HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

November 2017
18. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Ein Plädoyer für die flächendeckende Etablierung der Substitutionsbehandlung im deutschen Strafvollzug

Im Spannungsfeld zwischen medizinischer Notwendigkeit, strafvollzugs­rechtlichen Grundsätzen und der herrschenden Vollzugspraxis

Von Christopher Bendek, Tübingen[*]

I. Einleitung

"Die Substitutionsbehandlung ist oftmals ein wesentlicher Baustein einer erfolgreichen Drogentherapie. Wenn die medizinischen Voraussetzungen für eine Substitutionsbehandlung vorliegen, sollte diese auch erfolgen, egal ob die Patientin oder der Patient auf freiem Fuß ist oder nicht. Auf die besonderen Anforderungen im Strafvollzug ist hierbei Rücksicht zu nehmen".[1] Mit diesen Worten bestätigte die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler den Stellenwert dieser Behandlungsform, und dies – entgegen der primär abstinenzorientierten Praxis, eben auch im Strafvollzug. Etwa 30 – 40 % aller Gefangenen in Deutschland sind drogenabhängig. Während knapp die Hälfte aller Opioidabhängigen mittels Substitution therapiert wird, trifft dies lediglich auf einen kleinen Teil der abhängigen Gefangenen zu. Obwohl die Behandlung mit Ersatzstoffen wie Methadon (Substitution) also überwiegend anerkannt ist, stellt sie in Justizvollzugsanstalten also noch immer die Ausnahme dar.

Bereits am 01.09.2016 entschied der EGMR, dass durch die langjährige Verweigerung der Substitutionsbehandlung seitens einer JVA mangels sorgfältiger Prüfung des Einzelfalles gegen Art. 3 EMRK verstoßen wurde.[2] Gut ein Jahr nach diesem bemerkenswerten Urteil ist ein vollzugsrechtlicher Paradigmenwechsel noch nicht in Sicht. Die Uhren scheinen im Strafvollzug schlicht langsamer zu laufen. Eine solche Vernachlässigung der Substitution lässt sich unter Hinweis auf deren Erfolge im allgemeinen Gebrauch aus gesundheitlichen, kriminolo-

gischen sowie vollzugsrechtlichen Erwägungen jedenfalls nicht mehr halten. Es besteht noch immer Raum für ein Umdenken hinsichtlich der künftigen Behandlung Drogenabhängiger im Strafvollzug.

Dieser Beitrag soll sich daher, nach einer Einführung in die rechtliche Situation und den Stellenwert der Behandlung, im Kern damit beschäftigen, ein solches Umdenken anzuregen und die Gründe für eine, dem entgegenstehende Praxis zu diskutieren.

II. Heroin- bzw. Opioidabhängigkeit

Die Opioidabhängigkeit ist, vor allem aufgrund ihres ausgeprägten Abhängigkeitspotentials sowie hoher Komorbidität eine schwerwiegende und behandlungsbedürftige, chronische Krankheit.[3] Opioide sind psychotrope Substanzen mit morphinartigen Wirkungen, die durch die Interaktion mit den Opioid-Rezeptoren wirken. Bekanntestes Opioid ist das Heroin. Die Einnahme führt rasch zu euphorisierenden und schmerzlindernden Rauschzuständen, gefolgt von starken Entzugserscheinungen.[4] Durch den regelmäßigen Konsum tritt schnell eine sowohl psychische als auch körperliche Abhängigkeit ein.[5]

III. Extramurale Substitutionsbehandlung

Neben der regulären Entgiftung ist die opioidgestützte Substitutionsbehandlung mittlerweile die am häufigsten angewandte Therapieform zur Bekämpfung von Heroin- bzw. Opioidabhängigkeit in Deutschland. Dazu kommen abstinenzorientierte Rehabilitationsangebote.[6] Bei der Substitutionsbehandlung erhalten PatientInnen, die an einer Opioidabhängigkeit leiden, eine Versorgung mit Ersatzstoffen. Diese Ersatzstoffe besetzen Opiatrezeptoren im Gehirn – der "Hunger" auf den Originalstoff bleibt damit aus.[7] Hauptsächlich wird mit den Stoffen Methadon, Levomethadon und Buprenorphin substituiert. In ausgewählten Fällen können zudem Codein, Dihydrocodein, Diamorphin und Morphin zur Behandlung verabreicht werden.[8] Die Behandlung dient in erster Linie der Überlebenshilfe und Schadensminimierung (harm reduction), um den Folgen langjähriger Abhängigkeit entgegenzuwirken. Durch die gesundheitliche und soziale Stabilisierung soll die Therapiefähigkeit gestärkt oder wiederhergestellt werden um langfristig das Idealziel der Abstinenz zu ermöglichen.[9] Integraler Bestandteil einer jeden Substitutionsbehandlung ist die begleitende psychosoziale Betreuung (PSB) der PatientInnen.[10]

1. Rechtliche Grundlagen der Substitution

Die rechtlichen Grundlagen der Behandlung ergeben sich aus dem BtMG, der BtMVV und den Richtlinien der Bundesärztekammer zur substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger (BÄK-RL). Bei Fragen der Finanzierung durch die gesetzlichen Krankenkassen ist daneben die "Richtlinie zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung" des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (MvV-RL) ergänzend heranzuziehen.[11] Die Verschreibung der Substitution ist zulässig, wenn sie medizinisch indiziert ist, § 13 Abs. 1 S. 1 BtMG iVm § 5 Abs. 3 BtMVV. Sie ist ferner nur dann medizinisch indiziert, wenn sie bei Vorliegen einer manifesten Opioidabhängigkeit gegenüber anderen Therapieformen die erfolgversprechendere darstellt, Nr. 2 BÄK-RL. Sie richtet sich daher vornehmlich an PatientInnen, bei denen abstinenzorientierte Ansätze gescheitert sind oder deren Scheitern zu vermuten ist. Damit ist die Behandlung als ultima ratio einzustufen, § 13 Abs. 1 S. 2 BtMG. Rechtliche Voraussetzungen der Verschreibung von Substitutionsmitteln, insbesondere an die ärztliche Qualifikation sind näher in § 5 BtMVV aufgeführt.

Durch die dritte Verordnung zur Änderung der BtMVV vom 22.05.2017 wurden die rechtlichen Grundlagen der Substitutionsbehandlung gelockert, um ihre Anwendung zukünftig erleichtern zu können.[12] Während die Wiederherstellung der Abstinenz vormals als primäres Ziel der Behandlung galt, soll diese nun zwar weiterhin als Idealziel angestrebt werden, § 5 Abs. 2 BtMVV. Der Fokus der Behandlung liegt nun aber in erster Linie auf der Überlebenshilfe. Die Änderungen sollen die Vorgaben der Behandlung an den wissenschaftlichen Fortschritt und praktische Erfordernisse anpassen[13]. Wesentliche Ziele der Behandlung sind nun gem. § 5 Abs. 2 BtMVV:

  • die Sicherstellung des Überlebens,
  • die Besserung und Stabilisierung des Gesundheitszustandes,
  • die Abstinenz von unerlaubt erworbenen oder erlangten Opioiden,
  • die Unterstützung der Behandlung von Begleiterkrankungen oder
  • die Verringerung der durch die Opioidabhängigkeit bedingten Risiken während einer Schwangerschaft sowie während und nach der Geburt.

2. Diamorphingestützte Substitutionsbehandlung

Alternativ zur regulären Ersatzstoffvergabe besteht die Möglichkeit der diamorphingestützten Substitution.[14] Hierbei wird der Suchtstoff (i.d.R. Heroin) nicht durch einen Ersatzstoff wie Methadon ersetzt. Vielmehr wird der Patient direkt mit synthetisch hergestelltem, reinem Heroin (Diamorphin) versorgt. Die Behandlung mit Diamorphin ist für Fälle konzipiert, in denen vor allem therapieresistente, langjährig schwerstabhängige PatientInnen nicht oder nicht mehr mit anderen Formen der Behandlung erreicht werden können.[15] Neben den allgemeinen Voraussetzungen der Substitutionsbehandlung richtet sich die Zulässigkeit der Diamorphinvergabe daher zusätzlich nach den engeren Voraussetzungen des § 5a BtMVV.

IV. Intramurale Substitutionsbehandlung

1. Behandlungsmöglichkeiten im Umgang mit Opioiden im Strafvollzug

Auch in Haft gibt es differenzierte Möglichkeiten, auf Opioidabhängigkeit zu reagieren. In Deutschland werden dabei Methoden wie die Kurzentgiftung angeboten, welche mit oder ohne Medikamentenunterstützung durchgeführt werden kann (sog. Ausschleichen der Sucht), abstinenzorientierte Behandlungen mit PSB, antagonistengestützte Behandlungen[16], und schließlich die Substitution mit PSB[17]. Dem vorangestellt bietet sich häufig die Möglichkeit, die Strafvollstreckung zugunsten einer Behandlungsmaßnahme in Freiheit unter den Voraussetzungen des § 35 BtMG zurückzustellen (Therapie statt Strafe).[18]

2. Grundlagen der Gesundheitsfürsorge opioidabhängiger Gefangener

Weder das StVollzG des Bundes, noch die neu geschaffenen Gesetze der Länder enthalten indes konkrete Vorschriften zur Behandlung von Drogenabhängigkeit. Daher gelten auch hier die allgemeinen Vorschriften des Strafvollzugsrechts. Hiernach hat jeder Gefangene einen Anspruch auf medizinische Versorgung, § 56 ff. StVollzG.[19] Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen ruhen während des Vollzuges, § 16 Abs. 1 Nr. 4 SGB V. Es ist jedoch auf eine Angleichung an die ärztlichen Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen hinzuwirken. Dieses sog. Äquivalenzprinzip ist Ausprägung des Angleichungs- und Gegensteuerungsgrundsatzes und lässt sich daher direkt aus dem Sozialstaatsprinzip ableiten.[20]

3. Grundlagen der Substitutionsbehandlung im Strafvollzug

Drogen- und insbesondere Opioidabhängigkeit unterfällt als behandlungsbedürftige Krankheit auch der intramuralen Gesundheitsfürsorge. Dem Äquivalenzprinzip folgend ist ihre Behandlung grundsätzlich auch für Gefangene mit Substitutionsmitteln möglich.[21] Dabei ist zu beachten, dass ein Anspruch auf medizinische Versorgung nicht auch eine bestimmte Therapieform indiziert. Vielmehr muss diese im konkreten Fall auch durch den Anstaltsarzt für erforderlich gehalten werden.[22] Diesem wird insoweit ein Ermessensspielraum gewährt, welcher von den Gerichten nur begrenzt überprüfbar ist.[23] Daraus folgt, dass Gefangenen lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, nicht jedoch ein Anspruch auf die Substitutionsbehandlung an sich zusteht. Stellt der Arzt die Indikation der Behandlung hingegen fest, besteht ein Rechtsanspruch auf deren Durchführung.[24] Im Unterschied zur Behandlung in Freiheit, haben Gefangene auch kein Recht auf freie Arztwahl.[25] Während ein Patient in Freiheit im Falle einer Ablehnung einen neuen Arzt konsultieren kann, ist diese Möglichkeit im Strafvollzug daher nicht ohne weiteres gegeben. Lehnt ein Anstaltsarzt die Behandlung dagegen trotz Indikation ab, haben betroffene Gefangene einen Anspruch darauf, in eine andere JVA verlegt zu werden oder die angestrebte Behandlung alternativ außerhalb des Vollzuges aufzunehmen.[26]

