HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

März 2005
6. Jahrgang
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Schrifttum

Klaus Ellbogen: Die verdeckte Ermittlungstätigkeit der Strafverfolgungsbehörden durch die Zusammenarbeit mit V-Personen und Informanten, Schriften zum Prozessrecht, Band 187, Duncker & Humblot, Berlin 2004, 299 Seiten, broschiert, ISBN 3-428-11563-5, 74 Euro, 125 sFr

Die von Hellmann betreute Abhandlung ist im Wintersemester 2003/2004 von der Fakultät für Rechtswissenschaften der Universität Potsdam als Dissertation angenommen und für die Drucklegung auf den Stand von März 2004 gebracht worden. Untersuchungsgegenstand ist "die verdeckte Ermittlungstätigkeit von Privatpersonen auf Veranlassung der Strafverfolgungsbehörden”. Die Abhandlung soll zum einen klären, "auf welche Ermächtigungsgrundlage diese Form der strafprozessualen Informationsgewinnung gestützt und unter welchen Voraussetzungen das solcherart erlangte Wissen in die Hauptverhandlung eingeführt werden kann, zum anderen aber auch, ob Polizei und Staatsanwaltschaft die Befugnis besitzen, V-Leuten und Informanten Vertraulichkeit zuzusichern und so deren Aussagen im Prozess zu verhindern, sowie ob und gegebenenfalls, welche Möglichkeiten das Gericht bzw. der Angeklagte hat, gegen eine solche Sperrerklärung vorzugehen.” (S. 30)

Die Untersuchung ist in vier Teile gegliedert: den ersten Teil bildet die Einführung in die Problemstellung (S. 23 ff.) sowie ein Abschnitt, in dem verschiedene Begrifflichkeiten geklärt werden (S. 31 ff.). Im zweiten Teil wird die Notwendigkeit einer Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz von V-Leuten diskutiert und die These begründet, dass die Ermittlungsgeneralklausel des § 161 Abs. 1 StPO mit gewissen Einschränkungen eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage darstellt (S. 58 ff.). Im dritten Teil werden die Möglichkeiten untersucht, V-Leuten und Informanten gegen eine Offenlegung ihrer Identität zu schützen. Behandelt werden in diesem Rahmen das Instrument der Vertraulichkeitszusage (S. 125 ff.), die Sperrerklärung (S. 138 ff.) sowie die eingeschränkte Aussagegenehmigung (S. 176 ff.). Im vierten

Teil werden zunächst die besonderen Schutzmaßnahmen erörtert, die einer Enttarnung des V-Mannes/Informanten in der Hauptverhandlung entgegen wirken sollen (S. 190 ff.). Weiterhin werden die Möglichkeiten einer Beweisführung über Beweissurrogate (S. 216 ff.), die prozessualen Auswirkungen einer Sperrung der V-Person als Zeuge (S. 232 ff.) sowie abschließend die in diesen Fällen für die Beweiswürdigung relevanten Grundsätze behandelt (S. 249 ff.). Im Rahmen der Begriffsbestimmungen grenzt Ellbogen den als "Verdeckten Ermittler” tätigen Polizeibeamten vom "Under Cover Agent” ab (S. 43 f.) sowie vom "nicht offen ermittelnden Polizeibeamten”, wobei er hier nochmals zwischen dem einfachen und dem qualifizierten nicht offen ermittelnden Polizeibeamten differenziert. Für den qualifizierten nicht offen ermittelnden Polizeibeamten befürwortet er zu recht eine analoge Anwendung des § 110b II Nr. 2 StPO (S. 42 f.). Bezogen auf die in die Ermittlung eingeschalteten Privatpersonen werden V-Leute von Informanten und sonstigen Privatpersonen unterschieden (S. 44 ff.) und der sog. Agent Provocateur zutreffend nicht als Personengruppe definiert, sondern als ein Handlungsmuster eingeordnet (S. 49).

Im zweiten Teil der Untersuchung legt Ellbogen zunächst dar, dass der Einsatz von V-Leuten im strafprozessualen Ermittlungsverfahren einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Ausgangspunkt seiner Argumentation ist die Wesentlichkeitstheorie, die er gegen kritische Einwände verteidigt (S. 60 ff., 63). Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage leitet er aus dem Gesichtspunkt her, dass durch den Einsatz von Privatpersonen zur Verbrechensaufklärung das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung beeinträchtigt wird (S. 68 ff., 78); weiterhin könne - wenn eine Zutrittsberechtigung vorgetäuscht werde - auch das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung betroffen sein (S. 97 ff.). Für nicht einschlägig erachtet Ellbogen demgegenüber den nemo tenetur Grundsatz (S. 78 ff.), das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (S. 96 f.) und den Grundsatz des fairen Verfahrens, der allenfalls bei einem Lockspitzeleinsatz gegen Unverdächtige betroffen sei (S. 64 ff.). Die Entscheidung, in diesem Zusammenhang die einschlägige Rechtsprechung des EGMR aus den Erörterungen auszublenden (vgl. S. 56 f., 64), nimmt diesen Grundsätzen von vornherein viel kritische Substanz und dürfte auch der Bedeutung nicht gerecht werden, die der Rechtsprechung des EGMR für die Ausgestaltung auch der nationalen Rechtsordnung zukommt.

Auf der Grundlage der Erkenntnis, dass es einer gesetzlichen Grundlage bedarf, stellt sich die weitere Frage, ob insoweit eine - derzeit nicht vorhandene - Spezialnorm erforderlich ist oder aber auf die Ermächtigungsgeneralklausel des § 161 Abs. 1 StPO zurückgegriffen werden kann. Ellbogen geht zu recht davon aus, dass das Fehlen einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage nicht über die Anerkennung eines Übergangsbonus kompensiert werden kann (S. 104 f.). Weiterhin verwirft er mit überzeugender Begründung sowohl die analoge Anwendung der §§ 110a f. StPO (S. 105 ff.) als auch den Rückgriff auf § 34 StGB (S. 108 f.) und das Institut des Gewohnheitsrechts (S. 109 f.). Ermächtigungsgrundlage ist nach Ellbogen die Ermächtigungsgeneralklausel des § 161 Abs. 1 StPO n.F. (S. 110 ff.), die allerdings auch seiner Auffassung nur den mit dem Einsatz von V-Leuten verbundenen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu legitimieren vermag (S. 113 ff.), nicht dagegen Einsätze, mit denen auch in den Schutzbereich des Art. 13 GG eingegriffen wird (S. 123 f.).

