HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

April 2009
10. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Die Verbindung des Angenehmen mit dem Nützlichen - Ein neues Anwendungsgebiet für die Gesamtbetrachtungslehre des BGH

Anmerkung zu BGH 1 StR 260/08 - Urteil vom 14. Oktober 2008 (HRRS 2008 Nr. 896)

Von Rechtsanwältin Dr. Silke Noltensmeier, Heidelberg *

In seiner Entscheidung zur Strafbarkeit des ehemaligen EnBW-Chefs Prof. Dr. Claassen wegen Vorteilsgewährung beschäftigt sich der BGH  ‑ soweit ersichtlich ‑ zum ersten Mal mit der Frage nach einer Strafbarkeit wegen Vorteilszuwendung an einen Amtsträger im Falle des so genannten Sportsponsorings und bestätigt - zumindest im Ergebnis - die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe.[1] Das Urteil dürfte Rechtsprechung und Lehre zukünftig noch eingehend beschäftigen, denn der 1. Strafsenat tätigt Ausführungen von beträchtlicher Tragweite.

Ausnahmsweise bereitet im vorliegenden Fall nicht die oftmals schwierig zu beantwortende Vorfrage der Amtsträgereigenschaft des Zuwendungsempfängers gem. § 11

Abs. 1 Nr. 2c StGB Schwierigkeiten,[2] sondern vielmehr die Tatbestandsmerkmale des Vorteils und der "gelockerten" Unrechtsvereinbarung sowie die Anforderungen an den Rechtfertigungsgrund der Genehmigung des Vorteils nach den §§ 331 Abs. 3, 333 Abs. 3 StGB.

I. Zum Vorteil

Ein Vorteil i.S.d. §§ 331 ff. StGB ist grundsätzlich jede materielle oder immaterielle Leistung, die die wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage des Amtsträgers oder eines Dritten objektiv verbessert.[3] Während das Landgericht Karlsruhe eine Strafbarkeit des angeklagten Vorstandsvorsitzenden der EnBW mangels Vorteils bereits deshalb ablehnte, weil die eingeladenen Amtsträger ohnehin freien Zugang zu den Spielen gehabt hätten,[4] bejaht der 1. Strafsenat zunächst zutreffend, dass es sich bei den Eintrittskarten, die die Repräsentanten des Landes Baden-Württemberg erhalten haben auch dann um Vorteile i.S.d. §§ 331 ff. StGB handelt, wenn die Zuwendungsempfänger auch ohne diese freien Zutritt zu den betreffenden WM-Spielen gehabt hätten. Das Landgericht Karlsruhe übersieht diesbezüglich, dass es dafür, ob ein Vorteil gewährt wird oder nicht, allein darauf ankommt, ob die Position des Zuwendungsempfängers in irgendeiner Weise verbessert wird. Der BGH stellt daher klar, dass hypothetische Erwägungen dahingehend, ob der Vorteil auch auf andere Art und Weise hätte erlangt werden können, unbeachtlich sein müssen. Entscheidend war im vorliegenden Fall, dass die betroffenen Zuwendungsempfänger zum Zeitpunkt der Vorteilsgewährung noch nicht im Besitz einer entsprechend äquivalenten Zuwendung waren, sondern eine solche hätten bekommen können, wenn sie sich darum bemüht hätten.[5]

Die grundsätzliche unentgeltliche Beschaffbarkeit eines gleichwertigen Vorteils durch den Zuwendungsempfänger auf andere Art und Weise darf bei der Bestimmung des Vorteils keine Rolle spielen.[6] Andernfalls müsste man sich die Frage gefallen lassen, warum solche Zuwendungen überhaupt sanktioniert werden sollen, da gerade diejenigen Amtsträger, die sich in besonders einflussreichen Positionen befinden, oftmals davon ausgehen dürfen, die ihnen angebotenen Zuwendungen von unterschiedlichen Zuwendungsgebern erhalten zu können. Wegen der schwierig abzugrenzenden Frage zwischen der bloßen Verbesserung der Lage des Amtsträgers und der unter Umständen notwendigen Wahrnehmung von Repräsentationsaufgaben ist eine einschränkende Auslegung gleichwohl geboten. Diese Restriktion ist allerdings praktikabel nur über das Tatbestandsmerkmal der Unrechtsvereinbarung vorzunehmen.

