HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Mai 2010
11. Jahrgang
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Hervorzuhebende Entscheidungen des BGH

I. Materielles Strafrecht - Allgemeiner Teil


Entscheidung

392. BGH 4 StR 605/09 – Beschluss vom 19. Januar 2010 (LG Dessau-Roßlau)

Unbeendeter oder beendeter Versuch des Totschlags (strafbefreiender Rücktritt; endgültige Aufgabe); Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.

§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB; § 63 StGB

1. Für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darauf an, ob der Täter nach der letzten Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges für möglich hält (sog. Rücktrittshorizont; vgl. BGHSt 39, 221, 227; 35, 90; 33, 295, 298; BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, unbeendeter 29). Ist dies der Fall, so ist der Versuch beendet und damit ein strafbefreiender Rücktritt durch bloßes Absehen von weiteren tatbestandsmäßigen Handlungen nicht möglich. Rechnet der Täter dagegen nach der letzten Ausführungshandlung nach seinem Kenntnisstand (noch) nicht mit dem Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges, und sei es auch nur in Verkennung der durch seine Handlung verursachten Gefährdung, so ist der Versuch unbeendet, wenn die Vollendung aus der Sicht des Täters noch möglich ist (BGHSt 39, 221, 227), so dass die freiwillige Aufgabe der weiteren Tatausführung genügt.

2. Hätte sich der Angeklagte bei Aufgabe der weiteren Tatausführung keine Vorstellungen über die Folgen seines Angriffs auf die Geschädigte gemacht, kommt ein beendeter Versuch in Betracht (BGHSt 40, 304, 306).

3. Die Strafbefreiung im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. StGB setzt den Entschluss des Täters voraussetzt, auf die weitere Durchführung der Tat im Ganzen und endgültig zu verzichten (BGHSt 7, 296, 297; 35, 184, 187). Nicht aufgegeben ist die Tat dagegen, solange der Täter mit dem Versuch ihrer Begehung lediglich vorübergehend innehält (BGH, Urteil vom 1. April 2009 – 2 StR 571/08, NStZ 2009, 501).


Entscheidung

455. BGH 1 StR 601/09 – Urteil vom 25. März 2010 (LG Augsburg)

Rücktritt von der versuchten schweren räuberischen Erpressung (beendeter und unbeendeter Versuch); Nötigung.

§ 253 StGB; § 255 StGB; § 22 StGB; § 24 StGB; § 240 StGB

1. Bei einem fehlgeschlagenen Versuch kommt ein strafbefreiender Rücktritt von vornherein nicht in Betracht. Ein beendeter Versuch liegt vor, wenn der Täter glaubt, alles zur Verwirklichung des Tatbestandes Erforderliche getan zu haben (st. Rspr.; vgl. BGHSt 14, 75, 79). Unbeendet ist der Versuch, wenn er glaubt, zur Vollendung des Tatbestands bedürfe es noch weiteren Handelns. Für die Abgrenzung kommt es dabei auf die Vorstellung des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (BGHSt 31, 170, 175; 40, 304, 306). Entscheidend ist, ob der Täter zu diesem Zeitpunkt den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges für möglich hält (sog. Rücktrittshorizont, vgl. BGHSt 39, 221, 227).

2. Zu den erforderlichen Feststellungen bei der Anwendung auf eine mögliche räuberische Erpressung.

3. Es kann bei versuchter räuberischer Erpressung Fälle geben, in denen noch ein unbeendeter Versuch vorliegt, obwohl der Täter glaubt, dass die von ihm vorgenommene Nötigungshandlung ausreicht, um die geforderte Zahlung noch zu erhalten (vgl. BGH StraFo 2007, 422). Dies sind aber Fälle, in denen zur Tatvollendung noch weitere Handlungen des Täters erforderlich sind, etwa die Vereinbarung eines Zusammentreffens zur Geldüber-

gabe (vgl. BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, unbeendeter 34). Anders ist dies aber dann, wenn der Täter davon ausgeht, der Genötigte werde ihm das Geld bringen, ohne dass weiter auf ihn eingewirkt werden muss (vgl. BGHR aaO).