Die allgemeinen Vorschriften zur Anwendung der Substitutionsbehandlung des BtMG und der BtMVV gelten auch im Bereich des Strafvollzuges neben den allgemeinen Bestimmungen fort. Daneben sind auch hier die BÄK-RL maßgeblich.[27] Sowohl Fortführung als auch der

Beginn einer Substitutionsbehandlung nach Haftantritt werden in begründeten Fällen explizit von der BÄK empfohlen.[28]

4. Diamorphinsubstitution im Strafvollzug

Regelungen über eine mögliche Behandlung mit Diamorphin fehlten bislang sowohl im bundesrechtlichen StVollzG als auch den landesrechtlichen Regelungen. Baden-Württemberg hat durch die "Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums über Substitution im Justizvollzug" vom 15. Juli 2011 einen Rahmen für die Behandlung mit Diamorphin geschaffen. So soll nach Punkt 13.2 der Verwaltungsvorschrift die Diamorphinsubstitution in der JVA Stuttgart möglich sein.[29] Von der Behandlung ist seit Erlass der Verwaltungsvorschrift jedoch bisher kein Gebrauch gemacht worden.[30] Die Einbindung der Diamorphinvergabe in den Strafvollzug wurde allerdings in erfolgsversprechenden Modellversuchen bereits zweier schweizer Justizvollzugsanstalten erprobt.[31]

V. Welche Bedeutung haben Opioidabhängigkeit und ihre Folgen für den Strafvollzug?

1. Abhängigkeit in Haft

Die Anzahl abhängiger Gefangener ist nicht ohne weiteres genau zu bestimmen. Ein erster Anhaltspunkt wäre die Anzahl der wegen Verstößen gegen das BtMG verurteilten Insassen.[32] Nicht berücksichtigt werden dabei jedoch Gefangene, die zwar abhängig sind, aber aufgrund anderer Straftaten inhaftiert wurden (z.B. wegen Vermögensdelikten zur Drogenbeschaffung) und Gefangene, die erst in Haft mit Drogen in Berührung kommen.[33] Denkbar sind auch Fälle, in denen Insassen im Zusammenhang mit Drogen verurteilt wurden, jedoch nicht abhängig sind – etwa nicht selbst konsumierende Dealer. Schätzungen über die Prävalenz von Drogenabhängigkeit in Haft belaufen sich derzeit auf 30 bis 40 % aller männlichen Inhaftierten in Deutschland, wobei die Heroin- und damit Opioidabhängigkeit einen erheblichen Anteil ausmacht.[34] Dabei zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede. So sind oft mehr als 50 % der weiblichen Gefangenen drogenabhängig.[35] Bei ca. 51.000 Strafgefangenen ist daher unter Berücksichtigung der Rate von 30 – 40 % von 15.000 bis 20.000 drogenabhängigen Gefangenen auszugehen.[36] Absolute Zahlen belaufen sich ferner auf etwa 150.000 bis 175.000 Opioidabhängige[37] bzw. 56.000 bis 174.000 Personen[38] mit riskantem Konsumverhalten[39]. Damit befindet sich gut jeder Zehnte dieser Gruppe in Haft.[40]

2. Konsumverhalten

Die hohen Prävalenzen abhängiger Gefangener stellen ein großes Problem für den Strafvollzug dar. Der intramurale Handel zwingt Konsumenten häufig in Abhängigkeitsverhältnisse und begünstigt damit ein Erstarken subkultureller Gefüge und Gewaltverhältnisse.[41] Um dieser Gefahren gerecht zu werden, wird im Strafvollzug überwiegend repressiv (sog. Null-Toleranz-Strategie) gegen Drogen vorgegangen. Entsprechend hoch ist der personelle und finanzielle Aufwand zur Eindämmung von Drogenproblemen.[42] Der Konsum von Drogen kann im Strafvollzug dennoch trotz aller Sicherheitskontrollen nicht vollständig verhindert werden.[43] Die benötigten Mengen insbesondere an Heroin und anderen "harten" Drogen stehen allerdings nicht im selben Ausmaß und gleicher Qualität zur Verfügung, wie sie es in Freiheit würden, sind häufig verunreinigt oder gestreckt.[44] Gibt es Versorgungsengpässe wird zumeist auf andere, verfügbare Stoffe zurückgegriffen. Das Konsumverhalten ist folglich von gefährlichem Mischkonsum geprägt.[45] Der hohe Beschaffungsdruck bei geringer Verfügbarkeit wirkt sich wiederum auf die Preishöhe aus. Aufgrund der ohnehin eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten erfolgt die Bezahlung daher häufig in Form subkulturell angepasster Alternativen; Erpressungen, Gewalt und Verschuldungen prägen den Alltag.[46] Heroin wird darüber hinaus zumeist durch venöse Injektion eingenommen, der Zugang zu sterilen Spritzen blieb Gefangenen jedoch, bis auf einige

Modellversuche, bisher verwehrt.[47] Daher ist der Strafvollzug auch mit dem gemeinsamen und mehrfachen Spritzengebrauch konfrontiert. Die Ausbreitung von Infektionskrankheiten wie HIV und Hepatitis und gesundheitlichen Folgeproblemen können folgen.[48] Entsprechende Prävalenzraten sind unter Haftpopulationen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung tatsächlich deutlich erhöht.[49]

Es ist festzustellen, dass sich typische Folgen der Abhängigkeit in Freiheit (gesundheitliche Risiken, subkulturelle Abhängigkeitsverhältnisse und Beschaffungsdruck) ebenso in der intramuralen Drogenszene widerspiegeln.[50] Zurecht wird Drogenabhängigkeit teilweise als eines der drängendsten Probleme des deutschen[51] Strafvollzugs bezeichnet.[52]

3. Die Substitutionsbehandlung in der Vollzugspraxis

Aufgrund der vielschichtigen Problematik intramuralen Drogengebrauchs spielt die Suchtbehandlung eine tragende Rolle im Strafvollzug. Die Behandlung von Suchterkrankungen und Folgeschäden bindet letztendlich auch das medizinische Personal und erschwert damit eine umfassende und adäquate Versorgung der übrigen Gefangenen.[53] Die Vermutung liegt also nahe, dass zur Vermeidung der bekannten drogenbedingten Probleme im Strafvollzug ein umfangreiches Angebot an Behandlungsmöglichkeiten existieren müsste, welches sich primär am wissenschaftlichen Stand der extramuralen Behandlungspraxis orientiert. Geht man dabei davon aus, dass die Substitution in Deutschland mit 78.500 PatientInnen[54] derzeit etwa 40 – 50 % aller Opioidabhängigen erreicht, zeigt sich in Haft jedoch ein ganz anderes Bild. Die Dt. AIDS-Hilfe ging im Jahr 2011 davon aus, dass nur etwa fünf bis neun Prozent der Opioidabhängigen überhaupt eine dauerhafte Substitution erhalten.[55] Großzügigere Schätzungen belaufen sich mittlerweile auf noch immer geringe 15 – 16 % der abhängigen Haftpopulation.[56] Noch im Juni 2017 kam der Europäische Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) in seinem Bericht zu deutschen Haftzuständen zu dem Ergebnis, dass im Bereich der Substitutionsbehandlung deutliche Defizite zu erkennen seien, da diese in untersuchten JVA’s teilweise überhaupt nicht angeboten werde.[57] Vielmehr bestehen bei Art und Verfügbarkeit wie auch der tatsächlichen Durchführung von Behandlungsangeboten ein Nord-Süd, ein Ost-West, sowie ein Stadt-Land-Gefälle.[58] Während die Behandlung in einigen Bundesländern wie etwa Bremen und NRW bereits flächendeckend angeboten wird, erhalten in Bayern nur wenige Gefangene eine Dauersubstitution.[59] Diese wird in der Regel nur in einigen Anstalten und lediglich bei Kurzstrafen durchgeführt.[60] Abweichend von extramuralen Standards überwiegt in Haft die abstinenzorientierte Behandlung mittels Kurzentgiftung. Die Zahl der in Freiheit begonnenen Behandlungen[61], die in der Haft abgebrochen werden, liegt teilweise bei bis zu 70 %.[62]

Die Behandlung von Opioidabhängigkeit im Strafvollzug ist daher mit der Behandlung in Freiheit quantitativ und, sofern sie überhaupt angeboten wird, wohl auch qualitativ nicht zu vergleichen, obwohl die Abhängigkeit und ihre Folgen im Haftalltag durchaus präsent und diesen mitbestimmend sind. Dabei ist jedoch zu beachten, dass es keine aktuellen, aussagekräftigen Statistiken über das tatsächliche Angebot auf Bundesebene gibt, welches sich somit nur näherungsweise anhand der vorhandenen Untersuchungen ermitteln lässt. Substitutionsbehandlungen in Haft sollen künftig zwar erfasst werden, entsprechende Behandlungszahlen wurden bisher noch nicht veröffentlicht.[63]

VI. Welche Vorteile brächte ein Ausbau der Substitution in Haft?

1. Die Substitution – Kein Allheilmittel, aber die derzeit effektivste Form der Behandlung

Zahlreiche empirische Begleituntersuchungen zeigen ebenso wie die bereits langjährige praktische Erfahrung im Behandlungsablauf, dass die Substitutionsbehandlung

  • die physische sowie psychische Gesundheit wie auch die Lebensqualität der PatientInnen sicherstellt und langfristig steigert,
  • eine deutliche Reduktion des Heroinkonsums sowie der Mortalität und Morbidität bewirkt,
  • das Risiko und die Ausbreitung von HIV und Hepatitis Infektionen verringert,
  • Behandlungsabbrüche reduziert und sich damit positiv auf die Behandlungskontinuität auswirkt,
  • zur Reduktion der Kriminalität und damit auch der Wiederverurteilung und -inhaftierung beiträgt,
  • die Arbeitsfähigkeit steigert oder wiederherstellt und damit die soziale Integration fördert,
  • und darüber hinaus vergleichsweise kostengünstig gegenüber stationären Entzugsbehandlungen ist.[64]

Damit gilt die Substitutionsbehandlung als derzeit effektivste Therapieform zur Bekämpfung von Opioidabhängigkeit, die als echte Alternative zu abstinenzorientierten Methoden gleichwertig neben diese tritt.[65] Sie stellt allerdings kein Allheilmittel dar, der Idealfall der Drogenabstinenz wird nur selten erreicht. Verstärkt zeigt sich jedoch, dass die Abstinenz nicht als alleiniges Ziel der Behandlung anzustreben ist. Für viele PatientInnen mit ausgeprägten Drogenkarrieren ist bereits die Stabilisierung der wichtigste Schritt um in ein normales Leben zurückkehren zu können.[66] Selbst wenn also die Sucht nicht direkt durch die Substitution geheilt werden kann, darf sie gleichwohl als Grundlage für nachfolgende Therapiemöglichkeiten und damit als "Einstieg für den Ausstieg" bezeichnet werden.[67] Dabei zeigt sich weiterführend, dass die spezielle Behandlungsform mit Diamorphin den regulären Substituten insbesondere bei schwerstabhängigen PatientInnen sowohl medizinisch[68] , als auch in Bezug auf die Kriminalitätsentwicklung sogar noch überlegen ist.[69] Dementsprechend wäre auch eine stärkere Einbindung der Diamorphinsubstitution in Haft durchaus denkbar.

