HRR-Strafrecht

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Mai 2001
2. Jahrgang
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III. Strafverfahrensrecht (mit Gerichtsverfassungsrecht)



Entscheidung

BGH 5 StR 591/00 - Beschluß v. 15. März 2001 (LG Berlin)

Berechnung der Blutalkoholkonzentration bei zwei Blutproben; Sprachunkundigkeit und Erfordernis hinreichend konkreter Aussicht eines Behandlungserfolges; Unterbringung in einer Entziehungsanstalt; Symptomatischer Zusammenhang zwischen Hang und Tatbegehung und Erörterungspflicht (Unterbringung nach § 64 StGB); Beruhensprüfung und hypothetisch mögliche anderweitige Informationsgewinnung durch den Verteidiger; Unbegründete Zurückweisung einer Zeugenbefragung (Glaubwürdigkeit, Vorstrafen)

§ 20 StGB; § 21 StGB; § 323a StGB; § 64 StGB; § 337 StPO; § 68a StPO; § 241 StPO

1. Mit Rücksicht auf generell nicht linearen Alkoholabbau rechtfertigen zwei Blutproben nicht, der Berechnung der Blutalkoholkonzentration "individuelle" Abbauwerte zugrunde zu legen (vgl. BGHR StGB § 21 - Blutalkoholkonzentration 24).

2. Der fünfte Senat neigt dazu, dass bereits an der Sprachunkundigkeit des Angeklagten das Erfordernis hinreichend konkreter Aussicht eines Behandlungserfolges (BVerfGE 91, 1) scheitern müßte (a.A. BGH StV 1998, 74, zweifelnd BGHSt 36, 199).

3. Ist in einem Fall ein symptomatischer Zusammenhang zwischen Hang und Tatbegehung nicht eindeutig, muß die Frage der Unterbringung nach § 64 StGB im Urteil nicht unbedingt abgehandelt werden.

4. Ein Beruhen läßt sich insbesondere grundsätzlich nicht mit der Erwägung ausschließen, ein Verteidiger, der durch eine verfahrensfehlerhafte Fragezurückweisung in seiner Verteidigungsführung eingeschränkt wurde, wird im weiteren Verlauf der Vernehmung gelegentlich die Chance suchen, die bereits mit der zurückgewiesenen Fragestellung berechtigt erstrebte Information im weiteren Verlauf der Vernehmung durch andere, eingeschränkte oder umgestellte und dann möglicherweise nicht beanstandete Fragen doch noch zu erhalten. Der Verteidiger ist zu solchem Vorgehen regelmäßig nicht unbedingt gehalten.


Entscheidung

BGH 3 StR 528/00 - Urteil v. 30. Januar 2001 (LG Oldenburg)

Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten; Absoluter Revisionsgrund und denkgesetzlicher Ausschluß einer Auswirkung entgegen der "Vermutung des § 338 StPO"

§ 247 StPO; § 338 Nr.5 StPO

Auch wenn ein absoluter Revisionsgrund nach § 338 StPO gegeben ist, gefährdet dies den Bestand des angefochtenen Urteils nicht, soweit ein Einfluß des Verfahrensfehlers auf das Urteil zum Nachteil des Beschwerdeführers denkgesetzlich ausgeschlossen ist.


Entscheidung

BGH StB 4 und 5/01 - Beschluß v. 30. März 2001 (Kammergericht Berlin)

BGHSt; Sofortige Beschwerde; Eröffnungsverfahren; Prüfung des Verfahrenshindernisses der anderweitigen Rechtshängigkeit; Klärung von Tatsachen an, die die angeklagte Straftat betreffen im Strengbeweisverfahren; Freibeweisverfahren; "Gesamtvereinigung" verschiedener regionaler Gruppierungen; Unterbrechung geheimdienstlicher Agententätigkeit; Unterbrechung bei der mitgliedschaftlichen Betätigung in einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung (Zäsur bei allenfalls passiver Mitgliedschaft; Neuaufnahme der Mitgliedschaft); Begriff der Tat im prozessualen Sinne beim Organisationsdelikt; Weitere Vollziehung des Haftbefehls des Ermittlungsrichters; Zweifelsgrundsatz und Verfahrenshindernis (Strafanklageverbrauch)

