HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Juli 2004
5. Jahrgang
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Schrifttum

Maja Bleckmann, Barrieren gegen den Unrechtsstaat? Kontinuitäten und Brüche in den rechtsphilosophischen Lehren Alfred Manigks, Gustav Radbruchs und Felix Holldacks angesichts des Nationalsozialismus. Fundamenta Juridica, Band 47. Nomos, Baden-Baden, 2004, 202 S., brosch., ISBN 3-8329-0494-8, EUR 44,00

I. Die persönlichen sowie inhaltlichen (Dis-)Kontinuitäten in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft von der Weimarer Republik über die Zeit des Nationalsozialismus bis hin in die Bundesrepublik Deutschland sind ein Thema, dem in den letzten zehn bis 15 Jahren vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt worden ist. Die vorliegende, von M. Walther betreute Hannoveraner Dissertation von Bleckmann greift aus den vielen denkbaren Facetten zwei Punkte heraus, die ohne Zweifel besonderen "Charme" haben: Zum einen solche Autoren, bei denen man auf Grund von äußeren Faktoren eigentlich davon ausgehen muss, dass sich ihr Wirken in die nationalsozialistische Umgestaltung des Rechts gerade nicht einfügen wird; zum anderen speziell Rechtsphilosophen, deren Gedankenwelt sowohl von der lex lata als auch von der (für die Rechtsentwicklung des Nationalsozialismus fast noch wichtigere) Veränderung der Auslegung des geschriebenen Gesetzesrechts in der täglichen Anwendung mehr oder weniger unberührt bleiben kann. Zu diesem Zweck untersucht Bleckmann die Frage, ob sich in den rechtsphilosophischen Lehren von Alfred Manigk, Gustav Radbruch und Felix Holldack in der Zeit des Nationalsozialismus Änderungen nachweisen lassen, die auf eine Verschiebung hin zu einer "nationalsozialistischen Rechtsphilosophie" (falls man insoweit den Begriff der "Rechtsphilosophie" überhaupt verwenden möchte) zurückzuführen sind.

II. In einer etwas "technisch" anmutenden Einleitung (S. 15 ff.) rechtfertigt Bleckmann die Auswahl der von ihr untersuchten Rechtswissenschaftler, die danach erfolgt, dass die zu untersuchenden Personen im Wintersemester 1932/33 hauptamtliche Fachvertreter für Rechtswissenschaft an einer reichsdeutschen Hochschule mit Rechtsphilosophie in der Lehrstuhlbezeichnung oder in der venia legendi waren und von den Nationalsozialisten aus dem Amt vertrieben wurden, danach aber in Deutschland blieben (und nicht emigrierten). Unter den

sechs in dieses Raster fallenden Rechtswissenschaftlern werden als (auf der Grundlage eines Zitationsindex') Bedeutendste Gustav Radbruch, Felix Holldack sowie Alfred Manigk untersucht. Die insoweit von Bleckmann angeführten Überlegungen und Auswahlkriterien erwecken zwar den Anschein einer gewissen Willkürlichkeit; indes trägt fast jede Auswahl diesen "Mangel" in sich, und die von Bleckmann getätigte ist sicherlich gut vertretbar.