2. Haftspezifische Vorteile der Substitutionsbehandlung?

Der Strafvollzug stellt als totale Institution mit seinen subkulturellen Eigenheiten ein besonderes Umfeld dar. Die Ergebnisse empirischer Untersuchungen deuten allerdings darauf hin, dass die Vorteile der Substitution im speziellen Setting des Strafvollzuges mit denen in Freiheit durchaus vergleichbar sind.[70] Neben ihrer allgemeinen, positiven Auswirkungen kann sich die Behandlung auch im Strafvollzug vorteilhaft für die Opioidabhängigen, und auch die Justizvollzugsanstalten selbst auswirken.[71]

Die Behandlung kann besonders mit PSB bewirken, dass auch abhängige Gefangene

  • ihren Heroingebrauch, den intravenösen Konsum und die gemeinsame Benutzung von Spritzbesteck reduzieren,
  • ein geringeres Risiko haben, unmittelbar nach Haftentlassung Rückfälle zu erleiden und durch Überdosierungen zu versterben,
  • sich nach der Entlassung häufiger in weiterführende Behandlungen begeben,
  • unter dauerhafter Substitution deutlich weniger drogenbezogene Delikte begehen und generell niedrigere Rückfallquoten aufweisen.[72]

Aus Sicht des Strafvollzugs kommt hinzu, dass sich die Produktivität und Arbeitsfähigkeit der Gefangenen steigern lässt. Auch die Ansprechbarkeit der substituierten Gefangenen verbessert sich, ebenso ihre Integration in den Vollzugsalltag. Daneben können Entzugssymptome besser kontrolliert und der illegale Konsum verringert werden, weshalb diese auch weniger stark in den Drogenhandel und subkulturelle Gefüge involviert sind. Durch die gesundheitliche Stabilisierung reduziert sich schließlich auch der Aufwand des medizinischen Perso-

nals, welches zu einem Großteil in die Behandlung suchtbedingter Folgeerkrankungen eingebunden ist.[73] Folglich kann sich die Substitution durchaus positiv auf den Strafvollzug auswirken.

VII. Stünde eine Ausweitung der Substitution im Einklang mit dem Strafvollzugsrecht?

1. Anwendbarkeit der Vollzugsziele und –Grundsätze

a) Die Substitution als vollzugsrechtliche Maßnahme

In Literatur und Rechtsprechung wird die These vertreten, die Substitutionsbehandlung sei nicht nur als rein medizinische, sondern auch als Vollzugsmaßnahme zu behandeln. Als vollzugsinterne Maßnahme habe sie sich somit auch an den Grundsätzen und Zielen des Strafvollzugs zu messen. Die Behandlung könnte somit selbst bei medizinischer Indikation abgelehnt werden, sofern sie vollzuglichen Zwecken widerspräche.[74]

b) Die Substitution als rein medizinische Maßnahme

Nach aA orientiert sich die Behandlung ausschließlich an ihrer medizinischen Erforderlichkeit. Eine Weisungsbefugnis der Anstaltsleitung sei demnach abzulehnen.[75] Sowohl Vollzugsziel als auch Gestaltungsgrundsätze wären nach dieser Ansicht neben medizinischen Erwägungen nicht in die Entscheidung miteinzubeziehen.[76] Auch außerhalb der Haft obliegen Beginn und Abbruch einer Substitution allein der Verantwortung des Arztes. Da die intramurale Behandlung dem Äquivalenzprinzip folgend der in Freiheit anzugleichen ist, könne auch nur der Anstaltsarzt diese Entscheidungen treffen – und dies auch nur aus medizinischen Gründen.[77]

c) Die Substitutionsbehandlung als medizinische Maßnahme mit eingeschränkt vollzugsrechtlicher Prägung

Die Substitutionsbehandlung stellt zunächst zweifelsfrei eine medizinische Maßnahme dar, die sich somit in erster Linie nur an medizinischen Gesichtspunkten zu orientieren hat. Es spricht dennoch einiges dafür, neben der medizinischen Hauptkomponente der Behandlung auch vollzugsrechtliche Ausprägungen zu erblicken. Mangels speziellerer Regelungen ergibt sich die Anwendung der Substitution zunächst aus den §§ 56 ff. StVollzG. Diese wiederum unterstehen als vollzugsrechtliche Bestimmungen grundsätzlich auch dem Vollzugsziel und den Gestaltungsgrundsätzen. Als Ausprägung der Grundsätze sowie dem Sozialstaatsprinzip, konkretisiert das verpflichtende Äquivalenzprinzip die Gesundheitsversorgung in essentieller Weise und hat damit maßgeblichen Einfluss auf die Implementierung der in Freiheit etablierten Substitution. Eine Wirkung der Gestaltungsgrundsätze – und auf ihnen aufbauend auch des Vollzugsziels ist somit wohl zumindest mittelbar zu bejahen. Besonders die Substitutionsbehandlung zeigt über ihren medizinischen Wert für die PatientInnen hinaus auch relevante Wirkungen für die Vollzugsgestaltung wie etwa die Reduktion des Konsums und der Kriminalität. Medizinische Leistungen müssen dennoch auf das gesundheitliche Wohl der PatientInnen ausgerichtet sein.[78] Es erscheint daher sachgerecht, die Substitution als medizinische Maßnahme mit lediglich eingeschränkt vollzugsrechtlicher Prägung zu behandeln. Eingeschränkt in dem Sinne, dass vollzugsrechtliche Interessen insoweit Berücksichtigung finden, als sie einer medizinischen Indikation nicht widersprechen. Eine medizinisch indizierte Behandlung darf demnach nicht aus vollzuglichen Gründen versagt werden – es dominiert hier die medizinische Notwendigkeit. Liegt eine Indikation hingegen nicht zweifelsfrei vor, sollte eine Substitution dennoch angewandt werden können, sofern sie dem Vollzugsziel sowie den Gestaltungsgrundsätzen förderlich erscheint und solange dadurch keine medizinischen Nachteile für den Gefangenen zu erwarten sind.[79]

2. Abstinenz als Vollzugsziel?

Unabhängig von einer bestimmten Klassifizierung kann wohl übereinstimmend angenommen werden, dass die Vereinbarkeit mit dem Vollzugsziel von entscheidender Bedeutung für die Akzeptanz der Behandlung ist. Ist diese dem Vollzugsziel förderlich, kann eine Ausweitung nur zu begrüßen sein.

a) Abstinenz und das Ziel der Resozialisierung

Primäres Ziel des Strafvollzugs soll es sein, die Gefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Resozialisierung), § 2 S. 1 StVollzG.[80] Drogenabhängigkeit ist dem Ziel der Straffreiheit aber in der Regel abträglich. Das gilt beson-

ders für die Opioidabhängigkeit, deren Verlauf häufig geprägt ist von Beschaffungskriminalität. Es drängt sich daher die These auf, Abstinenz sei das einzig legitime Ziel bei der Behandlung abhängiger Gefangener.[81] Nur durch die Abstinenz könne eine tragfähige Grundlage für ein straffreies Leben geschaffen werden.[82] Eine langfristige Substitution sei dagegen nicht mit dem Vollzugsziel vereinbar, da sie in der Regel nicht zur Abstinenz, sondern vielmehr dazu führe, dass die PatientInnen ihre Abhängigkeit nicht ernst nähmen, da sie ohnehin mit Ersatzstoffen versorgt würden.[83] Zudem sei bereits die Grundlage einer Substitution fraglich, da diese vor allem zur Vermeidung von sozialer und körperlicher Verelendung in Betracht komme. Im Strafvollzug, als geschütztem und kontrolliertem Raum seien diese Gründe dagegen überhaupt nicht gegeben, der intramurale Konsum zudem kein "unbeherrschbares Naturereignis" welches nicht durch geeignete Maßnahmen verhindern werden könne.[84]

Sicherlich ist die Abstinenz ein wünschenswertes (Ideal-)Ziel und kann Grundlage eines künftig straffreien Lebens sein. Verfechtern einer abstinenzorientierten "Null-Toleranz-Strategie" ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Drogenfreiheit besonders bei Opioidabhängigkeit nur sehr schwer zu realisieren ist. Dieses Ergebnis gilt für alle Behandlungsformen, sowohl für Substitutions- als auch abstinenzorientierte Entgiftungsbehandlungen.[85] Die Substitution kann zudem nicht nur der Vermeidung von (in Haft ausgeschlossener) Verelendung dienen. Sie dient ebenfalls zur Reduktion von Infektionsrisiken, der Mortalitätsrate und weiteren gesundheitlichen Risiken.[86]

Die hohen Zahlen in Haft konsumierender Gefangener zeigen weiter, dass Drogen vor einem "geschützten Raum" nicht Halt machen und die Eindämmung nur begrenzt möglich ist. Doch auch wenn der Konsum reduziert oder sogar gänzlich eingestellt werden kann, sind Rückfälle nach Entlassung die Regel. Diese sind wiederum nicht nur mit erhöhten Mortalitätsrisiken aufgrund des Toleranzabbaus verbunden.[87] Durch den Rückfall in alte Konsummuster erstarken zudem auch strafrechtliche Probleme – sei es nur der strafbare Besitz, oder auch die zur Finanzierung notwendige Beschaffungskriminalität. Das Vollzugsziel abstinenzorientiert zu erreichen erscheint jedenfalls umso schwieriger, wenn durch die Verfügbarkeit von Drogen die Entwöhnung einerseits erschwert wird, andererseits aber intramurale Drogenprobleme aus Sicht der "Null-Toleranz-Strategie" gar nicht existieren dürften – ein verantwortungsvoller Umgang mit etwaigen Rückfällen nach der Haft also, mangels Bedarf, theoretisch gar nicht vermittelt werden müsste.

