ist. Die Einbeziehung des Individuellen darf also nicht zu einem Abgleiten des Urteils ins "Subjektive" führen. Wird dies vermieden, so vermag es die individualisierende Betrachtung (…) den Anforderungen der Rechtsidee in weit höherem Maße gerecht zu werden, als die hier noch herrschende allzu starre generalisierende Tendenz der bisherigen Rechtsprechung."

[16] Vgl. NK2-Paeffgen, § 223 Rn. 8 mit Nachweisen.

[17] ...und auch nicht in der Brechung durch die Brille des sog. "objektiven Beobachters"/Richters, der aber diese subjektiven Besonderheiten in einem dunkel bleibenden Umfang zu berücksichtigen hat ...

[18] Siehe NK2-Paeffgen, § 223 Rn. 8; Schönke/Schröder27-Eser, § 223 Rn. 4a; vgl. OLG Düsseldorf NJW 1991, 2918 (2919): "Ob eine körperliche Einwirkung mehr als ganz unerheblich ist, kann nicht nach dem subjektiven Empfinden des anderen, sondern nur aus der Sicht eines objektiven Betrachters bestimmt werden. Dies schließt eine indizielle Berücksichtigung subjektiver Folgen nicht aus, sofern sie hinreichend objektivierbar sind."

[19] Vgl. Nachweise bei NK2-Zaczyk, Vor §§ 185 ff. Rn. 4.

[20] LK11-Tiedemann, § 263 Rn. 155; MüKo-Hefendehl, § 263 Rn. 44; Tröndle/Fischer54, § 263 Rn. 61, 85.

[21] Kritisch hierzu etwa NK2-Kindhäuser, § 263 Rn. 256 ff. (kein Korrektiv, sondern fallweise Preisgabe des Saldierungsprinzips).

[22] BGHSt 31, 195 (201); 32 ,174; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 1996, 296; JZ 2004, 101; vgl. zu Möglichkeiten normativer Engführung dieses diffusen Tatbestandes auch Paeffgen, Unzeitgemäße (?) Überlegungen zum Gewalt- und Nötigungs-Begriff, Grünwald-FS (1999); S. 433 (437 ff.).

[23] BGHSt 31, 195 (201); 32 ,174; BGH NStZ 1992, 278; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1996, 296; JZ 2004, 101.

[24] Zustimmend mit dem Hinweis auf Art. 3 III 2 GG auch Jahn, JuS 2007, 866 (867).

[25] NK2-Paeffgen, § 226 Rn. 27*.

[26] RG DR 1941, 1403 (die Herabsetzung des Sehvermögens auf einen bereits als Verlust zu wertenden Rest schließt nicht aus, dass die in der Zerstörung dieses Rests liegenden Intensivierung noch für die Anwendung des § 226 ausreichen kann); LK11-Hirsch, § 226 Rn. 10; NK2-Paeffgen, § 226 Rn. 22.

[27] Rengier, Die Reform und Nicht-Reform der Körperverletzungsdelikte durch das 6. StrRG, ZStW 111 (1999), 1 (15 f.).

[28] Ebenso Jahn, JuS 2007, 866 (867).

[29] Der Gesetzgeber wollte von der neu geschaffenen Tatbestandsalternative ausdrücklich jene von der Rechtsprechung nicht unter § 224 Abs. 1 StGB a.F. subsumierten Fälle der verletzungsbedingten Versteifung eines wichtigen Körpergliedes (BGH NJW 1988, 2622) erfaßt sehen (BT-Drucks. 13/9064, S. 16).

[30] So hier in concreto die Vorinstanz, die die verbliebene "Zeigefähigkeit" des Fingers für ausreichend hielt.

[31] Nach Lackner/Kühl26, § 226 Rn.2 ist für § 226 I Nr. 1 kein Total-Verlust notwendig, sondern hinreichend, wenn die Fähigkeit im Wesentlichen aufgehoben sei; ähnlich MüKo-Hardtung, Rn. 19: "praktisch verloren", OLG Hamm GA 1976, 304 (305): Verlust des Sehvermögens schon bei Herabminderung auf 5 bis 10 % des Normalzustandes (dazu krit. Blei JA 1976, 801); so aber auch NK2-Paeffgen, § 226 Rn. 22; Tröndle/Fischer, StGB 54 , § 226 Rn. 2 ff.

[32] Zur Diskussion, ob unter der alten Rechtslage (vor dem 6.StrRefG) der Totalverlust erforderlich sei, oder ein eine Funktionsverlust ausreiche, vgl. die Nw. NK1-Paeffgen (4. Lfg., 2000), § 224 a.F. Rn 16.

[33] Immer wieder lesenswert zu diesem, nur vermeintlich schleichenden (Erosions-)Prozess: Engisch Der nächste Schritt, Schaffstein-FS (1975), S. 1 ff.*

[34] Siehe zu neueren Entwicklungen demnächst Paeffgen, Strafrecht und Verfassungsrecht - Art. 103 II GG, namentlich das Bestimmtheitsgebot, und komplementäre Rechtsätze in der Entwicklung, StraFo 2007, Heft 11.