HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Mai 2010
11. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Zur Fluchtgefahr bei Sachverhalten mit Auslandsbezug

Von Rechtsanwalt Dr. Markus Adick, Bonn

A. Einleitung

In Deutschland wird "zu schnell und zu viel verhaftet" [1] - vieles spricht für die Richtigkeit dieses Befundes. Insbesondere in Wirtschaftsstrafverfahren ist zuweilen eine übereifrige und allzu großzügige Anwendung von § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO festzustellen, sobald der Sachverhalt Bezugspunkte zum Ausland aufweist. Diese insbesondere bei Vorwürfen von Wirtschafts- oder Steuerstraftaten zu beobachtende Tendenz, Fluchtgefahr mit dem Vorhandensein von Vermögen, Kontakten oder einem Wohnsitz zum Beispiel in der Schweiz begründen zu wollen, verdient deutliche Kritik. Soweit in (Untersuchungs-) Haftbefehlen, die trotz ihrer gravierenden Folgen oft ohnehin (zu) spärlich begründet sind, etwa angeführt wird, der Beschuldigte verfüge über Kontakte in der Schweiz, er habe dort Bankverbindungen oder sogar einen Wohnsitz, trägt dies alles jedenfalls dann nicht die Annahme einer Fluchtgefahr, wenn man sich an der durchaus vorhandenen oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung orientiert. Trotzdem passieren unzulänglich begründete Anträge auf

Anordnung der Untersuchungshaft in der Regel unbeschadet die richterliche Prüfung (if any). So entsteht in der Tat zuweilen der Eindruck, in der Praxis hätten sich "gewohnheitsrechtlich fundierte, im Hinblick auf eine schnelle Aufklärung überaus effektive, aber rechtsstaatlich abwegige Haftgründe eingespielt". [2] Dem Beschuldigten bleibt dann nur der Weg, den Haftbefehl anzugreifen und auf das Ergebnis der Prüfung durch die Beschwerdekammer zu hoffen. Bis dahin bleibt er freilich inhaftiert. Es besteht also hinreichender Anlass, die durch zahlreiche obergerichtliche Entscheidungen konkretisierten gesetzlichen Anforderungen an die Annahme der Fluchtgefahr sowie an die Verhältnismäßigkeit der Anordnung von Untersuchungshaft erneut zu betonen.

B. Der gesetzliche Anspruch

I. Fluchtgefahr

Nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO besteht ein Haftgrund, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde. Ein Sich-Entziehen ist bei einem Verhalten anzunehmen, das den Erfolg hat, dass der Fortgang des Strafverfahrens dauernd oder wenigstens vorübergehend durch Aufhebung der Bereitschaft des Beschuldigten verhindert wird, für Ladungen und Vollstreckungsmaßnahmen zur Verfügung zu stehen. [3] Der Beschuldigte muss den Erfolg der Verfahrensverschleppung beabsichtigen, erkennen oder zumindest in Kauf nehmen. [4] Die Gefahr, dass der Beschuldigte sich dem Verfahren entzieht, muss sich bei objektiver Betrachtung mit verständigen Erwägungen aus bestimmten Tatsachen ableiten lassen. Eine bloß schematische Beurteilung ist hierbei zu vermeiden; die Fluchtgefahr muss den konkreten Umständen des Einzelfalles entnommen werden. [5] Nach der Rechtsprechung sind die auf eine Flucht hindeutenden Umstände gegen die Umstände abzuwägen, die ihr entgegenstehen. Insbesondere ist nach der Rechtsprechung eine Fluchtgefahr nicht schon zu bejahen, wenn die äußeren Bedingungen für eine Flucht günstig sind. Vielmehr ist zu prüfen, ob der Beschuldigte voraussichtlich von solchen Möglichkeiten Gebrauch machen wird. [6] Die Fluchtgefahr darf zudem nur aus bestimmten Tatsachen hergeleitet werden. Bloße Mutmaßungen und Befürchtungen genügen nicht. Zwar brauchen die Tatsachen nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts festzustehen. Erforderlich ist aber zumindest derselbe Wahrscheinlichkeitsgrad wie beim dringenden Tatverdacht. [7]