Entscheidung

432. BGH 2 StR 577/09 – Urteil vom 24. Februar 2010 (LG Frankfurt am Main)

Rechtsfehlerhafte Verneinung des Tötungsvorsatzes bei lebensgefährlichen Gewalthandlungen (Messereinsatz; umfassende Gesamtwürdigung).

§ 212 StGB; § 15 StGB; § 261 StPO

1. Die tatrichterliche Würdigung der Beweislage zum subjektiven Vorstellungsbild des Täters ist in Fällen lebensgefährlicher Gewalthandlungen nur rechtsfehlerfrei, wenn sie auf einer umfassenden Erörterung der festgestellten Beweisanzeichen beruht; Voraussetzung hierfür ist wiederum, dass die Beweisbedeutung einzelner Umstände zutreffend erkannt und deren Gewicht fehlerfrei beurteilt wird.

2. Weder eine erhebliche Alkoholisierung noch gar ein Handeln in affektiver Erregung und aufgrund spontanen Entschlusses sprechen gegen das Vorliegen von Tötungsvorsatz zum Handlungszeitpunkt; vielmehr sind diese Umstände nach sicherer Erfahrung gerade besonders geeignet, die Hemmschwelle auch für besonders gravierende Gewalthandlungen herabzusetzen. Anders liegt es in einem Ausnahmefall, in dem aufgrund schwerster Berauschung oder tiefgreifender Bewusstseinsstörung schon die Erkenntnisfähigkeit des Täters beeinträchtigt ist.


Entscheidung

366. BGH 5 StR 75/10 – Beschluss vom 15. April 2010 (LG Berlin)

Beweiswürdigung (keine dem Angeklagten günstige Feststellungen allein aufgrund außergewöhnlich lebensfremder Einlassung); Vorsatz (Koinzidenzprinzip; Tatentschlossenheit; Tatgeneigtheit).

§ 261 StPO; § 16 Abs. 1 StGB; § 15 StGB; § 306b StGB; § 306a StGB; § 308 StGB

1. Den Vorsatz muss der Täter zum Zeitpunkt der Tathandlung haben (Koinzidenzprinzip). Ob er Zweifel an der Tatausführung zu früheren Zeitpunkten immer wieder überwunden hat, ist ohne Belang, wenn er die Tatausführung im Moment seines – dann lediglich fahrlässigen – Handelns doch nicht in die Tat umsetzen will.

2. Das Tatgericht muss eine Einlassung des Angeklagten auch dann nicht ohne Weiteres seiner Überzeugungsbildung zugrunde legen, wenn es an weiteren Beweismitteln fehlt. Die Einlassung ist vielmehr auf ihre Plausibilität zu überprüfen und in die Gesamtschau der ansonsten festgestellten Tatumstände einzustellen.

II. Materielles Strafrecht – Besonderer Teil


Entscheidung

371. BGH StB 5/10 – Beschluss vom 14. April 2010 (Ermittlungsrichter des BGH)

BGHR; Vereinigung, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet ist, Mord oder Totschlag zu begehen; terroristische Vereinigung (Inland, Ausland); Ermächtigung zur Strafverfolgung.

§ 112 StPO; § 129 StGB; § 129a StGB; § 129b StGB; § 116 Abs. 1 StPO; § 130 StPO

1. Eine eigene Willensbildung ist für eine Strafbarkeit nach §§ 129, 129a StGB auch dann notwendig, wenn sich im Inland organisatorische Strukturen zur Unterstützung der Ziele einer ausländischen Vereinigung gebildet haben. (Aufgabe früherer entgegenstehender Senatsrechtsprechung).

