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HRR-Strafrecht
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
September 2000
1. Jahrgang
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1. Eine ausreichende Sachverhandlung iSd § 229 StPO liegt stets vor, wenn die Verhandlung den Fortgang der Urteilsfindung dienenden Sachverhaltsaufklärung betrifft. Die Entgegennahme hierauf bezogener Verteidigeranträge - insbesondere von Beweisanträgen - ist fraglos Sachverhandlung. Nicht anders beurteilt der Senat den Fall, daß die Hemmung einer als erforderlich angesehenen Sachverhaltsaufklärung festzustellen und über die Reaktion hierauf zu verhandeln ist; auch die Verhandlung über das Ausbleiben eines geladenen Zeugen ist mithin als Sachverhandlung anzusehen (anders - nicht tragend BGHR StPO § 229 Abs. 1 - Sachverhandlung 2 m.w.N.).
2. Der Senat ist der Auffassung, daß sich derartige (die Annahme einer Scheinverhandlung betreffende) Erwägungen bei nicht gänzlich fehlendem Sachbezug des Gegenstandes eines Sitzungstages für das Revisionsgericht grundlegend verbieten.
3. Einzelfall der Körperverletzung im Amt an tatverdächtigen Ausländern durch Polizeibeamte auf einer Wache (Aufhebung des Gesamtstrafenausspruches wegen zu niedriger Einzelstrafenbemessung).
1. Bei der Beantwortung der Frage, ob einer Rechtsnorm verfahrens- oder sachlich-rechtlicher Charakter zukommt, ist grundsätzlich darauf abzuheben, daß für die sachlich-rechtliche Überprüfung dem Revisionsgericht allein die Urteilsurkunde zur Verfügung steht. Soweit sich der Rechtsfehler nicht allein aus der Urteilsurkunde erschließen läßt, weil er sich auf das der Entscheidung vorausgegangene Verfahren bezieht, verbleibt es bei der Verfahrensrüge.
2. Ist eine Verfahrensrüge zu erheben, muß der Revisionsführer den Sachverhalt so umfassend vortragen, daß das Revisionsgericht allein auf Grund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler, vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen der Revision zutrifft (BGH NJW 1995, 2047; BGH StV 1996, 530).
3. In einem Fall, in dem der Anklagevorwurf wegen zwei Taten allein auf der Aussage einer einzigen Belastungszeugin aufbaut, liegt in der Nichtmitteilung des Grundes der Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO wegen einer dieser Taten ein Erörterungsmangel (BGH StV 1998, 580, 582), da den Gründen dafür Beweisbedeutung für die entscheidende Frage der Glaubwürdigkeit der einzigen Belastungszeugin zukommen kann.
4. Der geltend gemachte Erörterungsmangel betrifft zwar insoweit das sachliche Recht, als er in den Bereich der Beweiswürdigung fällt. Doch kann die Frage, ob und was im Zusammenhang mit einer Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO zu erörtern ist, nicht notwendig aus der Urteilsurkunde allein erschlossen werden. Eine derartige Verfahrenseinstellung kann in den Urteilsgründen zwar mitgeteilt sein; eine Verpflichtung dazu allein aus verfahrensrechtlicher Sicht enthält die Strafprozeßordnung aber nicht. Selbst wenn sich das Urteil aber dazu äußert, kann diese Äußerung unvollständig sein, so wenn in der Hauptverhandlung Gründe für die Verfahrenseinstellung genannt wurden, diese sich aber im Urteil nicht finden.
5. Die Prüfung, ob eine - fehlende - Erörterung geboten gewesen wäre, eröffnet nur die Verfahrensrüge. Der Fall ist dem vergleichbar, daß der Tatrichter ausgeschiedenen Verfahrensstoff dem Angeklagten bei der Strafzumessung angelastet hat, ohne vorher auf diese Möglichkeit hingewiesen zu haben; auch in diesem Fehler hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach einigem Schwanken einen Verfahrensfehler gesehen (BGHR StPO § 154 Abs. 1 Verwertungsverbot 1).
6. Sollte eine Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO in der Hauptverhandlung kommentarlos erfolgt sein, müßte vom Beschwerdeführer zumindest das Vorbringen verlangt werden, daß für die Einstellung keine Gründe angeführt wurden, die für die Beweiswürdigung ohne Bedeutung waren, wie etwa Verfahrensbeschränkung aus prozeßökonomischen Gründen.
7. Es kann nicht aus jedem Schweigen zu den in der Hauptverhandlung erhobenen Beweisen darauf geschlossen werden, das Gericht habe diese Beweismittel unbeachtet gelassen. Die Erörterungsbedürftigkeit in den schriftlichen Gründen beurteilt sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Nur mit Umständen, die im Zeitpunkt der Urteilsfällung noch beweiserheblich waren, muß sich der Tatrichter im Urteil auseinandersetzen. Die weitere Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung kann dem Beweismittel jede Bedeutung genommen haben.
Die Bestimmung eines Gerichtsstandes gemäß § 14 StPO muß unterbleiben, wenn sich die Zuständigkeit eines anderen - bisher am Streit nicht beteiligten - Gerichts ergibt.
Der Widerspruch kann nur bis zu dem in § 257 StPO genannten Zeitpunkt erklärt werden; er muß also spätestens in der Erklärung enthalten sein, die der Angeklagte oder sein Verteidiger im Anschluß an diejenige Beweiserhebung abgibt, die sich auf den Inhalt der fraglichen Aussage bezieht (BGHSt 38, 214, 225/226 - sog. Widerspruchslösung).
Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK kommt nur bei einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung in Betracht.
1. Der Senat hält mit dem Hanseatischen Oberlandesgericht eine Wiederholung der den Schuldspruch tragenden Feststellungen oder auch nur eine ausdrückliche, mehr oder weniger konkrete Bezugnahme auf das angefochtene Urteil hinsichtlich des rechtskräftigen Schuldspruchs für gänzlich entbehrlich (so auch OLG Celle OLGSt StPO § 267 Nr. 8 = NStZ 1989, 340). Es kommt nämlich allein auf die ausreichende Feststellung der den rechtskräftigen Schuldspruch tragenden Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil an (vgl. auch BGHSt 30, 225, 228).
2. Einzelfall einer wegen mangelhafter Darlegung der Entscheidungserheblichkeit einer Divergenz unzulässigen Vorlage nach § 121 Abs. 2 GVG.
Auch der Verdacht eines Vergehens nach § 138 StGB ist als Verdacht der Beteiligung an der Tat eines Angeklagten im Sinne von § 60 Nr. 2 StPO anzusehen (BGHSt 42, 86, 87).