II. Verhältnismäßigkeit

Nach § 112 Abs. 1 Satz 2 StPO darf die Untersuchungshaft nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis steht. Die Vorschrift konkretisiert folglich den bereits nach dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und sichert insbesondere das Grundrecht auf Freiheit der Person nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Das BVerfG hat wiederholt darauf hingewiesen, dass "der Freiheitsanspruch des noch nicht verurteilten Beschuldigten den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlichen und zweckmäßigen Freiheitsbeschränkungen ständig als Korrektiv entgegenzuhalten" ist. [8] Auch hat das BVerfG betont: "Das bedeutet, das der Eingriff in die Freiheit nur hinzunehmen ist, wenn und soweit der legitime Anspruch der staatlichen Gemeinschaft auf vollständige Aufklärung der Tat und rasche Bestrafung des Täters nicht anders gesichert werden kann als durch vorläufige Inhaftierung eines Verdächtigen." All dies entspricht bereits dem Rechtsgefühl und man sollte meinen, es sei müßig, hierauf hinzuweisen. Die Praxis zeigt jedoch, dass es leider nicht müßig ist, zu betonen, dass die Anordnung von Untersuchungshaft kein beliebig einsetzbares und aus welchen Gründen auch immer lapidar zu handhabendes Instrument, sondern die ultima ratio der Handlungsmöglichkeiten des Staates zur Sicherung seines Strafanspruchs ist.

C. Die Praxis

Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass wohl nirgendwo zwischen gesetzlichem Anspruch und gerichtlicher Praxis ein größerer Widerspruch klafft als bei den Haftgründen der Fluchtgefahr und der Verdunkelungsgefahr. [9] Die Unterschrift des Richters unter den Haftbefehl erfolgt zu oft "mit leichter Hand". [10] Es kann nur befremden - und insbesondere nicht mit der vielfach beklagten Überlastung der Strafjustiz gerechtfertigt werden - wenn Gerichte zur Begründung der Fluchtgefahr etwa lediglich anführen, der Beschuldigte verfüge über "Vermögen in der Schweiz", [11] unterhalte eine Bankverbindung oder habe seinen Wohnsitz im Ausland. Nicht selten werden solche Feststellungen um die formelhafte Wendung ergänzt, der Beschuldigte habe eine "erhebliche Strafe zu erwarten", um sodann zu dem Ergebnis zu gelangen, es sei die Untersuchungshaft anzuordnen. Im Folgenden wird anhand von Beispielen aus der Rechtsprechung dargelegt, welche Bedeutung die Straferwartung für die Prognose einer Fluchtgefahr hat und welche Schlussfolgerungen aus einem Wohnsitz im Ausland gezogen werden dürfen.

Ebenso werden die Anforderungen besprochen, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben.

