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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
März 2022
23. Jahrgang
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Der Verzicht auf Gegenstände, die ansonsten nach § 74 Abs. 1 StGB eingezogen werden könnten, kann einen Strafmilderungsgrund darstellen. Eine Anordnung nach § 74 Abs. 1 StGB hat den Charakter einer Nebenstrafe; wird dem Täter auf diese Weise ein ihm zustehender Gegenstand von nicht unerheblichem Wert eingezogen, so ist dies deshalb ein bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Strafen und insoweit im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der den Täter treffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen. Dies gilt ebenso für einen Verzicht auf andere werthaltige Gegenstände zu Gunsten des Staates.
1. Investiert der Täter eines Betäubungsmitteldeliktes einen Teil der erwirtschafteten Erträge in Kryptowährungen, sind diese grundsätzlich als Surrogate (vgl. § 73 Abs. 3 StGB) einzuziehen. Sofern darüber hinaus eine Einziehung von Wertersatz (§ 73c StGB) hinsichtlich weiterer Taterträge stattfindet, ist der Wert der als Surrogat eingezogenen Kryptowährungen hiervon abzuziehen. Dabei kommt es grundsätzlich auf den Wert im Zeitpunkt des Erwerbs an. Eine etwaige Wertsteigerung führt nicht dazu, dass der inzwischen höhere Wert abzuziehen wäre. Für den Fall, dass es zwischenzeitlich zu einer Wertminderung gekommen wäre, käme in dieser Höhe jedoch gemäß § 73c Satz 2 StGB eine Einziehung des Wertes von Taterträgen neben der Surrogateinziehung in Betracht.
2. Nach § 74 Abs. 1 StGB können Gegenstände, die zur Begehung oder Vorbereitung einer vorsätzlichen Tat gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind, als Tatmittel eingezogen werden. Die Anordnung einer solchen Einziehung steht, wie sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, im Ermessen des Tatgerichts. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf die nicht vorgeschriebene Einziehung nicht angeordnet werden, wenn sie zur begangenen Tat und zum Vorwurf, der den von der Einziehung Betroffenen trifft, außer Verhältnis stünde (§ 74f Abs. 1 Satz 1 StGB). Den Urteilsgründen muss grundsätzlich zu entnehmen sein, dass sich das Tatgericht bewusst war, eine Ermessensentscheidung zu treffen, und welche Gründe für die Ausübung des Ermessens gegeben waren.
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus setzt unter anderem die positive Feststellung voraus, dass der Beschuldigte eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen hat. Hierfür muss vom Tatgericht zunächst im Einzelnen dargelegt werden, wie sich die festgestellte, einem Merkmal von §§ 20, 21 StGB unterfallende Erkrankung in der jeweiligen Tatsituation auf die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf den entsprechenden psychischen Zustand zurückzuführen sind.
2. Allein die Diagnose einer Schizophrenieerkrankung führt nicht schon für sich genommen zu der Feststellung einer generellen oder über längere Zeiträume andauernden gesicherten Beeinträchtigung oder Aufhebung der Schuldfähigkeit; vielmehr ist stets im Einzelnen darzulegen, wie sich die Erkrankung in der konkreten Tatsituation auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf sie zurückzuführen sind. Dabei kann die Beurteilung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit – von offenkundigen Ausnahmefällen abgesehen – nicht abstrakt, sondern nur in Bezug auf eine bestimmte Tat erfolgen.
3. Mit Blick auf den symptomatischen Zusammenhang zwischen Anlasstat und psychischer Erkrankung ist ferner zu untersuchen, ob in der Person des Beschuldigten oder in seinen Taten letztlich nicht nur Eigenschaften und Verhaltensweisen hervortreten, die sich im Rahmen dessen halten, was bei schuldfähigen Menschen anzutreffen und übliche Ursache für strafbares Verhalten ist.
4. Neben der sorgfältigen Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen ist der Tatrichter auch verpflichtet, die insoweit wesentlichen Umstände in den Urteilsgründen
so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen.