§ 203 StPO; § 129 Abs. 1, § 129 a Abs. 1 StGB; § 270 StPO; § 210 Abs. 2 StPO; § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB; § 264 StPO; § 207 Abs. 4 StPO; Art 103 Abs. 2 GG

1. Kommt es im Eröffnungsverfahren bei der Prüfung des Verfahrenshindernisses der anderweitigen Rechtshängigkeit auf die Klärung von Tatsachen an, die die angeklagte Straftat betreffen, so erfolgt diese nicht im Freibeweisverfahren, sondern ist dem Strengbeweisverfahren der Hauptverhandlung vorbehalten. Für die Eröffnung des Hauptverfahrens genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, daß die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung ein solches Verfahrenshindernis nicht ergeben werde. (BGHSt)

2. Die vom Senat für die Unterbrechung von geheimdienstlicher Agententätigkeit entwickelten Grundsätze gelten auch für die mitgliedschaftliche Betätigung in einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung. (BGHSt)

3. Ein Strafverfahren darf grundsätzlich nur durchgeführt werden, wenn feststeht, daß die erforderlichen Prozeßvoraussetzungen vorliegen und Prozeßhindernisse nicht entgegenstehen, die erforderlichen Feststellungen hierfür sind im Wege des Freibeweises zu treffen. Bleibt nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten zweifelhaft, ob ein Prozeßhindernis vorliegt, ist nach der h.M. nach der Art des Prozeßhindernisses oder der Prozeßvoraussetzung zu differenzieren (vgl. BGHSt 18, 274, 277 f.). (Bearbeiter)

4. Der Zweifelssatz ist bei Prozeßvoraussetzungen grundsätzlich anwendbar (BGHSt 18, 274). Allerdings erfordert die Anwendung des Zweifelssatzes konkrete tatsächliche Umstände; bloß theoretische, nur denkgesetzlich mögliche Zweifel reichen nicht aus. Dabei ist es in aller Regel ohne praktische Bedeutung, ob dogmatisch von der Funktion der Prozeßvoraussetzung als Bedingung für die Zulässigkeit eines Sachurteils oder von der Anwendung des Zweifelssatzes ausgegangen wird. (Bearbeiter)

5. Etwas anderes muß jedoch gelten, wenn das Vorliegen des Verfahrenshindernisses der anderweitigen Rechtshängigkeit nicht nach Aktenlage geklärt werden kann, sondern von Tatsachen abhängt, die die angeklagte Straftat betreffen. Deren Feststellung muß dem Strengbeweis in der Hauptverhandlung vorbehalten bleiben. (Bearbeiter)

6. Eine terroristische Vereinigung setzt voraus, daß sich mehrere Personen zu einer Vereinigung zusammenschließen, deren Zwecke oder Tätigkeit darauf gerichtet war, bestimmte Straftaten der in § 129 a Abs. 1 StGB genannten Art zu begehen, wobei die Unterwerfung der Mitglieder unter eine organisierte Willensbildung notwendig ist, was innerhalb der Vereinigung bestehende, von den Mitgliedern anerkannte Entscheidungsstrukturen voraussetzt (BGHSt 31, 202, 205). (Bearbeiter)

7. Eine nur passive, für das Wirken der Vereinigung bedeutungslose Mitgliedschaft genügt nicht, vielmehr ist erforderlich, daß diese auf eine aktive Teilnahme am Verbandsleben gerichtet sein muß (BGHSt 29, 114, 120 f.). (Bearbeiter)