Die Bestimmung der Abstinenz als Vollzugsziel lässt sich weiterhin auch nicht aus der Pönalisierung des Umgangs mit Betäubungsmitteln ableiten. Nach dem BtMG strafbar sind lediglich der Besitz, Handel und sonstiger Umgang mit Betäubungsmitteln. Der Konsum alleine ist strafrechtlich nicht zu beanstanden. Das gilt freilich auch für den Konsum im Rahmen einer medizinisch indizierten Substitution. Dem Ziel eines Lebens ohne Straftaten widerspricht der hier legale Umgang also nicht per se. Berücksichtigt man dabei den Rückgang illegalen Beikonsums sowie die Reduzierung von Beschaffungskriminalität im Rahmen einer laufenden Behandlung, so lässt dies den Schluss zu, dass diese, wenn sie auch die Opioidabhängigkeit nicht vollständig beseitigen mag, im Ergebnis besser geeignet zu sein scheint, ein straffreies Leben zu fördern, als die Abstinenz zwangsweise anzuordnen, dieses Ideal in vielen Fällen damit aber eher zu gefährden statt zu erreichen[88] . Ist die Abstinenzorientierung also der Substitutionsbehandlung mit Blick auf die künftige Delinquenz nicht überlegen, ist auch eine Bestimmung der Abstinenz zum Vollzugsziel nicht zu rechtfertigen und übersteigt den Rahmen des § 2 S. 1 StVollzG.[89]

Im Gegenteil lässt sich die Annahme einer resozialisierungsfreundlichen Wirkung der Substitution schließlich auch aus § 35 BtMG ableiten. Das Konzept der Therapie statt Strafe sieht vor, die Strafe zurückzustellen, sofern eine verurteilte Person, deren Straftat sich auf die Betäubungsmittelabhängigkeit zurückführen lässt, sich in eine suchttherapeutische Behandlung begibt. Dabei gilt auch die Substitutionsbehandlung als mögliche Behandlungsform[90]. Wäre diese also grundsätzlich als resozialisierungsfeindlich einzustufen, ginge damit die Intention des § 35 BtMG, der von einer positiven Wirkung der Behandlung ausgeht, die die Zurückstellung einer Freiheitsstrafe rechtfertigen könne, verloren. Es ist nicht ersichtlich, dass für selbige Behandlungen intramural andere Bewertungsmaßstäbe hinsichtlich ihrer Effekte auf die Resozialisierung gelten sollen, zumal sich die Vorteile der Behandlung erwiesen auch auf den Strafvollzug übertragen lassen.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Abstinenz lediglich eine mögliche Grundlage darstellt, ein zukünftig straffreies Leben zu ermöglichen, nicht jedoch Ziel des Vollzuges sein kann. Auch die Behandlung mittels langfristiger Substitution wirkt sich positiv auf die künftige Legalbewährung und damit resozialisierungsfreundlich aus. Es handelt sich um eine wirksame Alternative neben abstinenzorientierten Ansätzen, die also durchaus mit den Vorgaben des § 2 S. 1 StVollzG in Einklang zu bringen ist. Dabei ist zu beachten, dass nicht jede Behandlungsform für jeden Patienten erfolgsversprechend ist. Die Substitution in den Haftalltag zu integrieren bedeutet statt der Verdrängung abstinenzorientierter Angebote vielmehr, das Behandlungsspektrum zu erweitern und

somit das Gelingen des Resozialisierungsauftrags individueller fördern zu können.[91]

b) Schutz der Allgemeinheit

Desweiteren soll der Strafvollzug auch dem Schutz der Allgemeinheit dienen, § 2 S. 2 StVollzG. Bereits terminologisch handelt es sich hierbei nicht um ein (erst zu erreichendes) Vollzugsziel, sondern vielmehr eine von Anfang an zu erbringende Aufgabe. Die Sicherung ist zwar Konsequenz des Vollzugs der Freiheitsstrafe, stellt aber weder deren Zweck noch Ziel dar.[92] Es erscheint daher vorzugswürdig, die Substitutionsbehandlung allein am Vollzugsziel der Resozialisierung zu messen.[93] Vertritt man dennoch die These, der Schutz der Allgemeinheit sei Ziel des Strafvollzuges ist zu differenzieren. Der Schutz außerhalb der Gefängnismauern ist durch eine Substitutionsbehandlung während des Vollzuges nicht beeinträchtigt und damit sichergestellt. Vollzugsintern verringert sich nach aktuellem Erkenntnisstand der illegale Konsum während der Behandlung. Dies führt zu einem Rückgang des intramuralen Handels und damit der Subkulturbildung einerseits, aber auch der Reduktion von Infektionen andererseits. Somit kann die Behandlung auch dem Schutz anderer Gefangener sowie Vollzugsbediensteter dienen. Nach Haftentlassung kann sich eine erfolgreiche Substitutionsbehandlung zudem positiv auf die Straffälligkeit auswirken, da erneute Delikte zur Finanzierung der Opioide nicht mehr erforderlich sind. Im Ergebnis steht die Behandlung dem Schutzgedanken sowohl während des Vollzugs, als auch nach Entlassung nicht entgegen.

3. Gestaltungsgrundsätze vs. Opioidkonsum im Strafvollzug

a) Angleichungsgrundsatz, § 3 Abs. 1 StVollzG
aa) Angleichung an allgemeine Lebensverhältnisse

Die Strafe soll im Freiheitsentzug selbst, aber nicht darüber hinaus auch in der Ausgestaltung des Vollzugs liegen. Zusätzliche Einschränkungen sind nur insoweit rechtmäßig, als sie unvermeidbare Folgen des Freiheitsentzuges darstellen.[94] Der Angleichungsgrundsatz besagt dabei, dass das Leben des Gefangenen im Strafvollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen in Freiheit soweit wie möglich angeglichen werden soll, bestehende Unterschiede sollen auf ein Mindestmaß reduziert werden. Solch ein Verständnis der allgemeinen Lebensverhältnisse wirft jedoch Probleme auf, da diese außerhalb der Haft aufgrund unterschiedlicher gesellschaftlicher und kultureller Prägungen sehr divergieren können. Es ist daher zweifelhaft, ob eine Bestimmung "allgemeiner" Lebensverhältnisse überhaupt möglich ist. Der Grundsatz soll sich deshalb darauf beschränken, Bedingungen zu schaffen, die der Menschenwürde des Gefangenen sowie den allgemein anerkannten Normen der Gesellschaft entsprechen.[95] Die Abhängigkeit von zumindest "harten" Drogen wie es Opioide wie Heroin sind, deckt sich in der Regel wohl nicht mit solchen allgemein anerkannten Normen.[96] Es stellt sich aber weiterhin die Frage, ob auch ein solches Verständnis von Angleichung überhaupt sinnvolle Grundlage für die Gestaltung des Strafvollzugs sein kann. Schließlich gleicht kein Mensch dem anderen; besonders Opioidabhängige haben oft bereits langjährige Erfahrungen mit Drogen und Kriminalität gemacht, familiäre Probleme und andere Schicksalsschläge erlebt. Es böte sich daher an, zur Förderung des Vollzugsziels auch i. R. d. Angleichungsgrundsatzes individueller auf die realen Lebensverhältnisse der abhängigen Gefangenen abzustellen.[97] Damit ist freilich nicht gemeint, die Einbindung in Subkulturen der Drogenszene und den Konsum als solchen als Ideal zu verherrlichen. Es bedeutet vielmehr, sich diesen Problemen bewusst zu sein und Rückfällen und wiederauflebenden Kontakten zur Drogenszene individuell entgegenzuwirken.

Die verbreitete Abstinenzorientierung will diesem Ziel zwar gerecht werden, indem der Drogenkonsum möglichst verhindert wird. Eine solch repressive Haltung kann indes nicht verhindern, dass Gefangene nach ihrer Entlassung wieder die ihnen bekannten Verhältnisse vorfinden und erneut mit Drogen konfrontiert werden. Die Angleichung soll ein straffreies Leben nach Entlassung begünstigen und damit der Resozialisierung gerecht werden. Wird das Problem der Abhängigkeit jedoch nicht ernst genommen sondern eher unterdrückt, lässt sich eigenverantwortliches Handeln im Umgang mit drogenspezifischen Gefahren wohl nur schwer erlernen. Die Angleichung an eine drogenfreie Lebensführung liefe ins Leere, sobald nach Haftentlassung ein solches Ideal nicht vorzufinden wäre. Die Erweiterung der Behandlungsmöglichkeiten, eben auch in Form des Ausbaus der dauerhaften Substitution mit psychosozialer Betreuung, vermag es dagegen, den spezifischen Bedürfnissen und Voraussetzungen der Gefangenen gerechter zu werden, indem sie individuellere Wege eröffnet, auch in problematischen Lebensverhältnissen mit der Sucht umzugehen um Erfolge i. S. d. Vollzugsziels nicht erneut zu gefährden.[98] Es zeigt sich daher, dass die Orientierung an allgemein anerkannten Normen wünschenswert und nicht außer Acht zu lassen ist. Sie dient als Grundstein und Motivationsgrundlage für ein künftiges Leben in Straffreiheit und sozialer Verantwortung. Ebenso zu berücksichtigen sind aber auch die realen Verhältnisse, die die Gefangenen bei Entlassung vorfinden werden.

bb) Äquivalenzprinzip als Ausprägung des Angleichungsgrundsatzes

Gleichwohl, welchem Verständnis von Angleichung gefolgt wird, soll Gefangenen kein Nachteil durch die Inhaftierung erfolgen, der nicht unvermeidbare Folge des Freiheitsentzuges ist. Der Strafvollzug soll eben nicht durch unzureichende medizinische Versorgung zusätzlichen Strafcharakter entfalten. Die Angleichung der Gesundheitsfürsorge soll durch das bereits erwähnte Äquivalenzprinzip garantiert werden.[99] Um gesundheitlichen Risiken des Opioidkonsums vorzubeugen, sollte daher den Gefangenen der Zugang zu dauerhaften Substitutionsbehandlungen ebenso ermöglicht werden wie in Freiheit.[100] Das Behandlungsangebot hat sich an der Behandlungsbedürftigkeit der Gefangenen und nicht den vorhandenen Ressourcen zu orientieren; diese sind an den notwendigen Bedarf anzupassen.[101]

cc) Zwischenergebnis

Sofern eine Substitutionsbehandlung medizinisch indiziert ist, ist diese im Ergebnis nicht nur mit dem Angleichungsgrundsatz vereinbar, sondern erscheint vielmehr dringend geboten. Dem Äquivalenzprinzip als Ausprägung der Angleichung folgend, ist ein flächendeckendes Angebot der Behandlung sicherzustellen, um den Bedarf bei medizinscher Indikation auch tatsächlich decken zu können.

b) Gegensteuerungsgrundsatz, § 3 Abs. 2 StVollzG

Den schädlichen Folgen des Strafvollzuges soll entgegengewirkt werden, § 3 Abs. 2 StVollzG. Konkreter soll der Gefangene so lebenstüchtig bleiben, dass er sich im Falle der Entlassung auch im normalen Leben wieder zurechtfinden kann.[102] Dieser Grundsatz richtet sich auch an solche Gefangene, bei denen das Vollzugsziel wohl nicht erreicht werden kann. Darunter fallen somit auch Drogenabhängige, die nicht in absehbarer Zeit in der Lage sein werden, ein Leben ohne (erhebliche) Straftaten zu führen.[103] Zu den schädlichen Folgen, die die Haft üblicherweise mit sich bringt, gehören auch die Bildung interner Subkulturen und daraus resultierende Prisonisierungseffekte. Die Abhängigkeit ist im abwechslungsarmen Vollzugsleben das beherrschende Element des Alltags, sodass alle Aktivitäten auf Beschaffung, Schmuggel, Konsum, Verkauf und Finanzierung der Drogen gerichtet sind. Dies kann ebenso auf konsumfremde oder unerfahrene Gefangene zutreffen, die erst im Vollzug mit Drogen in Kontakt kommen und Beschaffung sowie Konsum sich zu strukturierenden Elementen des Haftalltags entwickeln.[104] Die knappen finanziellen Mittel führen schließlich zu Abhängigkeitsverhältnissen und Machtgefügen. Da die Substitution sich aber positiv auf den intramuralen Konsum auswirken kann, ist durchaus von gegensteuernden Effekten hinsichtlich des Abgleitens in subkulturelle Gefüge auszugehen.