II. Die "gelockerte" Unrechtsvereinbarung

Die "gelockerte Unrechtsvereinbarung" der §§ 331, 333 StGB setzt nicht voraus, dass der Vorteil als Gegenleistung für eine bestimmte Diensthandlung gewährt wird, sondern es genügt vielmehr, wenn es Ziel der Vorteilszuwendung ist, allgemein auf die zukünftige Dienstausübung des Amtsträgers Einfluss zu nehmen.[7] Es werden daher auch grundsätzlich die Zuwendungen erfasst, die allein zur allgemeinen Klimapflege, also dem so genannten "Anfüttern" gewährt werden.[8] Da auf das Merkmal der Unrechtsvereinbarung nach dem Willen des Gesetzgebers aber nicht verzichtet werden sollte,[9] steht auch fest, dass der Vorteil überhaupt für dienstliche Handlungen gewährt werden muss.[10] Die Abgrenzung zwischen den tatbestandsmäßigen und den gänzlich unverdächtigen, den Schutzzweck der §§ 331 ff. StGB nicht verletzenden Vorteilszuwendungen ist  ‑ wie der BGH selbst einräumt ‑ schwierig, so dass es einer einschränkenden Auslegung der §§ 331 ff. StGB bedarf.

1. Ausschluss der Unrechtsvereinbarung bei Vorteilen zur Dienstausübung

Anknüpfungspunkt für eine restriktive Auslegung der §§ 331, 333 StGB könnte etwa die Abgrenzung zwischen Vorteilen für und zur Dienstausübung sein,[11] wie sie zuletzt auch in Bezug auf die hier behandelte Entscheidung vorgeschlagen wurde.[12] Auch nach der Rechtsprechung des BGH entfällt die Strafbarkeit wegen Vorteilsgewährung und -annahme, wenn die Annahme des Vorteils zu den Dienstpflichten des Amtsträgers gehört.[13] Gehört es also zu den Amtspflichten des Zuwendungsempfängers, Repräsentationsaufgaben wie hier den Besuch eines WM-Spiels wahrzunehmen, spricht dies grundsätzlich gegen das Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung,[14] da der Vorteil nicht für, sondern zur Dienstausübung gewährt wurde.

Mit der Feststellung, dass der Repräsentant die Eintrittskarte benötigt, um seinen Dienstpflichten nachzukommen, kann die Prüfung aber noch nicht abgeschlossen

sein. So überzeugend die Abgrenzung zwischen für und zur Dienstausübung gewährter Vorteile zunächst anmuten mag, so wenig undifferenziert sollte sie auf Fälle wie den vorliegenden übertragen werden. Schließlich ist zu beachten, dass hier von maßgeblicher Bedeutung sein kann, von wem der Zuwendungsempfänger die Zuwendung zur Wahrnehmung seiner Pflichten erhält und ob die Art und Güte der jeweiligen Zuwendung tatsächlich erforderlich ist, um die Dienstpflicht erfüllen zu können: Im vorliegenden Fall wurden qualitativ höherwertige Eintrittskarten zur WM verschenkt, als sie die Zuwendungsempfänger ohnehin - wohl über ihre Dienstbehörde - hätten erhalten können, da in der "Landesloge" im Gegensatz zu der "EnBW-Loge" eben keine Bewirtung der Gäste vorgesehen war. Wird der Vorteil wie hier von einem Dritten gewährt und ist er dazu von besserer Qualität, als derjenige, den der Amtsträger ohnehin erhalten hätte, dann kann darin grundsätzlich eine Zuwendung für die Dienstausübung liegen.[15] Dies ist insbesondere dann wahrscheinlich, wenn eine Beziehung zwischen dem Amt und dem Zuwendungsgeber vorliegt, was den Verdacht nahe legt, dass sich der Zuwendungsgeber eben auch das Wohlwollen des Amtsträgers zu Eigen machen wollte.[16] Das heißt freilich nicht, dass die gelockerte Unrechtsvereinbarung immer dann zu bejahen ist, wenn der Amtsträger den Vorteil von einem Dritten erhalten hat. Es kommt vielmehr entscheidend auf den Bezug des Dritten zu den Dienstaufgaben des Amtsträgers an.[17]

