HRR-Strafrecht

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

November 2002
3. Jahrgang
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II. Strafzumessungs- und Maßregelrecht


Entscheidung

BGH 3 StR 41/02 - Beschluss vom 25. Juli 2002 (LG Oldenburg)

BGHR; Strafzumessung (strafschärfende Berücksichtigung des Motivs der verbleibenden vollendeten Tat bei strafbefreiendem Rücktritt von einem sog. qualifizierten Versuch; Tatumstand des gesamten Tatgeschehens); unzulässige Verfahrensrüge; Mord (Heimtücke; Ermöglichung einer anderen Straftat); Raub.

§ 22 StGB; § 24 Abs. 1 StGB; § 46 Abs. 2 StGB; § 249 StGB; § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; § 21e GVG

1. Zur strafschärfenden Berücksichtigung des Motivs der verbleibenden vollendeten Tat bei strafbefreiendem Rücktritt von einem sog. qualifizierten Versuch. (BGH)

2. Bezieht sich ein Tatumstand auf das Tatgeschehen insgesamt und prägt er den Unrechts- und Schuldgehalt auch des vollendeten Körperverletzungsdelikts mit, darf dieser auch bei einem Rücktritt vom Tötungsdelikt strafschärfend berücksichtigt werden (vgl. BGHSt 42, 43, 45 f.), auch wenn er ebenfalls das Tötungsdelikt kennzeichnet. (Bearbeiter)

3. Der auf die Begehung des versuchten Raubes gerichtete Vorsatz darf nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum sog. qualifizierten Versuch nach einem strafbefreienden Rücktritt nicht mehr für die Strafzumessung des verbleibenden, bereits vollendeten Delikts herangezogen werden (vgl. BGHSt 42, 43, 45 m. w. N.). Dies soll selbst dann gelten, wenn der Vorsatz für die weitergehende versuchte Tat mit dem Motiv für das vollendete Delikt übereinstimmt (so BGH bei Holtz MDR 1980, 813; BGH MDR 1966, 726 m. abl. Anm. Dallinger). Der Senat hat Bedenken, ob dem auch in den Fällen zugestimmt werden kann, in denen sich der auf das weitergehende (versuchte) Delikt gerichtete Vorsatz mit dem Motiv für die verbleibende, vollendete Tat überschneidet. (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 2 StR 336/02 - Beschluss vom 20. September 2002 (LG Limburg a.d. Lahn)

Täter-Opfer-Ausgleich (Schmerzensgeld; vertypter Strafmilderungsgrund; Indizwirkung des Geständnisses in der Hauptverhandlung).

§ 46 Abs. 2 StGB; § 46 a Nr. 1 StGB; § 49 Abs. 1 StGB

1. Der Anwendung der Strafrahmenmilderung nach § 46 a StGB steht es nicht zwingend entgegen, wenn der Täter in der Hauptverhandlung kein volles Geständnis abgelegt hat. Ein solches Geständnis kann allerdings Anzeichen für einen gelungenen Täter-Opfer-Ausgleich sein. Sinn und Zweck des § 46 a StGB verlangen nicht, dass der Täter gegenüber der Gesellschaft die Verantwortung für die Tat übernimmt und sich zu dieser in öffentlicher Hauptverhandlung bekennt.

2. § 46 a Nr. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutmacht oder die Wiedergutmachung erstrebt, wobei die erreichte oder erstrebte Wiedergutmachung auf der Grundlage umfassender Ausgleichsbemühungen geleistet werden muss. Dies bedeutet, dass der Täter sich schon vor seiner Verurteilung gegenüber dem Opfer zu seiner Schuld bekennen muss. Dem wird regelmäßig ein Geständnis im Strafverfahren entsprechen.


Entscheidung

BGH 2 StR 80/02 - Urteil vom 4. September 2002 (LG Darmstadt)

Strafzumessung beim Diebstahl (Strafschärfung wegen zulässigen Verteidigungsverhaltens; Wiedergutmachung; Nachtatverhalten).

§ 242 StGB; § 46 Abs. 2 StGB

Die Verheimlichung des Besitzes der Beute (hier Anklage wegen Diebstahls) durch den bestreitenden Angeklagten darf diesem nicht strafschärfend angelastet werden.


Entscheidung

BGH 1 StR 281/02 - Beschluss vom 10. September 2002 (LG Mannheim)

Verfall (Wertlosigkeit erlangter Forderungen); Verfall von Wertersatz (Zurechnung über Mittäterschaft).

§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB; § 73a StGB; § 25 Abs. 2 StGB

Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz nach § 73a StGB setzt voraus, dass der Angeklagte unmittelbar aus der Tat wirtschaftlich etwas erlangt hat, also wenigstens die wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt über den Verkaufserlös hatte. Nach den Grundsätzen der Mittäterschaft ist eine Zurechnung gegenüber dem Angeklagten selbst dann möglich, wenn der Angeklagte die Geldbeträge lediglich für seinen Mittäter in Empfang genommen und in voller Höhe an diesen weitergeleitet hätte, sich die Beteiligten aber darüber einig waren - was sich aus den Umständen ergeben kann -, dass zunächst der Angeklagte die wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt über die Beträge erlangen sollte. In einem solchen Fall kann der Verfall von Wertersatz in voller Höhe gegenüber dem Angeklagten ausgesprochen werden, da von Gesamtschuldnerschaft auszugehen wäre.


Entscheidung

BGH 3 StR 218/02 - Beschluss vom 27. August 2002 (LG Duisburg)

Gesamtstrafe; Strafzumessung (strafschärfende Einbeziehung wegen eingestellter weiterer Taten nach prozeßordnungsgemäßer Feststellung).

§ 46 Abs. 1 StGB; § 55 StGB; § 78 StGB; § 154 StPO

Bei der Bildung der Gesamtstrafe darf das Gericht gemäß § 154 StPO eingestellten Taten nicht strafschärfend berücksichtigen, es sei denn es hätte hierfür eine prozessordnungsgemäße Feststellung der Begehung solcher weiterer Taten getroffen (vgl. BGHR StPO § 154 Abs. 2 Hinweispflicht 4).