HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

April 2015
16. Jahrgang
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IV. Strafverfahrensrecht (mit Gerichtsverfassungsrecht)


Entscheidung

341. BGH 5 StR 601/14 – Beschluss vom 28. Januar 2015 (LG Leipzig)

Fehlende Mitteilung des Inhalts von außerhalb der Hauptverhandlung geführten Rechtsgesprächen bei nicht verständigungsbasiertem Urteil (Transparenzgebot; Fehlerhaftigkeit des nicht verständigungsbasierten Urteils; Selbstbelastungsfreiheit; Beruhen im Falle des nicht durchgängig schweigenden Angeklagten).

§ 212 StPO; § 243 Abs. 4 StPO; § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO; § 337 StPO; Art. 2 Abs. 1 GG

1. Neben der Gewährleistung des Transparenzgebotes soll die Mitteilung des wesentlichen Inhalts von außerhalb der Verhandlung geführten Rechtsgesprächen es dem Angeklagten ermöglichen, autonom darüber zu entscheiden, ob er sich mit einer geständigen Einlassung seines Schweigerechts begibt. Ein Verstoß gegen diese Transparenz- und Dokumentationspflichten führt nicht nur zur Rechtswidrigkeit einer gleichwohl getroffenen Verständigung, sondern auch zur Fehlerhaftigkeit von nicht verständigungsbasierten Urteilen, bei denen nicht auszuschließen ist, dass sie auf eine gesetzeswidrige informelle Absprache oder diesbezügliche Gesprächsbemühungen zurückgehen.

2. Ein Beruhen des Urteils auf der fehlenden Mitteilung ist jedenfalls dann nicht auszuschließen, wenn sich der Angeklagte im Laufe des Verfahrens des Schutzes der Selbstbelastungsfreiheit begibt und sich – hier: im Rahmen des letzten Wortes – geständig einlässt, woraufhin das Tatgericht diese Einlassung zur Stützung seiner Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten heranzieht.


Entscheidung

356. BGH 1 StR 393/14 – Beschluss vom 27. Januar 2015 (LG Nürnberg-Fürth)

Mitteilungspflicht über Verständigungsgespräche (Zeitpunkt; Anforderungen an die Revisionsbegründung)

§ 243 Abs. 4 StPO; § 212 StPO; § 344 StPO

1. § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO schreibt seinem Wortlaut nach keinen Zeitpunkt für die Mitteilungspflicht vor. Zwar ergibt sich aus dem Gesetzeszweck Transparenzgedanken, dass in aller Regel eine umgehende Information nach dem Verständigungsgespräch geboten ist. Doch sind hiervon auch Ausnahmen möglich, so dass ein später erfolgter Hinweis ausreichend gewesen sein kann.

2. Um dem Revisionsgericht diesbezüglich eine umfassende Prüfung zu ermöglichen, liegt nahe, dass die Revision dazu vortragen muss.


Entscheidung

392. BGH 1 StR 20/15 – Beschluss vom 10. Februar 2015 (LG Augsburg)

Zeugnisverweigerungsrecht (Genehmigung der Verwertung der Aussage im Ermittlungsverfahren durch den Zeugen: erforderliche Belehrung).

§ 52 Abs. 1 StPO; § 252 StPO

1. Ein zur Zeugnisverweigerung berechtigter Zeuge kann in der Hauptverhandlung die Verwertung seiner in einer polizeilichen Vernehmung getätigten Angaben wirksam gestatten, wenn er zuvor über die Folgen des Verzichts ausdrücklich belehrt worden ist (vgl. BGHSt 45, 203, 208).

2. Zum Inhalt dieser Belehrung gehört nicht, dass die Angaben des Zeugen vor dem Ermittlungsrichter auch ohne seine Zustimmung in der Hauptverhandlung verwertet werden können.