2. Zur Lösung des BGH

Auch der 1. Strafsenat stellt Anforderungen auf, die an die inhaltliche Verknüpfung von Vorteil und Dienstausübung zu stellen sind, um die gelockerte Unrechtsvereinbarung bejahen zu können und zählt Indizien auf, die bei einer wertenden Gesamtschau der konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind.

Genannt werden hier beispielsweise die Stellung des Amtsträgers, die Art und Weise sowie Zahl der Vorteile, die Frage nach der Heimlichkeit des Vorgehens, aber auch die Berührungspunkte zwischen Zuwendungsgeber und Amtsträger sowie die Beziehung des Zuwendungsgebers zu den dienstlichen Aufgaben des Amtsträgers. Auch wenn der 1. Strafsenat einesteils betont, dass diese Kriterien für die Prüfung der gelockerten Unrechtsvereinbarung von Bedeutung sein können, stellt er anderenteils wiederum ausdrücklich klar, dass schlussendlich allein die Gesamtschau der Indizien des konkreten Einzelfalls maßgeblich sei.

Die Anwendung dieser Gesamtbetrachtungslehre auf die Prüfung der gelockerten Unrechtsvereinbarung besticht zunächst durch ihre flexible Handhabung. Der 1. Strafsenat gibt den Gerichten hiermit aber gleichsam einen "Freifahrtschein" für die Entscheidung, ob eine gelockerte Unrechtsvereinbarung vorliegt oder nicht. Je nachdem, wie diese Entscheidung ausfällt, reicht es aus, im Hinblick auf das bereits gefundene Ergebnis einige Kriterien, die für das eigene Urteil sprechen, aus dem Sachverhalt herauszuarbeiten und darzulegen, dass diese im Rahmen der Gesamtbewertung als maßgeblich angesehen wurden. Da der 1. Strafsenat nur Beispiele für Indizien aufgezählt hat, die relevant sein könnten, kann der Kriterienkatalog beliebig eingeschränkt oder erweitert werden.[18] Obwohl der 1. Strafsenat das Problem erkennt und einräumt, dass seine Auslegung der Unrechtsvereinbarung kaum trennscharfe Konturen aufweise, zu Beweisschwierigkeiten führe und dem Tatrichter eine beträchtliche Entscheidungsmacht einräume, geht er dennoch diesen Weg, da diese Auslegung dem Willen des Gesetzgebers Rechnung trage, den er mit dem Korruptionsbekämpfungsgesetz 1997 zum Ausdruck gebracht habe.

Diese Auslegung kann nicht überzeugen, denn es wäre sehr wohl möglich gewesen anhand der genannten Indizien wenigstens konkretere Leitlinien aufzustellen, wann keine gelockerte Unrechtsvereinbarung mehr vorliegen kann. So ist schon nicht denkbar, dass überhaupt eine gelockerte Unrechtsvereinbarung bejaht werden kann, wenn zwischen Zuwendungsgeber und den Dienstaufgaben des Amtsträgers überhaupt keine Berührungspunkte feststellbar sind. In Betracht käme bei einer solch fehlenden Beziehung allenfalls noch eine "mittelbar gelockerte Unrechtsvereinbarung". Diese könnte etwa darin liegen, dass der Zuwendungsgeber nicht mit dem vorteilnehmenden Amtsträger eine Unrechtsvereinbarung schließt, sondern hofft, dass der Zuwendungsempfänger positiven Einfluss auf einen weiteren Amtsträger nehmen könnte, dessen Dienstaufgaben wiederum Berührungspunkte zum Zuwendungsgeber aufweisen. Solche Konstruktionen führen allerdings zu einer uferlosen Ausweitung des Tatbestandes der §§ 331 ff. StGB, die auch vom Gesetzgeber nicht mehr gewollt sein konnte.[19] Es wäre dem BGH also durchaus möglich gewesen, Vorgaben aufzustellen, wann eine gelockerte Unrechtsvereinbarung nicht mehr in Betracht zu ziehen ist, um dem Tatbestandsmerkmal durch eine solche Negativabgrenzung stärkere Konturen zu geben. Dass der 1. Strafsenat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, ist bedauerlich.

