HRR-Strafrecht

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

November 2002
3. Jahrgang
PDF-Download

IV. Nebenstrafrecht, Haftrecht und Jugendstrafrecht


Entscheidung

BGH 2 ARs 218/02 - Beschluss vom 4. September 2002 (AG Eschweiler; AG Wetter)

BGHR; Zuständigkeit für die nachträgliche Entscheidung über das Absehen von der Vollstreckung des Jugendarrestes (Erfüllung der Arbeitsauflage nach Verhängung des Arrestes).

§ 11 Abs. 3 Satz 3 JGG; § 15 Abs. 3 Satz 2 JGG; § 65 Abs. 1 Satz 1 JGG; § 2 JGG; § 14 StPO

Zuständig für die nachträgliche Entscheidung über das Absehen von der Vollstreckung des Jugendarrestes, weil der Jugendliche seine Arbeitsauflage nach Verhängung des Arrestes erfüllt hat, ist der Richter des ersten Rechtszuges (BGHR).


Entscheidung

BGH 1 StR 73/02 - Urteil vom 11. September 2002 (LG Stuttgart)

Verstoß gegen das Irak-Embargo gem. § 34 Abs. 4 AWG i.V.m. § 69e Abs. 2 Buchst. c AWV; Verabredung eines Verbrechens; Verhältnismäßigkeit bei der Strafzumessung; Verbotsirrtum (Subsumtionsirrtum; Unrechtsbewusstsein) und Tatbestandsirrtum (Vorsatz) bei Genehmigungsvorbehalten.

§ 34 Abs. 4 AWG i.V.m. § 69e Abs. 2 Buchst. c AWV; § 30 Abs. 2 StGB; § 15 StGB; § 16 StGB; § 46 StGB; § 17 StGB

1. § 69e AWV steht in striktem Regelungsbezug zu der vom Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionsmaßnahme (vgl. dazu BGHSt 41, 127; BGH NJW 2002, 1357). Sie geht nicht deshalb über diese hinaus, weil der vom deutschen Verordnungsgeber eingeführte Genehmigungsvorbehalt auch solche Zahlungen erfaßt, die humanitären Zwecken dienen.

2. Die Resolution verpflichtet die Mitgliedsstaaten aber, die auf ihrem Hoheitsgebiet befindlichen Personen daran zu hindern Gelder - mit Ausnahme solcher für medizinische und humanitäre Zwecke - in den Irak zu überweisen. Ziel des Embargos ist es, den Irak umfassend vom wirtschaftlichen Verkehr auszuschließen und von der Völkergemeinschaft zu isolieren (vgl. BGH NJW 2002, 1357). Die Resolution verlangt von den Mitgliedsstaaten eine effektive Durchsetzung des Embargos, die eine umfassende Überwachung von dessen Einhaltung bedingt. Dem dient der vom deutschen Verordnungsgeber eingeführte Genehmigungsvorbehalt.

3. In Fällen des Irrtums über das Genehmigungserfordernis ist differenzierend nach dem jeweils in Betracht kommenden Tatbestand zu entscheiden (BGH NStZ 1993, 594; BGHR StGB § 17 Unrechtsbewußtsein 2), ob ein Verbotsirrtum oder ein Tatbestandsirrtum vorliegt. Dabei kommt es darauf an, ob die Genehmigung nur der Kontrolle eines im allgemeinen sozialadäquaten Verhaltens dienen soll und die Tat ihren Unwert erst aus dem Fehlen der Genehmigung herleitet - Tatbestandsirrtum - oder ob es sich um ein grundsätzlich wertwidriges Verhalten handelt, das im Einzelfall aufgrund der Genehmigung erlaubt ist - Verbotsirrtum - (vgl. BGH NStZ 1993, 594).


Entscheidung

BGH 4 StR 163/02 - Beschluss vom 12. September 2002 (LG Arnsberg)

BGHR; Schengener Abkommen; Vertragsstaat; Einschleusen; Durchschleusen; Ausschleusen; Abgrenzung vollendeter / unbeendeter Versuch; tatbestandliche Handlungseinheit; Inkrafttreten; Inkraftsetzung; Anstiftung (Vertypung als Täterschaft); genuine link (völkerrechtlicher Anknüpfungspunkt).

§ 92 AuslG; § 92 a AuslG; 24 Abs. 1 StGB; § 52 StGB; § 24 StGB

1. Im Sinne des § 92 a Abs. 4 AuslG ist "Vertragsstaat" des Schengener Übereinkommens vom 19. Juni 1990 jeder Mitgliedstaat, in dem das Übereinkommen in Kraft getreten ist. Die Anwendbarkeit der Vorschrift setzt nicht voraus, dass das Übereinkommen zwischen dem betreffenden Staat und den übrigen Mitgliedstaaten auch bereits in Kraft gesetzt worden ist. (BGHR)

2. Falls das Inkrafttreten eines Beitrittsabkommens zum Schengener Übereinkommen erst nachträglich bekannt gemacht wurde, so steht dies der Anwendbarkeit von § 92 a Abs. 4 AuslG vom Zeitpunkt des im Beitrittsabkommen vorgesehenen Inkrafttretens an nicht entgegen. (Bearbeiter)

3. Wer einem Ausländer in dem Bemühen Hilfe leistet, Deutschland zu verlassen, erfüllt keinen Straftatbestand, sofern nicht die Voraussetzungen des die sog. Schengen-Staaten betreffenden § 92 a Abs. 4 AuslG erfüllt sind. Auf den ausländerrechtlichen Status der zu schleusenden Personen im Inland kommt es dabei nicht an. (Bearbeiter)

4. Zwar erfasst die Vorschrift des § 92 a AuslG besondere Formen der zur Täterschaft verselbständigten Anstiftung und Beihilfe zu den darin genannten Vergehen nach § 92 AuslG (vgl. BGHSt 45, 103, 107). Dennoch setzt die Strafbarkeit wegen vollendeter Schleusungstätigkeit nach § 92 a AuslG die Vollendung der "Haupttat" nach § 92 AuslG voraus. Dies folgt schon daraus, daß in § 92 a Abs. 1 nur auf § 92 Abs. 1 und Abs. 2 AuslG, nicht aber auch auf die Versuchsvorschrift des § 92 Abs. 2 a AuslG Bezug genommen wird. (Bearbeiter)