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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2004
5. Jahrgang
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1. Ein im Zuge der Bahnreform nach § 12 Abs. 1 DBGrG aus dienstlichen Gründen beurlaubter Bundesbahnbeamter, der mit der Deutschen Bahn AG einen privatrechtlichen Anstellungsvertrag abgeschlossen hat und in dieser Funktion tätig wird, ist kein Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) StGB. (BGHSt)
2. Eine im Rahmen eines betriebsinternen, dem eigentlichen Vergabeverfahren vorgeschalteten Zulassungsverfahrens mit unlauteren Mitteln erstrebte Förderung von neuen Produkten erfolgt aufgrund des engen Zusammenhangs mit der Auftragsvergabe schon zu Zwecken des Wettbewerbs im Sinne des § 299 Abs. 2 StGB. (BGHSt)
3. Für den Beamtenbegriff im Strafrecht und das bei den Amtsdelikten typischerweise verwirklichte Sonderunrecht ist kennzeichnend, dass der Täter in seiner Eigenschaft als Beamter und nicht als Arbeitnehmer einer privatrechtlichen Gesellschaft gehandelt hat. (Bearbeiter)
4. Als juristische Personen des Privatrechts organisierte Einrichtungen und Unternehmen der öffentlichen Hand sind als "sonstige Stellen" im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB den Behörden insbesondere dann gleichzustellen, wenn sie bei ihrer Tätigkeit öffentliche Aufgaben wahrnehmen und dabei derart staatlicher Steuerung unterliegen, dass sie bei einer Gesamtbewertung der sie kennzeichnenden Merkmale als "verlängerter Arm" des Staates erscheinen (vgl. BGHSt 43, 370, 377; 45, 16, 19; 46, 310, 312 f.). (Bearbeiter)
5. Die Deutsche Bahn AG ist keine "sonstige Stelle" im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB, da eine Gesamtbewertung dieser öffentlich-rechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten nicht zu dem Ergebnis führt, dass die Deutsche Bahn AG derartig staatlicher Steuerung unterliegt (Bearbeiter).
1. Klingeln an der Wohnungstür des geplanten Opfers allein begründet jedenfalls dann noch kein unmittelbares Ansetzen zum Versuch des Tötungsdelikts, wenn der Täter nicht entschlossen war, jeden beliebigen Menschen zu töten, der die Tür öffnen würde (Abgrenzung zu BGHSt 26, 201, 203 für die Gewaltanwendung beim Raub gegen beliebige Gewahrsamsinhaber).
2. Das bloße Verhaftetsein eines ausländischen Täters in sektiererischen Überzeugungen und nicht allgemein gültigen Ehr- oder Rachevorstellungen begründet jedenfalls dann keine mildere Bewertung objektiv niedriger Beweggründe, wenn der Täter den Widerspruch zur allgemeinen Anschauung kennt und an seiner abweichenden Bewertung gleichwohl uneinsichtig starr festhält.
3. Das Verschlechterungsverbot steht einem Schuldspruch wegen Mordes nach aufgehobener Verurteilung wegen Totschlags nicht im Wege, sondern lediglich der Verhängung einer nachteiligeren Rechtsfolge (vgl. BGHSt 21, 256, 260; 29, 63, 66).
Eine schriftliche Terminsmitteilung über die richterliche Vernehmung des Tatopfers kann verjährungsunterbrechende Wirkung wegen Bekanntgabe eines laufenden Ermittlungsverfahrens haben, auch wenn die Mitteilung formlos erfolgt und den Gegenstand der Ermittlungen nicht ausdrücklich bezeichnet, denn für die Bekanntgabe ist weder eine bestimmte Form noch ein bestimmter Inhalt vorgeschrieben. Der Beschuldigte muss lediglich ersehen können, dass und weshalb ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden ist. Dies kann sich auch aus der Eindeutigkeit der gegen ihn ergriffenen Maßnahme ergeben.
1. Die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung sagt nichts darüber aus, ob sie im Sinne der §§ 20, 21 StGB "schwer" ist. Hierfür ist maßgebend, ob es im Alltag außerhalb des angeklagten Delikts zu Einschränkungen des beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (vgl. hierzu im einzelnen Senatsurteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03 = NStZ 2004, 437, 438; zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt).
2. Die Schuldfähigkeit bezieht sich auf den konkreten Rechtsverstoß und ist für jede Tat gesondert zu prüfen.
1. Das Verwenden einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeuges als Drohmittel bei § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB setzt voraus, dass die Drohung von dem Bedrohten wahrgenommen wird. (BGHR)
2. Das Beisichführen einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeuges gem. § 250 Abs. 1 Nr. 1 a StGB setzt keine Kenntnis des Opfers hiervon voraus. (Bearbeiter)
3. Der Versuch der Verwendung einer Waffe bzw. eines gefährlichen Werkzeugs als Drohmittel tritt hinter die Tatbestandsvollendung nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 a StGB (Beisichführen) zurück. (Bearbeiter)
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Tötungsbeweggrund niedrig, wenn er nach allgemeiner sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung, welche die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine Persönlichkeit einschließt (BGHSt 47, 128, 130 m.w.N.).