3. Handlungsunfähigkeit der Rechtsprechung?

Der 1. Strafsenat stellt selbst - beinahe resigniert - fest, dass seine Auslegung von erheblichen Unschärfen geprägt ist und nimmt dies mit Hinweis auf den gesetzgeberischen Willen in Kauf. Tatsächlich ist das Korruptionsstrafrecht von erheblichen Rechtsunsicherheiten geprägt, was in erster Linie darauf zurück zuführen ist, dass der Gesetzgeber durch die extreme Ausweitung der Tatbestände mit dem Korruptionsbekämpfungsgesetz von 1997[20] der Rechtsprechung die Verantwortung aufgebürdet hat, die zum Teil verfassungsrechtlich problematischen Regelungen verfassungskonform anzuwenden.

Bei der Subsumtion eines Sachverhalts unter die §§ 331, 333 StGB stößt man regelmäßig auf eine Vielzahl unscharfer Prüfungspunkte, die nach der Rechtsprechung des BGH teilweise nur im Rahmen einer Gesamtschau unter Beachtung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden können. Zunächst einmal ist die wertende Gesamtbetrachtung bereits bei der Vorfrage zur Anwendung der §§ 331 ff. StGB, nämlich bei der Bestimmung der Amtsträgereigenschaft i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB, anzuwenden, bei der bis heute nicht ein konkreter Indizienkatalog festgelegt wurde, wann zumindest regelmäßig von einer "sonstigen Stelle" ausgegangen werden kann.[21] Anschließend stellt sich die Frage nach der Bestimmung des Vorteils und der gelockerten Unrechtsvereinbarung, bei der nach dem hier besprochenen Urteil des BGH nunmehr auch eine wertende Gesamtbetrachtung ohne feststehenden Indizienkatalog vorzunehmen ist. Hiervon wiederum zu trennen ist die ebenso schwierig zu beantwortende Frage nach der Sozialadäquanz des Vorteils, der die Unrechtsvereinbarung ausschließt.[22]

All diese schwer bestimmbaren Tatbestandsfragen führen oft zu sich jahrelang hinziehenden Strafverfahren bei denen der Rechtsweg voll ausgeschöpft wird, da niemand wirklich vorhersehen kann, ob ein strafbares Verhalten im Raum steht oder nicht. Es stellt sich nun die Frage, ob die Rechtsprechung tatsächlich handlungsunfähig ist, wenn sie dem Willen des Gesetzgebers Rechnung tragen will. Zwar hat der BGH in erster Linie die Funktion, im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit erstinstanzliche Entscheidungen zu kontrollieren.[23] Daneben ist es aber auch seine Aufgabe, konkrete Leitlinien für zukünftige Fälle aufzustellen, da die Rechtsprechung nicht nur an das Gesetz, sondern auch an das Recht gebunden und die Rechtsprechung den Richtern anvertraut ist.[24]

Es liegt auf der Hand, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatzes höchst bedenkliche Regelung mit dem Korruptionsbekämpfungsgesetz erlassen hat. Hält man die Regelungen aber wenigstens für auslegungsfähig und damit grundsätzlich für verfassungsmäßig,[25] obliegt es der Rechtsprechung eine derart bestimmte Auslegung vorzunehmen, dass diese den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht.[26] Dem kommt der BGH nur begrenzt nach, wenn er davor zurückscheut, möglichst konkrete Leitlinien aufzustellen, sondern lediglich beispielhaft einige Indizien aufzählt, ohne diese näher zu erläutern.[27] Wünschenswert wäre es daher, statt der völlig offenen Gesamtbewertung, ein engmaschiges Regel-Ausnahme-Prinzip aufzustellen, das geeignet ist, für mehr Rechtssicherheit zu sorgen und für die Vorhersehbarkeit von strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen zu sorgen.