Im ersten Teil werden die Ideen (-Fragmente) dargestellt, die allgemein gesprochen als "nationalsozialistische Rechtsphilosophie" beschrieben werden könnten (vgl. S. 26 ff.). Anstatt der geläufigen, auf Arthur Kaufmann zurückgehenden, Unterscheidung zwischen primären und sekundären NS-Lehren wählt Bleckmann mit nachvollziehbarer Begründung eine Unterscheidung zwischen "positiven" (Postulat des Führertums sowie Betonung der Rassenideologie) und "negativen" (Antiindividualismus, Antipositivismus [der im Nationalsozialismus freilich nur in einem sehr begrenzten Sinne auch zu einem "Naturrecht" führte] sowie Ablehnung der absoluten Gesetzesbindung des Richters). In dieser Beschreibung findet sich vieles, auch über den juristischen Bereich hinausgehend "Altbekanntes", was gelegentlich fast etwas trivial anmutet (so z.B. die Feststellung: "Die antijüdische Einstellung der Nationalsozialisten führt in immer größerem Ausmaß zu Unterdrückung und Verfolgung der Juden in allen Lebensbereichen und gipfelt schließlich im Holocaust.", vgl. S. 38); andererseits werden aber auch sehr spezifische Geschehnisse geschildert, bei denen man etwas unschlüssig ist, ob man sie eher als erschreckend oder als absurd erachten soll (so z.B. die anschauliche Beschreibung der Zitierregel für jüdische Rechtsgelehrte, vgl. S. 37). Sehr anschaulich wird dieser Teil der Arbeit dadurch, dass Bleckmann überwiegend nicht mit Sekundärquellen, sondern mit vielen Originalzitaten aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 arbeitet.

Im Anschluss folgen drei Kapitel, in denen die "Kontinuitäten und Brüche" bei den drei Rechtsphilosophen alle nach einem einheitlichen Schema dargestellt werden: Der Biographie, einem Werküberblick, der Entwicklung der rechtsphilosophischen Lehre bis 1933, einem Vergleich der vor 1933 vertretenen rechtsphilosophischen Lehre mit der "Rechtsphilosophie des Nationalsozialismus", der Entwicklung der rechtsphilosophischen Lehre des betreffenden Autors ab 1933 sowie einem Vergleich der ab 1933 vertretenen rechtsphilosophischen Lehren mit der Rechtsphilosophie des Nationalsozialismus. So übersichtlich diese jeweils nach dem gleichen Schema verlaufende Abhandlung auch ist, kann man unschwer erahnen, dass die beiden jeweils letzten Abschnitte (Entwicklung der Lehren ab 1933 und Vergleich dieser Lehren mit der "Rechtsphilosophie des Nationalsozialismus") jeweils auch etwas kompakter in einem Unterabschnitt darstellbar gewesen wären. Uneingeschränkten Respekt verdient dagegen das gewiss mühsame und arbeitsreiche Vorgehen Bleckmanns, gerade auch für die vor 1933 vertretenen Lehren bei jedem der drei Wissenschaftler aus einem umfangreichen Katalog von Werken die Grundzüge der rechtsphilosophischen Lehren zu extrahieren.

Für Alfred Manigk (vgl. S. 53 ff.) ergibt sich ein etwas gemischtes Bild: Bleckmann attestiert ihm einen "pragmatischen Umgang" mit den rechtsphilosophischen Lehren des Nationalsozialismus (vgl. S. 92), welche von ihm an exponierter Stelle (etwa im Vorwort seiner Bücher) aufgenommen wird, ohne diese jedoch wirklich in die eigene Lehre zu integrieren. Auf die nahe liegende Frage, wer sich noch über die traurige Rolle der Rechtswissenschaft im Nationalsozialismus wundern kann, wenn selbst als Kritiker des Regimes empfundene Autoren zumindest passagenweise so stark nationalsozialistisches Gedankengut zu adaptieren scheinen, weiß Bleckmann eine Antwort: Das Aufgreifen bestimmter Lehren an exponierter Stelle mag eine Möglichkeit gewesen sein, die Zensur zu umgehen, um die eigenen Werke in den Umlauf zu bringen, soweit sie unpolitischen oder vielleicht sogar mit den Lehren der "NS-Recht-Philosophie" inkompatible Inhalte hatten.