2. Eine Einstellung, bei der der Täter meint, nach eigenem Gutdünken über das Leben des Opfers grundlos verfügen zu können, steht auf sittlich tiefster Stufe und ist besonders verachtenswert. Die Tötung eines Menschen, zu welcher der Täter weder durch das Verhalten des Opfers noch durch sonstige, außerhalb seiner Person liegende Umstände veranlasst worden ist, lässt in der Regel auf das Vorliegen von niedrigen Beweggründen schließen. Wer einen anderen Menschen zum Objekt seiner Wut und Gereiztheit, an deren Entstehung der andere nicht im geringsten Anteil hat, macht, beweist ein außerordentliches Maß an Missachtung der körperlichen Integrität seines Opfers. Darin kommt eine Gesinnung zum Ausdruck, die Lust an körperlicher Misshandlung und willkürliches Aufwerfen über die körperliche Unversehrtheit anderer zum Inhalt hat und deshalb sittlich auf tiefster Stufe steht, somit als niedrig gewertet werden muss (BGHSt aaO S. 132 m.w.N.).
Handelt es sich um Serienstraftaten des Betruges, müssen die Urteilsgründe regelmäßig darlegen, wer die schädigende Verfügung getroffen hat und welche Vorstellungen er dabei hatte. Dabei kann die tatrichterliche Überzeugung von betriebsinternen Vorgängen, insbesondere bei arbeitsteilig tätigen Unternehmen oder Körperschaften, je nach den Umständen, auch durch Vernehmung etwa eines Abteilungsleiters gewonnen werden (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 14).
Für den Tatbestand der besonders schweren Brandstiftung muss die "andere Straftat", die durch die Brandlegung nach der Vorstellung des Täters oder Anstifters ermöglicht werden soll, nicht durch die akute, gemeingefährliche Brandsituation selbst begünstigt sein. Vielmehr ist es ausreichend, dass der Täter oder Anstifter der Brandstiftung die Absicht hat, zu einem späteren Zeitpunkt einen Versicherungsbetrug zu begehen (vgl. BGHSt 45, 211, 216 ff; BGHR StGB § 306 b Ermöglichen 2).
1. Bei § 239a StGB ist innerhalb eines Zwei-Personen-Verhältnisses zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift von sonstigen Nötigungsdelikten ein funktionaler Zusammenhang zwischen dem ersten Teilakt des Sich-Bemächtigens - mit einer gewissen Stabilisierung der Lage - und dem zweiten Teilakt, der angestrebten Erpressung, erforderlich. Der Täter muss beabsichtigen, die durch das Sich-Bemächtigen für das Opfer geschaffene Lage für sein weiteres erpresserisches Vorgehen auszunutzen (vgl. BGHSt 40, 350, 355; BGHR StGB § 239a Anwendungsbereich 1 m.w.N.).
2. Die Kenntnis von der Geheimzahl einer EC-Karte stellt für sich allein betrachtet keine Vermögensposition dar (vgl. BGHR StGB § 263a Konkurrenzen 1 m.w.N.). Wird jedoch eine Geheimnummer abgepresst, steht dem Täter die EC-Karte zur Verfügung und ist eine sofortige Abhebung des gesamten Guthabens geplant, so liegt ein Vermögensnachteil vor.
1. Die Feststellung, auf welche Weise der Notar sich Gewissheit über die Identität der Beteiligten verschafft hat, gehört - anders als die Identität der Personen selbst - nicht zu den rechtlich erheblichen Tatsachen im Sinne von § 348 Abs. 1 Satz 1 StGB.
2. Beurkundet ein Notar der Wahrheit zuwider, eine der Personen, deren Erklärungen er beurkundet, sei ihm von Person bekannt, so erfüllt er nicht den Tatbestand der Falschbeurkundung im Amt.
1. Ob die besondere Schwere der Schuld bei Mord zu bejahen ist, hat der Tatrichter unter Abwägung der im Einzelfall für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu entscheiden (vgl. BGHSt 40, 360, 370; 41, 57, 62; 42, 226, 227). Zwar ist dem Revisionsgericht bei der Nachprüfung der tatrichterlichen Wertung eine ins einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt; insbesondere ist es gehindert, seine eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen (BGH NStZ 1998, 352, 353). Es hat jedoch zu prüfen, ob der Tatrichter alle maßgeblichen Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat.
2. Für die revisionsgerichtliche Nachprüfbarkeit der Entscheidung zur besonderen Schwere der Schuld genügt es nicht, dass der Tatrichter irgendeiner Stelle des Urteils die Umstände näher darlegt, die im Rahmen der Prüfung einer besonderen Schuldschwere Berücksichtigung finden müssen. Vielmehr muss der Tatrichter darlegen, dass er sie gerade auch in diesem Zusammenhang in die gebotene Gesamtwürdigung einbezogen hat.
3. Erheblich verminderte Schuldfähigkeit schließt die Annahme besonders schwerer Schuld, insbesondere in Fällen selbstverschuldeter Trunkenheit, nicht von vorneherein aus.