Die Abstinenzorientierung vermag es auch in Verbindung mit einer "Null-Toleranz-Strategie", die u.a. auf das Argument gestützt wird, die Verfügbarkeit von Drogen sei kein "unbeherrschbares Naturereignis"[105] nicht, den intramuralen Konsum zu vermeiden. Betrachtet man in diesem Zusammenhang die erhöhten Infektionsrisiken durch Mehrfachbenutzung insterilen Spritzbestecks, sollte der Zugang zu adäquaten Substitutionsbehandlungen auch i. S. d. Gegensteuerung als Mindeststandard und Grundlage weiterer Behandlungsmöglichkeiten verstanden und gewährleistet werden.[106] Dies ist auch deswegen so relevant, da viele Behandlungen, die vor Haftantritt begonnen wurden, im Strafvollzug abgebrochen werden. Der Gegensteuerungsgrundsatz fordert hier jedoch die Weiterführung, schließlich sollen Gefangene den Strafvollzug nicht in schlechterer gesundheitlicher Verfassung verlassen, als diese ihn betreten haben.[107]

c) Eingliederungsgrundsatz, § 3 Abs. 3 StVollzG

Der Eingliederungsgrundsatz fordert, den gesamten Strafvollzug auf die Entlassung der Gefangenen hin auszurichten, § 3 Abs. 3 StVollzG. Einzelne Maßnahmen sollen so ausgestaltet werden, dass sie geeignet sind, den Übergang vom Vollzug in die Freiheit zu erleichtern.[108] Der Grundsatz der Eingliederung beschränkt sich hierbei nicht auf die bloße Integration durch ein zukünftig straffreies Leben. Vielmehr soll allen, auch haftinternen Einflüssen, die eine Wiedereingliederung erschweren, entgegengewirkt werden.[109] Drogenabhängige sind nach der Entlassung dabei besonders gefährdet. Zum einen, weil sie erneut mit Drogen in Kontakt kommen können, zum anderen weil sie Schwierigkeiten haben, aus den subkulturellen Kreisen auszusteigen. Insbesondere die ersten Wochen in Freiheit bergen die erhebliche Gefahr von Rückfällen und Überdosierungen sowie deren potentiell lebensbedrohlichen Folgen aufgrund des Toleranzabbaus während eines vollzugsinternen Entzugs.[110] Eine solche zwangsweise Entwöhnung berücksichtigt diese Gefährdungen nach Entlassung nicht hinreichend und stellt damit eine nur unzureichende Vorbereitung dar. Eine langfristige Substitutionsbehandlung mit integrierter PSB kann den Gefangenen dagegen helfen, sich auf Versuchungen und Risiken außerhalb der Haft einzustellen und diesen ggf. zu widerstehen.[111] Eine nahtlose Weiterführung der Behandlung in Freiheit kann die künftige Eingliederung zusätzlich sichern und Risiken minimieren.[112]

d) Zwischenergebnis

Die opioidgestützte Substitutionsbehandlung ist im Ergebnis mit allen vollzugsrechtlichen Gestaltungsgrundsätzen in Einklang zu bringen und kann deren Zwecksetzungen sogar fördern.

4. Generelle Verweigerung der Behandlung kann Menschenrechtsverletzung darstellen

Der EGMR urteilte am 01.09.2016 über die langjährige Ablehnung einer Substitutionsbehandlung seitens einer JVA gegenüber einem seit 1973 heroinabhängigen Gefangenen. Dieser rügte in einer Individualbeschwerde nach Art. 34 EMRK die Verweigerung der Substitution sowie die einer Prüfung der medizinischen Notwendigkeit durch einen unabhängigen Facharzt. Er trug vor, die Substitutionsbehandlung sei unter Berücksichtigung seines Krankheitsbildes die einzig geeignete Therapie gewesen. Durch die prinzipielle Verweigerung dieser Therapie hätte die JVA ihren Ermessensspielraum bezüglich der Behandlung von Gefangenen überschritten. Der EGMR folgte dieser Auffassung und stellte einstimmig eine Verletzung von Art. 3 EMRK i.S.e. unmenschlichen Behandlung fest.[113]

Aus diesem Urteil geht zumindest auch hervor, dass eine prinzipielle Verweigerung der Behandlung aus grundsätzlichen Erwägungen nicht mehr im Einklang mit Art. 3 EMRK stehen kann. Aus dem Erfordernis einer sorgfältigen Einzelfallprüfung kann zudem auf die Notwendigkeit geschlossen werden, die Behandlung bei festgestellter Indikation auch tatsächlich zu ermöglichen. Da dies auch mangels bestehender Infrastrukturen und Behandlungsplätze in den Justizvollzugsanstalten derzeit schwierig sein dürfte, erscheint ein Ausbau auch im Lichte des Art. 3 EMRK geboten. Dies wird auch zukünftig in Rechtsprechung und Praxis des Strafvollzuges zu berücksichtigen sein und könnte weiterhin als Anstoß für Gefangene dienen, in ähnlich gelagerten Fällen Entscheidungen[114], herbeizuführen.[115]

VIII. Warum kommt die Substitution im Strafvollzug dennoch zu kurz?

Da die restriktive Anwendungspraxis im Strafvollzug deutlich von den extramuralen Standards abweicht und auch den Strafvollzugszielen und Gestaltungsgrundsätzen zuwiderläuft, stellt sich die Frage nach Erklärungen. Die Gründe hierfür sind durchaus vielfältig.

1. Hoher Kostenaufwand, fehlende Ausstattung

Der Strafvollzug ist mit hohen Kosten verbunden, dürfte jedoch bereits aus politischer Sicht nicht als beliebtes Objekt staatlicher Investitionen gelten.[116] Eine Etablierung bzw. Ausweitung der Substitutionsbehandlung erfordert aber eben solche Investitionen. Diese erschöpfen sich nicht nur in der Bereitstellung entsprechender medizinischer Ausstattung (Substitutionsmittel, Untersuchungsgeräte, etc.). Auch Sicherheitsvorkehrungen müssen getroffen werden (Überwachung zur Verhinderung von Unterschlagung und Missbrauch der Substitute, aber auch Schutz vor Komplikationen bei der Einnahme, Unverträglichkeiten). Schlussendlich ist auch für qualifiziertes Personal und Fortbildungen ebenso wie die verbesserte Kommunikation und Kooperation mit externen Einrichtungen zu sorgen.[117] Finanzielle Aspekte dürften daher von entscheidender Bedeutung für die restriktive Anwendung der Behandlung sein.[118] Schließlich beläuft sich ein Großteil der Kosten des Vollzugs bereits auf das Personal.[119]

Sind die erforderlichen finanziellen Mittel nicht vorhanden, werden den JVA‘s faktisch die Möglichkeiten einer umfassenden Betreuung und Behandlung entzogen. Unzureichende Behandlungsangebote können jedoch nicht durch kostenbedingte Ressourcenknappheit gerechtfertigt werden, besonders wenn dadurch Gefangenen medizinisch indizierte Maßnahmen verwehrt werden. Die benötigte Ausstattung mit sachlichen, personellen sowie finanziellen Mitteln hat sich letztendlich rein an der Förderung des Vollzugsziels und auf medizinischer Ebene am Wohl der Gefangenen[120] auszurichten.[121]

Erhöhte Kosten sowie der Aufwand eines Behandlungsausbaus sind daher als Investitionen für die Zukunft zu betrachten. Denn die gesundheitliche Stabilisierung und soziale Festigung i. V. m. den kriminalitätsreduzierenden Folgen der Substitution sind langfristig betrachtet oftmals ein erfolgversprechender Weg hin zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft.

2. Kontroll- und Sicherheitsbedenken

Der Strafvollzug bietet grundsätzlich gute Voraussetzungen für die Substitution. Als geschlossener und kotrollierter Raum ermöglicht er es, die Menge der verabreichten Substitute individuell zu bestimmen und zu überwachen. Verstöße gegen die engen Bestimmungen der Behandlung, wie etwa der Beikonsum von Betäubungsmitteln können durch entsprechende Maßnahmen (bspw. Urinkontrollen) festgestellt und eingedämmt werden. Die Behandlung mit Ersatzstoffen bietet jedoch immer auch Raum für Sicherheitsbedenken. Da der Schmuggel und Handel mit Drogen im Vollzug praktisch wohl nicht komplett zu verhindern ist, könnte dies womöglich auch in Bezug auf Ersatzstoffe wie Methadon gelten. Diesen Befürchtungen ist indes zu widersprechen. Ein erhöhtes Missbrauchsrisiko scheint im Vergleich zur regulären Substitution in Freiheit nicht zu bestehen. Substitute wie Methadon, Levomethadon u.a. werden häufig als fertige Flüssigpräparate zur oralen Einnahme verabreicht.[122] Die Unterschlagung von Substituten für den intramuralen Handel durch lediglich vorgetäuschte Einnahme dürfte bei Flüssigpräparaten auszuschließen sein. Auch bei einer potentiellen Ausweitung der Diamorphinsubstitution auf den Vollzug, die derzeit noch mittels Injektion erfolgt[123], scheiden vergleichbare Missbrauchsmöglichkeiten aus. Die Kontrolle der Ausgabe von Substitutionsmitteln dürfte im Ergebnis einfacher zu realisieren sein als den Schmuggel in den Strafvollzug von außen zu unterbinden (etwa durch Besucher; Mauerwürfe).[124]

3. Intramurale Vorbehalte

Der Strafvollzug steht unter dem öffentlichen Druck, seinem Sicherheitsauftrag gegenüber der Gesellschaft gerecht zu werden. Die Durchlässigkeit dieses geschlossenen Systems, welche sich im intramuralen Handel und Konsum von Drogen offenbart, gefährdet damit die Illusion eines "drogenfreien Raumes". Hilfen für Drogenabhängige können dementsprechend nur gering angeboten werden, da sie die Schwächen dieser Illusion bestätigen, was in der Öffentlichkeit als ein Scheitern des Sicherheitsauftrags angesehen werden könnte.[125]