Die zweite Hälfte der Untersuchung ist dann der Frage gewidmet, wie V-Leuten und Informanten Schutz gewährt werden kann. Ausgehend von der Erkenntnis, dass Privatpersonen oft nur dann bereit sind, für die Strafverfolgungsbehörden tätig zu werden oder diesen Informationen zukommen zu lassen, wenn ihnen eine Geheimhaltung ihrer Identität zugesichert wird, beschäftigt sich Ellbogen zunächst mit der sog. Vertraulichkeitszusage (S. 125 ff.). Seiner Auffassung nach lässt sich die Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Vertraulichkeitszusage in einem Erst-Recht-Schluss aus den §§ 54, 96 StPO ableiten. Eine Vertraulichkeitszusage könne - so seine These - unter den Voraussetzungen erteilt werden, unter denen auch eine Sperrerklärung erfolgen könne (S. 126 ff.). Liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Vertraulichkeitszusage vor, soll diese grundsätzlich verbindlich sein (S. 136); die Verbindlichkeit entfalle nur dann, wenn die V-Person wissentlich oder leichtfertig falsche Informationen liefert, sich nachträglich eine Beteiligung an der aufzuklärenden Straftat ergibt, sich die V-Person als unzuverlässig erweist oder gar im Rahmen seiner Tätigkeit Straftaten begeht (S. 137). Wenn sich dagegen später herausstellt, dass eine Gefährdungssituation tatsächlich gar nicht gegeben ist, soll dies die Verbindlichkeit der erteilten Zusage nicht in Frage stellen. Die Forderung, vom Instrument der Vertraulichkeitszusage nur zurückhaltend Gebrauch zu machen (vgl. S. 127 ff.), ändert nichts daran, dass auf der Grundlage dieser Konzeption eine sachlich falsche Prognose Maßnahmen legitimieren kann, die auf der Grundlage des aktuellen Erkenntnisstandes nicht legitimationsfähig sind. Dass der EGMR Einschränkungen des Konfrontationsrechts des Beschuldigten (Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK) als konventionskonform akzeptieren wird, die allein darauf gestützt werden, dass die Strafverfolgungsbehörden in einem früheren Stadium des Verfahrens zu unrecht eine Gefährdungssituation angenommen und deshalb eine Vertraulichkeitszusage erteilt haben, wird man allerdings nicht ohne weiteres annehmen können.

Als Instrumente zur Umsetzung der Vertraulichkeitszusage behandelt Ellbogen die Sperrerklärung (S. 138 ff.) und - bezogen auf nach dem Verpflichtungsgesetz förmlich verpflichtete V-Leuten - die eingeschränkte oder verweigerte Aussagegenehmigung (S. 176 ff.). Die Zuständigkeit für die Anordnung beider Maßnahmen liegt seiner Auffassung nach grundsätzlich beim Justizminister (S. 143 ff., 178 ff.). Auch die Voraussetzungen seien identisch (S. 146 ff., 182 f.). Die These, neben der Gefährdung des Zeugen seien auch andere Gründe denkbar, wie z.B. das Interesse an der Gewährleistung von Vertraulichkeitszusagen und an der Aufklärung besonders

schwerwiegender Straftaten (S. 151 f.), wäre einer vertieften Begründung wert gewesen. Gleiches gilt für die Erwägungen, mit denen die Überprüfung der Sperrerklärung in einem sog. in camera Verfahren zugunsten einer Lösung über eine vorsichtige Beweiswürdigung verworfen wird (S. 162 f.).

Im vierten und letzten Teil der Untersuchung wendet sich Ellbogen dann den Problemen zu, die sich im Rahmen der Aufnahme und Würdigung der Beweise in der Hauptverhandlung ergeben (S. 190 ff.). Ausgangspunkt und Basis seiner Erörterungen ist eine Drei-Stufen-Theorie: In erster Linie sei der Zeuge durch Maßnahmen zu schützen, die es ermöglichen, ihn in der Hauptverhandlung als Zeugen zu vernehmen. Erst dann, wenn derartige Maßnahmen keinen hinreichenden Schutz gewähren, sei an eine kommissarische Vernehmung und - als ultima ratio - an die Sperrung des Zeugen und den Rückgriff auf Beweissurrogate zu denken (S. 191). Als Maßnahmen zum Schutz des in der Hauptverhandlung auftretenden Zeugen werden behandelt: der Verzicht auf die Angabe des Wohnortes (S. 193) und der Identität (S. 197), die Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungszimmer (S. 199), der Ausschluss der Öffentlichkeit (S. 201), die audio-visuell übertragene Vernehmung des sich an einem anderen Ort aufhaltenden Zeugen (S. 203) sowie die optische und akustische Abschirmung des Zeugen (S. 207), die Ellbogen mangels einer gesetzlichen Grundlage dann für unzulässig erachtet, wenn hierdurch die Möglichkeiten der Beurteilung der Glaubwürdigkeit in Frage gestellt werden (S. 209 ff.).

Angesichts der nur eingeschränkten Schutzwirkung des Instruments der kommissarischen Vernehmung (vgl. S. 216 ff.), kommt es in den Fällen, in denen der Zeuge einer relevanten Gefährdung ausgesetzt ist, auf die dritte Stufe an: auf die Möglichkeit, den Zeugen zu sperren und den Beweis durch Beweissurrogate zu erbringen. Als Beweissurrogate kommen in Betracht: das Verlesen von Niederschriften über frühere Vernehmungen des Zeugen (S. 221 ff.) und die Vernehmung der Verhörsperson als Zeuge vom Hörensagen (S. 227 ff.). Die Überzeugungskraft der These, die mit dieser Art der Beweisführung verbundenen Beeinträchtigungen und Einschränkungen der Verteidigungsrechte des Beschuldigten könnten angemessen im Rahmen der Beweiswürdigung kompensiert werden, wird dadurch eingeschränkt, dass sich Ellbogen im Wesentlichen mit dem Meinungsstand in der deutschen Literatur und Rechtsprechung auseinandersetzt. Der Nachweis der diesbezüglich sehr viel anspruchsvolleren Rechtsprechung des EGMR beschränkt sich auf vereinzelte Nachweise, die zudem eher allgemeine Programmsätze betreffen (S. 228 Fn. 222; S. 230 Fn. 230 f.). Der gleiche Einwand ist letztlich auch der abschließenden Behandlung der im Rahmen der Beweiswürdigung zu beachtenden Grundsätze entgegen zu halten. Die in den Entscheidungen des EGMR immer wiederkehrende Floskel, es sei in erster Linie Sache der nationalen Gerichte, die Beweise zu würdigen, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der EGMR auch in insoweit Grundsätze entwickelt hat, die von den nationalen Gerichten zu beachten sind, wenn sie dem Verdikt des Konventionsverstoßes entgehen wollen.

Insgesamt gesehen bleibt festzuhalten: Ellbogen hat eine Abhandlung vorgelegt, die sich mit dem Meinungsstand in der deutschen Literatur und Rechtsprechung eingehend auseinandersetzt und insoweit zu gut vertretbaren Ergebnissen gelangt. Die Überzeugungskraft der Ausführungen wird allerdings dadurch geschwächt, dass der Verfasser weitgehend darauf verzichtet hat, die nun auch in Deutschland in zunehmenden Maße in ihrer Bedeutung erkannte Rechtsprechung des EGMR in seine Erörterungen einzubeziehen.

Prof. Dr. Wolfgang Wohlers, Zürich.

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Volker Hees : Die Zurückgewinnungshilfe, Der Zugriff des Verletzten auf gemäß §§ 111b ff. StPO sichergestellte Vermögenswerte des Straftäters; Duncker & Humblot, Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft, Band 148, 302 Seiten, 2003 - 72,80 €.