Entscheidung

332. BGH 5 StR 258/13 – Beschluss vom 25. Februar 2015 (LG Potsdam)

Fehlende Mitteilung über Erörterungen vor der Hauptverhandlung (Negativmitteilung; Nichtanwendbarkeit auf Erörterungen vor Anklageerhebung; Mitteilungspflicht des Gerichts bei Kenntniserlangung von Erörterungen zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft; verständigungsbezogener Gesprächsinhalt; Beruhen; Irrtum des Angeklagten über tatsächlich nicht staatgefundene Verständigungsgespräche).

§ 160b StPO; § 202a StPO; § 212 StPO; § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO

1. Eine Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO besteht nur hinsichtlich solcher Gespräche, die einen verständigungsbezogenen Inhalt aufweisen. Daran fehlt es, wenn in einem Gespräch von einem Richter kein Standpunkt zu einem möglichen Ergebnis des Verfahrens vertreten und kein Verhalten gezeigt wird, das als Vorbereitung von Verständigungsgesprächen oder gar als Eintritt in ein solches (miss)verstanden werden kann, sondern vielmehr vorbehaltlos Gespräche mit dem Ziel einer Verständigung nach § 257c StPO abgelehnt werden.

2. Das Beruhen des Urteils auf einer fehlenden Negativmitteilung kann auszuschließen sein, wenn zweifelsfrei feststeht, dass es keinerlei Gespräche gegeben hat, in denen die Möglichkeit einer Verständigung im Raum stand. Dass der Angeklagte glaubte, es hätten Verständigungsgespräche stattgefunden, und dass ihn eine Negativmitteilung möglicherweise von der Abgabe eines Geständnisses abgehalten hätte, vermag hieran nichts zu ändern.


Entscheidung

371. BGH 2 StR 76/14 – Urteil vom 4. Februar 2015 (LG Frankfurt a. M.)

Entbindung eines Schöffen von der Dienstleistung (Voraussetzungen: Recht auf den gesetzlichen Richter; Dokumentation der Entscheidung).

Art. 101 Abs. 1 GG; § 54 Abs. 1, Abs. 3 GVG

1. Ob einem Schöffen die Dienstleistung im Sinne von § 54 Abs.1 Satz 2 GVG zugemutet werden kann, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei ist – zur Wahrung des Rechts auf den gesetzlichen Richter – ein strenger Maßstab anzulegen.

2. Berufliche Gründe rechtfertigen daher nur ausnahmsweise die Verhinderung eines Schöffen. Zu berücksichtigen sind lediglich Berufsgeschäfte, die der Schöffe nicht oder nicht ohne erheblichen Schaden für sich oder den Betrieb aufschieben oder bei denen er sich nicht durch einen anderen vertreten lassen kann, weil die Geschäfte ihrer Art nach einen Vertreter nicht zulassen oder ein geeigneter Vertreter nicht zur Verfügung steht. Über die Anerkennung einer derartigen Verhinderung hat der zur Entscheidung berufene Richter unter Abwägung aller Umstände bei Berücksichtigung der Belange des Schöffen, des Verfahrensstands und der voraussichtlichen Dauer des Verfahrens, nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (vgl. BGHSt 28, 61, 66). Er ist zu weitergehenden Erkundigungen hinsichtlich des angegebenen Hinderungsgrundes nicht verpflichtet, wenn er die Angaben für glaubhaft hält (BGH NStZ 1982, 176 m.w.N.).

3. Die Entscheidung ist aktenkundig zu machen (§ 54 Abs. 3 Satz 2 GVG). Dabei sind diejenigen Umstände zu dokumentieren, die die Annahme des Hinderungsgrunds tragen. Nur so ist dem Rechtsmittelgericht die Überprüfung möglich, ob eine getroffene Entscheidung eine Richterentziehung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 GG darstellt.


Entscheidung

352. BGH 1 StR 335/14 – Beschluss vom 11. Februar 2015 (LG Regensburg)

Mitteilungspflicht über Verständigungsgespräche (erforderlicher Inhalt der Mitteilung).