8. Der Senat neigt in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. BGHSt 29, 288 ff.) dazu, auch bei einem Organisationsdelikt mehrere prozessuale Taten anzunehmen, wenn nur einzelne Betätigungen eines Mitglieds einer solchen Organisation (kriminelle oder terroristische Vereinigung, Verein i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 VereinsG) Gegenstand der früheren Anklage und gerichtlichen Untersuchung waren und der Angeklagte nicht darauf vertrauen durfte, daß durch das frühere Verfahren alle Betätigungsakte für die Vereinigung erfaßt wurden. (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 3 StR 237/00 - Beschluß v. 31. Januar 2001 (LG Lübeck)

Anwesenheitsrecht des Beschuldigten oder seines Verteidiger bei Vernehmung des Mitbeschuldigten

§ 168c Abs. 2 StPO

§ 168 c Abs. 2 StPO findet bei der richterlichen Vernehmung eines Mitbeschuldigten keine entsprechende Anwendung.


Entscheidung

BGH 1 StR 2/01 - Beschluß v. 7. März 2001 (LG Heilbronn)

Beweisantrag; Prozeßverschleppungsabsicht eines Verteidigers (Darlegung der Gründe); Beweisantizipation; Unerreichbarkeit; Rechtsstellung und Aufgabe des Verteidigers (Prüfungspflicht mit gebotener Sachkunde); Organtheorie

§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO; § 244 StPO; § 137 StPO

1. Verschleppungsabsicht eines Verteidigers. (BGHR)

2. Ein Beweisantrag kann wegen Verschleppungsabsicht abgelehnt werden (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO), wenn die verlangte Beweiserhebung geeignet ist, den Abschluß des Verfahrens wesentlich hinauszuzögern, sie zur Überzeugung des Gerichts nichts Sachdienliches zugunsten des Angeklagten erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewußt ist und mit dem Antrag ausschließlich die Verzögerung des Verfahrensabschlusses bezweckt wird. (Bearbeiter)

3. Eine dahingehende Überzeugung kann der Tatrichter auf der Grundlage aller dafür erheblichen Umstände gewinnen, namentlich unter Beachtung des Verhaltens des Angeklagten in und außerhalb der Hauptverhandlung, aber auch schon im Ermittlungsverfahren; er kann ferner den bisherigen Verfahrensverlauf berücksichtigen. Bei der Überzeugungsbildung, daß die Beweiserhebung oder schon die weiteren Bemühungen um die Gewinnung des bezeichneten Beweismittels keine dem Angeklagten günstige Wendung des Verfahrens herbeiführen würde, kann eine Vorauswürdigung des Beweises in Betracht kommen. Die maßgeblichen Gründe muß der Tatrichter im Ablehnungsbeschluß darlegen. Dabei ist zu beachten, daß der späte Zeitpunkt der Antragstellung für sich allein kein ausreichendes Anzeichen für ein Bewußtsein des Antragstellers von der Nutzlosigkeit der beantragten Beweiserhebung ist (BGH NStZ 1984, 230; 1982, 41). (Bearbeiter)

4. Hat der Verteidiger den Beweisantrag gestellt, so kommt es darauf an, ob dieser in Verschleppungsabsicht handelt. Liegen dem Antrag erkennbar Informationen des Angeklagten zugrunde, die der Verteidiger erst kurz vor der Antragstellung erlangt hat, so kann sich aus den gesamten Umständen gleichwohl ergeben, daß der Verteidiger sich eine Verschleppungsabsicht des Angeklagten zu eigen macht. (Bearbeiter)

5. Hat der Tatrichter sich eine entsprechende Überzeugung von der Prozeßverschleppungsabsicht gebildet und diese unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände im Ablehnungsbeschluß dargelegt, prüft das Revisionsgericht dies lediglich darauf nach, ob die Erwägungen in tatsächlicher Hinsicht tragfähig und rechtlich zutreffend sind. (Bearbeiter)

