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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juli 2004
5. Jahrgang
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1. Eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung und eine Verletzung des Beschleunigungsgebots sind vom Revisionsgericht jedenfalls für den Zeitraum vor Erlass des erstinstanzlichen Urteils nur auf die Verfahrensrüge hin zu prüfen (Bestätigung von Senat, Beschluss vom 28. August 1998 - 3 StR 142/98 = BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 7 = NStZ 1999, 95; Widerspruch zum Anfragebeschluss 5 StR 376/03 vom 13. November 2003).
2. Der Senat hat Bedenken dagegen, die Zulässigkeit einer Aufklärungsrüge wegen Nichteinholung eines zweiten Sachverständigengutachtens davon abhängig zu machen, dass der Revisionsführer in seiner Rechtsmittelbegründung auch den Inhalt des schriftlich vorab erstatteten ersten Gutachtens mitteilt. Maßgeblich ist stets das in der Hauptverhandlung mündlich erstattete Sachverständigengutachten, das gegenüber dem schriftlich vorab erstatteten korrigiert und ergänzt worden sein kann (nicht tragende Erwägung).
1. Der Inhalt des Hinweises auf die Veränderung des rechtliche Gesichtspunkts (§ 265 Abs. 1 StPO) richtet sich nach dem konkreten Einzelfall. Er genügt nur dann den gesetzlichen Anforderungen, wenn er es dem Angeklagten ermöglicht, die Verteidigung auf den neuen Gesichtspunkt einzurichten.
2. Jedenfalls muss der Hinweis erkennen lassen, durch welche Tatsachen das Gericht die gesetzlichen Merkmale des Strafgesetzes als erfüllt ansieht, auf das es hinweist. Von einer ausdrücklichen Bezeichnung der Tatsachen darf nur dann abgesehen werden, wenn nach dem Inbegriff der bis dahin durchgeführten Hauptverhandlung kein Zweifel bestehen kann, an welche tatsächlichen Umstände der Hinweis anknüpft.
3. Erfolgt der Hinweis, es komme in Abweichung zur zugelassenen Anklage Mord in Betracht, muss für den Angeklagten auch erkennbar sein, welches Mordmerkmal gemeint ist.
1. Zu einem Fall des Entfallens der Beweiskraft des Hauptverhandlungsprotokolls bei einer möglichen Augenscheinseinnahme hinsichtlich einer Skizze.
2. Eine Augenscheinseinnahme während des Ausschlusses der Öffentlichkeit für die Dauer einer Zeugenvernehmung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu beanstanden, wenn sie im Zusammenhang mit der Zeugenaussage steht oder sich aus ihr entwickelt (BGHR GVG § 171b Abs. 1 Augenschein 1; BGH NStZ 2003, 218).
3. Den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entspricht ein bloßes Zitieren des Protokolls nicht. Aktenteile, auf die die Verfahrensrüge gestützt wird, müssen in der Revisionsbegründungsschrift im einzelnen bezeichnet und wörtlich oder inhaltlich wiedergegeben werden (vgl. BGH NStZ 1992, 29). Der Vortrag muss sich mit den gegen die Behauptung der Verteidigung sprechenden Umständen auseinandersetzen.
Für die Anordnung der DNA-Untersuchung aufgefundenen Spurenmaterials ist nicht der für den Ort der beabsichtigten Analyse (vgl. § 162 Abs. 1 Satz 1 StPO) örtlich zuständige Ermittlungsrichter zuständig, sondern derjenige am Fundort der Spuren.
Eine der Verfahrensförderung dienende Beweisaufnahme ist auch dann ein Verhandeln zur Sache, wenn sie unter einem Verfahrensfehler (hier: Fehlen eines Dolmetschers) leidet (vgl. BGH NStZ 2000, 212, 214). Ob etwas anderes dann zu gelten hat, wenn die Strafkammer bereits im Zeitpunkt dieser Beweisaufnahme beabsichtigt, sie im nächsten Fortsetzungstermin in Anwesenheit eines Dolmetschers zu wiederholen, braucht der Senat nicht zu entscheiden.