§ 243 Abs. 4 StPO; § 202a StPO; § 212 StPO

Nach § 243 Abs. 4 StPO mitzuteilen sind die von den Gesprächsteilnehmern vertretenen Standpunkte (vgl. BVerfGE 133, 168, 217 Rn. 86 mwN). Eine bis in Einzelheiten der Argumentation für den jeweiligen „Standpunkt“ reichende Mitteilungspflicht ist damit nicht verbunden. Die Anforderungen an den Inhalt der Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 StPO ergeben sich aus den mit der Mitteilung verfolgten Zwecken, nämlich vor allem die Eröffnung einer Kontrollmöglichkeit von Verfahrensabsprachen durch die Öffentlichkeit sowie die Sicherstellung einer umfassenden Information des Angeklagten, um diesem eine autonome Entscheidung über die Beteiligung an der Verständigung zu ermöglichen (vgl. zusammenfassend BVerfG, NStZ 2015, 170). Keiner der beiden Zwecke erfordert Mitteilungen über die Argumentation von Gesprächsbeteiligten in Details.


Entscheidung

391. BGH 4 StR 595/14 – Beschluss vom 10. Februar 2015 (LG Bielefeld)

Belehrung über die eingeschränkte Bindungswirkung einer Verständigung; Bekanntgabe des Inhalts der Verständigung durch das Gericht (keine Pflicht zur Angabe einer zu erwartenden Strafe bei „streitiger“ Hauptverhandlung).

§ 257c Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 StPO

1. Eine Verständigung ist nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht nach § 257c Abs. 4 StPO belehrt worden ist.

2. Die Belehrungspflicht verliert nicht deshalb an Bedeutung oder wird gar obsolet, weil eine Lösung des Gerichts von der Verständigung nach § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO das infolge der Verständigung abgegebene Geständnis unverwertbar macht. Denn die Belehrung hat sicherzustellen, dass der Angeklagte vor dem Eingehen einer Verständigung, deren Bestandteil das Geständnis ist, vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung an der Verständigung informiert ist (vgl. BVerfGE 133, 168, 237).

3. Der Senat weist darauf hin, dass das Gericht bei dem Verständigungsvorschlag einen Strafrahmen, also eine Strafobergrenze und eine Strafuntergrenze, angeben muss (vgl. BGH NStZ 2011, 648), aber nicht verpflichtet ist, dem Angeklagten auch mitzuteilen, welche Strafe bei einem Schuldspruch nach „streitiger Hauptverhandlung“ in Betracht kommen könnte (vgl. BGH NStZ 2013, 671).


Entscheidung

397. BGH 1 StR 640/14 – Beschluss vom 10. Februar 2015 (LG Würzburg)

Rechtmäßigkeit der Revisionsentscheidung nach Beratung nach dem Vier-Augen-Prinzip.

§ 349 StPO

Ein Anspruch des Angeklagten auf eine Beratung über seine Revision nach dem sog. „Zehn-Augen-Prinzip“ besteht nicht. Vielmehr entspricht die bisherige Ausgestaltung der Beratungspraxis der Strafsenate des Bundesgerichtshofs dem Gesetz (vgl. BVerfG NJW 2012, 2334, 2336).


Entscheidung

306. BGH 3 StR 528/14 – Beschluss vom 22. Januar 2015 (LG Kleve)

Rechtsfehlerhafte Ersetzung der Vernehmung eines Arztes durch Verlesung einer vom Angeklagten eingereichten ärztlichen Bescheinigung; fehlender Widerspruch gegen die Verlesung begründet nicht ohne weiteres das Einverständnis mit der Verlesung.

§ 250 S. 2 StPO; § 251 StPO

Die Verlesung einer ärztlichen Bescheinigung unter Absehen von der Vernehmung des ausstellenden Arztes verstößt regelmäßig auch dann gegen § 250 S. 2 StPO, wenn die Bescheinigung vom Angeklagten selbst eingereicht wurde. Dabei kann aus dessen fehlendem Widerspruch gegen die Verlesung jedenfalls dann nicht auf ein Einverständnis i.S.d. § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO geschlossen werden, wenn keine Anhaltspunkte für ein Vorgehen des Tatgerichts nach dieser Vorschrift gegeben sind.