2. Bilden die im Inland handelnden Mitglieder einer ausländischen Vereinigung keinen eigenständigen Gesamtwillen, so weist die Tat keinen Unrechtsgehalt auf, der über den bereits von § 129b Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB erfassten hinausginge. Zudem bestünde die Gefahr, dass durch die Annahme einer Strafbarkeit nach §§ 129, 129a StGB das Ermächtigungserfordernis des § 129b StGB umgangen würde.

3. Der Beteiligung an einer ausländischen Vereinigung als Mitglied steht nicht schlechthin entgegen, dass sich der Täter ausschließlich im Inland und damit außerhalb des unmittelbaren Betätigungsgebiets der Kernorganisation aufgehalten hat. In einem solchen Falle bedürfen jedoch die tatbestandlichen Voraussetzungen der Mitgliedschaft besonderer Prüfung.


Entscheidung

452. BGH 4 StR 555/09 – Beschluss vom 18. März 2010 (BGH)

Anfrageverfahren zum Skimming; Auslesen der auf dem Magnetstreifen einer Zahlungskarte mit Garantiefunktion gespeicherten Daten (Herstellung von Kartendubletten; Ausspähen von Daten; gegen unberechtigten Zugang besonders gesicherte Daten; Überwindung der Zugangssicherung); redaktioneller Hinweis.

§ 202a Abs. 1 StGB n.F.

1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Das bloße Auslesen der auf dem Magnetstreifen einer Zahlungskarte mit Garantiefunktion gespeicherten Daten, um mit diesen Daten Kartendubletten herzustellen, erfüllt nicht den Tatbestand des Ausspähens von Daten (§ 202a Abs. 1 StGB n.F.).

2. Eine Schutzvorkehrung ist nur dann eine Zugangssicherung im Sinne des § 202a Abs. 1 StGB n.F., wenn sie jeden Täter zu einer Zugangsart zwingt, die der Verfügungsberechtigte erkennbar verhindern wollte.


Entscheidung

357. BGH 3 ARs 3/10 – Beschluss vom 9. März 2010

Anfrageverfahren; Nichtanzeige geplanter Straftaten; Beihilfe zum Mord; Wahlfeststellung; Präpendenzfeststellung.

§ 1 StGB; § 138 StGB; § 132 GVG

1. Wenn die Fremdheit der Katalogtat dogmatisch als unrechtsbegründendes (ungeschriebenes) Tatbestandsmerkmal des § 138 StGB einzuordnen sein sollte, erscheint es dem 3. Strafsenat fraglich, ob ein Angeklagter wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten verurteilt werden kann, wenn er nach Abschluss der Beweisaufnahme weiterhin der Beteiligung an der nicht angezeigten Katalogtat verdächtig ist. Die Bestrafung nach § 138 StGB bedarf des Nachweises aller tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bestimmung. Dies kann nach Auffassung des Senats nicht durch die Anwendung des Zweifelssatzes ersetzt werden.

2. Vermag sich das Tatgericht nicht davon zu überzeugen, dass der Angeklagte mit Sicherheit eines von zwei in Betracht kommenden Delikten begangen hat, weil für jede der beiden in Betracht kommenden Strafvorschriften die Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals in Zweifel bleibt, ist es sich aber sicher, dass der Angeklagte einen der beiden Tatbestände verwirklicht hat, so liegt die typische Konstellation vor, in der eine Wahlfeststellung in Betracht zu ziehen ist. Scheidet diese wegen fehlender rechtsethischer und psychologischer Vergleichbarkeit der alternativen Straftaten aus, so ist auch der Zweifelssatz nicht geeignet, die Verurteilung wegen des weniger schwerwiegenden Delikts zu tragen.


Entscheidung

390. BGH 4 StR 589/09 – Beschluss vom 12. Januar 2010 (LG Magdeburg)

Gefährliche Körperverletzung (mittels eines gefährlichen Werkzeugs: Einsatz eines Kabels als Schlinge; vorgetäuschte Strangulation).