In der Darstellung Gustav Radbruchs (S. 94 ff.) erstaunt zunächst, wenn Bleckmann für die Lehren vor 1933 teilweise zum Ergebnis kommt, dass diese jedenfalls nationalsozialistische Lehren wie das Führerprinzip und die Rassenideologie nicht ausdrücklich ausschlössen (vgl. S. 126, 128). Denn die Erkenntnis, dass sich jemand vor 1933 mit solchen außerhalb des Dritten Reiches absurd anmutenden Ideen nicht ausdrücklich beschäftigt bzw. diese nicht explizit verurteilt hat, lässt letztlich keinen seriösen Schluss darüber zu, ob im eigenen System tatsächlich ein auch nur theoretischer Platz für derartige Ideen offen gehalten werden sollte (einschränkend insoweit auch Bleckmann selbst auf S. 145 ff.). Im Übrigen und grundsätzlich aber attestiert Bleckmann - insoweit in Übereinstimmung mit dem ganz gängigen und unbestrittenen Verständnis von Radbruchs Lehren - Radbruch ein ausgesprochen kritisches und distanziertes Verhältnis zum NS-Gedankengut, was schon auf Grund seiner aktiven politischen Betätigung für die SPD wenig erstaunen kann. Wo Radbruch selbst seine Rechtsphilosophie vor 1933 ex post als zu offen bzw. wertrelativistisch betrachtet hat, hat er selbst diese bekanntlich in Werken nach 1945 teilweise "nachgebessert".

Die Untersuchung von Holldack (S. 148 ff.) gestaltet sich inhaltlich insofern als schwierig, da dieser nach 1937 nur noch wenig publiziert und sich dabei überwiegend mit der Situation der Katholischen Kirche in Italien beschäftigt hat. Freilich erlaubt die im Mittelpunkt von Holldacks Werk stehende Beschäftigung mit den Lateralverträgen zwischen Pabst Pius XI. und dem faschistischen Italien Mussolinis durchaus einige, von Bleckmann teilweise auch anschaulich herausgearbeitete Überlegungen zu der hier interessierenden Fragestellung: Einerseits weisen die korporatistischen Elemente und die hierarchischen Machtstrukturen nicht nur innerhalb des faschistischen Italiens, sondern auch allgemein innerhalb der Katholischen Kirche möglicherweise interessante (zu-

mindest scheinbare) Parallelen zu einem autoritären Staat auf; andererseits mag man gerade Holldacks "Flucht in den Katholizismus" als eine versteckte Kritik am deutschen System verstehen, zumal er sich mit dem italienischen Faschismus dort eher kritisch auseinandersetzt, wo er Parallelen zum deutschen Nationalsozialismus aufweist, bzw. positive Seite vor allem dort betont, wo das italienische System vom deutschen abweicht.

III. Als Fazit ihrer Untersuchung der drei Rechtsphilosophen Manigk, Radbruch und Holldack kommt Bleckmann zu dem Ergebnis, dass die von diesen vor 1933 vertretenen Lehren inhaltlich keine nennenswerten "Sperrwirkung" gegenüber der "Rechtsphilosophie des Nationalsozialismus" bilden konnten (vgl. S. 186) . Bei Manigk meint sie, entsprechende Potentiale erkennen zu können, die aber nicht ausgeschöpft worden seien (vgl. S. 185). Die (unterschiedlich große) Immunität bei Radbruch bzw. Holldack gegen nationalsozialistische Lehren sieht Bleckmann weniger in deren Rechtsphilosophie als vielmehr in der Persönlichkeit angelegt; am ehesten habe bei beiden noch die gemeinsame Wurzel im Dualismus von Wert und Wirklichkeit des südwestdeutschen Neukantianismus dazu geführt, dass sie eine bleibende Skepsis gegen jede Art von Ideologie an den Tag gelegt hätten (vgl. S. 185).

Insgesamt handelt es sich bei der stets gut lesbaren Arbeit um ein gelehrsames und fleißiges Werk, das dem interessierten Leser durchaus Vergnügen bereiten kann, auch wenn es zumeist mehr deskriptiv als analytisch bleibt. Speziell aus strafrechtlicher Sicht werden in jüngster Zeit m.E. Kontinuitäten und Diskontinuitäten noch wesentlich pointierter in Vogels Vortrag auf der Bayreuther Strafrechtslehrertagung (vgl. ZStW 115 [2003], 638 ff.) dargestellt.