I. Die Straferwartung

Auch eine erhebliche Straferwartung vermag nach der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte die Annahme einer Fluchtgefahr nicht zu tragen. Zeitlich zuletzt hat, soweit ersichtlich, das OLG Karlsruhe dies nochmals deutlich betont. [12] Das OLG Koblenz hat bereits in einem Beschluss vom 7. Februar 2002 [13] wörtlich ausgeführt: "Entgegen den Ausführungen der GStA vertreten die beiden Strafsenate des OLG Koblenz nicht nur "zur Zeit", sondern - im Einklang mit allen anderen OLG und der Lit. - in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass allein mit der Straferwartung die Fluchtgefahr - regelmäßig - nicht begründet werden kann. Es bestand allerdings in jüngerer Zeit wiederholt Anlass, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass auch eine erhebliche Straferwartung nur Ausgangspunkt für die Erwägung ist, ob der in ihr liegende Fluchtanreiz unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände so erheblich ist, dass die Annahme gerechtfertigt erscheint, der Beschuldigte werde ihm nachgeben und wahrscheinlich flüchten." In der Tat entspricht diese Ansicht des OLG Koblenz der ständigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte [14] und der Ansicht in der Strafrechtslehre. [15] Soweit die Straferwartung demnach zwar als Ausgangspunkt der Beurteilung einer Fluchtgefahr herangezogen werden kann, darf das Gericht die Ergebnisse des Hauptverfahrens durch seine Prognose gleichwohl nicht vorwegnehmen. So hat etwa das OLG Karlsruhe in einem Fall, in dem das Hauptverfahren bereits eröffnet war, auf Folgendes hingewiesen: "Einen dem Angeklagten ungünstigen Verlauf der Hauptverhandlung und der erst noch durchzuführenden Beweisaufnahme zu seinen Lasten zu unterstellen geht - unbeschadet des mit der Eröffnung des Hauptverfahrens von der StrK bejahten hinreichenden Tatverdachts - nicht an." [16] Ebenso wenig ist das Einlassungsverhalten des Beschuldigten dazu geeignet, eine Fluchtgefahr zu begründen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Beschuldigte sich für unschuldig hält. Das OLG Karlsruhe hat hierzu festgestellt: "Soweit die StrK darauf abstellt, das (Einlassungs-) Verhalten des Angekl. deute darauf hin, dass er nicht bereit sein werde, im Falle einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe dieselbe anzutreten, ist diese Gefahrenprognose im gegenwärtigen Stadium verfrüht und mangels hinreichender Konkretisierung nicht geeignet, den Haftgrund der Fluchtgefahr zu tragen". [17] Die Entscheidung verdeutlicht, wie weit manche Erwägungen zuweilen hergeholt werden, um einen Grund für die Inhaftierung zu finden. Der Verdacht, dass Entscheidungen über Haftbefehle zuweilen keine rechtliche Prüfung vorangeht, sondern die Begründung der zuvor getroffenen Entscheidung angepasst wird, liegt insoweit nicht fern. [18]

II. Wohnsitz im Ausland

Entgegen der regelmäßigen (falschen) Handhabung in der Praxis lässt eine Fluchtgefahr sich nicht bejahen, wenn der Beschuldigte an seinem Wohnsitz im Ausland bleibt, sich aber dort dem in Deutschland geführten Strafverfahren zur Verfügung hält. [19] In den Gründen seines Beschlusses vom 10. Oktober 1996 führte etwa das OLG Naumburg aus: "Zwar hat der Beschuldigte im Falle einer Verurteilung mit einer nicht unerheblichen Gesamtstrafe zu rechnen[…]In diesem Zusammenhang ist zwar zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte seinen Wohnsitz in Österreich hat, wo auch seine Familie lebt, so dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür sprechen mag, dass er nach Österreich zurückkehren und damit die Durchführung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens nicht erleichtern wird. Diese Umstände rechtfertigen jedoch nicht die Annahme einer Fluchtgefahr, denn diese setzt weitergehend voraus, dass sich der Beschuldigte dem Verfahren entzieht." Zur Begründung einer Fluchtgefahr sind bei einem im Ausland ansässigen Beschuldigten daher konkrete Anhaltspunkte dafür erforderlich, dass er sich von dort an einen den Strafverfolgungsbehörden unbekannten Ort absetzen oder sich sonst dem Verfahren in Deutschland entziehen wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Beschuldigte (ggf. durch den Verteidiger) ernsthaft bekundet, sich dem Strafverfahren in Deutschland stellen zu wollen. So hat das OLG Karlsruhe erkannt: "Der Haftgrund der Fluchtgefahr ist in der Person des Angeklagten, der sich im Ausland aufhält, ohne flüchtig zu sein oder sich dort verborgen zu halten, - trotz einer im Falle einer Verurteilung hohen Straferwartung - nicht gegeben, wenn dieser - durch konkrete Tatsachen belegt - ernsthaft bereit ist, sich dem Verfahren zu stellen, an der Hauptverhandlung teilzunehmen und Ladungen Folge zu leisten. [20] Allein, so das OLG Karlsruhe weiter, die "allgemeine Besorgnis, der Angeklagte werde sich im Falle einer künftigen Verurteilung der Vollstreckung einer erkannten Freiheitsstrafe entziehen, trägt in einem absehbar langwierigen Wirtschaftsstrafverfahren die Annahme von Fluchtgefahr nicht.". [21] Selbst der Umzug des Beschuldigten in das Ausland genügt nach der Rechtsprechung des OLG Celle zur Begründung der Fluchtgefahr nicht, wenn sich hierin