Die Dissertation von Hees, die von Nelles betreut wurde, befasst sich grundlegend mit dem Rechtsinstitut der sogenannten Zurückgewinnungshilfe, also dem Zugriff des Verletzten auf gemäß §§ 111b ff. StPO sichergestellte Vermögenswerte des Straftäters. Zu recht weist der Autor auf deren zunehmende praktische Bedeutung hin, die sich auch in einem Diskussionsentwurf zur Stärkung der Zurückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten widerspiegelt (dazu Rönnau, ZRP 2004, S. 191 ff.). Zunächst gibt Hees einen Überblick über die Vorschriften der §§ 111b ff. StPO. Beginnend mit einem historischen Aufriss (S. 21-24) stellt er sodann die Voraussetzungen und den Ablauf einer behördlichen Sicherstellung dar. Dabei unterscheidet er wie das Gesetz zwischen der Beschlagnahme gemäß § 111b Abs. 1 StPO von konkreten Gegenständen, die gemäß §§ 73, 73d StGB dem Verfall unterliegen (S. 26 ff.), und der Anordnung eines dinglichen Arrestes gemäß §§ 111b Abs. 2, 111d StPO in das Vermögen des Beschuldigten wegen des Verfalls von Wertersatz gemäß §§ 73a, 73d Abs. 2 StGB (S. 31 ff.). Ein eingangs gebildetes Fallbeispiel (S. 19) veranschaulicht diese Darstellung und wird auch im weiteren Verlauf der Arbeit immer wieder zur Verdeutlichung der jeweils behandelten Probleme herangezogen. Damit lehnt sich die Arbeit didaktisch an ein Lehrbuch an. Somit wird von Beginn an Klarheit geschaffen, auch wenn eine Vielzahl von Normen angewandt wird.

Bei der Eingrenzung seiner Untersuchung (S. 42 ff.) macht Hees deutlich, dass es ihm um das Verhältnis mehrerer konkurrierender Verletzter und anderer Gläubiger geht, die den staatlichen Beschlagnahmen und Arrestvollziehungen nachfolgen. Hier kann es insbesondere dann zu Problemen kommen, wenn die mehrfach gepfän-

deten Werte nicht zur Befriedigung aller Gläubiger ausreichen und es dann zu einem "Wettlauf der Gläubiger” kommt. Hees beschränkt dabei seine Untersuchung aber zum einem auf den Kreis der Gläubiger innerhalb der Umsetzung von Sicherstellungsmaßnahmen. Beispielsweise die Frage, ob eine Beschlagnahme in die Insolvenzmasse möglich ist (vgl. Moldenhauer/Momsen, wistra 01, S. 456 ff.), grenzt er bewusst aus. Zum anderen betrachtet er den Problemkreis ausschließlich national, indem er darauf verzichtet, sich mit Problemen der Zurückgewinnungshilfe im internationalen Rechtsverkehr auseinander zusetzen (vgl. bereits die Bemühungen im Gesetzentwurf zur verbesserten Abschöpfung von Vermögensvorteilen aus Straftaten (VAGE) vom 3.2.1998, BT-Drucks. 13/9742). Eine m. E. nach zulässige und präzise Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes, die davor bewahrt, dass die Untersuchung ausufert.

Das Kernstück der Arbeit bilden die Kapitel C (S. 46 ff.) und D (S. 181 ff.), in denen Hees sich detailliert mit dem Problem des Zugriffs auf bereits beschlagnahmte beziehungsweise arrestierte Vermögenswerte auseinandersetzt. In Kapitel C untersucht Hees zunächst die Auswirkung des Zulassungserfordernisses in § 111g Abs. 2 StPO für eine Zurückgewinnungshilfe auf die Wirksamkeit von Vollstreckungsmaßnahmen. Dabei wendet er sich der Frage zu, ob Vollstreckungsmaßnahmen ohne ihre vorherige Zulassung wirksam sind. Dazu setzt er sich mit dem Problem auseinander, dass nach §§ 111c Abs. 5 StPO, 136 BGB ein relatives Veräußerungsverbot zu Gunsten des Justizfiskus bestehen kann. Sodann setzt Hees sich damit auseinander, ob § 111g Abs. 2, 1 StPO wirklich für alle - so der Wortlaut - nach § 111c StPO beschlagnahmte Gegenstände gilt. An dieser Stelle führt er ein eingangs (S. 35 f.) geschildertes Problem fort: § 73 Abs. 1 S. 2 StGB schließt eine Verfallsanordnung in solchen Fällen aus, in denen der Verletzte aus der Tat einen Anspruch hat. Der Verfall ist damit faktisch im gesamten Bereich der Vermögenskriminalität ausgeschlossen. Die Ausschlussklausel des § 73 Abs. 1 S. 2 StGB wird deswegen auch als "Totengräber des Verfalls” bezeichnet. Für den erweiterten Verfall nach § 73d StGB gilt sie hingegen nicht. Der erweiterte Verfall könnte daher im Urteil ausgesprochen werden, obwohl Ansprüche des durch die Tat Verletzten entgegenstünden. Es ist deshalb nur konsequent, dass Hees die Frage aufwirft, ob der Verletzte im Wege der Zurückgewinnungshilfe Gegenstände des erweiterten Verfalls beschlagnahmen lassen kann (S. 59 ff.). Indem er tiefschürfend das gesetzessystematische Verhältnis von § 111g StPO zu § 73 Abs. 1 S. 2 StGB beleuchtet, kommt er zu dem Ergebnis, dass die Zurückgewinnungshilfe auch bei erweitertem Verfall Anwendung findet. Dem Fiskus gegenüber dem Verletzten hier den Vorrang zu lassen, würde "den Schaden noch weiter zementieren” (S. 68) und dem Opferschutzgedanken zuwider laufen. Andere Vollstreckungsmaßnahmen des Verletzten in nicht oder nicht mehr beschlagnahmte Gegenstände bedürfen hingegen keiner Zulassung. Hees setzt sich weiter mit der Frage auseinander, ob der Zulassungsbeschluss zusätzliche Voraussetzung einer wirksamen Zwangsvollstreckung ist. Die Praxisrelevanz zeigt sich schon darin, dass dieser dann innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO gestellt werden muss. Wie der BGH - aber entgegen einiger Stimmen aus der Literatur - versteht Hees den Zulassungsbeschluss nicht als Wirksamkeitsvoraussetzung der Zwangsvollstreckung (S. 86). Durch präzise Auslegung des § 111g Abs. 2 StPO kommt er zu dem Ergebnis, dass die Zwangsvollstreckung des Verletzten ohne Zulassungsbeschluss lediglich gegenüber dem Staat wegen §§ 111c Abs. 5 StPO, 136 BGB relativ unwirksam ist. Die auf gesetzgeberische Intention und Opferschutz gestützte Argumentation überzeugt. Der Zulassungsbeschluss soll Wegbereiter der Wiedergutmachung und nicht eine weitere Hürde für den Verletzten bei der Durchsetzung seiner Ansprüche sein. Der Zulassungsbeschluss hat damit eine "Filterfunktion” zu Gunsten des Verletzten (S. 96). Schließlich widmet sich Hees der Frage, ob der Zulassungsbeschluss nach § 111g Abs. 2 StPO Auswirkungen auf das vollstreckungsrechtliche Prioritätsprinzip hat (S. 106ff.). Nachdem er klargestellt hat, dass die rangsichernde Funktion des Zulassungsbeschlusses im Verhältnis zwischen dem Verletzten und dem Staat bereits von dem relativen Veräußerungsverbot übernommen wird und der Zulassungsbeschluss schon von daher keine Auswirkung auf das Verhältnis zwischen Verletztem und Staat hat, untersucht er Auswirkungen auf das Verhältnis vom Verletzten zu anderen Gläubigern (S. 109 ff.) und von mehreren Verletzten untereinander (S. 114 ff.). Sofern der Zulassungsbeschluss während der Beschlagnahme erwirkt wird, ändert dieser bezüglich eines Gläubigers, der nicht Verletzter ist, das Prioritätsprinzip zu Gunsten des Verletzten ab, da nunmehr über § 111g Abs. 3 StPO das Veräußerungsverbot der §§ 111c Abs. 5 StPO, 136 BGB auch zu Gunsten des Verletzten gilt. Der Verletzte rückt damit quasi auf die Rangposition des vorrangigen Gläubigers, so dass der Zulassungsbeschluss neben der zuvor genannten "Filterfunktion” auch eine "Vorrangfunktion” hat. Dieses Ergebnis verwundert in Hinblick auf den Opferschutzgedanken der Zurückgewinnungshilfe nicht weiter. Um so spannender ist das von Hees aufgeworfene Problem, welche Auswirkungen der Zulassungsbeschluss auf das Rangverhältnis mehrerer Verletzter hat, die einen solchen Beschluss erwirkt haben. Während Hees zunächst die Auffassung vertrat, dass die Reihenfolge des Ranges mehrerer Verletzter danach bestimmt werde, welcher Verletzter zuerst Vollstreckungsmaßnahme und Zulassungsbeschluss erwirkt habe (vgl. noch Hees/Albeck, ZIP 2000, 871), vertritt er nunmehr - wie auch tendenziell der BGH - die Ansicht, dass der Zulassungsbeschluss keine Auswirkung auf das vollstreckungsrechtliche Prioritätsprinzip hat (S. 118 ff.). Unter denjenigen Verletzten, die Vollstreckungsmaßnahme und Zulassungsbeschluss erwirkt haben, gelte der Zeitpunkt der Vollstreckungshandlung. Hees begründet seinen Wechsel der Ansicht dezidiert und überzeugend auf Basis der Gesetzesauslegung von § 111g Abs. 3 StPO. Der Gesetzgeber habe den Opferschutz verbessern, nicht aber das Verhältnis der Opfer untereinander regeln wollen. Dieses Ergebnis korrespondiert auch damit, dass die Zulassung gerade keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Zwangsvollstreckung ist. Schließlich untersucht Hees, welche Gläubiger einen Zulassungsbeschluss er-