III. Zu den Voraussetzungen an eine Genehmigung

Auch dazu, ob im vorliegenden Fall die Annahme der Vorteile genehmigt war, äußert sich der 1. Strafsenat. Ursache hierfür war ein Beschluss des Ministerrates des Landes Baden-Württemberg, in dem festgestellt wurde, dass Ehrenkarten für solche Veranstaltungen, deren Besuch zu den Repräsentationspflichten eines Regierungsmitglieds gehört, nicht als Geschenke zu bewerten seien und nicht der Genehmigungspflicht unterliegen würden. Dem 1. Strafsenat ist zuzustimmen, dass allein diesen Informationen nicht zu entnehmen ist, ob es sich bei den in dem Beschluss genannten Ehrenkarten auch um solche handelt, wie sie den Amtsträgern vorliegend durch die EnBW gewährt wurden. Zudem geht der BGH davon aus, dass denkbar sei, die Regelung vielmehr so zu verstehen, dass hierdurch nur auf die Nichtgenehmigungsbedürftigkeit bestimmter strafrechtlich unbedenklicher Vorteile

hingewiesen wird. Damit würde es sich statt um eine Genehmigungsregelung vielmehr um einen bloßen Hinweis darauf handeln, dass Vorteile, die der Repräsentation zu dienen bestimmt sind, als sozialadäquat angesehen werden müssen und damit zum Tatbestandsausschluss führen. Dieser Aspekt wurde hingegen vom Landgericht Karlsruhe nicht erörtert, weshalb die Feststellungen des Landgerichts nicht ausreichen, um das Vorliegen einer Genehmigung zu bestätigen. Solange dem Erlass jedenfalls zu entnehmen wäre, dass auch die Karten für die EnBW-Loge unter diese Regelung fallen sollten, ist die Frage nach der Einordnung als Genehmigung oder bloßen Hinweis auf die Sozialadäquanz der Annahme solcher Zuwendung eher rein dogmatischer Natur. Fest steht dann jedenfalls, dass die betroffenen Amtsträger zumindest darauf vertrauen durften, dass die Annahme der Karten straflos ist.

IV. Fazit

Schlussendlich ist festzuhalten, dass die hier behandelte Entscheidung des BGH Beweis dafür ist, dass die materielle Rechtslage im Hinblick auf die Amtsträgerkorruption insbesondere bei der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung unbefriedigend ist. Führt man sich Sinn und Zweck strafrechtlicher Vorschriften und das das Strafrecht charakterisierende ultima-ratio-Prinzip sowie den fragmentarischen Charakter des Strafrechts vor Augen, muss man sich fragen, ob wirklich alles sanktioniert werden muss, was auf den ersten Blick moralisch anstößig erscheinen könnte.

Unabhängig von der Frage, ob speziell Fälle des Sportsponsorings strafrechtlichen Regelungen unterfallen sollten, ist die Strafbarkeit der einfachen Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme deswegen skeptisch zu beurteilen, weil Zuwendungen strafrechtlich sanktioniert werden, obwohl eben keine konkrete Gegenleistung feststellbar ist. Grundsätzlich ist damit das unter Strafe gestellt, was im Berufsleben der täglichen Praxis entspricht ‑ beginnend bei mehr oder weniger aufwendigen Werbegeschenken zu bestimmten Anlässen wie etwa Weihnachten bis hin zu den alltäglichen Einladungen zu Geschäftsessen oder sonstigen Zuwendungen, die bei Gelegenheit des beruflichen Kontakts gewährt werden. Solche Zuwendungen können nach geltender Rechtslage nur ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt der schwer bestimmbaren Sozialadäquanz als straflos angesehen werden. Auch das Motiv des Gesetzgebers, auf das sich der BGH hier ausdrücklich beruft, mit Hilfe der gelockerten Unrechtsvereinbarung Beweisschwierigkeiten entgegen zu steuern, sollte kritisch hinterfragt werden. Ist die Gegenleistung des Amtsträgers erst gar nicht nachweisbar, muss bezweifelt werden, dass in Fällen der "gelockerten" Unrechtsvereinbarung überhaupt (schon) ein strafrechtlich relevantes Verhalten von Zuwendungsgeber und -nehmer vorliegt.