kein Fluchtwille manifestiert und eine Erreichbarkeit des Beschuldigten weiterhin möglich erscheint. [22]

III. Verhältnismäßigkeit

Nach § 112 Abs. 1 Satz 2 StPO darf die Untersuchungshaft nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis steht. Die Vorschrift konkretisiert folglich den bereits nach dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und sichert insbesondere das Grundrecht auf Freiheit der Person nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Das BVerfG hat wiederholt darauf hingewiesen, dass "der Freiheitsanspruch des noch nicht verurteilten Beschuldigten den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlichen und zweckmäßigen Freiheitsbeschränkungen ständig als Korrektiv entgegenzuhalten" ist. [23] Ferner hat das BVerfG a.a.O. unter Verweis auf seine ständige Rechtsprechung in nicht zu überbietender Deutlichkeit ausgeführt: "Das bedeutet, das der Eingriff in die Freiheit nur hinzunehmen ist, wenn und soweit der legitime Anspruch der staatlichen Gemeinschaft auf vollständige Aufklärung der Tat und rasche Bestrafung des Täters nicht anders gesichert werden kann als durch vorläufige Inhaftierung eines Verdächtigen." Die Anordnung von Untersuchungshaft ist kein beliebig einsetzbares oder aus welchen Gründen auch immer lapidar zu handhabendes Instrument, sondern die ultima ratio der Handlungsmöglichkeiten des Staates zur Sicherung seines Strafanspruchs. In der gerichtlichen Praxis scheint dies zuweilen in Vergessenheit zu geraten. Manche Äußerung von Staatsanwälten oder Ermittlungsrichtern speist vielmehr den Verdacht, dass oftmals nicht die Sorge um die Vollstreckung des staatlichen Strafanspruchs, sondern apokryphe Gründe zur - gesetzeswidrigen - Inhaftierung führen. [24] Bei Wirtschafts- und Steuerstraftaten, die das Vermögen des Staates beeinträchtigen, scheint zuweilen allein die Schadenshöhe oder präziser: die in ihr liegende Verwerflichkeit des Handelns für eine Inhaftierung als ausreichend angesehen zu werden. [25] Daraus, dass der Freiheitsanspruch des Beschuldigten in diesen Fällen nicht mit dem staatlichen Strafanspruch, sondern allenfalls mit nicht vom Gesetz erfassten und damit auch nicht zitierfähigen "Interessen" abgewogen wird, erklärt es sich möglicherweise, dass viele Haftbefehle an einer unzureichenden Begründung der Verhältnismäßigkeit leiden. Nahezu regelmäßig finden sich in den Gründen lediglich Formulierungen wie: "Angesichts der oben geschilderten Straferwartung bestehen hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Haftanordnung keinerlei Bedenken." Wirklich nicht? Nach § 34 StPO sind die durch ein Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen sowie die, durch die ein Antrag abgelehnt wird, mit Gründen zu versehen. Nach ständiger Rechtsprechung der Strafgerichte und des BVerfG sowie der einhelligen Ansicht in der Lehre müssen die Gründe eines gerichtlichen Beschlusses den Prozessbeteiligten in die Lage versetzen, sein weiteres Verhalten auf die Meinung und die Absicht des Gerichts einzustellen. Zudem müssen sie ein Rechtsmittelgericht in die Lage versetzen, nachprüfen zu können, ob das Gericht von zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist. [26] Ausführungen der vorstehend zitierten Art genügen diesen Anforderungen, denen jede anfechtbare Entscheidung genügen muss, jedoch nicht. Selbst wenn man der Ansicht folgte, in einem Haftbefehl müsse nur dann zur Verhältnismäßigkeit Stellung genommen werden, wenn sich der Beschuldigte auf diesen Grundsatz beruft oder wenn seine Anwendung naheliegt, [27] kann ein Rechtsmittelgericht anhand solcher Gründe nicht prüfen, ob die Erwägungen des Ermittlungsrichters zutreffen. Bedenken an der vorstehend zitierten Ansicht ergeben sich auch daraus, dass der Betroffene schon mangels Kenntnis von dem Haftbefehl keine Gelegenheit haben dürfte, sich auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu berufen. Im Übrigen liegt die Anwendung dieses Grundsatzes bei der Anordnung von Untersuchungshaft als dem schneidigsten staatlichen Instrument stets nahe.