1. Beim Erlangen im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB handelt es sich um einen tatsächlichen Vorgang. Durch die Tat erlangt wird ein Vermögenswert, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zufließt, dass er seiner faktischen Verfügungsgewalt unterliegt. Auf zivilrechtliche Besitz- oder Eigentumsverhältnisse kommt es dabei nicht an. Faktische Verfügungsgewalt liegt jedenfalls dann vor, wenn der Tatbeteiligte im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen kann.
2. Die Anwendung des § 73a Abs. 1 StGB, auch in Verbindung mit § 73c Satz 1 StGB, setzt voraus, dass die Herkunft der Einziehungsgegenstände aus rechtswidrigen Taten feststeht, aber eine sichere Zuordnung zu konkreten oder zumindest konkretisierbaren einzelnen Taten nach Ausschöpfung aller Beweismittel ausgeschlossen ist. Sofern die betreffenden Gegenstände einzelnen rechtswidrigen Herkunftstaten zugeordnet werden können oder könnten, und sei es erst nach weiteren Ermittlungen oder Beweiserhebungen, scheidet eine erweiterte Einziehung von Taterträgen (§ 73a Abs. 1 StGB) beziehungsweise des Wertes von Taterträgen (§ 73c StGB) aus. Vielmehr ist dann eine Einziehung von Taterträgen nach § 73 Abs. 1 StGB beziehungsweise des Wertes von Taterträgen nach § 73c Satz 1 StGB einem (gesonderten) Verfahren wegen dieser anderen Straftaten vorbehalten. § 73a Abs. 1 StGB ist mithin subsidiär gegenüber § 73 Abs. 1 StGB.
Für ein Erlangen „durch“ die Tat reicht aus, dass zunächst einer der Tatbeteiligten den Taterlös vereinnahmt, bevor er ihn an den von der Einziehung betroffenen Tatbeteiligten überträgt. Der Kausal- und Zurechnungszusammenhang zwischen Tatbeitrag und Vereinnahmen des Tatertrags wird dadurch nicht unterbrochen. Die Mittelbarkeit eines solchen Zuflusses steht der Einziehung nicht entgegen.
Begründet die Unkenntnis der deutschen Sprache die fehlende Erfolgsaussicht einer Therapie, so ist die ungewisse und vom erkennenden Gericht nicht zu beeinflussende Möglichkeit, dass es eventuell zu einer - gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 IRG im Ermessen der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde liegenden - Überstellung in das Herkunftsland und dann dort zur Unterbringung in einer Einrichtung kommt, die einer Entziehungsanstalt im Sinne des § 64 StGB entspricht, nicht geeignet, die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht positiv festzustellen und hierauf die den Angeklagten zusätzlich belastende Maßregelanordnung zu stützen (vgl. aber – nicht tragend – BGH HRRS 2018 Nr. 814).
1. Die Gesamtstrafenbildung nach § 54 Abs. 1 StGB ist ein eigenständiger Zumessungsakt, bei dem vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit, die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen sind.
2. Das Tatgericht braucht zwar insoweit wie bei den Einzelstrafen nur die bestimmenden Zumessungsgründe im Urteil darzulegen; eine erschöpfende Darstellung ist nicht erforderlich. Allerdings ist der Gesamtstrafenausspruch umso eingehender zu begründen, je mehr sich die Gesamtstrafe der oberen oder unteren Grenze des Zulässigen nähert. Fehlt es in einem solchen Fall an einer näheren Begründung, ist die Besorgnis gerechtfertigt, dass sich der Tatrichter bei der Bemessung der Gesamtstrafe nicht an den hierfür maßgeblichen Kriterien, sondern rechtsfehlerhaft an der Summe der Einzelstrafen orientiert hat.
3. Nach § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB sind Leistungen, die auf Bewährungsauflagen nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4 StGB erbracht worden sind, durch eine die Vollstreckung verkürzende Anrechnung auf die erneut zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe auszugleichen. Die Anrechnung der erbrachten Bewährungsauflage steht in den Fällen des § 58 Abs. 2 StGB nicht im Ermessen des Gerichts, sondern hat in der Regel zu erfolgen.
1. Auch Taten, deren Verfolgung ein Verfahrenshindernis entgegensteht, können strafschärfend berücksichtigt werden.
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs tritt der Tatbestand der Bedrohung (§ 241 StGB) auch hinter einer nur versuchten Nötigung zurück.