wirken können (S. 128 ff.). Diese Frage hätte man durchaus auch schon zu Beginn der Untersuchung aufwerfen können. Gemäß § 111g Abs. 2 S. 3 StPO muss "dem Verletzten ein Anspruch aus der Straftat erwachsen sein”. Hees setzt sich zunächst mit dem Tatbegriff auseinander und legt den des § 264 StPO zu Grunde. Dann wirft er die Frage auf, ob die Zurückgewinnungshilfe eine "dingliche Rückabwicklung” voraussetzt, also lediglich einen Zugriff auf dem den Verletzten entzogenen Tatgewinn oder davon abstammenden Surrogaten erfasst (S. 135ff.). Überzeugend verneint er dies, da eine solche Rückabwicklung weder von der Systematik der Zurückgewinnungshilfe gedeckt noch sachgerecht sei. Die eigentliche Frage des Verletzten (S. 138ff.) löst er in Anlehnung an den Verletztenbegriff des § 73 Abs. 1 S. 2 StGB und stellt dabei überzeugend dar, dass auch der Steuerfiskus Verletzter sein kann, ein Rechtsnachfolger wie beispielsweise Erbe oder Zessionar hingegen nicht. Denn während der Rechtsnachfolger lediglich vermögensrechtliche Interessen verfolge (S. 153) sei der Steuerfiskus durch die §§ 370ff. AO individuell Verletzter. Schließlich wird die Frage aufgeworfen, welche Ansprüche von § 111g Abs. 2 S. 3 StPO erfasst sind. Dabei akzentuiert Hees, dass dem Anspruch eine Vermögensverfügung zu Lasten des Opfers zu Grunde liegen muss (S. 158ff.). Damit kann er auch konkrete Einzelfälle zutreffend beantworten und verneint beispielsweise einerseits eine Zurückgewinnungshilfe bei Schmerzensgeldansprüchen des Opfers aus § 847 BGB (S. 164); andererseits sieht er auch die Ansprüche erfasst, die zwar vor der einschlägigen Tat entstanden sind, aber Gegenstand der Tat waren (S. 170 ff.). Das Argument, dass bei einer fehlenden Einbeziehung solcher Ansprüche die Verletzten nicht in den Genuss der Zurückgewinnungshilfe kämen, deren Vermögensinteressen gerade durch das verletzte Gesetz geschützt würden, wird dadurch in Frage gestellt, dass man damit möglicherweise doch zwei verschiedene Tatbegriffe zu Grunde legt. Denn beispielsweise bei einer Steuerhinterziehung müssen der entstandene Anspruch und die begangene Straftat nicht zwingend eine prozessuale Tat darstellen. Hees erkennt dieses Problem und entscheidet sich im Zweifel aus Opferschutzgesichtspunkten zu Gunsten des Verletzten und gegen einen einheitlichen Tatbegriff (S. 175 f.).

Im Kapitel D setzt Hees sich dann mit dem Zugriff des Verletzten auf arrestierte Vermögenswerte und der Auswirkung des Zulassungsbeschlusses gemäß § 111h Abs. 2 StPO auseinander. Dabei läuft die Untersuchung spiegelbildlich zu der vorherigen Untersuchung im Kapitel C ab. Der Problemkreis bei der Zulassung in arrestiertes Vermögen ist jedoch kleiner, da sich Fragen wie beispielsweise die der Wirksamkeit ohne vorherige Zulassung oder die der einzuhaltenden Reihenfolge nicht stellen. Den Anwendungsbereich des § 111h StPO versteht Hees umfassend (S. 181 ff.). Hinsichtlich der Rechtsfolgen des Zulassungsbeschlusses gemäß § 111h Abs. 2 StPO stellt Hees ebenso wie bei § 111g Abs. 2 StPO die "Filterfunktion” und die - wenn auch durch § 111h Abs. 1 S. 4 StPO in Verbindung mit § 880 BGB eingeschränkte - "Vorrangfunktion” heraus. Intensiv setzt er sich dabei mit der Frage auseinander, ob der Zulassungsbeschluss hinsichtlich mehrerer zugelassener Verletzter in das vollstreckungsrechtliche Prioritätsprinzip eingreift. Hier könnte insofern ein Widerspruch entstehen, als dass rangschlechtere Verletzte, die zuerst die Rangänderung nach der Zulassung haben eintragen lassen, auf Dauer im Rang nicht nur vor den Justizfiskus, sondern auch vor den ursprünglich rangbesseren Verletzten gelangen könnten. Hees löst diesen vom Gesetzgeber nicht gewollten (S. 225) Eingriff in das Prioritätsprinzip über einen sachenrechtlichen Drahtseilakt in Form einer dinglichen Einigung zwischen dem Justizfiskus und dem jeweils vortretenden Verletzten dahingehend, dass das ursprüngliche Rangverhältnis mehrerer Verletzter gewahrt bleibt (S. 227 ff.). Wird dennoch gegen das Prioritätsprinzip verstoßen, besteht ein Anspruch aus § 894 BGB (S. 230). Dieses Ergebnis lässt Hees in seine Auslegung des § 111h StPO einfließen und lehnt eine Auswirkung auf das Prioritätsprinzip ab. Lediglich zur Klarstellung empfiehlt er eine gesetzliche Neuregelung (S. 232). Schließlich untersucht Hees, ob es entgegen einer gesetzlichen Regelung noch weitere Möglichkeiten einer Zurückgewinnungshilfe für den Verletzten gibt. Eine solche sieht er bei eingetragenen Schiffen, Schiffsbauwerken und Luftfahrzeugen durch eine analoge Anwendung des § 111h StPO. Ein wirksamer Opferschutz könne ansonsten nicht erreicht werden (S. 249). Für eine vorrangige Befriedigung des Verletzten aus sonstigem beweglichen Vermögen, Forderungen und Vermögensrechten fehlt es hingegen an einer planwidrigen Regelungslücke (S. 255), denn es gibt insoweit keinen Rangtausch mit dinglicher Wirkung. Nach Hees ist damit der häufigste Anwendungsfall von Arrest, der in Bargeld oder Forderungen, nicht hinreichend erfasst (S. 255). Diese empirisch nicht weiter vertiefte Situation will Hees aus Opferschutzgesichtspunkten nicht hinnehmen und eröffnet deshalb dem Verletzten eine Gewinnabschöpfung und dabei wegen der Schutzmechanismen des Zulassungsverfahrens ein solches analog § 111h Abs. 2 StPO (S. 263). Der Verletzte soll somit wenigstens in den Genuss der "Filterfunktion” kommen. Eine "Vorrangfunktion” ist de lege lata hingegen nicht möglich. Hees sieht aber auch insoweit ein Bedürfnis für eine vorrangige Befriedigung und ruft daher den Gesetzgeber zur Vervollständigung des Opferschutzes auf (S. 277, vgl. auch Hees ZRP 2004, 37). Der Diskussionsentwurf kommt dieser Forderung nach. Ob Hees’ Vorschlag tatsächlich auf den Sockel eines Gesetzes gestellt wird, bleibt abzuwarten, da in der Rechtsprechung erst jüngst eine gegenteilige Auffassung vertreten wurde (vgl. OLG Köln NJW 2003, 2546(2549)).