D. Fazit

Zwischen den gesetzlichen und durch die Rechtsprechung konkretisierten Anforderungen an die Prüfung der Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit einer Inhaftierung einerseits und der gerichtlichen Praxis anderseits liegen gelegentlich leider Welten. Zwar steht dem Beschuldigten die Möglichkeit offen, Haftbefehle anzugreifen. Vorzugswürdig und der Bedeutung der Sache angemessen wäre es jedoch, wenn Strafverfolgungsbehörden und Gerichte von vornherein größere Sorgfalt bei dem Umgang mit Haftbefehlen anwenden würden. [28] Wenn und soweit die Kapazitäten der Strafjustiz eine sorgfältige Prüfung verhindern, muss die Entscheidung im Zweifel gegen eine Inhaftierung ausfallen.


[1] Vgl. Quedenfeld/Füllsack , Verteidigung in Steuerstrafsachen, 3. Auflage 2005, S. 234 m.w.N.

[2] Schwedhelm, BB 2010, 731, 732.

[3] BGHSt 23, 380, 384; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.3.1986 - 1 Ws 1102/85 = NJW 1986, 2204; zust. Graf, in: KK-StPO, 6. Aufl. 2008, § 112 Rn. 17

[4] KK-Graf (Fn. 2), § 112 Rn. 17 m.w.N.

[5] KK-Graf (Fn. 2), § 112 Rn. 16 m.w.N.

[6] OLG Köln, Beschl. v. 23. Dezember 1958 - 2 Ws 464/58 = NJW 1959, 544; Beschl. v. 21. Juli 1995 - 1 Ws 23/95 = StV 1995, 475; OLG Koblenz, Beschl. v. 11. März 2002 - 2 Ws 58/02 = StV 2002, 315.

[7]Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage 2009, § 112 Rn. 22.

[8] BVerfG, Beschl. v. 28. Februar 1991 - 2 BvR 86/91 = NJW 1991, 2821.

[9] Quedenfeld/Füllsack , Verteidigung in Steuerstrafsachen, 3. Auflage 2005, S. 233; vgl. auch Parigger, NStZ 1986, 211, 212; Smok, FD-StrafrR 2010, 296298 ("vorschnell unterstellte Haftgründe"); Schwedhelm, BB 2010, 731, 732.

[10] Schwedhelm, BB 2010, 731, 732.

[11] In dem konkreten Fall hatte die Staatsanwaltschaft dessen Vorhandensein zudem nur "mangels entgegenstehender Anhaltspunkte unterstellt".