§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein gefährliches Werkzeug jeder bewegliche Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im konkreten Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen (BGH NStZ 2007, 95).

2. Ein Kabel kann, wenn es zum Würgen eingesetzt wird, nach seiner Beschaffenheit und der konkreten Verwendung erhebliche Verletzungen herbeiführen. Anderes gilt jedoch, wenn der Angeklagte dem Opfer das Kabel lediglich locker um den Hals legt, um sie in Angst und Schrecken zu versetzen. Wird eine Strangulation nur vorgetäuscht, sind erhebliche Verletzungen regelmäßig nicht zu befürchten.

3. Darüber hinaus verlangt § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, dass die Körperverletzung „mittels“ eines solchen Werkzeugs begangen wird. Das Tatmittel muss hierbei unmittelbar auf den Körper des Opfers einwirken (BGH NStZ 2006, 572, 573; NStZ 2007, 405). Eine lediglich psychisch vermittelte Wirkung genügt nicht.


Entscheidung

440. BGH 4 StR 506/09 – Beschluss vom 23. Februar 2010 (LG Neuruppin)

Versuchter vorsätzlicher gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr durch den Wurf eines schweren Sandsteins von einer Autobahnbrücke (Vollendung; konkrete Gefährdung von Leib oder Leben; Beinaheunfall).

§ 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 StGB

Wirft der Angeklagte einen etwa faustgroßen und brüchigen Sandstein von der Autobahnbrücke etwa 25 m weit auf den rechten Fahrstreifen, so dass dieser vor einem Fahrzeug aufprallt und die Splitter auf das Fahrzeug springen, liegt darin nicht stets eine konkrete Gefährdung von Leib und Leben der Insassen des auf dem Fahrstreifen fahrenden Fahrzeugs, wenn weder das Fahrverhalten noch die Fahrsicherheit des Fahrzeuglenkers in irgendeiner Weise beeinträchtigt worden sind.


Entscheidung

448. BGH 2 StR 503/09 – Urteil vom 10. Februar 2010 (LG Gießen)

Heimtückemord (Arglosigkeit beim Beginn der Tat).

§ 211 Abs. 2 StGB

1. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Wesentlich ist, dass der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Maßgebend für die Beurteilung ist die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs (st. Rspr., vgl. u.a. BGH NStZ 2006, 503, 504 m.w.N.). Für das bewusste Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit ist es erforderlich, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Arglosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen.

2. Die Rechtsprechung hat den Grundsatz, dass Heimtücke Arglosigkeit des Angegriffenen bei Tatbeginn voraussetzt, für einzelne typische Ausnahmefälle modifiziert (vgl. BGHSt 22, 77, 79 f.; 32, 382, 385 f.). Ein solcher Ausnahmefall liegt etwa vor, wenn der Täter das Opfer mit Tötungsvorsatz planmäßig in einen Hinterhalt lockt, um eine günstige Gelegenheit zur Tötung zu schaffen, und die entsprechenden Vorkehrungen und Maßnahmen bei Ausführung der Tat noch fortwirken (BGHSt 22, 77, 79 f.; BGH NStZ 1989, 364).

3. Eine auf früheren Aggressionen und einer feindseligen Atmosphäre beruhende latente Angst des Opfers vermag dessen Arglosigkeit nicht zu beseitigen (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 14 m.w.N.; NStZ-RR 2004, 234). Es kommt insofern vielmehr allein darauf an, ob das Opfer im Tatzeitpunkt mit Feindseligkeiten des Täters rechnet (vgl. BGHSt 39, 353, 368).


Entscheidung

430. BGH 2 StR 550/09 – Beschluss vom 3. Februar 2010 (LG Mühlhausen)

Anforderungen an den minder schweren Fall bei der Körperverletzung mit Todesfolge.