Hees liefert eine tiefschürfende Auseinandersetzung mit dem Rechtsinstitut der Zurückgewinnungshilfe. Dem Gesetzgeber werden die wesentlichen Schwachstellen de lege lata aufgezeigt und konkrete praxistaugliche Vorschläge de lege ferenda gemacht. Hees’ Dissertation bietet nicht nur eine Diskussionsgrundlage für den Gesetzgeber und für die Wissenschaft, sondern ist auch für den sich mit der Zurückgewinnungshilfe beschäftigenden Praktiker eine Bereicherung.

Dr. Gerwin Moldenhauer , Hamburg.

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Christoph Hübner : Die Entstehung der objektiven Zurechnung; Schriften zum Strafrecht, Heft 150), Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2004, 320 S., br., EUR 78,00.

Jahrzehntelang ist die Lehre von der objektiven Zurechnung heftig umkämpft worden. Mittlerweile hat sich die Einsicht, daß das nahezu uferlose Kriterium der Kausalität bereits einer objektiv-tatbestandlichen Einschränkung bedarf, in der Rechtslehre weitgehend durchgesetzt. Auch die Rechtsprechung greift in zunehmendem Maße auf Topoi aus dem Arsenal der objektiven Zurechnung zurück, vor allem auf den Gedanken der Eigenverantwortlichkeit des Verletzten. Dennoch ist die Lehre von der objektiven Zurechnung von einer Konsolidierung noch weit entfernt. Dies gilt nicht nur für die Behandlung zahlreicher Einzelfälle, sondern auch für die theoretische Grundlegung dieser Lehre insgesamt. Die bislang umfassendste und subtilste Darstellung der Entwicklung der objektiven Zurechnung hat nun Christoph Hübner in seiner gleichnamigen, von Klaus Rogall betreuten Dissertation vorgelegt. Hübner zufolge lassen die unter dem Oberbegriff "objektive Zurechnung” rubrizierten Konzeptionen sich zu zwei Grundtypen zusammenfassen. Dabei handelt es sich einerseits um die Gruppe der objektiv-voluntativen Zurechnungslehren und andererseits um diejenige der - heute im Vordergrund der Diskussion stehenden - normativen Zurechnungstheorien.

Nach Ansicht der Verfechter voluntativer Zurechnungstheorien sind die Mängel des naturalistischen Handlungsbegriffs so schwerwiegend, daß sie sich nur durch einen Rückgriff auf die naturrechtliche, maßgeblich von Pufendorf geprägte Imputationslehre beheben lassen. Entscheidend ist danach der vom freien Willen gesetzte Zweck des Täterhandelns. Während die Befürworter der finalen Handlungslehre dabei von der aktuellen Finalität, dem Vorsatz, ausgehen, begnügen die Vertreter der objektiv-voluntativen oder personalen Zurechnungslehre (Begründer: Larenz und Honig) sich mit einer potentiellen Zweckbestimmung. Zur Begründung greift Larenz auf die Rechtsphilosophie Hegels zurück. Was ein in seinem konkreten Sosein befangenes Individuum tatsächlich in seinen Willen aufnimmt, hängt von mannigfachen Zufälligkeiten ab. Das Recht aber muß Hegel zufolge den Menschen zunächst unabhängig von jenen Besonderheiten in den Blick nehme. Den "für sich seiende(n) oder abstrakte(n) Willen” nennt Hegel: "die Person”. Die objektiv-voluntativen Zurechnungslehren sind personale Konzeptionen in eben diesem Sinn: Was der Täter als Person, d.h. in der "Allgemeinheit (eines) für sich freien Willens” (Hegel) vorhersehen kann, wird ihm objektiv zugerechnet. Damit läßt sich auch die Fahrlässigkeit ohne weiteres in die voluntative Zurechnung integrieren.

Im Unterschied zu den Vertretern voluntativer Ansätze begnügten die Anhänger der um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entwickelten Adäquanztheorie sich mit einer vorsichtigen Weiterentwicklung des naturalistischen Handlungsverständnisses. Eine Bedingung ist demnach nur dann adäquat kausal für den Erfolg, wenn sie die Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts erhöht. Auf der Adäquanztheorie fußen die von Max Ludwig Müller und Engischs begründeten normativen Zurechnungslehren. Sie teilen das Anliegen der Adäquanztheorie, die Weite des naturalistischen Kausalitätsdenkens sinnvoll zu begrenzen, halten aber den alleinigen Rückgriff auf das Kriterium der Erfolgswahrscheinlichkeit für unzureichend. Deshalb suchen sie in einem ersten Schritt anhand wertender Kriterien zu ermitteln, ob der Täter das Risiko für das Opfer in einem rechtlich relevanten Umfang erhöht hat. Damit wird die objektive Zurechnung von vornherein auf die strafrechtlich relevanten, rechtlich verbotenen Gefährdungen, also auf das mißbilligte Risiko beschränkt. Wie Hübner zu Recht geltend macht, kann die Bewertung kausaler Handlungen anhand von Verhaltensnormen, die Gefährdungsverbote statuieren, aber nur zur Feststellung der Ordnungsmäßigkeit oder der Pflichtwidrigkeit der Handlung führen. Sie beinhaltet keine Bewertung der Handlung im Hinblick auf den konkret eingetretenen Erfolg. Die Verbindung zwischen dem Verhaltensnormverstoß und dem Erfolg soll nach Auffassung der Vertreter normativer Zurechnungsmodelle durch die Prüfung der Risikorealisierung ermöglicht werden.

Mit der Ergänzung des Kriteriums der Risikosetzung um jenes der Risikorealisierung geht, wie Hübner zeigt, ein Perspektivenwechsel einher. Während der in der Schaffung eines mißbilligten Risikos liegende Verhaltensnormverstoß aus einer ex ante-Perspektive beurteilt werden kann, läßt sich die Feststellung einer eingetretenen Risikorealisierung nur aus einer ex post-Perspektive treffen. Die Zugrundelegung dieser Perspektive ist nach Hübners Ansicht aber "normtheoretisch nicht haltbar”, denn Normen könnten nur ex ante auf das Verhalten einwirken. Auf das Merkmal der Risikorealisierung gänzlich zu verzichten sei aber ebenso wenig akzeptabel. Eine rein normative Betrachtung ex ante schneide sich nämlich "das eigentliche Ziel der objektiven Zurechnung ab: die Einbeziehung des konkreten Erfolgs in die normative Betrachtung”.