Zudem stehen viele JVA‘s und auch Anstaltsärzte ohnehin auf dem Standpunkt, die Substitution widerspreche grundsätzlich dem Vollzugsziel. Konsumenten werden häufig nur nach ihrem illegalen Umgang mit Drogen beurteilt und stigmatisiert, ihre Vorgeschichte und mögliche Ursachen werden dabei nicht beachtet. Das Verständnis der Abhängigkeit als Krankheitsbild – nicht jedoch als moralisches Fehlverhalten, scheint sich noch immer nicht durchgesetzt zu haben. Kenntnisse über die Wirksamkeit der Behandlung fehlen teilweise oder werden kritisch bewertet.[126] Oft dürfte den AnstaltsärztInnen jedoch schlicht die Zeit fehlen, auf spezifische Probleme wie die Opioidabhängigkeit adäquat eingehen zu können. Ihr Tätigkeitsfeld im Strafvollzug ist dafür zu umfangreich und fordernd.[127] Es gilt dabei verstärkt darum, zu sorgen, dass sich das Verständnis für Suchterkrankungen sowie deren Ursachen und Konsequenzen bei AnstaltsärztInnen, aber auch allen weiteren Vollzugsbediensteten verbessert. Es ist evident, dass sich eine Ablehnung der Behandlung jedenfalls nicht mit der Zielsetzung rechtfertigen lässt, eine Illusion der Drogenfreiheit aufrechtzuerhalten, anstatt offensiv auf bestehende Probleme einzugehen.[128]

4. Vorbehalte der Insassen

Auch von Seiten der Gefangenen können Vorbehalte gegen die Inanspruchnahme einer Substitutionsbehandlung bestehen. Einige Gefangene neigen eher zum Verheimlichen der eigenen Abhängigkeit. Wiederum andere versuchen, den Strafvollzug gar als drogenfreien Schonraum zu nutzen.[129] In erster Linie kann sich die Abhängigkeit jedoch negativ auf die Gewährung von Vollzugslockerungen oder die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung auswirken, sofern dadurch die Eignung der Gefangenen in Frage steht. Zudem kann auch der illegale Beikonsum in JVA‘s besser überprüft und dadurch geahndet werden, als dies außerhalb der Fall wäre.[130] Es ist zu bedenken, dass die Gewährung bzw. der Abbruch einer Behandlung, unabhängig von ihrer Indikation insoweit als Druckmittel für Wohlverhalten missbraucht werden könnte.[131] Gefangene könnten daher sowie auch aus Angst vor Stigmatisierung und Vorverurteilung eher davon absehen, ihre Abhängigkeit zu offenbaren und stattdessen heimlich konsumieren. Auch Diskriminierungen durch Mitgefangene sowie Erpressungen dahingehend, Substitutionsmittel für den intramuralen Drogenhandel abzuzweigen können aus dem Bekanntwerden einer Abhängigkeit resultieren.[132]

5. Fehlende einheitliche Richtlinien und das Strafvollzugsrecht der Länder

Im Rahmen der Föderalismusreform im Jahr 2006 wurde die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug vom Bund auf die Länder übertragen.[133] Mittlerweile haben alle Länder von ihrer Kompetenz Gebrauch gemacht und eigene Strafvollzugsgesetze erlassen. Dementsprechend unterschiedlich wird die Substitution in den verschiedenen Ländern, Anstalten und sogar bei den AnstaltsärztInnen gehandhabt. Aufeinander abgestimmte Richtlinien könnten insofern Abhilfe schaffen und für mehr Rechtssicherheit und Verständnis, auch bei AnstaltsärztInnen und Vollzugspersonal sorgen.[134] Ein Musterbeispiel mit Blick auf die Behandlung stellt derzeit das Strafvollzugsgesetz von Nordrhein-Westfalen dar. Hiernach haben Gefangene erstmals einen ausdrücklichen Anspruch auf eine vollzugsinterne Entgiftung sowie den Beginn oder die Fortführung einer Substitutionsbehandlung, § 44 StVollzG NRW. Flankiert werden diese durch eine mit Motivations- und Beratungsangeboten ergänzte Suchtberatung, die die Grundlage für das Ziel der weiteren Abstinenz schaffen soll. Um den Erfolg der Behandlung zu sichern, sollen die Anstalten durch die Vermittlung in psychosoziale Beratungsstellen sowie spezialisierte Tages- oder Fachkliniken die Fortsetzung begonnener Behandlungen auch nach Entlassung aus dem Strafvollzug ermöglichen.[135] Vergleichbare Regelungen wären bundesweit nur zu begrüßen.

IX. Fazit und Ausblick

Drogenabhängigkeit ist kein moralisches Fehlverhalten, sondern eine anerkannte Erkrankung. Daher ist es unumgänglich, Drogenkonsumenten in jeder Lebenssituation eine angemessene Behandlung und die Wahrung ihrer Menschenrechte zuzugestehen. Neben abstinenzorientierten Ansätzen hat sich in erster Linie die opioidgestützte Substitutionsbehandlung als effektive Therapieform etabliert. Dem Äquivalenzprinzip verpflichtet, sollte die Behandlung auch intramural fachgerecht angeboten und durchgeführt werden. Dennoch bleibt die intramurale Behandlungspraxis sowohl hinter ihren rechtlich eröffneten Möglichkeiten, als auch extramuralen Standards zurück. Herrschende Vorbehalte der überwiegend abstinenzorientierten Vollzugspraxis halten einer empirischen Auseinandersetzung der Substitution und ihrer Auswirkungen jedenfalls nicht stand. Vielmehr lassen sich die positiven Wirkungen der Behandlung auch auf das Setting des Strafvollzugs übertragen. Unter primärer Berücksichtigung ihrer medizinischen Vorteile sollte die flächendeckende Erweiterung der Behandlung dabei auch im Sinne eines resozialisierungsfreundlichen Strafvollzugs i. S. d. § 2 Abs. 1 StVollzG, sowie aufgrund ihres Einklangs mit den vollzugsrechtlichen Gestaltungsgrundsätzen ernsthaft in Betracht gezogen werden. Diese Wahrnehmung der Substitution böte die Chance, entgegen einer Praxis der Null-Toleranz-Strategie, das Verständnis der Abhängigkeit als Krankheit auch intramural zu verbreiten und damit dem Stand der Wissenschaft adäquat anzugleichen.

Wenngleich ein solcher Paradigmenwechsel vermutlich nicht unmittelbar zu erwarten ist, bleibt es dennoch zu hoffen, dass die letztjährige Entscheidung des EGMR etwas mehr Aufmerksamkeit auf die Behandlung opioidabhängiger Gefangener lenken konnte. Die Möglichkeit einer zukünftig flächendeckend etablierten Versorgung besteht durchaus. Hierauf deuten bereits vorbildliche Vorstöße wie das StVollzG von Nordrhein-Westfalen hin. Auch die Bestrebungen außerhalb des Strafvollzuges, die Behandlung etwa in Form einer Abkehr von der strengen Abstinenzorientierung zukünftig zu erleichtern dürften dazu beitragen. Dies wäre schließlich ein wichtiger Schritt in Richtung eines menschenwürdigeren Strafvollzugs der zugleich mit der Förderung ergebnisorientierter Resozialisierungs-bemühungen in Einklang zu bringen ist.


[*] Der Autor ist Student der Rechtswissenschaften an der Eberhard-Karls Universität Tübingen mit dem abgeschlossenen Schwerpunktbereich "Kriminalwissenschaften".

[1] Bundesdrogenbeauftragte Mortler, zitiert nach BT-Drucks. 18/10047, S. 2.

[2] Urteil des EGMR vom 01.09.2016, Az.: V 62303/13 (Wenner v. Deutschland).

[3] Langer et al. Suchtmedizin 2011, 202 f.

[4] Blum, in: Arnold/Schille (Hrsg.), Praxishandbuch Drogen und Drogenprävention, 2002, S. 96; Schreiber Kriminalistik 8-9/1995, S. 534.

[5] Langer et al. Suchtmedizin 2011, 202, 203.

[6] Pfeiffer-Gerschel et al., in: DBBD, Workbook Drogen 2016, S. 52.

[7] Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht – Arztrecht, Arzneimittelrecht, Medizinprodukterecht und Transfusionsrecht, 7. Auflage 2014, Rn. 1598.

[8] Bundesopiumstelle, Bericht zum Substitutionsregister Januar 2017, S. 4.

[9] Pont et al., Substitutionsbehandlung im Strafvollzug – Ein praktischer Leitfaden, 2012, S. 25.

[10] Pfeiffer-Gerschel et al., (Fn. 6), S. 53; Servais Kriminalistik 2/1999, S. 124.

[11] Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer (Hrsg.), BtMG, 8. Auflage 2016, § 13, Rn. 54.

[12] BGBl. I 2017, S. 1275 ff.

[13] Weiterhin wurde auch die Strafbewehrung ärztlicher Verstöße gegen Therapieziele beseitigt. Damit solle für mehr Rechtssicherheit für substituierende Ärzte gesorgt werden. Vermehrt sollen neue ÄrztInnen für die Behandlung gewonnen, und die bundesweite Versorgung damit auch künftig sichergestellt werden. Gem. § 18 Abs. 2 BtMVV findet die BtMVV bis zu ihrer Verkündung im Bundesanzeiger in ihrer a.F. Anwendung, kritisch zur Änderung Ullmann, in: Alt. Drogen- und Suchtbericht 2017, S. 74 ff.

[14] Zur diamorphingestützten Substitution vgl. Bendek HRRS 12/2016, 556 – 564.

[15] Malek, in Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht 2. Auflage 2014, § 5 BtMVV (noch a.F.), Rn. 30.

[16] Antagonistengestützte Behandlung meint den Einsatz von lang wirksamen Opiatrezeptorenblockern, z.B. von Naltrexon oder Naloxon, DHS, Drogenabhängigkeit, Suchtmed. Reihe Bd. 4, 2006, S. 50.

[17] Zu möglichen Therapieformen insgesamt: Schulte et al., in: DBBD, Workbook Gefängnis 2016, S. 13.

[18] Näheres hierzu Körner NStZ 1998, 227 – 235; Laubenthal, Strafvollzug, 7. Auflage 2015, Rn. 584.

[19] Aufgrund der Vielzahl seit der Föderalismusreform erlassener Landestrafvollzugsgesetze und deren überwiegend inhaltlicher Vergleichbarkeit wird hier stellvertretend das StVollzG des Bundes herangezogen.

[20] Lesting, in: Feest/Lesting/Lindemann (Hrsg.), AK StVollzG, 7. Auflage 2017, § 62 LandesR, Rn. 2.

[21] OLG München NStZ-RR 2012, 385.

