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HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 799

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 2 ARs 280/04, Beschluss v. 25.08.2004, HRRS 2004 Nr. 799


BGH 2 ARs 280/04 / 2 AR 177/04 - Beschluss vom 25. August 2004

Zuständigkeitsbestimmung; Festsetzung einer Sachverständigenentschädigung (Zuständigkeit des Gerichts der Hauptsache); Sachverständigengutachten im Auftrag der Polizei.

§ 14 StPO; § 16 Abs. 1 ZSEG

Leitsatz des Bearbeiters

Im Falle einer gerichtlichen Befassung mit der Hauptsache begründet die Vorschrift des § 16 Abs. 1 Satz 2 ZSEG eine Zuständigkeit des für die Hauptsache zuständigen Gerichts auch für die Festsetzung der durch Ermittlungshandlungen der Staatsanwaltschaft oder der Polizei im Rahmen eines von der Staatsanwaltschaft geführten Ermittlungsverfahrens begründeten Sachverständigenentschädigung.

Entscheidungstenor

Zuständig für die Entscheidung über den Antrag der D. AG vom 18. Dezember 2002 auf Festsetzung einer Sachverständigenentschädigung ist das Landgericht Mönchengladbach.

Gründe

I.

Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen der Manipulation von Telefonkarten, das seit dem Jahre 1999 bei der Staatsanwaltschaft Köln geführt wurde, beauftragte die ermittelnde Polizeidienststelle nach Einholung der Zustimmung der Staatsanwaltschaft die D. AG mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens.

Am 2. Dezember 2002 beantragte die D. AG bei der Staatsanwaltschaft Köln die Erstattung von Sachverständigenkosten in Höhe von 481.469,36 €. Der Staatsanwalt verwies sie zunächst an die Polizei. Daraufhin stellte die D. AG unter dem Datum des 18. Dezember 2002, eingegangen am 19. Dezember 2002, einen Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Sachverständigenentschädigung nach § 16 Abs. 1 ZSEG in Höhe des genannten Betrages bei dem Landgericht Köln.

Im Verlaufe des Jahres 2003 wurde im Hauptsacheverfahren Anklage vor dem Landgericht Mönchengladbach erhoben. Am 28. Januar 2004 verwarf das Landgericht Köln den Entschädigungsantrag als unzulässig mit der Begründung, daß es aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Anklageerhebung nicht mehr zuständig sei. Der Entschädigungsantrag wurde daraufhin dem Landgericht Mönchengladbach vorgelegt, welches sich ebenfalls für unzuständig erklärte und die Sache mit Beschluß vom 19. Mai 2004 an das Landgericht Köln zurückgab.

Mit Beschluß vom 25. Juni 2004 hat das Landgericht Köln das Verfahren gemäß § 14 StPO dem Bundesgerichtshof zwecks Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, das Landgericht Mönchengladbach für zuständig zu erklären.

II.

Der Bundesgerichtshof ist als gemeinschaftliches oberes Gericht zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreites entsprechend § 14 StPO berufen.

Zuständig ist das Landgericht Mönchengladbach nach § 16 Abs. 1 Satz 2 ZSEG. Nach § 25 JVEG sind vorliegend noch die Vorschriften des ZSEG anwendbar, da die Heranziehung des Sachverständigen vor Inkrafttreten des JVEG am 1. Juli 2004 erfolgte.

Die Vorschriften des ZSEG sind direkt anwendbar, obwohl die unmittelbare Beauftragung des Sachverständigen durch die Polizei erfolgte. Die Polizeibeamten wurden im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft (§§ 161 StPO, 152 GVG) tätig, so daß ihr Verhalten der Staatsanwaltschaft als Herrin des Ermittlungsverfahrens (§ 152 StPO) zuzurechnen ist (OLG Düsseldorf JurBüro 1989, 1459; OLG Düsseldorf JurBüro 1993, 494; OLG Nürnberg JurBüro 1979, 1336, 1337; OLG Zweibrücken NJW 1997, 2692).

Das Landgericht Köln war zum Zeitpunkt der Antragstellung nach § 16 Abs. 1 Satz 3 ZSEG als Gericht, bei dem die Staatsanwaltschaft errichtet ist, ursprünglich zuständig. Zu diesem Zeitpunkt war noch keine Anklage erhoben, so daß eine Heranziehung des Sachverständigen allein durch die Staatsanwaltschaft Köln vorlag. Mit der späteren Anklageerhebung vor dem Landgericht Mönchengladbach ist die Zuständigkeit auf dieses übergegangen, da § 16 Abs. 1 Satz 3 ZSEG nur als Auffangregelung für den Fall zu verstehen ist, daß kein Gericht mit dem Verfahren befaßt wird (OLG Düsseldorf MDR 1993, 290; OLG Hamm MDR 1995, 104; OLG Hamm NStZ 1989, 32; OLG Koblenz NStZRR 2001, 30; Bleutge ZSEG, 3. Aufl., § 16 Rdn. 7). Im Falle einer gerichtlichen Befassung mit der Hauptsache greift indes grundsätzlich die Vorschrift des § 16 Abs. 1 Satz 2 ZSEG ein und begründet eine Zuständigkeit des für die Hauptsache zuständigen Gerichts auch für die Festsetzung der durch Ermittlungshandlungen der Staatsanwaltschaft begründeten Sachverständigenentschädigung.

Gründe der Sachgerechtigkeit, welche nunmehr auch in der Regelung des neuen § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 JVEG ihren Niederschlag gefunden zu haben scheinen, sprechen für einen solchen Zuständigkeitsübergang. So wird mit dem Zuständigkeitsübergang eine mehrfache Befassung unterschiedlicher Gerichte mit demselben Begutachtungskomplex vermieden, wenn sich das regelmäßig sachnähere Gericht der Hauptsache ohnehin mit diesem auseinandersetzen muß (vgl. OLG Hamm Rechtspfleger 1971, 78; OLG München Rechtspfleger 1976, 113 f.).

HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 799

Bearbeiter: Ulf Buermeyer