Das Dilemma der normativen Zurechnungslehren legt für Hübner eine Rückbesinnung auf die Stärken der objektiv-voluntativen Zurechnungstheorien nahe. Im Gegensatz zu den normativen Zurechnungslehren sei die Einbeziehung des konkreten Erfolgs in die normative Bewertung der Verhaltensnormen auf der Grundlage der objektiv-voluntativen Zurechnungstheorien ohne Probleme zu bewerkstelligen: Weil und insofern die Handlung des Täters als objektiv zweckhaft in bezug auf den konkreten Erfolg gesetzt gedacht werden könne, sei der Erfolg dem Täter objektiv zurechenbar. Dies sei jedenfalls dann der Fall, wenn der Täter diejenigen Bedingungen willentlich beeinflussen könne, die notwendig seien, damit der Erfolgseintritt hinreichend bestimmt sei. Eine hinreichende Bestimmung der Erfolgsbedingungen sei darüber hinaus auch schon dann gegeben, wenn die Handlung in Hinblick auf die Erfolgsverursachung objektiv an einem Erfahrungssatz orientiert sei, der die übrigen, zur hinreichenden Erfolgserklärung notwendigen, aber vom Täter nicht konkret beeinflußbaren Bedingungen substituiere.

Die in diesem Sinn verstandene objektive Zweckhaftigkeit der Täterhandlung bedarf nach Hübners Auffassung allerdings für solche Fälle einer normativen Beschränkung, in denen der Gesetzgeber spezielle Verhaltensnormen zur Regelung bestimmter Gefahrenbereiche erlassen hat. Innerhalb des danach als erlaubt definierten Bereichs dürfe der Täter auf die Gefahrlosigkeit seiner Handlung vertrauen; deshalb sei der Schluß von der objektiven Zweckhaftigkeit der Handlung auf das Vorliegen eines mißbilligten Risikos in diesen Konstellationen unzulässig. Somit kann Hübner zufolge ein Erfolg dann einer Person objektiv zugerechnet werden, "wenn die kausale Handlung als objektiv zweckhaft in bezug auf den konkreten Erfolg gesetzt gedacht werden kann und nicht innerhalb des anhand von speziellen Sorgfaltsnormen gebildeten erlaubten Risikos liegt”.

Hübner gebührt Dank dafür, daß er die anspruchsvollen philosophischen Wurzeln der Lehre von der objektiven Zurechnung freigelegt hat. Angesichts dieser Leistung überrascht jedoch seine etwas holzschnittartige Gegenüberstellung objektiv-voluntativer und normativer Konzeptionen. Sämtliche Versionen der Lehre von der objektiven Zurechnung benötigen ein Zurechnungssubjekt, und dieses Zurechnungssubjekt kann in der ihm eigenen Abstraktion von den individuellen Besonderheiten des konkreten Täters nur ein durch und durch normatives Konstrukt sein. Der Wille, an dem die von Hübner sogenannten objektiv-voluntativen Konzeptionen den Täter festhalten wollen, stellt sich mit Blick auf das konkrete Täterindividuum deshalb unvermeidlich als eine normativ begründete Zuschreibung dar. Es kann deshalb nicht primär darum gehen, ein objektiv-voluntatives Verständnis der objektiven Zurechnung gegen einen normativen Ansatz auszuspielen; entscheidend ist vielmehr die Frage, wie die Person im Rahmen der Lehre von der objektiven Zurechnung im einzelnen zu konstruieren ist. Es ist das bedauerlichste Defizit von Hübners Buch, daß er dieser Frage nicht die gebührende Aufmerksamkeit widmet.

Es sind im wesentlichen zwei Personmodelle denkbar. Man kann sich entweder mit Hübner auf den Standpunkt stellen, daß sämtliche Handlungen, deren Erfolgsrelevanz in dem vom Verfasser präzisierten Sinn ein durchschnittlich kompetenter Handelnder zu erkennen vermocht hätte, die objektive Zurechnung des daraufhin eingetretenen Erfolgs erlauben. Wer so argumentiert, legt einen vorrechtlichen Personbegriff zugrunde: Die Person wird wesentlich über ihre tatsächliche Fähigkeit zur Bewirkung realer Außenwelterfolge verstanden. Die Alternative zu dieser Lesart besteht darin, die Person von vornherein als Rechtsperson zu begreifen, die nicht entscheidend an den tatsächlichen Auswirkungen ihrer Handlungen, sondern vielmehr daran interessiert sein muß, den von ihr angesichts der Art und Weise ihrer sozialen Selbstdarstellung erwarteten Beitrag zur Wahrung der Integrität anderer Rechtspersonen zu erbringen. Nur wenn man sie mit dem letztgenannten Personbegriff verknüpft, kann die Lehre von der objektiven Zurechnung eine eigenständige systematische Rolle innerhalb der Verbrechenslehre beanspruchen. Wie auch immer man den Begriff des Verbrechens im einzelnen bestimmen mag, es dürfte sich schwerlich bestreiten lassen, daß konstitutiv für das Verbrechen das Moment des Rechtsbruchs ist. Die angestrebte Indizfunktion für den kriminellen Charakter eines bestimmten Verhaltens kann die Lehre von der objektiven Zurechnung deshalb lediglich dann entfalten, wenn innerhalb ihrer statt auf die tatsächliche Vorhersehbarkeit nachteiliger Außenweltveränderungen auf die Enttäuschung rechtlich relevanter Erwartungen abgestellt wird.

Der hier befürwortete Personbegriff unterscheidet sich in seinen Konsequenzen für die Lehre von der objektiven Zurechnung beträchtlich von Hübners Ansatz. Eine erste Differenz betrifft den systematischen Standort des erlaubten Risikos. Vor dem Hintergrund eines vorrechtlichen Personverständnisses ist es konsequent, dem erlaubten Risiko mit Hübner nur die Rolle eines zurechnungsbeschränkenden Korrektivs einzuräumen. Der hiesigen Position zufolge entfällt bei Einhaltung des in concreto einschlägigen Achtsamkeitsstandards hingegen bereits der Ansatzpunkt für eine objektive Zurechenbarkeit des Erfolgs. Ein zweiter Unterschied bezieht sich auf die Beachtlichkeit sogenannten Sonderwissens. Hübner legt ein konsequent faktizitätsorientiertes Verständnis der objektiven Bezweckbarkeit zugrunde. Daß ein bestimmter Erfolg vom Täter tatsächlich bezweckt worden ist, stellt für ihn eine hinreichende Begründung dafür dar, daß dieser Erfolg auch objektiv bezweckbar war. Für die objektive Zurechnung eines Erfolgs genügt es demnach, daß der Täter realiter - sei es auch nur aufgrund eines für etwaige Opfer gänzlich überraschenden Sonderwissens - den Tatablauf steuern konnte. Anders die hier vertretene Auffassung. Entscheidend ist danach nicht, was das konkrete Täterindividuum weiß und bezweckt, sondern was von einer Rechtsperson in der sozialen Rolle des Täters erwartet werden darf. Rolleninadäquates Sonderwissen des Täters muß deshalb außer Betracht bleiben. Ein dritter Differenzpunkt betrifft den Stellenwert von Erwägungen zur Risikorealisierung innerhalb der Zurechnungsprüfung. In der Konzeption Hübners spielt dieser Gesichtspunkt keine eigenständige Rolle mehr; er soll in der Prüfung der objektiven Bezweckbarkeit aufgehen. Eine andere Gewichtung ergibt sich aus der hiesigen Auffassung. Welcher Beitrag zur Wahrung fremder Integrität von der einzelnen Rechtsperson erwartet wird, ist danach nicht Teil der Lehre von der objektiven Zurechnung. Dies ergibt sich vielmehr aus einem eigenständigen Komplex von Überlegungen - dem System der strafrechtlichen Zuständigkeitsbegründungstatbestände ("Garantenstellungen”). Ihren Hauptanwendungsbereich hat die Lehre von der objektiven Zurechnung nach hiesigem Verständnis deshalb in der Frage, welche der Folgen seines erwartungswidrigen Verhaltens der Täter zu verantworten hat. Die bislang subtilste Antwort darauf haben Jakobs und Puppe gegeben. Danach sind dem Täter jene Erfolge objektiv zurechenbar, die man - unter Berücksichtigung etwaiger Zuständigkeitsbeiträge des Verletzten selbst sowie dritter Personen - nicht ohne Heranziehung jener Informationen erklären kann, aus denen das Unerlaubte des vom Täter gesetzten Risikos hervorgeht.

