HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Oktober 2004
5. Jahrgang
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IV. Wirtschaftsstrafrecht und Nebengebiete


Entscheidung

783. BGH 2 StR 268/04 - Beschluss vom 1. September 2004 (LG Erfurt)

Verminderte Schuldfähigkeit (Alkoholgenuss, Vorwerfbarkeit); fakultative Milderung der lebenslangen Haftstrafe bei Heranwachsenden; Strafzumessung bei Heranwachsenden (Resozialisierungsgedanke).

§ 21 StGB; § 106 JGG; § 46 Abs. 2 StGB

1. Eine unmittelbare Prüfung des § 106 JGG, der eine "Sonderregelung zur Milderung der Rechtsfolgen" darstellt (vgl. BGHSt 31, 189, 191), ist nur dann geboten ist, wenn ansonsten eine lebenslange Freiheitsstrafe verwirkt wäre.

2. Hat der Tatrichter bereits eine Strafmilderung nach Versuchsgrundsätzen (§§ 23, 49 StGB) vorgenommen und ist er deshalb zu einem Strafrahmen von drei Jahren bis fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe gelangt, so ist die Prüfung einer Strafrahmenverschiebung nach § 106 JGG entbehrlich.

3. Der dem § 106 JGG zugrundeliegende Gedanke, dass der Resozialisierung bei Heranwachsenden besondere Bedeutung zukommt, hat auch außerhalb des originären Anwendungsbereichs der Norm Gültigkeit für die Bemessung zeitiger, insbesonderer längerer, Freiheitsstrafen.

4. Die Verweigerung der fakultativen Strafmilderung gem. §§ 21, 49 Abs. 1 StGB wegen Alkoholgenusses setzt voraus, dass der Alkoholgenuss dem Angeklagten seinerseits uneingeschränkt vorwerfbar ist. Dies ist unter anderem dann nicht der Fall, wenn der Täter alkoholkrank oder alkoholüberempfindlich ist. Eine Alkoholerkrankung in diesem Sinne kann vorliegen, wenn der Täter den Alkohol aufgrund eines unwiderstehlichen oder ihn weitgehend beherrschenden Hanges trinkt, der seine Fähigkeit, der Versuchung zu übermäßigem Alkoholkonsum zu widerstehen, einschränkt (vgl. BGH 4 StR 54/04 - Urteil vom 17. Juni 2004).


Entscheidung

794. BGH 2 StR 353/04 - Beschluss vom 1. September 2004 (LG Trier)

Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Mittäterschaft; Beihilfe); Aufklärungspflicht (Tatbeiträge der Beteiligten).

§ 29 BtMG; § 29a BtMG; § 30 BtMG; § 25 Abs. 2 StGB; § 27 StGB

1. Voraussetzung der Mittäterschaft bei der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist, dass der Beteiligte durch seinen Tatbeitrag nicht nur fremdes Tun fördern, sondern einen Beitrag zu einer gemeinsamen Tat leisten will. Sein Beitrag muss ein Teil der Tätigkeit aller darstellen und die Handlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheinen lassen (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 24).

2. Die wertende Betrachtung, ob das Tun der Beteiligten von Mittäter- oder Gehilfenvorsatz getragen ist, setzt voraus, dass zunächst die Tatbeiträge aller Beteiligten festgestellt werden. Das bloße Dabeisein und die Kenntnisnahme von dem Transport sowie die Billigung ohne einen die Tatbegehung objektiv fördernden Beitrag reichen allein nicht einmal zur Begründung von (psychischer) Beihilfe zur Einfuhr aus (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 35 m.w.N.).


Entscheidung

799. BGH 2 ARs 280/04 / 2 AR 177/04 - Beschluss vom 25. August 2004

Zuständigkeitsbestimmung; Festsetzung einer Sachverständigenentschädigung (Zuständigkeit des Gerichts der Hauptsache); Sachverständigengutachten im Auftrag der Polizei.

§ 14 StPO; § 16 Abs. 1 ZSEG

Im Falle einer gerichtlichen Befassung mit der Hauptsache begründet die Vorschrift des § 16 Abs. 1 Satz 2 ZSEG eine Zuständigkeit des für die Hauptsache zuständigen Gerichts auch für die Festsetzung der durch Ermittlungshandlungen der Staatsanwaltschaft oder der Polizei

im Rahmen eines von der Staatsanwaltschaft geführten Ermittlungsverfahrens begründeten Sachverständigenentschädigung.


Entscheidung

780. BGH 2 StR 249/04 - Urteil vom 18. August 2004 (LG Mainz)

Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe (Zäsurwirkung; Härteausgleich; erlassene Bewährungsstrafe).

§ 55 StGB; § 56g Abs. 1 StGB

Für einen Härteausgleich bei der nachträglichen Bildung der Gesamtstrafe (§ 55 Abs. 1 StGB) ist mangels einer Härte für den Verurteilten kein Raum, wenn eine Freiheitsstrafe, die in die nachträgliche Gesamtstrafe einzubeziehen gewesen wäre, nicht wegen bereits erledigter Vollstreckung nicht mehr einbezogen werden kann, sondern weil sie nach Ablauf der Bewährungsfrist gem. § 56g Abs. 1 StGB erlassen wurde.