HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Oktober 2004
5. Jahrgang
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III. Strafverfahrensrecht (mit Gerichtsverfassungsrecht)


Entscheidung

816. BGH 3 StR 380/03 - Urteil vom 19. August 2004 (LG Düsseldorf)

BGHSt; Verständigung; Absprache; Deal; Öffentlichkeit des Verfahrens (Absprachen außerhalb der Hauptverhandlung); mündliche Verhandlung; Fairness des Verfahrens; wesentliche Förmlichkeit der Hauptverhandlung (Protokollierung von Absprachen); rechtliches Gehör.

Art. 6 Abs. 1 EMRK; § 338 Nr. 6 StPO; § 169 Satz 1 GVG; § 261 StPO; § 273 StPO; Art. 103 Abs. 1 GG

1. Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO wird weder durch den Umstand, dass Gespräche über eine Verständigung außerhalb der Hauptverhandlung stattfinden, noch dadurch begründet, dass das Ergebnis dieser Verständigung entgegen den Grundsätzen von BGHSt 43, 195 ff. nicht in die öffentliche Hauptverhandlung eingeführt wird. (BGHSt)

2. Unter mündlicher Verhandlung im Sinne von § 169 GVG ist lediglich die Hauptverhandlung im Sinne der §§ 226 bis 275 StPO zu verstehen. Finden Vorgespräche zwischen den Verfahrensbeteiligten bewusst außerhalb der Hauptverhandlung statt, so kann ein zum absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO führender Verstoß gegen § 169 GVG schon deshalb nicht vorliegen (Bestätigung von BGHSt 42, 46, 47). (Bearbeiter)

3. Aus der Rechtspflicht des Gerichts, Absprachen mit den Verfahrensbeteiligten in die Hauptverhandlung einzuführen und zu protokollieren (vgl. BGHSt 43, 195, 205 f.), folgt nicht, dass andernfalls die Vorschriften über die Öffentlichkeit verletzt wären und der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO gegeben wäre. Vielmehr leidet lediglich die Verfahrensweise, die zur Verständigung geführt hat, an einem Mangel, der etwa zur Unwirksamkeit der Absprache führen (BGHSt 45, 51, 56 für einen Rechtsmittelverzicht) oder von der an den Vorgesprächen nicht beteiligten Seite zum Gegenstand von Ablehnungsgesuchen gemacht werden kann (BGHSt 42, 46, 48). (Bearbeiter)


Entscheidung

827. BGH 1 StR 315/04 - Beschluss vom 17. August 2004 (LG Stuttgart)

Telekommunikationsüberwachung; Aufklärungspflicht; Recht auf ein faires Verfahren bei Ablehnung der Vernehmung eines verdeckten Ermittlers in der Hauptverhandlung (fair-trial-Grundsatz; Sperrerklärung: darzulegende Grundsätze für die Ablehnung einer Videovernehmung des verdeckten Ermittlers; Konfrontationsrecht; Fragerecht; Beleg einer Tatprovokation).

Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 lit. d EMRK; § 100a StPO; § 110a StPO

1. Der Senat hält an seiner mit Beschluss vom 26. September 2002 (NJW 2003, 74) näher begründeten Auffassung fest, dass eine audiovisuelle Vernehmung besonders gefährdeter Zeugen unter optischer und akustischer Abschirmung nicht nur keinen rechtlichen Bedenken begegnet, sondern sogar - insbesondere im Hinblick auf das Fragerecht des Angeklagten gemäß Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK - rechtlich geboten sein kann.

2. In Fällen, in denen selbst eine audiovisuelle Vernehmung unter optischer und akustischer Abschirmung nach Maßgabe der heutigen technischen Möglichkeiten die Gefährdung eines Verdeckten Ermittlers an Leib oder Leben oder die Gefährdung seiner notwendigen weiteren Verwendung nicht verhindern könnte, muss es hingegen zur Wahrung der berechtigten Interessen des Zeugen und der Innenbehörde bei seiner Sperrung bleiben. An eine Sperrerklärung sind allerdings schon generell strenge Anforderungen zu stellen. Sie muss auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben (BGHSt 35, 82, 85).

3. Bei der Sperrerklärung, die auch eine Videokonferenz unter optischer und akustischer Abschirmung ausschließt, ist zudem zwischen einer Privatperson als Hinweisgeber und einem als verdeckten Ermittler eingesetzten Polizeibeamten zu differenzieren: Bei einer Privatperson, die als Vertrauensperson oder Hinweisgeber tätig ist, werden dessen Identität und Funktion als Informant der Ermittlungsbehörden den Beteiligten zumeist nicht bekannt sein.