Eine systematisch vollständig überzeugende Bewältigung des Themas "objektive Zurechnung” ist Hübner demnach nicht gelungen. Dessen ungeachtet hat er eine Arbeit von außergewöhnlich hoher Qualität vorgelegt, die in ihrer Tiefgründigkeit manche Habilitation in den Schatten stellt. Es ist der Strafrechtsdogmatik zu wünschen, daß sie die vielfältigen Anregungen dieses Werks aufnimmt und in der weiteren Diskussion gebührend berücksichtigt.

Professor Dr. Michael Pawlik (LLM Cantab.), Universität Regensburg

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Gisela Manske, Verbrechen gegen die Menschlichkeit als Verbrechen an der Menschheit, Zu einem zentralen Begriff der internationalen Strafgerichtsbarkeit, Duncker & Humblot, Berlin 2003, 400 S., € 89,90, ISBN 3-428-10590-7

Mit der Dissertationsschrift von Manske wird eines der wohl grundlegenden Konzepte des internationalen Strafrechts in Gestalt der Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufgegriffen und einer nicht nur ausführlichen (400 S.), sondern auch inhaltlich fundierten Untersuchung zugeführt. Anliegen der Verfasserin ist es dabei zu prüfen, ob Verbrechen gegen die Menschlichkeit als Verstöße gegen einen Mindeststandard menschlichen Verhaltens oder als Verbrechen an der gesamten Menschheit "mit der Folge einer entsprechenden Rechtfertigung zur "universellen” Ahndung” (S. 29, siehe auch S. 31) zu verstehen sind.

Auf der Suche nach dem "spezifischen Charakter des Konzepts der Verbrechen gegen die Menschlichkeit” (S. 31) will sich die Verfasserin von den auf internationaler Ebene bisher erfolgten Bemühungen um eine Kodifikation dieses Konzepts lösen, da die hier vorzufindenden verschiedenen Definitionen - mit Ausnahme des Statuts für einen ständigen Internationalen Strafgerichtshof in Rom von 1998 - stets nur reaktiv auf den jeweiligen Anwendungsfall zugeschnitten waren (S. 31, 32). Unter Aufgreifen jener bisherigen Kodifikationsbemühungen und mittels eines Vergleichs dieser auf ihre übereinstimmenden Merkmale hin strebt die Verfasserin ein abstrakt gefasstes juristisches Konzept (S. 32) der Verbrechen gegen die Menschlichkeit an und versucht so, "die normative Grundstruktur des Konzeptes von seinen anerkannten Anwendungsfällen zu abstrahieren” (S. 32).

Zur Erreichung dieses Untersuchungszwecks gliedert die Verfasserin ihre Arbeit in 7 Teile, wobei die Teile 1 bis 4 der Herausarbeitung der normativen Grundstruktur des Konzepts der Verbrechen gegen die Menschlichkeit als ersten Untersuchungsschritt (S. 33) dienen. In einem zweiten Untersuchungsschritt, der die Verfasserin die Teile 5 bis 7 zuordnet (S. 33), soll sodann geklärt werden, "weshalb diese Grundstruktur einen notwendig internationalen Bezug aufweist” (S. 33).

Die Arbeit beginnt mit einer ausführlichen Aufarbeitung und Analyse der historischen Entwicklung des Konzepts der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und dessen Anwendung durch die Internationalen Strafgerichtshöfe für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) und Ruanda (ICTR) im ersten Teil der Arbeit (S. 35-108).

Im Anschluss geht die Verfasserin der Frage nach, "ob und inwieweit dieses Konzept im internationalen Recht verankert ist” (S. 109). Ausgehend von dem Umstand, dass es kein internationales Abkommen gibt, das sich speziell und eigens sowie in umfassender Weise mit dem Konzept der Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschäftigt (S. 110), untersucht die Verfasserin im zweiten Teil ihrer Arbeit (S. 109-153), ob und in welchem Maße "Teilbereiche bzw. Unterfälle” (S. 110) des Konzepts im Rahmen von bestehenden internationalen Abkommen kodifiziert werden. Dabei greift die Verfasserin auf die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes von 1948, die Konvention über die Unterdrückung und Bestrafung des Verbrechens der Apartheid von 1973 und das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe von 1984 zurück und sucht nach übereinstimmenden Merkmalen, die charakteristisch für den Oberbegriff der Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind (S. 149-153).

Gegenstand des kürzer gehaltenen dritten Teils der Arbeit sind "Definitionen des Tatbestandes der Verbrechen gegen die Menschlichkeit” (S. 154-174), wobei die Verfasserin hier zunächst die Kodifikationsarbeiten der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen (ILC) im Rahmen ihrer Bemühungen um die Schaffung eines "internationalen Strafgesetzbuches” (S. 33) und sodann die Definition der Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach dem 1998 verabschiedeten Statut eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofs darstellt.

Den Abschluss des ersten Untersuchungsschritts zur Herausarbeitung der Grundstruktur des Konzepts der Verbrechen gegen die Menschlichkeit bildet der 4. Teil der Arbeit zur "Interpretation des Konzepts durch die Rechtsprechung” (S. 174-213), in dem in gut strukturierter Weise dargelegt wird, in welcher Weise der jeweilige Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum einen durch die Rechtsprechung nach dem Zweiten Weltkrieg (S. 176-194) und zum anderen durch die Rechtsprechung der Kammern des Internationalen Strafgerichtshofes für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) ausgelegt wurde.

Wünschenswert wäre es gewesen, wenn die gefundenen Erkenntnisse aus dem 1. bis 4. Teil der Arbeit, welche die Verfasserin ihrem ersten Untersuchungsschritt zuordnet (S. 33), in einem zumindest kurz gehaltenen "Zwischenergebnis” zusammengefasst worden wären oder der Übergang zu dem sich nun "nahtlos” anschließenden zweiten Untersuchungsschritt in deutlicherer Weise

durch eine entsprechende Gliederung kenntlich gemacht worden wäre.

