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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 281/02, Beschluss v. 10.09.2002, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 1 StR 281/02 - Beschluss vom 10. September 2002 (LG Mannheim)

Verfall (Wertlosigkeit erlangter Forderungen); Verfall von Wertersatz (Zurechnung über Mittäterschaft).

§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB; § 73a StGB; § 25 Abs. 2 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz nach § 73a StGB setzt voraus, dass der Angeklagte unmittelbar aus der Tat wirtschaftlich etwas erlangt hat, also wenigstens die wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt über den Verkaufserlös hatte. Nach den Grundsätzen der Mittäterschaft ist eine Zurechnung gegenüber dem Angeklagten selbst dann möglich, wenn der Angeklagte die Geldbeträge lediglich für seinen Mittäter in Empfang genommen und in voller Höhe an diesen weitergeleitet hätte, sich die Beteiligten aber darüber einig waren - was sich aus den Umständen ergeben kann -, dass zunächst der Angeklagte die wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt über die Beträge erlangen sollte. In einem solchen Fall kann der Verfall von Wertersatz in voller Höhe gegenüber dem Angeklagten ausgesprochen werden, da von Gesamtschuldnerschaft auszugehen wäre.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 19. März 2002 im Ausspruch über den Verfall und den Verfall von Wertersatz mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Revision gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 15 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Überdies hat es den Verfall eines Betrages in Höhe von 3.000 DM sowie den Verfall von Wertersatz in Höhe von 6.000 DM angeordnet. Die Revision des Angeklagten rügt allgemein die Verletzung sachlichen Rechts. Sie hat hinsichtlich der Verfallsanordnungen Erfolg, ist im übrigen jedoch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Der Ausspruch über den Verfall eines Betrages von 3.000 DM sowie den Verfall von Wertersatz in Höhe von 6.000 DM kann von Rechts wegen keinen Bestand haben.

1. Soweit das Landgericht den Verfall eines Betrages in Höhe von 3.000 DM angeordnet hat, betrifft dies die an den Angeklagten gezahlten Kaufpreise für die Heroinlieferungen. Der Verfall nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erfordert bei den hier gegebenen Fallgestaltungen, daß die aus den Betäubungsmittelgeschäften erlangten Geldbeträge als solche bei dem Angeklagten noch vorhanden waren, typischerweise bei ihm sichergestellt worden sind. Daß es sich so verhält, ist dem Urteil nicht zu entnehmen, liegt angesichts der übrigen festgestellten Umstände auch fern.

In Betracht kommt insoweit allerdings die Anordnung des Verfalls von Wertersatz nach § 73a StGB (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 73a Rdn. 4). Auch dieser setzt voraus, daß der Angeklagte unmittelbar aus der Tat wirtschaftlich etwas erlangt hat, also wenigstens die wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt über den Verkaufserlös hatte. Nach den Grundsätzen der Mittäterschaft wäre eine Zurechnung gegenüber dem Angeklagten selbst dann möglich, wenn der Angeklagte die Geldbeträge lediglich für seinen Mittäter H. I. in Empfang genommen und in voller Höhe an diesen weitergeleitet hätte, sich die Beteiligten aber darüber einig waren - was sich hier aus den Umständen ergeben kann -, daß zunächst der Angeklagte die wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt über die Beträge erlangen sollte. In einem solchen Fall kann der Verfall von Wertersatz in voller Höhe gegenüber dem Angeklagten ausgesprochen werden, da von Gesamtschuldnerschaft auszugehen wäre (vgl. dazu auch BGH, Beschluß vom 13. November 1996 - 3 StR 482/96). Schließlich hätte die Strafkammer auch darzulegen gehabt, ob der Wert des Erlangten zum Zeitpunkt der Anordnung noch im Vermögen des Angeklagten vorhanden war; anderenfalls hätte neben der Verneinung einer verfallsbedingten unbilligen Härte (§ 73c Abs. 1 Satz 1 StGB) auch ein Unterbleiben der Anordnung nach der Fakultativklausel des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB ins Auge gefaßt werden müssen.

2. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 6.000 DM wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen. Diesen zufolge hat der Angeklagte insoweit gerade nichts erlangt. Die Strafkammer hat vielmehr dargelegt, daß der Zeuge C. nach dem Ankauf des Heroins dem Angeklagten und H. I. restliche Kaufpreiszahlungen in Höhe von insgesamt 6.000 DM schuldig blieb. Die Forderungen aus den Drogengeschäften waren nicht werthaltig. Sie waren rechtlich nicht wirksam entstanden (vgl. § 134 BGB) und wegen mangelnder Zahlungsfähigkeit oder -willigkeit des Abnehmers ersichtlich auch wirtschaftlich nicht von Wert.

Soweit die Strafkammer festgestellt hat, Unbekannte hätten von der Ehefrau des C. die Restforderung aus den Drogenlieferungen (6.000 DM) einzutreiben versucht und statt dessen Schmuck mitgenommen, belegen die Urteilsgründe nicht, daß diese Werte im Ergebnis dem Angeklagten zugeflossen wären.

Nach allem muß über die Frage des Verfalls neu verhandelt und entschieden werden. Der neue Tatrichter wird zu bedenken haben, daß seit dem 1. Januar 2002 der Euro die gültige Währung ist.

Externe Fundstellen: NStZ 2003, 198

Bearbeiter: Karsten Gaede