Dass der Gesetzgeber deshalb die §§ 331, 333 StGB streichen wird, mag bezweifelt werden. Umso wichtiger ist es, dass die Rechtsprechung künftig konkretere Vorgaben macht, um einer rein einzelfallabhängigen Betrachtungsweise Abhilfe zu schaffen.


* Die Verfasserin ist für die Kanzlei KellerRechtsanwälte, Partnerschaftsgesellschaft, tätig.

[1] NStZ 2008, 407 f.

[2] Vgl. zur wertenden Gesamtbetrachtung zur Bestimmung der Amtsträgereigenschaft nach § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB Noltensmeier, Public Private Partnership und Korruption (2009), S. 77 ff.

[3] BGHSt 31, 264, 279; 33, 336, 339; 35, 128, 133; Fischer, StGB, 56. Auflage (2009), § 331 Rn. 11; Sch/Sch-Heine, StGB, 27. Auflage (2006), § 331 Rn. 17 jeweils mit zahlreichen w.N.

[4] LG Karlsruhe NStZ 2008, 407, 408.

[5] Erst wenn der jeweilige Amtsträger bereits im Besitz einer Eintrittskarte zu einem WM-Spiel gewesen wäre, hätte man weiter prüfen müssen, ob die Karten tatsächlich gleichwertig sind. Vorliegend wäre aber auch dies zu verneinen gewesen, da es sich um Eintrittskarten verschiedener Kategorie gehandelt hat, denn die EnBW-Loge sah eine Bewirtung der Gäste vor, was in der Landesloge gerade nicht der Fall gewesen wäre.

[6] So auch Trüg NJW 2009, 196.

[7] Lackner/Kühl, StGB, 26. Aufl. (2007), § 331 Rn. 10a; Sch/Sch-Heine, (Fn. 3) § 331 Rn. 1b.

[8] BGHSt 49, 275, 281; BGH, NStZ 2008, 216, 217.

[9] BT-Drucks. 13/8079, S. 15.

[10] Fischer , (Fn. 3) § 331 Rn. 23; Schlösser/Nagel wistra 2007, 211, 212; SK/StGB-Rudolphi/Stein, Stand: September 2003, § 331 Rn. 27.

[11] OLG Zweibrücken JR 1982, 381, 382; Fischer, (Fn. 2), § 331 Rn. 12; NK/StGB-Kuhlen, 2. Auflage 2005, § 331 Rn. 80; SK/StGB-Rudolphi/Stein, (Fn. 10) § 331 Rn. 27; Zieschang StV 2001, 290, 292.

[12] Vgl. Trüg NJW 2009, 196, 198.

[13] So bereits im Fall "Poullain", BGHSt 31, 264, 279.

[14] Trüg NJW 2009, 196, 198.

[15] Vgl. Lackner/Kühl, (Fn. 7) § 331 Rn. 4.

[16] Trüg NJW 2009, 196, 198; vgl. aber auch Greeve CCZ 2008, 117, 120.

[17] Ähnlich Schlösser/Nagel wistra 2007, 211, 212 f., die danach fragen, ob der zu einer Veranstaltung eingeladene Amtsträger als Entscheidungs- oder Werbeträger angesprochen wird.