6. Der Auftrag eines Verteidigers liegt nicht ausschließlich im Interesse des Beschuldigten, sondern auch in einer am Rechtsstaatsgedanken ausgerichteten Strafrechtspflege und das Gesetz verlangt von ihm besondere Sachkunde (BGHSt 38, 111, 114); er ist zur sachlichen Kontrolle der Anliegen des Angeklagten aufgerufen, aber auch berechtigt und verpflichtet. (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 2 StR 458/00 - Beschluß v. 28. Februar 2001 (LG Gießen)

BGHSt; Rechtskräftiger Freispruch bewirkt Strafklageverbrauch im Sinne von Artikel 54 SDÜ und Artikel 1 EG-ne bis in idem-Übk; Verfahrenshindernis; Tat im prozessualen Sinne (Zurückverweisung zur Klärung des ne bis in idem durch Beweisaufnahme); Vorbehalt; Ratifikation; Niederlande

Art. 54 SDÜ; EG-ne bis in idem-Übk. Art. 1; Art 103 Abs. 3 GG; Artikel 6 Abs. 3 EG-ne bis in idem-Übk.; § 264 StPO

1. Auch ein rechtskräftiger Freispruch bewirkt Strafklageverbrauch im Sinne von Artikel 54 SDÜ und Artikel 1 EG-ne bis in idem-Übk. (BGHSt)

2. Der von Deutschland gemäß Artikel 55 Abs. 1 a) 1. Halbsatz SDÜ erklärte Vorbehalt steht der Anwendung von Artikel 54 SDÜ steht der Anwendung des Art 54 SDÜ nicht entgegen, wenn die Tat auch in dem Hoheitsgebiet der Vertragspartei begangen wurde, in dem das Urteil ergangen ist (Bearbeiter).

3. Das EG-ne bis in idem-Übk. ist mangels Ratifikation durch alle Mitgliedsstaaten bislang noch nicht in Kraft getreten. Es ist jedoch gemäß Artikel 6 Abs. 3 des Übk. für Deutschland bereits vorzeitig im Verhältnis zu den Staaten anwendbar, die dieselbe Erklärung abgegeben haben (z.B. die Niederlande; Bearbeiter).

4. Zwar prüft das Revisionsgericht das Vorliegen der Prozeßvoraussetzungen in der Regel selbständig aufgrund eigener Sachuntersuchung unter Benutzung aller verfügbaren Erkenntnisquellen im Freibeweisverfahren. Macht aber die Ermittlung der maßgebenden Tatsachen eine Beweisaufnahme wie in der Hauptverhandlung vor dem Tatrichter erforderlich, so ist es dem Senat nicht verwehrt, das Urteil aufzuheben und die Sache an den Tatrichter zurückzuverweisen (BGHSt 16, 399, 403).


Entscheidung

BGH 3 StR 438/00 - Beschluß v. 14. Februar 2001 (LG Lübeck)

Verwertung von Untersuchungshandlungen, die aufgrund eines Rechtshilfeersuchens im Ausland durchgeführt wurden (Beschuldigtenvernehmung); Europäisches Rechtshilfeübereinkommen; Belehrung über das Schweigerecht; Aussagefreiheit vor; Verwertungsverbot; Gesetz im Sinne des § 337 StPO; RiVASt

§ 136 StPO; Art. 3 Abs. 1 EuRhÜbk (Europäisches Rechtshilfeübereinkommen); Nr. 117 Abs. 2 RiVASt

1. Im Geltungsbereich des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens werden Rechtshilfeersuchen, die die Vornahme von Untersuchungshandlungen zum Gegenstand haben, von dem ersuchten Staat in der in seinen Rechtsvorschriften vorgesehenen Form erledigt (Art. 3 Abs. 1 EuRhÜbk). Sehen diese lediglich eine Pflicht zur Belehrung über die Möglichkeit der Zuziehung eines Rechtsanwaltes, nicht aber eine dem § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vergleichbare Pflicht zur Belehrung des Beschuldigten über seine Aussagefreiheit vor, und wird dieser im ersuchten Staat daher ohne eine derartige Belehrung vernommen, so begründet dies grundsätzlich kein Verbot, den Inhalt der Aussage im deutschen Strafverfahren zu verwerten (vgl. für Zeugenaussagen zuletzt BGHR StPO § 60 Nr. 2 Verteidigung 6).