[22] OLG München NStZ-RR 2012, 385; vgl. auch § 58 StVollzG bzw. die landesrechtlichen Pendants.

[23] OLG Hamm, Beschluss v. 3.7.2014, Az. 3 Ws 213/14.

[24] OLG Hamburg StV 2002, 265; Stöver, in: AK StVollzG (Fn. 20), Teil VII B, Nr. 2, Rn. 60.

[25] OLG Nürnberg NStZ 1999, S. 480; Laubenthal, (Fn. 18), Rn. 636.

[26] LG Dortmund StV 1995, 143; Graebsch, in: Kotz/Rahlf (Hrsg.), Praxis d. Betäubungsmittelstrafrechts, 1. Auflage, 2012, Kapitel 11 E, Rn. 404.

[27] Da die Behandlung im Strafvollzug nicht in das System gesetzl. Krankenkassen eingebunden ist, finden auch die Bestimmungen der MvV-RL keine direkte Anwendung, i.S.d. Äquivalenzprinzips sind sie dennoch als Leitlinien für die Behandlung heranzuziehen, vgl. Graebsch, in: Kotz/Rahlf, (Fn. 26), Kapitel 11 E, Rn. 354.

[28] Vgl. Punkt 2 (Indikation) der BÄK-RL, verabschiedet am 19. Februar 2010; Stöver/Knorr/Schäffler, in: Alt. Drogen- und Suchtbericht 2017, S. 58.

[29] Vgl. Schäffler/Foot Journal Akzeptanzorientierte Drogenarbeit 2014, 11, 143.

[30] Dt. AIDS-Hilfe, Substitution in Haft, 4. Auflage 2014, S. 4.

[31] Kaufmann/Dobler-Mikola, in: Jacob/Keppler/Stöver (Hrsg.), Drogengebrauch und Infektionsgeschehen im Strafvollzug 1997, S. 173 – 179; Stöver, in: AK StVollzG, (Fn. 20), Teil VII Nr. 2, Rn. 63.

[32] Schulte et al., (Fn. 17), S. 5; Stöver FS 5/2013, 275, 277.

[33] BMI/BMJ, 2. PSB 2006, S. 612.

[34] Husmann, "Wie kann die Substitution in Haft weiterentwickelt werden?" Das Beispiel Nordrhein-Westfalen, 2010, S. 49; Stöver FS, 5/2013, 275, 277; ders. Suchttherapie 2012 13, 74.

[35] Stöver KrimJ 4/1999, S. 272.

[36] Eigene Berechnung.

[37] Poehlke/Heinz/Stöver, Drogenabhängigkeit und Substitution, ein Glossar von A bis Z, 4. Auflage 2016, S. 75.

[38] EMCDDA, Country Drug Report 2017 (Germany), S. 1, 6; Pfeiffer-Gerschel et al., in: DBBD, Kurzbericht der Situation illegaler Drogen in Deutschland 2016, S. 7.

[39] Riskantes Konsumverhalten ist anzunehmen unter folgenden Voraussetzungen: Es wird wiederholt konsumiert, es entstehen Schäden für die Person (Abhängigkeit, aber auch gesundheitliche, psychologische oder soziale Probleme) oder es steigt das Risiko, solche Schäden zu erleiden, Pfeiffer-Gerschel et al., (Fn. 6), S. 66.

[40] Vgl. Berechnung von Stöver BAG-S Informationsdienst Straffälligenhilfe, 1/2013, S. 8, jedoch unter Zugrundelegung der Zahlen des Jahres 2012.

[41] Stöver, in: AK StVollzG (Fn. 20), Teil VII B Nr. 2, Rn. 6; zur Korrelation zwischen Gewalt und intramuralem Drogenhandel und –Konsum siehe Baier/Bergmann FS 2/2013, 76 – 83.

[42] Stöver, in: AK StVollzG (Fn. 20), Teil VII B Nr. 2, Rn. 13.

[43] Bruns StV 1987, 504, (505); Lesting StV 1990, 225; Laubenthal, (Fn. 18), Rn. 579; Stöver KrimJ 1993, 184, 194 f.

[44] Stöver, in: AK StVollzG (Fn. 20), Teil VII Nr. 2, Rn. 4, 23 ff.

[45] Graebsch, in: Kotz/Rahlf, (Fn. 26), Kapitel 11 E, Rn. 336; Stöver, in: AK StVollzG (Fn. 20), Teil VII Nr. 2, Rn. 1, 25.

[46] Husmann, Weiterentwicklung der Substitutionsbehandlung in Haft, Dokumentation der Fachtagung Berlin, 2010, S. 52.

[47] Zur Forderung der Abgabe sterilen Spritzbestecks im Strafvollzug Lesting StV 1990, 225 – 230.

[48] Laubenthal, in: Hillenkamp/Tag (Hrsg.), Intramurale Medizin im internationalen Vergleich 2005, S. 198 f.

[49] Zimmermann et al., in: RKI (Hrsg.), Abschlussbericht der DRUCK-Studie, 2016, S. 17, 44-46, 149 f.; Knorr, in: Alt. Drogen- und Suchtbericht 2017, S. 61.

[50] Vgl. insgesamt Graebsch, in: Kotz/Rahlf, (Fn. 26), Kapitel 11 E, Rn. 336 f.

[51] Ein Standpunkt, der wohl auch international Geltung genießen dürfte, einige zentralasiatische Staaten haben bzgl. Opioidabhängigkeit mit Prävalenzraten von bis zu 80 % der Gefangenenpopulation zu kämpfen, Pont et al., (Fn. 9), S. 10.

[52] So Laubenthal, (Fn. 18), Rn. 579 f.; Stöver, in: AK StVollzG (Fn. 20), Teil VII Nr. 2, Rn. 13.

[53] Stöver BAG-S Informationsdienst Straffälligenhilfe, 1/2013, S. 9.

[54] Bundesopiumstelle, Bericht zum Substitutionsregister Januar 2017, S. 2.

[55] Dt. AIDS-Hilfe e.V., abrufbar unter: http://magazin.hiv/2011/07/21/substitution-ist-keine-kapitulation-vor-der-kriminalitat/ (Stand: 15.11.2017); vgl. auch Stöver, in: AK StVollzG (Fn. 20), Teil VII Nr. 2, Rn. 62.

[56] Stöver, Betreuung im Strafvollzug, 2014, S. 154.

[57] Während Gefangenen in Celle und Tonna die Substitution angeboten wurde, werde diese in der JVA Kaisheim aus grundsätzlichen Erwägungen heraus in der Regel nicht angeboten, obwohl sie außerhalb der Anstalt allgemein verfügbar ist, CPT Bericht vom 01.06.2017, S. 32.

[58] Keppler FS 1/2013, 25, 28 f.; Schulte et al., (Fn. 17), S. 1.

[59] Presseinformation der BAG-S e.V., abrufbar unter: http://bag-s.de/nc/aktuelles/aktuelles0/article/europaeischer-gerichtshof-zur-substitution-in-haft/ (Stand: 27.09.2017).

[60] CPT Bericht vom 01.06.2017, S. 32.

[61] Es handelt sich insoweit also um medizinisch indizierte (und somit gem. Nr. 2 BÄK-RL die für PatientInnen am besten geeigneten) Maßnahmen, die dennoch abgebrochen wurden.

[62] Stöver, in: AK StVollzG (Fn. 20), Teil VII Nr. 2, Rn. 60; Graebsch, in: Kotz/Rahlf (Fn. 26), Kapitel 11 E, Rn. 355; Stöver, European Addiction Research 2011, 44 – 54; Eine in Bayern durchgeführte Studie ergab sogar, dass dort bei knapp 90 % der Befragten eine in Freiheit begonnene Substitution in Haft abgebrochen worden war, hierzu: Schäffler/Zimmermann Journal Akzeptanzorientierte Drogenarbeit 2012, S. 30.

[63] Knorr, in: Alt. Drogen- und Suchtbericht 2017, S. 61.

[64] Vgl. insgesamt Verthein/Kalke/Raschke, Resultate internationaler und bundesdeutscher Evaluationsstudien zur Substitutionstherapie mit Methadon – eine Übersicht. Psychotherapie Psychosomatik Medizinische Psychologie, 1994, 44, 128 – 136; Raschke, Substitutionstherapie. Ergebnisse langfristiger Behandlung von Opiatabhängigen, 1994; Stöver/Michels Harm Reduction Journal 2010; 7, 17.

[65] WHO Bulletin Vol. 86, (3) 2008, S. 164; Reimer, Projekt zur Evaluation d. missbräuchlichen Verwendung von Substitutionsmitteln in Deutschland, 2009, S 1; Zimmermann et al., in: RKI, DRUCK-Studie, (Fn. 49), S. 17.

[66] Schulte-Scherlebeck Journal Akzeptanzorientierte Drogenarbeit, 2010, 7: 37, 49 f.

[67] So Schwind, Kriminologie 23. Auflage 2016, § 27, Rn. 68; vgl. auch Böhmer PZ, 47/ 2015, abrufbar unter: http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=60811 (Stand: 15.11.2017); kritisch Weber, BtMG, 5. Auflage 2017, § 5 BtMVV, Rn. 15 ff.; Wittchen et al. Suchtmedizin 2011, 13 (5), S. 253.

[68] Naber/Haasen, Das bundesdeutsche Modellprojekt zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger, Abschlussbericht 2006; Verthein/Kuhn, Qualitätssicherung der Diamorphinbehandlung, 2012.

[69] Hierzu ausführlich Köllisch/Löbmann MschrKrim, 2008, S. 38 – 55; Zu den Ergebnissen der Schweizer PROVE-Studie Steffen et al. Suchttherapie 2000, 1, 27 – 33.

[70] Schulte et al., (Fn. 17), S. 10; Pont et al., (Fn. 9), S. 30 ff.

[71] Stöver, in: AK StVollzG (Fn. 20), Teil VII Nr. 2, Rn. 55 f. m. w. N.; ders. Suchttherapie 2012; 13, 74, 76; Ullmann StV 2003, 293, 294 f..

[72] Vgl. insgesamt WHO/UNODC/UNAIDS, Interventions to Address HIV in Prisons, 2007, S. 13 ff.; Deimel/Stöver Praxis Klinische Verhaltensmedizin & Rehabilitation (Sonderheft) 2015, 28: 19 ff.; siehe auch Aufzählung bei Keppler/Knorr/Stöver, in: Hönekopp/Stöver (Hrsg.), Beispiele Guter Praxis in der Substitutionsbehandlung, 2011, 81 – 97.

[73] Insgesamt BISDRO/WIAD, Reduction of drug-related crime in prison, 2008; Keppler/Knorr/Stöver, in: Hönekopp/Stöver (Fn. 73), S. 79 ff.; Keppler FS 1/2013, 25, 31.