Prof. Dr. Hans Kudlich, Bucerius Law School, Hamburg

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Pfeiffer, Gerd (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz mit Einführungsgesetz. 5. Aufl., C. H. Beck, München, 2003, 2775 S., geb., ISBN 3-406-49798-5, EUR 225,00

I. Die Vorzüge des Karlsruher Kommentars zur StPO für jeden am Strafprozessrecht Interessierten und insbesondere für strafprozessuale Praktiker zu loben, hieße Eulen nach Athen zu tragen: Auch die hier anzuzeigende 5. Auflage setzt die bekannten Vorzüge nahtlos fort - die Kommentierung ist sachkundig sowie praxisnah, und das Werk ist durch seine ausgezeichnete Lesbarkeit, das ausführliche Sachverzeichnis sowie die ausführlichen Rechtsprechungsnachweise ausgesprochen benutzerfreundlich.

Obgleich im Vorwort zur 1. Auflage als "bewusst zwischen Kurz- und Großkommentar angesiedelt(es)" Format bezeichnet, beinhaltet der Karlsruher Kommentar in Umfang wie Inhalt bereits viele Elemente eines "echten Großkommentars" und kombiniert diese mit den Vorteilen eines einbändigen Werkes, d.h. insbesondere der leichten Benutzbarkeit sowie dem relativ einheitlichen, aktuellen Bearbeitungsstand bei Neuauflagen. Dies führt zwar zugegebenermaßen dazu, dass zwischen zwei Neuauflagen nicht ganz unerhebliche Zeiträume liegen können; so sind die rund vier Jahre, die seit der 4. Auflage ins Land gestrichen sind, innerhalb der "Geschichte des Karlsruher Kommentars" sogar eine verhältnismäßig kurze Zeitspanne. Andererseits ist zuzugeben, dass selbst bei den in Loseblattform erscheinenden Konkurrenzwerken die Kommentierung ebenso zentraler wie von zahlreichen aktuellen Entwicklungen betroffener Vorschriften durchaus ein ähnliches (wenn nicht sogar ein noch höheres) "Alter" aufweist.

Ein weiterer Vorzug für jeden, der eine Orientierung für die Praxis (welche aber selbstverständlich zugleich auch sinnvolle Grundlage jedes wissenschaftlichen oder didaktischen Arbeitens ist) sucht, liegt darin, dass sich der Bearbeiterkreis des Karlsruher Kommentars praktisch durchgehend aus Richtern und Staats- bzw. Bundesanwälten am Bundesgerichtshof zusammensetzt; die einzige aus dem Bearbeiterverzeichnis ersichtliche Ausnahme bildet Karl-Heinz Schmid, der jedoch als Richter am OLG Stuttgart seine Kommentierung des Abschlusses des Ermittlungsverfahrens (vgl. §§ 170-177) in gleicher Weise sachkundig an der obergerichtlichen Rechtsprechung orientiert. Man mag in diesem Zusammenhang allenfalls die Frage aufwerfen, ob das strafprozessuale "Kommentarprogramm" im Hause Beck als Marktführer der juristischen Literatur mit dem Karlsruher Kommentar, dem "Meyer-Goßner" sowie dem "Pfeiffer" nicht zu stark von der Sichtweise der Justiz geprägt ist. Immerhin kommen in Konkurrenzwerken durchaus auch Strafverteidiger bzw. "verteidigungsnahe" Wissenschaftler zu Wort, ohne dass dadurch die Bedeutung und Verwertbarkeit der Werke für die Praxis leidet. Und so wichtig für den Strafverteidiger selbstverständlich die Orientierung an der obergerichtlichen Rechtsprechung ist, so hilfreich mag zur Erarbeitung seiner Verteidigungsstrategie und seiner Argumentation auch eine Kommentierung sein, die sich stärker kritisch mit der obergerichtlichen Rechtsprechung auseinandersetzt.