[18] So hat Greeve CCZ 2008, 117, 120, bereits im Zusammenhang mit dem erstinstanzlichen Urteil des LG Karlsruhe darauf hingewiesen, dass aufgrund der einzelfallbezogenen Betrachtungsweise der Freispruch nicht als "Entwarnung" gewertet werden könne. An dieser Einschätzung hat sich auch nach dem Urteil des BGH nichts geändert. Vgl. auch Zieschang StV 2008, 253, der darauf hinweist, dass die allzu extensive Interpretation der Tatbestandsvoraussetzungen der Bestechungsdelikte dazu führen kann, dass andere Gerichte immer noch im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH die Tatbestandsmerkmale zu weit auslegen.

[19] § 331 Abs. 2 StGB macht dies ausdrücklich deutlich ("dass er vorgenommen hat oder vornehmen werde"), während dieser Hinweis in Abs. 1 fehlt. SK/StGB-Rudolphi/Stein, (Fn. 10) § 331 Rn. 28b, weisen aber zutreffend darauf hin, dass auch nach § 331 Abs. 1 StGB der Vorteil für eigene Diensthandlungen des Zuwendungsempfängers gewährt werden müsse.

[20] BGBl. I, S. 2038; vgl. hierzu Dölling ZStW 112 (2000), 334 ff.; Korte NStZ 1997, 513 ff.; SK/StGB-Rudolphi/Stein, (Fn. 10) § 331 Rn. 3.

[21] Vgl. zuletzt etwa BGH StV 2009, 71 mit Anm. Zieschang; zur Rechtsprechung des BGH zum Amtsträgerbegriff nach § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB auf dem Gebiet der Organisationsprivatisierung ausführlich Noltensmeier (Fn. 2), S. 59 ff. sowie zur Amtsträgereigenschaft von Mitarbeitern gemischtwirtschaftlicher Unternehmen oder auch Public Private Partnership, S. 123 ff.; dies. StV 2006, 132 ff.

[22] Allgemein zu den Problemen bei der Bestimmung sozialadäquater Zuwendungen Dölling FS-Otto (2007), 219 ff.; ders. ZStW 112 (2000), 334, 344 ff.; Eser FS-Roxin (2001), 199 ff.; Noltensmeier (Fn. 2), S. 239 ff.

[23] Kirchhof NJW 1986, 2275, 2277; Pfeiffer NJW 1999, 2617, 2621.

[24] BVerfGE 18, 224, 237 f.; 25, 28, 49; 26, 327, 337; Kirchhof NJW 1986, 2275.

[25] Das BVerfG(E 71, 108, 115; 92, 1,2) bejaht die Bestimmtheit, wenn das Gesetz auslegungsfähig und damit bestimmbar ist. Auch Kudlich, Die Unterstützung fremder Straftaten durch berufsbedingtes Verhalten, Berlin 2004, S. 257 ff. geht von einer "Verschiebung von der Bestimmtheit zur Bestimmbarkeit" aus. In diesem Zusammenhang wird auch von der so genannten "relativen Bestimmtheit" gesprochen, vgl. Schmidhäuser, GS-Martens, 1987, S. 231, 238 f.

[26] Noltensmeier (Fn. 2) S. 90 f.; ähnlich NK/StGB-Hassemer, (Fn. 11) § 1 Rn. 71. Auf den Streit, ob auch die Rechtsprechung Adressat des Bestimmtheitsgrundsatzes anzusehen ist oder in Fällen der unbestimmten Gesetzesauslegung vielmehr von einem Verstoß gegen das Analogieverbot auszugehen ist, kann hier nicht näher eingegangen werden. Dies ist vorliegend auch gar nicht nötig, da sich aufgrund der Zuordnung des Problems die Anforderungen an die Rechtsprechung des BGH, möglichst allgemeingültige Leitsätze aufzustellen, nichts ändert.

[27] Ähnlich auch Paster jurisPR-StrafR 1/2009, 1, 5; vgl. aber bereits zur erstinstanzlichen Entscheidung des LG Karlsruhe Paster/Sättele NStZ 2008, 366 (371).