4. Der verdeckte Ermittler darf bei der Videokonferenz im Beisein seines Führungsbeamten vernommen werden, der insbesondere darauf achtet, dass keine Fragen beantwortet werden, die zur Gefährdung der Person des verdeckten Ermittlers und seines weiteren Einsatzes führen. Derartige Fragen kann die oberste Dienstbehörde für eine Videokonferenz generell "sperren" und das Gericht darf die Fragen im konkreten Fall auf entsprechenden Hinweis des Führungsbeamten oder des verdeckten Ermittlers nicht zulassen. Auch wird der verdeckte Ermittler so ausgebildet sein - und gegebenenfalls auszubilden sein -, dass er sich durch entsprechende Fragen nicht gefährdet.

5. Die Beachtung vorstehender Umstände ist bei der Sperrerklärung eines verdeckten Ermittlers, mit denen auch eine Videokonferenz abgelehnt wird, einzelfallbezogen darzustellen und nachvollziehbar zu begründen.


Entscheidung

790. BGH 2 StR 434/03 - Beschluss vom 20. August 2004 (LG Gera)

Vorabteilentscheidung im Revisionsrechtszug (Recht auf Verfahrensbeschleunigung bei Anfrageverfahren und Vorlageverfahren; Beschleunigungsgrundsatz; Geltung im Beschlussverfahren und im Urteilsverfahren; teilweise Rechtskraft); Entziehung der Fahrerlaubnis (verkehrsspezifische Gefährdung; Divergenz unter den Strafsenaten und Haltung des zweiten Strafsenats).

Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK; Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 2 GG; § 132 GVG; § 69 StGB; § 349 StPO

Über Teile einer Revision kann ausnahmsweise vorab entschieden werden, wenn dies im Hinblick auf den Beschleunigungsgrundsatz geboten ist (BGH, Urt. v. 6. Juli 2004 - 4 StR 85/03 -, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Dies gilt gleichermaßen für das Urteilsverfahren wie für das Beschlussverfahren gemäß § 349 Abs. 2, Abs. 4 StPO.


Entscheidung

775. BGH 2 StR 211/04 - Beschluss vom 20. August 2004 (LG Aachen)

Vorabteilentscheidung im Revisionsrechtszug (Recht auf Verfahrensbeschleunigung bei Anfrageverfahren und Vorlageverfahren; Beschleunigungsgrundsatz; Geltung im Beschlussverfahren und im Urteilsverfahren; teilweise Rechtskraft); Entziehung der Fahrerlaubnis (verkehrsspezifische Gefährdung; Divergenz unter den Strafsenaten und Haltung des zweiten Strafsenats).

Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK; Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 2 GG; § 132 GVG; § 69 StGB; § 349 StPO

Über Teile einer Revision kann ausnahmsweise vorab entschieden werden, wenn dies im Hinblick auf den Beschleunigungsgrundsatz geboten ist (BGH, Urt. v. 6. Juli 2004 - 4 StR 85/03 -, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Dies gilt gleichermaßen für das Urteilsverfahren wie für das Beschlussverfahren gemäß § 349 Abs. 2, Abs. 4 StPO.


Entscheidung

787. BGH 2 StR 291/04 - Beschluss vom 6. August 2004 (LG Koblenz)

Entziehung der Fahrerlaubnis (formelhafte Begründung der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen; Überzeugungsbildung; Darlegung; Urteilsgründe); Zurückstellung einer Maßregelentscheidung (unklare höchstrichterliche Rechtsprechung; ausstehende Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen; Vorlageverfahren).

§ 69 StGB; § 261 StPO § 267 StPO; § 132 GVG

Wird eine Rechtsfrage wegen unterschiedlicher Auffassungen der Strafsenate des Bundesgerichtshofs dem Großen Senat für Strafsachen zur Entscheidung vorgelegt, so kann es sich für die Tatgerichte empfehlen, eine Sachentscheidung einstweilen zurückzustellen, wenn es für die zu treffende Entscheidung auf den Ausgang des Verfahrens vor dem Großen Senat für Strafsachen ankommt (Fortführung von BGH 4 StR 85/03, Urteil vom 6. Juli 2004, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt).


Entscheidung

814. BGH 3 ARs 5/04 - Beschluss vom 12. August 2004

Antwort auf Anfragebeschluss; rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung; Sachrüge (Urteilsgründe, Erörterungsmangel); Verfahrensrüge (neue Tatsachen).

Art. 6 Abs. 1 EMRK; § 46 Abs. 2 StGB; § 344 Abs. 2 StPO

1. Ob der Strafzumessungsumstand "Verfahrensverzögerung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK" zutreffend berücksichtigt worden ist, stellt eine Frage der Anwendung materiellen Rechts dar, die grundsätzlich auf die Sachrüge zu prüfen ist, soweit sich der Mangel aus den Urteilsgründen ergibt.