§ 227 Abs. 2 StGB; § 46 StGB; § 213 StGB

Ein minder schwerer Fall im Sinne des § 227 Abs. 2 StGB ist nicht nur dann anzunehmen, wenn die mildernden Umstände einer Affektlage im Sinne des § 213 StGB gleich stehen. Die Annahme eines minder schweren Falles der Körperverletzung mit Todesfolge setzt nicht voraus, dass eine in § 213, 1. Variante StGB vorausgesetzte Provokationslage gegeben ist oder dass der Tat ein „außergewöhnlicher Streit“ zwischen Täter und Opfer vorausgegangen ist.


Entscheidung

444. BGH 4 StR 632/09 – Beschluss vom 9. März 2010 (LG Hagen)

Gefangenenmeuterei (Tateinheit zur Nötigung oder zum tätlichen Angriff mit dem Ziel eines Ausbruchs; Konkurrenzen).

§ 121 StGB; § 52 StGB

Zwar setzt die Anwendung von § 121 Abs. 1 Nr. 1 StGB – anders als dessen Nummer 2 – nicht voraussetzt, dass die Nötigung oder der tätliche Angriff mit dem Ziel eines Ausbruchs begangen wird. Jedenfalls in der Fallgestaltung eines im Versuchsstadium steckengebliebenen Ausbruchs, der mit der Nötigung bzw. dem tätlichen Angriff ermöglicht werden sollte, scheidet aber die Annahme von Tateinheit aus, weil der lediglich versuchten Gefangenenmeuterei kein eigenständiges Handlungsunrecht zukommt.


Entscheidung

376. BGH 4 StR 438/09 – Beschluss vom 23. Februar 2010 (LG Halle)

Keine Bereicherungsabsicht bei der (räuberischen) Erpressung nach Begleichung einer „nichtigen Forderung“ („Freikauf“ einer Prostituierten; untauglicher Versuch; Ausspruch eines Bereicherungsanspruches: Leistungskondiktion); Nötigung.

§ 255 StGB; § 253 StGB; § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB; § 240 StGB; § 22 StGB; § 812 BGB; § 814 BGB; § 817 Satz 2 BGB

1. § 814 Alt. 1 BGB ist nicht anwendbar, wenn der Angeklagte unter Druck zur Vermeidung eines sonst drohenden Nachteils (hier: Fortführung einer erzwungenen Prostitution) gezahlt hat.

2. Der Kondiktionsausschluss nach § 817 Satz 2 BGB greift nur ein, wenn dem Leistenden ein Verstoß gegen die guten Sitten oder gegen ein gesetzliches Verbot zur Last fällt. Dies ist nicht der Fall, wenn eine Zahlung erfolgt, um die Freiheit von einer erzwungenen Prostitution zu erlangen.


Entscheidung

384. BGH 4 StR 575/09 – Urteil vom 25. Februar 2010 (LG Paderborn)

Beweiswürdigung zum Tötungsvorsatz; gefährliche Körperverletzung (Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs; lebensgefährliche Behandlung: Stich mit einem Schraubendreher); minder schwerer Fall des Totschlags (Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs).

§ 15 StGB; § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB; § 46a StGB; § 213 StGB; § 261 StPO

§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB setzt voraus, dass die Körperverletzung „mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung“ begangen wird. Erforderlich, aber auch genügend ist, dass die Art der Behandlung durch den Täter nach den Umständen des Einzelfalls generell geeignet ist, das Leben des Opfers zu gefährden; einer konkreten Gefährdung bedarf es nicht (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. vom 29. April 2004 – 4 StR 43/04 = NStZ 2004, 618; Beschl. vom 23. Juli 2004 – 2 StR 101/04 = NStZ 2005, 156, 157). Darauf, dass das Opfer infolge seiner Abwehr letztlich nur leichtere Verletzungen erlitten hat, kommt es für die Tatbestandsverwirklichung nicht an.