2. Allein auf einen Verstoß gegen Nr. 117 Abs. 2 RiVASt kann die Revision nicht gestützt werden, da es sich bei dieser Bestimmung nicht um ein Gesetz im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO handelt.


Entscheidung

BGH 4 StR 414/00 - Beschluß v. 27. März 2001 (LG Siegen)

Letztes Wort des Angeklagten; Unmittelbar vor dem Urteil verkündeter Beschluß über die Teileinstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO (Teil der abschließenden Entscheidung); Mittelbare Mitentscheidung eines Hilfsbeweisantrages; Aufklärungsrüge; Aufklärungspflicht (Sich aufdrängendes psychiatrisches Sachverständigengutachten bei persönlichkeitsfremder Tat); Steuerungsfähigkeit; Wiedereintritt in die Verhandlung; Rechtliches Gehör; Ausdrücklicher Vertrauenstatbestand

§ 154 Abs. 2 StPO; § 258 StPO; § 244 StPO; § 20 StGB; Art 103 Abs. 1 GG; § 21 StGB

1. Ein nach dem letzten Wort des Angeklagten und unmittelbar vor dem Urteil verkündeter Beschluß über die Teileinstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO ist Teil der abschließenden Entscheidung des Gerichts; dies gilt auch dann, wenn durch den Einstellungsbeschluß über einen das Verfahren insgesamt betreffenden Hilfsbeweisantrag mittelbar mitentschieden wird (im Anschluß an BGH, Urteil vom 21. Februar 1979 - 2 StR 473/78; Aufgabe von BGH NStZ 1983, 469). (BGHSt)

2. Werden dem Verteidiger und dem Angeklagten nach dem Schlußvortrag des Staatsanwalts und dessen Antrag auf Teileinstellung des Verfahrens das Recht zum Schlußvortrag eingeräumt und hatte der Angeklagte vor der Urteilsberatung als letzter Verfahrensbeteiligter Gelegenheit zur Äußerung, so ist das rechtliche Gehör umfassend gewährt worden, weil der Verteidiger und der Angeklagte zu dem gesamten Vorbringen des Staatsanwalts Stellung nehmen konnten. (Bearbeiter)

3. Wird über einen Hilfsbeweisantrag nur "mittelbar" im Teileinstellungsbeschluß entschieden, so kann zwar (möglicherweise) die rechtsfehlerhafte Behandlung des Hilfsbeweisantrags mit Erfolg gerügt werden, nicht aber § 258 StPO. (Bearbeiter)

4. Ein Verstoß gegen § 258 StPO läge noch nicht einmal vor, wenn der hilfsweise gestellte Beweisantrag, der an sich in den Urteilsgründen hätte abgelehnt werden können, ohne Erörterung gleichzeitig mit der Urteilsverkündung durch einen besonderen Beschluß zurückgewiesen wird. (Bearbeiter)

5. Ob etwas anderes gilt, wenn das Gericht für den Angeklagten einen Vertrauenstatbestand dadurch schafft, daß es vor der Verkündung des Urteils nochmals ausdrücklich in die Verhandlung eintritt, steht dahin. (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 4 StR 228/00 - Beschluß v. 8. März 2001 (LG Essen)

Steuerhehlerei; Anklage; Nachtragsanklage; Tat im prozessualen Sinn (Einheitlicher Lebensvorgang nach Angriffsrichtung, kausaler Verknüpfung, Tatbild und Tatgeschehen, betroffenen Rechtsgütern und Beendigung / Tatmehrheit); Eröffnungsbeschluß

§ 266 StPO; § 374 AO; § 264 StPO; § 203 StPO

1. Der verfahrensrechtliche Tatbegriff umfaßt den von der zugelassenen Anklage betroffenen geschichtlichen Vorgang, innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll (vgl. nur BGHSt 29, 341, 342; 32, 215, 216). Den Rahmen der Untersuchung bildet daher zunächst das tatsächliche Geschehen, wie es die Anklage beschreibt (BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 10).

