HRR-Strafrecht

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Mai 2001
2. Jahrgang
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IV. Nebenstrafrecht, Haftrecht und Jugendstrafrecht


Entscheidung

BGH 4 StR 507/00 - Beschluß vom 3. April 2001 (OLG Hamm, AG Bottrop)

BGHSt; Bestimmung der Atemalkoholkonzentration; Verwendung eines Atemalkoholmeßgerätes (Dräger Alcotest); Bauartzulassung für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs; Verwertbarkeit ohne Sicherheitsabschlag; Rechtsbeschwerde; Zulässigkeit der Divergenzvorlage (Fragepräzisierung); Standardisiertes Meßverfahren; Eichung; Hysteresis; Alkoholbedingte absolute Fahruntüchtigkeit und AAK; Führen eines Kraftfahrzeuges mit einer Alkoholmenge im Körper, die zu einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/1 oder mehr geführt hat; Gleichheitsgrundsatz; Willkürverbot; Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers; Unterschreitungswahrscheinlichkeit

§ 24a Abs. 1 StVG; § 121 Abs. 2 GVG i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG; § 316 StGB; Art 3 GG

1. Bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration im Sinne von § 24a Abs. 1 StVG unter Verwendung eines Atemalkoholmeßgerätes, das die Bauartzulassung für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs erhalten hat, ist der gewonnene Meßwert ohne Sicherheitsabschläge verwertbar, wenn das Gerät unter Einhaltung der Eichfrist geeicht ist und die Bedingungen für ein gültiges Meßverfahren gewahrt sind. (BGHSt)

2. Ginge es dem vorlegenden Oberlandesgericht allein um die Verläßlichkeit von Atemalkoholmessungen gerade mit diesem Gerät, wäre die Vorlegung unzulässig; denn ob das verwendete Gerät beweiskräftige zutreffende Ergebnisse liefert, ist eine Frage der Zuverlässigkeit eines bestimmten Meßverfahrens im Einzelfall; sie ist daher durch den Tatrichter zu beurteilen und deshalb nicht Gegenstand einer zulässigen Vorlegung (BGHSt 31, 86; 43, 277, 280 f.). (Bearbeiter)

3. Bei der Messung mit einem standardisierten Meßverfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muß sich der Richter, wie auch in Fällen sonstiger technischer Messungen, mit Fragen der Meßgenauigkeit in den Urteilsgründen nicht näher auseinanderzusetzen brauchen, wenn keine konkreten Zweifel an der ordnungsgemäßen Messung naheliegen (vgl. BGHSt 39, 291; 43, 277, 283 f. zur Geschwindigkeitsmessung). (Bearbeiter)

4. Die in § 24a Abs. 1 StVG festgelegten AAK-Grenzwerte von 0,25 mg/1 bzw. 0,40 mg/1 sind zwar aus den BAK-Grenzwerten von 0,5 0/00 bzw. 0,8 0/00 abgeleitet worden, gleichwohl handelt es sich um voneinander unabhängige tatbestandliche Voraussetzungen (tatbestandliches aliud mit gleichen Rechtsfolgen). (Bearbeiter)

5. Der Senat schreibt hiermit nicht zugleich die Voraussetzungen fest, unter denen die Rechtsprechung auch die Atemalkoholanalyse als hinreichend zuverlässiges Beweismittel zur abschließenden Feststellungen alkoholbedingter "absoluter" Fahruntüchtigkeit nach § 316 StGB anerkennt. (Bearbeiter)

6. Der Senat teilt die Auffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, daß durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese gesetzliche Neuregelung nicht bestehen und der Gesetzgeber damit insbesondere das Willkürverbot und den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt hat. (Bearbeiter)

7. Auch wenn allgemeine Sicherheitszuschläge zu den gesetzlichen Grenzwerten bzw. entsprechende Sicherheitsabschläge von dem mittels eines bauartzugelassenen und geeichten Atemalkoholmeßgerät gemessenen AAK-Mittelwert nicht veranlaßt sind, schließt dies nicht aus, daß im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte für einen Meßfehler bestehen oder behauptet werden können, denen das Gericht im Rahmen seiner Aufklärungspflicht oder auf einen entsprechenden Beweisantrag hin nachzugehen hat (vgl. BGHSt 39, 291, 300).


Entscheidung

BGH 3 StR 21/01 - Beschluß v. 15. März 2001 (LG Krefeld)

Unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge; Nicht geringe Menge bei Ecstasy; Wirkstoff MDMA; Verfall; Härtevorschrift des § 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB und Ermessen

§ 29 a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4, § 30 a Abs. 1 BtMG; § 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB

1. Bei dem in sogenannten Ecstasy-Tabletten enthaltenen Wirkstoff 3,4 Methylendioxy-N-methamphetamin (MDMA) beginnt die nicht geringe Menge im Sinne von § 29 a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 und von § 30 a Abs. 1 BtMG bei 30 g MDMA-Base (im Anschluß an BGHSt 42, 255). (BGHR)

2. Ein Gericht darf bei der Anwendung der Härtevorschrift des § 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB ihr Ermessen auch dahin ausüben, daß sie nur einen Teil des ursprünglich Erlangten für verfallen erklärt hat (BGHR StGB § 73 c Härte 2 und 4). (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 1 StR 12/01 - Urteil v. 20. März 2001 (LG Deggendorf)

Verfallanordnung; Bruttoprinzip; Darstellungsmängel (unbillige Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB; Ermessen); Zahlungserleichterungen beim Verfall nach Maßgabe der für Geldstrafen geltenden Grundsätze; Bewertungseinheit und Anhaltspunkte; Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge; Feststellung des Wirkstoffgehalts

§ 73c Abs. 1 StGB; § 42 StGB; § 29 BtMG

1. Es gefährdet den Bestand eines Urteils nicht, wenn das Gericht keine ausdrücklichen Feststellungen zu dem für einen Schuldspruch wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erforderlichen Eigennutz des Angeklagten getroffen hat, wenn sich der Eigennutz des Angeklagten dem Urteil seinem Zusammenhang nach zumindest mittelbar entnehmen läßt.

2. Da schon der Erwerb von Rauschgift zum Zwecke gewinnbringender Weiterveräußerung den Tatbestand des Handeltreibens hinsichtlich der Gesamtmenge erfüllt, sind darauf folgende Veräußerungen von Teilmengen nicht mehr rechtlich selbständige Taten, sondern es liegt insgesamt nur eine Tat im Rechtssinne (Bewertungseinheit) vor (st. Rspr., vgl. BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 1 ff.).

3. Es ist jedoch nicht geboten, konkret festgestellte Einzelverkäufe nur deshalb zu Tateinheit zusammenzufassen, weil die nicht näher konkretisierte Möglichkeit besteht, daß sie ganz oder teilweise aus einem Verkaufsvorrat stammten und so zu einer Bewertungseinheit verbunden sein könnten (st. Rspr., vgl. nur BGHR aaO 5, 1 1, 12). Wenn aber ausreichende Anhaltspunkte dafür fehlen, daß bestimmte Verkäufe einer vom Angeklagten erworbenen Gesamtmenge im Sinne einer Bewertungseinheit zuzuordnen sein könnten, käme lediglich eine willkürliche Zusammenfassung in Betracht. Dies wäre aber rechtlich nicht zulässig (BGHR aaO, 14; BGH NStZ 1997, 137).

4. Nicht nur der Kaufpreis, sondern auch die Beurteilung der Qualität durch tatbeteiligte Konsumenten ist eine geeignete Grundlage für die dem Tatrichter obliegende Feststellung des Wirkstoffgehalts nicht sichergestellter Rauschmittel.