Entscheidung

380. BGH 4 StR 293/14 – Urteil vom 26. Februar 2015 (LG Halle)

Ablehnung eines Beweisantrags als bedeutungslos (Beweis von Indiztatsachen; Anforderungen an den Ablehnungsbeschluss; Beruhen auf einem fehlerhaften Ablehnungsbeschluss); tatrichterliche Beweiswürdigung (Anforderungen; revisionsrechtliche Kontrolle).

§ 244 Abs. 2 Satz 2, Abs. 6 StPO; § 337 Abs. 1 StPO; § 261 StPO

1. Aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos sind Indiztatsachen, wenn zwischen ihnen und dem Gegenstand der Urteilsfindung keinerlei Sachzusammenhang besteht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Fall ihres Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen könnten (st. Rspr.). Bei Behauptung einer relevanten belastenden Tatsache durch die Staatsanwaltschaft müsste daher eine bislang für den Angeklagten positive Beweislage durch die begehrte Beweiserhebung umschlagen können (vgl. BGH, NStZ 1997, 503,504).

2. Daran fehlt es indes, wenn der Tatrichter aus der behaupteten und als erwiesen unterstellten Indiztatsache einen möglichen, wenn auch nicht zwingenden Schluss nicht ziehen will (vgl. BGH NJW 2004, 3051, 3056). Eine den Angeklagten belastende Beweisbehauptung darf somit nicht allein deshalb als für das Verfahren bedeutungslos bezeichnet werden, weil die unter Beweis gestellte Tatsache keine zwingenden Schlüsse auf die Verstrickung des Angeklagten in die ihm angelastete Tat erlaubt. Legt der Tatrichter jedoch rechtsfehlerfrei dar, dass die in dem Beweisantrag behauptete Tatsache auch dann, wenn sie durch die beantragte Beweisaufnahme bewiesen würde, ihn nicht von der Schuld des Angeklagten überzeugen könnte, so ist er nicht verpflichtet, den beantragten Beweis zu erheben.

3. Dabei muss nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Beschluss, mit dem ein Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsachen abgelehnt wird, die Erwägungen anführen, aus denen der Tatrichter ihnen keine Bedeutung beimisst. Wird die Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Umständen gefolgert, so müssen die Tatsachen angegeben werden, aus denen sich ergibt, warum die unter Beweis gestellte Tatsache, selbst wenn sie erwiesen wäre, die Entscheidung des Gerichts nicht beeinflussen könnte. Die erforderliche Begründung entspricht dabei grundsätzlich den Begründungserfordernissen bei der Würdigung von durch Beweisaufnahme gewonnenen Indiztatsachen in den Urteilsgründen (vgl. BGH StV 2010, 557, 558). Geht es um den Angeklagten belastende Beweisbehauptungen, muss die Ablehnung das ganze Beweisthema ohne Einengung, Verkürzung oder Unterstellung erfassen und darlegen, warum dem Tatrichter die im Beweisantrag behauptete Tatsache in Verbindung mit dem bisherigen Beweisergebnis nicht ausreichen würde, um zu einer Verurteilung zu gelangen.

4. Wird ein Beweisantrag wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache abgelehnt, ohne dass hinreichend dargelegt wird, woraus sich nach Ansicht des Gerichts die Bedeutungslosigkeit ergibt, so kann ein Beruhen hierauf ausgeschlossen werden, wenn die Gründe für die Bedeutungslosigkeit auf der Hand lagen.


Entscheidung

336. BGH 5 StR 571/14 – Beschluss vom 11. Februar 2015 (LG Göttingen)

Wirksamkeit eines von der Aufsichtsstelle gestellten Strafantrags ohne Anhörung des Bewährungshelfers.