2. Zur Tat im Sinne des § 264 StPO gehört allerdings nicht nur der in der Anklage umschriebene Geschehensablauf, sondern das gesamte Verhalten des Täters, soweit es nach natürlicher Auffassung einen einheitlichen Lebensvorgang darstellt (std. Rspr). Eine kausale Verknüpfung zwischen zwei Geschehensabläufen berechtigt jedoch für sich gesehen noch nicht zur Annahme einer prozessualen Tat, wenn sich der bewertete Lebensvorgang und der in der Anklage beschriebene Vorfall nach Tatbild und Tatgeschehen grundlegend unterscheiden. Dies gilt insbesondere, wenn die Angriffsrichtung des Täterverhaltens eine jeweils ganz andere ist (vgl. BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 10).


Entscheidung

BGH 1 StR 41/00 - Beschluß v. 7. März 2001 (LG München II)

Verfahrenshindernis; Strafanklageverbrauch; Nachantragsklage; Wesentliche Förmlichkeit des Verfahrens; Einbeziehungsbeschluß

Art 103 Abs. 3 GG; § 264 StPO; § 266 StPO; § 267 StPO

1. Der Einbeziehungsbeschluß hat regelmäßig ausdrücklich zu erfolgen und ist als wesentliche Förmlichkeit des Verfahrens in die Niederschrift der Hauptverhandlung aufzunehmen.

2. Besonderheiten im Ablauf der später ausgesetzten Hauptverhandlung können einen ausdrücklichen Einbeziehungsbeschluß entbehrlich machen (vgl. BGH NJW 1990, 1055 m.w.N.).


Entscheidung

BGH 3 StR 554/00 - Beschluß v. 15. Februar 2001 (LG Hannover)

Ablehnung eine Beweisantrages wegen Unerreichbarkeit eines Zeugen

§ 244 StPO; § 247a StPO

1. Ein im Ausland lebender Zeuge, dessen Erscheinen nicht erzwungen werden kann, kann auch ohne förmliche Ladung als unerreichbar angesehen werden, wenn er sich definitiv weigert, vor dem erkennenden Gericht auszusagen.

2. Dies ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn das Tatgericht unter Beachtung der ihm obliegenden Aufklärungspflicht alle der Bedeutung des Zeugnisses entsprechenden Bemühungen zur Beibringung des Zeugen vergeblich entfaltet hat und auch keine begründete Aussicht besteht, daß dieser in absehbarer Zeit als Beweismittel herangezogen werden kann.


Entscheidung

BGH 3 StR 91/01 - Beschluß v. 21. März 2001 (LG Düsseldorf)

Unzulässiger Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision; Glaubhaftmachung; Keine eidesstattliche Versicherung des Angeklagten; Verschulden des Verteidigers (Entbindung von der Schweigepflicht)

§ 44 StPO; § 349 Abs. 1 StPO; § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO

Die eigene eidesstattliche Versicherung des Angeklagten ist kein zulässiges Mittel der Glaubhaftmachung (BGHR StPO § 45 Abs. 2 Glaubhaftmachung 1), sie ist wie eine schlichte Erklärung zu werten, die grundsätzlich zur Glaubhaftmachung nicht ausreicht (BGHR StPO § 45 Abs. 2 Glaubhaftmachung 3). Bringt der Angeklagte vor, die Fristversäumung beruhe nicht auf seinem Verschulden, sondern dem seines Verteidigers, hätte er diesen von der anwaltlichen Schweigepflicht entbinden und seinen Vortrag durch anwaltliche Versicherung glaubhaft machen können.