Um in diesem zweiten Untersuchungsschritt die Frage zu beantworten, weshalb die Grundstruktur der Verbrechen gegen die Menschlichkeit "einen notwendig internationalen Bezug aufweist” (S. 33), untersucht die Verfasserin im 5. Teil ihrer Arbeit mit dem Titel "Verbrechen gegen die Menschlichkeit als Verstoß gegen einen Mindeststandard "menschlichen Verhaltens”” (S. 214-264) zunächst den "Begriff der Menschlichkeit oder Humanität” (S. 215-221). Für die Darstellung der "Philosophischen Grundlagen des Begriffs der "Humanität”” (S. 215-220) geht sie dabei, wenn auch in einer etwas kurzen Weise, auf die rechtphilosophischen Konzepte von Radbruch und Kant im Rahmen der "Trias Bildung, Menschenfreundlichkeit und Menschenwürde” (S. 216-219) ein.

Als Ergebnis der sich anschließenden Beschäftigung mit der sog. "Martensschen Klausel” (S. 221-228) stellt die Verfasserin fest, "daß die Gesetze der Menschlichkeit ein im internationalen Recht zu berücksichtigender Wertmaßstab sind” (S. 227).

Zur anschließenden Bestimmung des Inhaltes des Begriffs der Gesetze der Menschlichkeit (S.228) zieht die Verfasserin sodann das Recht der Menschenrechte als auch das humanitäre Völkerrecht als komplementär ineinander greifende Rechtsgebiete (S. 231 f.) heran. Im Rahmen der Suche nach dem Inhalt des Mindeststandards menschlichen Verhaltens (S. 232) werden dabei für das Recht der Menschenrechte verschiedene Menschenrechtsabkommen, nämlich der Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR), die Amerikanische Menschenrechtskonvention (AMRK) und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) miteinander verglichen (S. 232-235). Für die Mindeststandards des humanitären Kriegsvölkerrechts beschäftigt sich die Verfasserin mit den Genfer Konventionen von 1949 und den Zusatzprotokollen von 1977 (S. 236-250), dem "Mindeststandard im gemeinsamen Artikel drei der Genfer Abkommen von 1949” sowie der "Erklärung eines humanitären Mindeststandards” (S. 250-254).

Nachdem durch die vorangehenden Untersuchungen aufgezeigt werden konnte, "daß im internationalen Recht eine Reihe von Mindeststandards "menschlichen Verhaltens” kodifiziert sind” (S. 255), prüft die Verfasserin anschließend, inwieweit die in Art. 7 des Statutes von Rom niedergelegten Anknüpfungstaten für eine Strafbarkeit wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit den Mindeststandards des Rechts der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts entsprechen (S. 255-262).

Untersuchungsgegenstand des folgenden 6. Teils der Arbeit sind die "Verbrechen gegen die Menschlichkeit als internationale Verbrechen”, in dessen Rahmen die Verfasserin - im Anschluss an Ausführungen zur "Definition des "Internationalen Verbrechens”” (S. 266-277) - "verschiedene Anknüpfungspunkte für eine notwendige Betroffenheit der internationalen Gemeinschaft …thesenartig formuliert und sodann auf ihre Tragfähigkeit hin überprüft” (S. 265). In Bezug auf die von der Verfasserin untersuchten Thesen, warum Verbrechen gegen die Menschlichkeit Verbrechen des internationalen Rechts sind, folgt eine ausführliche und differenzierte Auseinandersetzung (S. 277-331) mit den Verbrechen gegen die Menschlichkeit "als Bedrohung bzw. Bruch des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit”, "als schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen”, "als Massenverbrechen”, "als Teil eines "systematischen oder weitverbreiteten Angriffes gegen irgendeine Zivilbevölkerung””, "als "staatliche Verbrechen””, als Verstoß gegen die Gleichberechtigung” und "als Verstoß gegen das Existenzrecht”.

Mit dem letzten, 7. Teil der Arbeit mit dem Titel "Verbrechen gegen die Menschlichkeit als Verbrechen an der Menschheit” greift die Verfasserin ihre eingangs gestellte Ausgangsfrage wieder auf, indem sie untersucht, ob die Verbrechen gegen die Menschlichkeit "als Verbrechen an der gesamten Menschheit” (S. 29) zu verstehen sind. Nach einer Beschäftigung mit der Struktur der Völkerrechtsgemeinschaft, einschließlich des Grundsatzes der Staatensouveränität (S. 333-360) und Ausführungen zur "internationalen Gemeinschaft als Rechtsgemeinschaft” (S. 360-364) zeigt die Verfasserin im Rahmen der "Konsequenzen für die Bestimmung der Verbrechen an der Menschheit” (S. 365-374) auf, dass Verbrechen an der Menschheit solche Taten sind, "die die Grundlage der internationalen Gemeinschaft als Rechtsgemeinschaft in Frage stellen” (S. 365) bzw. die "zu einem Zustand der Rechtlosigkeit führen, der die gesamte internationale Gemeinschaft betrifft” (S. 365). Anschließend gelangt sie zu ihrer These vom Kernpunkt der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wonach sich diese als "Verstöße gegen das Menschenrechtsprinzip” (S. 368-374) darstellen. Ausgehend vom "Schutz des Menschen als Aufgabe der internationalen Gemeinschaft” (S. 368) heißt es zum Inhalt des Menschenrechtsprinzips (S. 369-370), dass dieses beinhalte, "als Träger von Menschenrechten anerkannt zu werden. Es ist damit mit einem Recht auf Rechtsfähigkeit bzw. Rechtssubjektivität gleichzusetzen” (S. 370).

Nach einem kurzen Eingehen auf die "Maxime der Rechtlosigkeit bestimmter Menschengruppen als Verstoß gegen das Menschenrechtsprinzip” (S. 371-373) sowie auf die Rechtfertigung des Eingreifens der internationalen Gemeinschaft (S. 373-374) im Falle des "Bestehen(s) eines Zustandes der Rechtlosigkeit gerade im Hinblick auf die Gewährleistung des Menschenrechtsprinzips” (S. 373) widmet sich die Verfasserin in einer ebenfalls leider nur recht kurz gehaltenen Weise zum einen der Thematik der "Anknüpfungspunkte für die Strafbarkeit des einzelnen Täters” (S. 374-376) und zum anderen den "Konsequenzen für die Befugnis zur "humanitären Intervention”” (S. 376-377). Wünschenswert sowie hilfreich wäre es gerade auch in Anbetracht der ausführlichen und inhaltlich differenzierten Prüfungsweise in den vorangehenden Abschnitten bzw. verschiedenen Teilen der Arbeit gewesen, wenn auch letztere Themenpunkte einge-

hender untersucht oder zumindest in vermehrtem Maße weiterführende Literaturhinweise gegeben worden wären.

Zu einer insgesamt besseren Abrundung der Arbeit hätte zudem beigetragen, wenn die Vielzahl der gewonnenen Erkenntnisse in einem abschließenden eigenständigen Arbeitsteil zusammengefasst worden wären. Trotz letzterer Hinweise der Rezensentin, die weniger als Kritik als vielmehr als Anregung und Wunsch zu verstehen sind, handelt es sich bei der vorliegenden Arbeit nicht nur um eine inhaltlich gut durchdachte, sondern auch um eine differenziert sowie verständlich strukturiert dargestellte Untersuchung des Konzepts der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die allen sich für dieses Themengebiet interessierenden Lesern einen großen Fundus am Informationen und Anregungen zum eigenen Nach- und Weiterdenken vermittelt.

Oberass. Dr. Daniela Demko, LL.M.Eur., Universität Zürich

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