II. Was den Inhalt angeht, kann bei einem Werk im Umfang des Karlsruher Kommentars selbstverständlich keine vollständige Auseinandersetzung erfolgen, und bei der Besprechung einer 5. Auflage erscheint dies auch nicht erforderlich. Im Folgenden seien daher nur einige Punkte kurz herausgegriffen, in denen auf Grund von Entwicklungen in der neueren Rechtsprechung oder von Gesetzesänderungen besonders interessant erscheint, wie sich die jeweiligen Bearbeiter in der Neuauflage äußern:

1. Ein zentrales Thema der letzten Jahre war im Anschluss an die (bereits in der Vorauflage berücksichtigte) Leitentscheidung des BGH (BGHSt 43, 195) die Weiterentwicklung der Rechtsprechung, aber auch der Stellungnahmen in der Literatur zu den Absprachen im

Strafverfahren. In seiner Einleitung (Rn. 29a-29i) stellt Pfeiffer zunächst die denkbaren Arten von Absprachen sowie die dagegen traditionell vorgebrachten Einwände (keine Disponibilität des staatlichen Strafanspruchs, Autoritätsverlust des Gerichts, Zerstörung des Vertrauens in eine gleichmäßige Strafrechtspflege, Verletzung verschiedener Prozessmaximen) dar (Rn. 29a-29d). Im Anschluss werden die Leitsätze der Entscheidung BGHSt 43, 195 wiedergegeben und erläutert (Rn. 29e). Zwei eigenen längere Abschnitte widmet Pfeiffer auch der Problematik des Rechtsmittelverzichts (Rn. 29f, wobei auf Grund des Bearbeitungsstandes von 2003 die aktuelle Diskussion zwischen den Strafsenaten des BGH noch nicht vollständig nachgezeichnet werden konnte), sowie der Bedeutung des in einer Absprache abgelegten Geständnisses (Rn. 29g). Abschließend kommt Pfeiffer zu dem Ergebnis (Rn. 29h), dass die "Problematik der Absprache (...) nicht als abschließend gelöst betrachtet werden" kann, und fordert ein Tätigwerden des Gesetzgebers.

2. Bei der Kommentierung der Zeugnisverweigerungsrechte aus persönlichen Gründen hatte Senge insbesondere die Neuaufnahme des Zeugnisverweigerungsrechtes eines Lebenspartners des Beschuldigten nach § 52 I Nr. 2a StPO neu zu berücksichtigen. Er sieht in dieser Vorschrift - was nach der hier m.E. zwingenden historisch-genetischen Auslegung auch völlig unzweifelhaft sein sollte, wenngleich es in neuerer Zeit in Frage gestellt wird (vgl. zu § 11 I Nr. 1a StGB, allerdings speziell mit Blick auf Art. 103 II GG, Müther, JA 2004, 375 ff.) - allein eine eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft i.S.d. Lebenspartnerschaftsgesetzes geregelt (vgl. Rn. 14a); dass damit in der StPO der (sei es hetero- oder homosexuelle) bloße (dauerhafte) "Lebensgefährte" nicht in den Genuss eines Zeugnisverweigerungsrechtes kommt, sieht Senge als zwar verfassungsrechtlich letztlich unbedenklich, jedoch "ungerecht" an und fordert insoweit ein Tätigwerden des Gesetzgebers (vgl. Rn. 14b). Auf Grund des Fehlens einer entsprechenden Vorschrift in der StPO, aber auch im Lebenspartnerschaftsgesetz selbst soll nach Senge der Schutz des § 52 I Nr. 2a auf die bereits wirksam begründete Lebenspartnerschaft beschränkt sein, während eine analoge Anwendung der Verlöbnisregelungen auf zwei Personen, welche sich die Eingehung einer solchen Lebenspartnerschaft versprochen haben, ausscheiden soll (vgl. Rn. 14c).

Des Weiteren berücksichtigt Senge in § 53 Rn. 44a-44c die Ausdehnung des Zeugnisverweigerungsrechtes für Medienmitarbeiter in § 53 I Nr. 5, II n.F. auf selbst erarbeitetes Material und eigene berufsbezogene Wahrnehmungen des Medienmitarbeiters.