[12] OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.6.2009 - 2 Ws 229/09, BeckRS 2009 24254; Beschl. v. 1.3.2004 - 3 Ws 44/04 = StV 2005, 33.

[13] 1 Ws 159/02 = StV 2002, 313, 314.

[14] Vgl. OLG Celle, Beschl. v. 11.10.1949 - Ws 203/49 = NJW 1950, 240; KG, Beschl. v. 17.5.1965 - 1 AR 930/61 = NJW 1965, 1390; OLG Köln, Beschl. v. 21.7.1995 - 1 Ws 23/95 = StV 1995, 475; OLG Hamm, Beschl. v. 28.1.2000 - 2 Ws 27/2000 = NStZ-RR 2000, 188; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 1.3.2004 - 3 Ws 44/04 = StV 2005, 33.

[15] Vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage 2009, § 112 Rn. 24, Krauß, in: BeckOK StPO, Ed. 5, § 112 Rn. 16; KK-Graf (Fn. 2), § 112 Rn. 19, jeweils m.w.N.

[16] Beschl. v. 1. März 2004 - 3 Ws 44/04 = StV 2005, 35

[17] Beschl. v. 1. März 2004 - 3 Ws 44/04 = StV 2005, 35

[18] So bereits Quedenfeld/Füllsack, Verteidigung in Steuerstrafsachen, 3. Auflage 2005, S. 234.

[19] OLG Naumburg, Beschl. v. 10. 10. 1996 - 1 Ws 101/96 = wistra 1997, 80; OLG Köln, Beschl. v. 18. 3. 2005 - 2 Ws 32/05 = StV 2006, 25; OLG Celle, Beschl. v. 20.3.2009 - 1 Ws 141/09 = NStZ 2010, 202; OLG Dresden, Beschl. v. 24.2.2005 - 1 Ws 29/05 = StV 2005, 224; OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.1.1996 - 2 Ws 183/95 = StV 1996, 381; Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl. 2009, § 112 Rz. 17a; Krauß, in: BeckOK StPO, Ed. 5, § 112 Rz. 13; Grau, NStZ 2007, 10.

[20] Beschl. v. 1. 3. 2004 - 3 Ws 44/04 = StV 2005, 33.

[21] Beschl. v. 1.3.2004 - 3 Ws 44/04 = StV 2005, 33.

[22] OLG Celle, Beschl. v. 20.3.2009 - 1 Ws 141/09 = NStZ 2010, 202.

[23] BVerfG, Beschl. v. 28.2.1991 - 2 BvR 86/91 = NJW 1991, 2821.

[24] Vgl. Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Auflage 2000, S. 261f; Schwedhelm, BB 2010, 731, 732: "Hintergrund ist, dass selbst die hartgesottensten Hinterzieher nach längerer Untersuchungshaft eine deutlich größere Geständnis- und Kooperationsbereitschaft zeigen als zuvor. Welcher Ermittler kann von sich sagen, dieser Versuchung immer wiederstanden zu haben?"

[25] Vgl. auch die zitierten Äußerungen bei Quedenfeld/Füllsack, Verteidigung in Steuerstrafsachen, 3. Auflage 2005, S. 233 f.

[26] RGSt 75, 11, 13 m.w.N. aus der Rspr. des RG; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23. Juli 1991 - 1 Ws 588/91 = StV 1991, 521f.; BGH, Beschl. v. 18. Dezember 2008 - StB 26/28; KK-Maul (Fn. 2), § 34 Rz. 1; Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage 2009, § 34 Rz. 1 m.w.N

[27] Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl. 2009, § 114 Rz. 117.

[28] Die Kritik von Schwedhelm, BB 2010, 731, 732, erscheint leider berechtigt: "Rückfragen der zuständigen Richter sind selten, im Wege der Akteneinsicht kann zumeist nicht einmal festgestellt werden, ob der Richter die Akte überhaupt gelesen hat".