[74] OLG Hamburg StV 2002, 265; LG Augsburg StraFo 2011, 528; Arloth/Krä, StVollzG 4. Auflage 2017, § 3, Rn. 3; § 58 Rn. 3; Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, (Fn. 11), § 35, Rn. 166; Weber, BtMG, (Fn. 67), § 5 BtMVV, Rn. 170 ff.

[75] BSG v. 06.11.2002, B 6 KA 39/01 R; Lesting, in: AK StVollzG (Fn. 20), § 62 LandesR, Rn. 76; wohl auch Deutsch/Spickhoff, (Fn. 7), Rn. 1598.

[76] Etwa Böhm/Jehle, in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal (Hrsg.), StVollzG, 6. Auflage 2013, § 3, Rn. 11 ; Lesting, in: AK StVollzG (Fn. 20), § 62 LandesR, Rn. 76; Sönnecken MedR 5/2004, 246, 248 ; Ullmann StV 2003, 293.

[77] Eine unabhängige Stellung des Anstaltsarztes könne zudem das durch den Strafvollzug erschwerte Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient stärken, vgl. Sönnecken MedR 5/2004, 246, 248.

[78] Die Stellung der Substitution als medizinische Maßnahme bedeutet nämlich nicht, wie es etwa Graebsch zutreffend formuliert, "dass § 3 StVollzG dafür keine Relevanz hätte, sondern vielmehr, dass sich auch und gerade die medizinische Versorgung an diesem Äquivalenzprinzip zu orientieren hat", Graebsch, in: Kotz/Rahlf, (Fn. 26), Kapitel 11 E, Rn. 352.

[79] Ähnlich, jedoch ohne eine solche Klassifizierung der Behandlung vorzunehmen Graebsch, in: Kotz/Rahlf, (Fn. 26), Kapitel 11 E, Rn. 343, 353.

[80] Vgl. BVerfGE 116, 69, 85 f. = HRRS 2006 Nr. 494; vgl. zum (nicht unumstrittenen) Vorrang des Resozialisierungsauftrags vor dem Schutz der Allgemeinheit vgl. Lindemann, in: AK StVollzG (Fn. 20), § 2 LandesR, Rn. 6 ff. m. w. N.

[81] So OLG Hamburg StV 2002, 265 f.; Arloth/Krä, StVollzG, (Fn. 74), § 3, Rn. 7.

[82] Weber, BtMG (Fn. 67), § 5 BtMVV, Rn. 171.

[83] OLG Hamburg StV 2002, 265; vgl. auch Hauptmann Kriminalistik, 1/1999, 17, 23.

[84] OLG Hamburg StV 2002, 265; Weber, BtMG (Fn. 67), § 5 BtMVV, Rn. 170 ff.

[85] Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, (Fn. 11), § 13, Rn. 39.

[86] Vgl. Ullmann StV 2003, 293, 294 f.

[87] Stöver, (Fn. 56), S. 153; ders. FS, 5/2013, 275, 278.

[88] Ähnlich Kubnik StV 2002, 269 f.; Stöver/Pollähne, in: Gerlach/Stöver (Hrsg.), Vom Tabu zur Normalität: 20 Jahre Substitution in Deutschland, 2005, S. 140 f.

[89] So auch Graebsch, in: Kotz/Rahlf, (Fn. 26), Kapitel 11 E, Rn. 347.

[90] Körner NStZ 1998, 227, 231; Malek, in: Spickhoff, (Fn. 15), § 35 BtMG, Rn. 4.

[91] Ähnlich Graebsch, in: Kotz/Rahlf, (Fn. 26), Kapitel 11 E, Rn. 349, nach dem es für jeden Einzelfall ermittelt werden soll, ob die Legalbewährung abstinenzorientiert oder besser mittels Substitution erreicht werden kann.

[92] Näher Köhne JR 2007, 494, 495 f. ; so auch Feest StV 2008, 553, 555 ; Lindemann, in: AK StVollzG, (Fn. 20), § 2 LandesR, Rn. 20; ähnlich BT-Drucks. 15/778, S. 7.

[93] So auch Köhne ZRP 2010, 220 f.; vgl. in Bezug auf die Resozialisierung als einziges Ziel BVerfGE 116, 69, 85f. = HRRS 2006 Nr. 494.

[94] Feest/Lesting, in: AK StVollzG, (Fn. 20), § 3 LandesR, Rn. 22 f.

[95] Europäische Strafvollzugsgrundsätze 1988, Nr. 65a; Laubenthal, (Fn. 18), Rn. 198.

[96] Wenngleich die Abhängigkeit als Krankheit anerkannt ist, ist der Umgang mit Opioiden gleichwohl strafbar.

[97] Ähnlich Köhne ZRP 2010, 220, 222 f..

[98] Im Ergebnis ebenso Köhne ZRP 2010, 220, 221.

[99] Meier, in: Hillenkamp/Tag (Hrsg.), Intramurale Medizin im internationalen Vergleich, 2008, S. 35.

[100] Zimmermann et al., in: RKI, DRUCK-Studie (Fn. 49), S. 150.

[101] BVerfG HRRS 2013 Nr. 163; HRRS 2013 Nr. 691.

[102] BVerfG HRRS 2011 Nr. 281.

[103] Graebsch, in: Kotz/Rahlf, (Fn. 26), Kapitel 11 E, Rn. 355.

[104] Laubenthal, (Fn. 18), Rn. 220.

[105] So OLG Hamburg StV 2002, 265 .

[106] Vgl. Stöver KrimJ 4/1999, S. 274.

[107] Alm-Merk, in: Meyenberg (Hrsg.), Neue Wege in der Drogenpolitik/Drogenhilfe, 1998, S. 21; Kubnik StV 2002, 265, 270.

[108] Feest/Lesting, in: AK StVollzG, (Fn. 20), § 3 LandesR, Rn. 7.

[109] Laubenthal, (Fn. 18), Rn. 235.

[110] Stöver, in: AK StVollzG, (Fn. 20), Teil VII Nr. 2, Rn. 36.

[111] So Köhne ZRP 2010, 220, 221, der im Vollzug der Freiheitsstrafe vielmehr die Chance der Gestaltung eines "sozialen Trainingsfeldes" für den Umgang mit der eigenen Abhängigkeit sieht.

[112] Vgl. auch Graebsch, in: Kotz/Rahlf, (Fn. 26), Kapitel 11 E, Rn. 357.

[113] Urteil des EGMR vom 01.09.2016, Az.: V 62303/13 (Wenner v. Deutschland).

[114] Etwa durch Anträge auf gerichtliche Entscheidung nach § 109 ff. StVollzG.

[115] Vgl. Stöver/Knorr/Schäffler, in: Alt. Drogen- und Suchtbericht 2017, S. 57 f.; dies. Suchttherapie 2017, 18: 7, 8; Konrad R&P 2017, 35: 27, 28.

[116] Insbesondere zusätzliche medizinische Leistungen für Drogenabhängige könnten schnell Gegenstand unerwünschter politischer Debatten werden.

[117] Keppler/Knorr/Stöver ZfStrVo 2004, 202; Stöver, in: Weiterentwicklung der Substitutionsbehandlung in Haft, Dokumentation der Fachtagung Berlin 2010, S. 14.

[118] Vgl. auch Laubenthal, (Fn. 18), Rn. 583; Schulte-Scherlebeck Journal Akzeptanzorientierte Drogenarbeit, 2010, 7: 37, 41 f.

[119] So entfallen etwa in BW mit 75% ein Hauptteil der Kosten eines Haftplatzes auf die Personalausgaben, abrufbar unter: https://www.justiz-bw.de/pb/,Lde/Startseite/Justiz/datenundfakten#anker1997320 (Stand: 15.11.2017).

[120] Welches hier, wie bereits festgestellt mit dem Vollzugsziel sogar in Einklang steht.

[121] BVerfG HRRS 2013 Nr. 163; HRRS 2013 Nr. 691; Graebsch, in: Kotz/Rahlf, (Fn. 26), Kapitel 11 E, Rn. 349; Laubenthal, (Fn. 18), Rn. 157, 636; Schulte et al., (Fn. 17), S. 9.

[122] Im Unterschied zur Vergabe von Buprenorphin in Tablettenform, welche aufgrund eben jener Missbrauchsrisiken intramural deutlich seltener erfolgt, vgl. Pont et al., (Fn. 9), S. 46, 51.

[123] Die Möglichkeit, Diamorphin nicht intravenös sondern oral einzunehmen besteht bereits in anderen Ländern und wird zur Vereinfachung und Risikoverringerung teilweise auch in Deutschland gefordert. So etwa Schäffler/Foot Journal Akzeptanzorientierte Drogenarbeit, 2014, 11: 142.

[124] Graebsch, in: Kotz/Rahlf, (Fn. 26), Kapitel 11 E, Rn 350.

[125] Lesting, in: AK StVollzG (Fn. 20), vor § 62 LandesR, Rn. 9; Stöver KrimJ 4/1999, S. 276.

[126] Vgl. Laubenthal, (Fn. 18), Rn. 583; Schulte-Scherlebeck Journal Akzeptanzorientierte Drogenarbeit, 2010, 7: 37, 41 f.

[127] Die Anstaltsmedizin ist vom Ärztemangel geprägt, Anstaltsärzte üben viele Tätigkeiten parallel aus, zusätzliche Qualifikationen sind zudem zeitaufwendig und nicht verpflichtend, hierzu Stöver FS 5/2013, 275, 277.

[128] So auch Kubnik StV 2002, 265, 268; darüber hinaus der Abschlussbericht der Kommission zur Entwicklung eines umsetzungsorientierten Drogenkonzepts für den Hamburger Strafvollzug, 1995, S. 73; ähnlich Stöver, (Fn. 56), S. 153; vgl. auch Pressemitteilung der DHS e.V. (23.06.2016), S. 1 f., abrufbar unter: http://www.dhs.de/fileadmin/user_upload/pdf/news/2016-06-22_PM_weltdrogentag_final__003_.pdf (Stand: 15.11.2017).

[129] Etwa zum Schutz vor früheren Drogenkontakten, Stöver, in: AK StVollzG (Fn. 20), Teil VII Nr. 2, Rn. 4.

[130] Stöver, in: AK StVollzG (Fn. 20), Teil VII Nr. 2, Rn. 40 ff.

[131] So Stöver, in: AK StVollzG (Fn. 20), Teil VII Nr. 2, Rn. 60; vgl. auch Birklbauer, in: Neubacher/Bögelein (Hrsg.), Krise – Kriminalität – Kriminologie, 2016, S. 539, 540 f., 547.

[132] Pont et al., (Fn. 9), S. 83 f.

[133] BGBl. I 2006, S. 2034 ff.

[134] Entspr. Vorgaben enthalten etwa die bereits 2010 geschaffenen ärztlichen Behandlungsempfehlungen zur medikamentösen Therapie der Opioidabhängigkeit im Justizvollzug NRW, hierzu Schulte et al., (Fn. 17), S. 15.

[135] LT-Drs. 16/5413 S. 122; Schaerff ZStW 2016, 128 (1): 194, 222 f.