§ 145a Satz 2 StGB; § 68a Abs. 6 StGB

Die Wirksamkeit eines von der Aufsichtsstelle nach § 145a Satz 2 StGB gestellten Strafantrages hängt nicht davon ab, dass der Bewährungshelfer zuvor nach § 68a Abs. 6 StGB gehört worden ist.


Entscheidung

350. BGH 1 StR 245/09 – Beschluss vom 24. Februar 2015

Gerichtliche Festsetzung des für die Rechtsanwaltsvergütung maßgeblichen Gegenstandswerts (Verfahrensgebühr für rechtsanwaltliche Tätigkeit in Bezug auf Einziehung oder verwandte Maßnahmen: Berechnung).

§ 33 Abs. 1 RVG; § 2 Abs. 1 RVG; Nr. 4142 VV

1. Nr. 4142 Vergütungsverzeichnis (VV) sieht eine besondere Verfahrensgebühr als Wertgebühr vor, wenn der Rechtsanwalt bei Einziehung und verwandten Maßnahmen (§ 442 StPO) eine darauf bezogene Tätigkeit für den Beschuldigten ausübt. Diese Gebühr steht dem Rechtsanwalt für jeden Rechtszug zu.

2. Der vom Senat nach § 33 Abs. 1, § 2 Abs. 1 RVG festzusetzende Gegenstandswert für die Tätigkeit des Verteidigers im Revisionsverfahren bemisst sich insoweit – nicht anders als für den Vertreter eines Verfallsbeteiligten

– nach dem wirtschaftlichen Interesse an der Abwehr der Revision der Staatsanwaltschaft, soweit diese das Unterlassen einer Verfallsanordnung beanstandet hat. Dem steht nicht entgegen, dass dem Verteidiger auch für die Verteidigung gegen den Tatvorwurf Gebühren zustehen.


Entscheidung

406. BGH 2 StR 290/14 – Urteil vom 14. Januar 2015 (LG Meiningen)

Nachträgliche Urteilsberichtigung (Zulässigkeit).

§ 267 StPO

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfen, sobald ein Urteil vollständig verkündet worden ist, nur noch offensichtliche Schreibversehen und offensichtliche Unrichtigkeiten berichtigt werden (st. Rspr). „Offensichtlich“ im Sinne dieser Rechtsprechung sind aber nur solche Fehler, die sich ohne weiteres aus der Urkunde selbst oder aus solchen Tatsachen ergeben, die für alle Verfahrensbeteiligten klar zu Tage treten und auch nur den entfernten Verdacht einer späteren sachlichen Änderung ausschließen. Es muss – auch ohne Berichtigung – eindeutig erkennbar sein, was das Gericht tatsächlich gewollt und entschieden hat. Bei dieser Prüfung ist ein strenger Maßstab anzulegen, um zu verhindern, dass mit einer Berichtigung eine unzulässige Abänderung des Urteils einhergeht (vgl. BGHSt 12, 374, 376).


Entscheidung

408. BGH 2 StR 374/14 – Beschluss vom 15. Januar 2015 (LG Bonn)

Vorabentscheidung über den entscheidungsreifen Teil einer Revision (Beschleunigungsgrundsatz; kein Abwarten eines Anfrage- und Vorlageverfahrens).

Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK; § 132 GVG

Zwar stellt die Durchführung eines Anfrage- und Vorlageverfahrens nach § 132 GVG keine prozessordnungswidrige, rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung dar. Im Hinblick auf das verfassungsrechtliche (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) und in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK ausdrücklich normierte Beschleunigungsgebot hält es der Senat indes nicht für vertretbar, ein Verfahren, obwohl es zum – für den Angeklagten im Vordergrund seines Rechtsmittels stehenden – Schuldspruch und Strafausspruch entscheidungsreif ist, bis zum Abschluss des Anfrage- und Vorlageverfahrens nicht weiter zu betreiben.