2. Ergeben die Urteilsgründe weder das Vorliegen einer Verfahrensverzögerung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK noch einen entsprechenden Erörterungsmangel, muss der Beschwerdeführer eine Verfahrensrüge erheben, wenn er aus bestimmten Tatsachen, die bislang nicht festgestellt sind, eine Verfahrensverzögerung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK herleiten will.


Entscheidung

823. BGH 1 StR 199/04 - Beschluss vom 23. August 2004 (LG Konstanz)

Unwirksamer Rechtsmittelverzicht bei unterbliebener Ladung eines Wahlverteidigers nach § 218 StPO unter den besonderen Umständen des Einzelfalles (Art und Weise des Zustandekommens; Verteidigerverschulden: fehlende Information und Beteiligung des Angeklagten an einer Verfahrensabsprache).

§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO; § 218 StPO

1. Einzelfall der Unwirksamkeit eines Rechtsmittelverzichts wegen der Art und Weise des Zustandekommens

bei unterbliebener Ladung eines zweiten Wahlverteidigers.

2. Ein konkludenter Verzicht des Angeklagten auf sein Recht, sich vor der Erklärung eines Rechtsmittelverzichts mit seinen Wahlverteidigern zu beraten, liegt nicht vor, wenn der Angeklagte keine Kenntnis darüber hat, dass ein abwesender Wahlverteidiger nicht geladen worden ist.


Entscheidung

859. BGH 5 StR 412/03 - Beschluss vom 7. Juli 2004 (LG Rostock)

Untreue (Verfolgungsverjährung; Beendigung; Fall Krause); fehlerhafte Durchführung des Selbstleseverfahrens (Schöffenmitwirkung; Beweis durch das Sitzungsprotokoll und Grenzen der Widerlegung seiner negativen Beweiskraft; wesentliche Förmlichkeit); Stundungsbetrug.

§ 266 StGB; § 263 StGB; § 78 Abs. 2 Nr. 4 StGB; § 273 StPO; § 274 StPO; § 249 Abs. 2 StPO

1. Nach § 78a Satz 1 StGB beginnt die Verjährung mit der Beendigung der Tat. Die Untreue im Sinne von § 266 StGB ist beendet mit dem Eintritt des vom Vorsatz umfassten Nachteils. Entsteht der Nachteil erst durch verschiedene Ereignisse oder vergrößert er sich nach und nach, dann ist der Zeitpunkt des letzten Ereignisses maßgebend (vgl. BGHR StGB § 78a Satz 1 Untreue 1; BGH NStZ 2003, 540 f. m.w.N.).

2. Macht das Tatgericht von der Möglichkeit des Selbstleseverfahrens nach § 249 Abs. 2 StPO Gebrauch, müssen sowohl die Berufsrichter als auch die Schöffen vom Wortlaut der Urkunden Kenntnis nehmen, diese also tatsächlich gelesen haben. Eine Differenzierung hinsichtlich der Vorgehensweise zwischen Berufsrichtern und Schöffen ist unzulässig. Der Vorsitzende muss gemäß § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO die Feststellung über die Kenntnisnahme in das Protokoll aufnehmen. Dabei handelt es sich um eine wesentliche Förmlichkeit im Sinne des § 273 StPO (vgl. BGH NStZ 2000, 47; 2001, 161; StV 2000, 603, 604). Der Nachweis hierüber kann somit nur durch das Protokoll geführt werden (§ 274 StPO). Wurde die Feststellung der Kenntnisnahme durch die Schöffen nicht protokolliert, ist somit aufgrund der negativen Beweiskraft des Protokolls davon auszugehen, dass das Beweismittel nicht zur Kenntnis gelangt ist. Dem Revisionsgericht ist es damit verwehrt, freibeweislich nachzuforschen, ob die Kenntnisnahme tatsächlich unterblieben ist.

3. Die Beweiskraft des Protokolls kann nur bei offenkundiger Fehler- oder Lückenhaftigkeit entfallen (vgl. BGHR StPO § 274 Beweiskraft 12 m.w.N.). Eine Lückenhaftigkeit ergibt sich auch nicht schon daraus, daß die Anordnung des Selbstleseverfahrens, nicht aber die nach § 249 Abs. 2 StPO notwendige Feststellung über dessen erfolgreiche Durchführung vermerkt ist. Die Anordnung des Selbstleseverfahrens lässt keinen Schluß auf die weitere Beachtung des Verfahrens nach § 249 Abs. 2 StPO zu (vgl. BGH NStZ 2000, 47 m.w.N.).