1. Legen mehrere Verteidiger für den Angeklagten Revision ein, so handelt es sich dennoch um ein einheitliches Rechtsmittel. Die Revisionsrechtfertigungen sind ebenso zu behandeln, als hätte ein Verteidiger mehrere Rechtfertigungen eingereicht.
2. Begründet auch nur Verteidiger die Revision innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO, so kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen nicht fristgerecht eingereichter Revisionsanträge oder Revisionsbegründungen nicht in Betracht, da die Frist insgesamt im Sinne des § 44 Abs. 1 StPO eingehalten ist, auch wenn nur die fristgerecht eingegangene Rechtfertigung zu berücksichtigen ist.
3. Das Tatgericht kann die Revision nur insgesamt als unzulässig verwerfen. Wenn mehrere Revisionsrechtfertigungen eingereicht wurden, von denen wenigstens eine vor Fristablauf eingegangen ist, so ist die Revision insgesamt zulässig und die Verwerfung als unzulässig nicht möglich.
1. Liegen nur fahrlässige Fehlleistungen bzw. Fehlinformationen der Ermittlungsbeamten vor, fehlt es an einem gezielten Einsatz unzulässiger Mittel im Sinne des § 136a StPO (hier: keine bewusste Täuschung; vgl. BGHSt 31, 395, 399 f.; BGH StV 1989, 515).
2. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass eine für sich gesehen nicht als schwer einzustufende Beleidigung dann als schwer bewertet werden kann, wenn sie nach einer Reihe von Kränkungen oder ehrverletzenden Situationen der "Tropfen" war, der "das Fass zum Überlaufen" gebracht hat (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 1983, 365; BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 5).
3. Der hohe Rang des durch § 212 StGB geschützten Rechtsguts und die unter den Voraussetzungen des § 213 StGB mildere Beurteilung der Vernichtung menschlichen Lebens gebieten es jedoch, die Anforderungen an die Schwere der Beleidigungen und auch der auf die tatauslösende Situation zulaufenden Entwicklung der Täter-Opfer-Beziehung nicht zu niedrig anzusetzen (vgl. BGHSt 34, 37; BGHR StGB § 213 1. Alt. Beleidigung 4 und 6). Daher genügen nur solche Provokationen den Anforderungen des § 213 1. Alt. StGB, die auf der Grundlage aller dafür maßgebenden Umstände unter objektiver Betrachtung und nicht nur aus der Sicht des Täters als schwer beleidigend zu beurteilen sind (BGHR aaO Beleidigung 4, 5 und 6).
Das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO schließt nicht aus, das äußere Erscheinungsbild eines Zeugen für die Urteilsfindung zu verwerten; die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) kann dies sogar gebieten (vgl. BGH GA 1965, 108).
Werden in einem nachgereichten Schriftsatz keine Revisionsangriffe von Gewicht vorgebracht und sind keine triftigen Gründe für ein Nachschieben ersichtlich, so besteht hinsichtlich des nachgereichten Schriftsatzes kein Anlass zu einer weitergehenden Begründung des Verwerfungsbeschlusses.
1. Die Frist zur Begründung einer Verfahrensrüge ist nicht ohne Verschulden im Sinne des § 44 StPO versäumt, wenn sich der Verteidiger kurz vor Fristablauf auf die telefonische Auskunft verlässt, das Protokoll der Hauptverhandlung sei an ihn abgesandt. Er ist vielmehr gehalten, das Protokoll bei Gericht einzusehen.
2. Zwar können besondere Umstände die Indizwirkung verwirklichter Regelbeispiele für einen besonders schweren Fall entkräften. Dies bedarf jedoch nicht in jedem Fall ausdrücklicher Erörterung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung in den Urteilsgründen.