3. Die im Jahr 2002 (in zwei unterschiedlichen Gesetzen) aufgenommenen Vorschriften der §§ 100g-100i über die Telekommunikationsauskunft (vgl. vormals § 12 FAG) sowie über den Einsatz technischer Mittel bei der Überwachung von Mobiltelefonen (sog. IMSI-Catcher) werden gewohnt sachkundig von Nack kommentiert. Einen nicht unerheblichen Teil der Kommentierung müssen insoweit technische Erläuterungen sowie die Entstehungsgeschichte der Vorschriften einnehmen, welcher freilich bei diesen relativ neuen und ausführlich beratenen Regelungen auch eine besonders große Bedeutung für die Auslegung zukommt. Für die Telekommunikationsauskunft geht Nack in Übereinstimmung mit den Materialien davon aus, dass § 100g StPO keine eigenständige Verpflichtung zur Aufzeichnung solcher Daten enthält (und eine solche daher auch nicht auf dieser Grundlage von den Strafverfolgungsbehörden angeordnet werden kann) welche nicht "ohnehin anfallen" (vgl. § 100g Rn. 106).

In der auf Fälle einer vorläufigen Festnahme oder Ergreifung des Täters beschränkten Erlaubnis, den Standort eines aktiv geschalteten Mobilfunkendgerätes zu ermitteln, in § 100I I Nr. 2 StPO sieht Nack - wohl in Übereinstimmung mit dem Gesetzgeber - keine Schranke für die Erstellung eines "Bewegungsbildes" durch Maßnahmen nach § 100a StPO (vgl. § 100a Rn. 14). Die vom Ermittlungsrichter des BGH (NJW 2001, 1587) in durchaus zweifelhafter Weise bejahte Zulässigkeit entsprechender Ermittlungsmaßnahmen auf der Grundlage einer TÜ ist damit für den Bereich der Praxis weiterhin zu berücksichtigen.

4. In seiner Kommentierung zu § 161 hatte Wache die (vermeintliche?) Ermittlungsgeneralklausel zu berücksichtigen, zu der durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 § 161 I 1 geworden sein könnte. Nach der (in ihrem Umfang zwar etwas enttäuschenden, jedoch) im Ergebnis überzeugenden Auffassung von Wache gilt § 161 I nur für solche Maßnahmen "die weniger tief in Grundrechte des Bürgers eingreifen", ist "jedoch keine Rechtsgrundlage für stärker in Grundrechte eingreifende strafprozessuale Maßnahmen"; als Beispiel nennt Wache "kurzfristige Observationen, den Einsatz von V-Leuten oder von Scheinaufkäufern, auch einfache Fahndungsmaßnahmen". Mit der durchaus naheliegenden Frage, ob gegen eine solche - und sei sie für die Ermittlungsbehörden auch wünschenswert - Generalklausel die Einwände gegen die früher vertretene "Schwellentheorie" fortgelten und ob nicht verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit bestehen (vgl. dazu instruktiv Böckenförde, Die Ermittlung im Netz, 2003, S. 154 ff.), wird freilich nicht näher eingegangen.

5. Insgesamt etwas zu kurz gekommen scheint mir für ein Werk im Umfang des Karlsruher Kommentars, das im Jahr 2003 neu erscheint, die Bedeutung der EMRK für das Strafverfahrensrecht - ein Vorwurf, den sich allerdings die deutsche Strafrechtswissenschaft über weite Strecken generell machen lassen muss und der insoweit nicht vorrangig die Bearbeiter des Karlsruher Kommentars trifft. So geht zwar Pfeiffer in seiner Einleitung (Rn. 28) auf rund einer Seite auf den Grundsatz des fairen Verfahrens und in diesem Zusammenhang auch auf Art. 6 EMRK ein; allerdings beschränkt sich die Darstellung auf Fälle, in denen die EMRK auch von deutschen Obergerichten explizit herangezogen worden ist, was für eine "zukunftsgerichtete" Kommentierung angesichts der

großen Bedeutung (und auch der z.T. abweichenden Ergebnisse), welche die EMRK in der Rechtsprechung ausländischer und internationaler Gerichte genießt, etwas zu kurz gegriffen sein dürfte. Für die Verteidigung, für welche Art. 6 III lit. c EMRK von zentraler Bedeutung ist, beschränkt sich Laufhütte in den Vorbemerkungen zu § 137 (Rn. 18) sogar auf den knappen Hinweis, dass das Recht des Beschuldigten, sich durch einen Verteidiger seiner Wahl vertreten zu lassen oder den Beistand eines Pflichtverteidigers zu erhalten, auch in der Konvention garantiert sei.