4. Ein Stundungsbetrug ist nur dann strafbar, wenn die Chancen für die Erfüllung eines Anspruchs gerade durch den Zeitablauf verschlechtert werden und damit die Forderung an Wert verliert (vgl. BGHSt 1, 262, 264). Dies kann dann der Fall sein, wenn der Angeklagte zum Zeitpunkt der Stundung noch zahlungsfähig oder in höherem Maße zahlungsfähig war als später.


Entscheidung

807. BGH 3 StR 71/04 - Beschluss vom 27. Juli 2004 (LG Düsseldorf)

Recht auf Verfahrensbeschleunigung (Beschleunigungsgrundsatz; rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung); räuberische Erpressung (Bereicherungsabsicht bei geplanter Vernichtung der Beute); unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln (Besitzwillen bei Vernichtungsabsicht); Aufklärungspflicht (Wahrunterstellung; unwiderlegliche Einlassung des Angeklagten); Zweifelssatz; Überzeugungsbildung.

Art. 6 Abs. 1 EMRK; § 253 StGB; § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG; § 244 Abs. 2 StPO; § 261 StPO; Art. 20 Abs. 3 GG

1. Eine Verlängerung der Verfahrensdauer ist insoweit nicht vom Gericht zu vertreten, als sie durch offensichtlich unbegründete Befangenheitsgesuche, abwegige Aussetzungsanträge und andere ersichtlich nicht einer sachgerechten Verteidigung dienende Anträge verursacht worden ist, die dem Gericht eine angemessene Verfahrenserledigung erschweren oder unmöglich machen sollten.

2. Das Tatgericht darf eine dem Angeklagten günstige Fallgestaltung nicht als unwiderlegbar seiner Entscheidung zugrunde zu legen, wenn begründete Aussicht besteht, dass sie durch eine Beweisaufnahme widerlegt werden kann. Nur wenn es keine Möglichkeit sieht, die Fallgestaltung durch Beweiserhebung oder - nach ergebnisloser Beweiserhebung - argumentativ zu widerlegen, kann es durch Wahrunterstellung seiner Vorauswürdigung Rechnung tragen.

3. Der Tatrichter ist nicht verpflichtet, entlastende Angaben eines Angeklagten schon deshalb als unwiderlegt hinzunehmen, weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt. Vielmehr hat er seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung auf Grund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu bilden.


Entscheidung

836. BGH 4 StR 67/04 - Beschluss vom 20. April 2004 (LG Halle)

Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes nach § 338 Nr. 6 StPO (mögliche Prüfung eines denkgesetzlichen Ausschlusses des Beruhens; Darlegungsvoraussetzungen); Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung (Unterrichtungspflicht bei Unterbrechung der Zeugenvernehmung; Beruhen); widersprüchliche Beweiswürdigung (Aussage gegen Aussage); ausbeuterische Zuhälterei.

§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; § 338 Nr. 6 StPO; § 261 StPO; § 337 StPO; § 247 Abs. 4 StPO; § 181 a Abs. 1 Nr. 2 bzw. Nr. 1 StGB; § 92a AuslG

1. Die Unterrichtung nach § 247 Abs. 4 StPO hat vor jeder weiteren Beweiserhebung in der Hauptverhandlung zu erfolgen. Sie gehört zu den wesentlichen Förmlichkeiten, die nach § 273 Abs. 1 StPO im Hauptverhandlungsprotokoll zu beurkunden sind (vgl. BGHSt 1, 346, 350; BGH StV 1984, 102, 103; 1992, 359).

2. Auch wenn die während der Entfernung des Angeklagten durchgeführte Zeugenvernehmung noch nicht abgeschlossen, sondern nur unterbrochen war, muss der Angeklagte von dem in seiner Abwesenheit Ausgesagten unterrichtet werden, bevor in seiner Anwesenheit die Beweisaufnahme fortgesetzt wird (st. Rspr.; vgl. BGHSt 38, 260).


Entscheidung

764. BGH 2 StR 158/04 - Beschluss vom 23. Juli 2004 (LG Trier)

Absoluter Revisionsgrund (Entfernung des Angeklagten; Urkundsbeweis; Verlesung).

§ 338 Nr. 5 StPO; § 247 StPO

1. Eine Verlesung zum Zwecke des Urkundenbeweises darf nicht in Abwesenheit des Angeklagten erfolgen (vgl. BGH NStZ 1997, 402).

2. Ist der Angeklagte gemäß § 247 Satz 1 StPO für die Zeit der Vernehmung des Tatopfers aus dem Sitzungszimmer entfernt worden und werden während der Vernehmung dieser Zeugin im Wege des Urkundenbeweises schriftliche Aufzeichnungen der Zeugin verlesen, so muss die Verlesung wenigstens nach Abschluss der Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten wiederholt werden.