III. Ungeachtet solcher kleinerer Monita, die selbstverständlich auch immer sehr vom Geschmack und dem speziellen Interesse des Rezensenten abhängen, kann aber konstatiert werden, dass auch die 5. Auflage des Karlsruher Kommentars ein wertvolles Hilfsmittel für den - insbesondere an der höchstrichterlichen Handhabung des Strafprozessrechts interessierten - Strafrechtler ist und dass nahezu das Optimum dessen geleistet wird, was man in einem gerade noch der Gattung "Handkommentare" zuzurechnenden Werk mit dieser Zielrichtung erwarten kann.

Prof. Dr. Hans Kudlich, Bucerius Law School, Hamburg

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Peter Zihlmann, Das Gesetz über dem Recht, Ratgeber für Suchende nach Recht und Gerechtigkeit, Schulthess 2003, 115 Seiten, ISBN 3 7255 4661 4.

"Nun, Kohlhass, heut ist der Tag, an dem dir dein Recht geschieht!" (S.89) - das ist nur eines der vielen, vom Autor Peter Zihlmann in seinem Buch "Das Gesetz über dem Recht" sorgsam ausgewählten Zitate aus der bekannten literarischen Erzählung Michael Kohlhaas von Heinrich von Kleist, welche sich am Anfang jedes Kapitels dieses - so der Untertitel des Buches - "Ratgeber(s) für Suchende nach Recht und Gerechtigkeit" wiederfinden. Wer nun einen in trockener Juristensprache verfassten Ratgeber, der schlicht aneinandergereiht alles (angeblich ausreichend) Wissenswerte etwa zu einzuhaltenden Fristen, Gerichtszuständigkeiten, Rechtsmitteln, Umgangsmodalitäten mit Behörden, Rechtsanwälten und Gerichten und anderen, in der "Welt des Rechts" zu beachtenden Formalitäten erwartet, wird genau jenes nicht finden, aber dennoch vielleicht, oder vielmehr hoffentlich einen Moment innehalten in seiner "Suche nach Recht und Gerechtigkeit", welche sich bisher ausschließlich auf diese selbst begrenzte "Welt des Rechts" beschränkte. So ist es Anliegen von Zihlmann, "durch das Territorium des Rechts bis an dessen Grenzen zu führen ..." und die "... Grenzen und Begrenzungen ... mit Blick auf den ganzen Menschen zu entdecken und richtig einzuschätzen" (S.7), um auf diese Weise - die innere Begrenztheit des Rechts (S.10) kennend - in einem umfassenden Sinne eben nicht nur reine Rechtshilfe, sondern "Lebenshilfe und Rat" (S.7) zu bieten.

Zihlmann, seit 1970 als Rechtsanwalt in eigener Praxis, nebenamtlich als Richter und seit 1994 als Privater Ombudsmann im Auftrag einer gemeinnützigen Stiftung für Menschen in Not tätig, macht sich aus seiner beruflichen Erfahrung heraus, dass viele Rechtssuchende nur noch die Ebene der Rechts-Wirklichkeit wahrnehmen, ihnen aber alle anderen Sphären und Massstäbe abhanden gekommen sind, also aus jener eigenen Erfahrung "eines Mangels ..., eines Makels, das dem Recht-haben-Wollen anhaftet" (S.9), auf die "Suche nach spirituellen Werten" (S.9) und versucht, "das Recht spirituellen Werten wie Glück, innerem Frieden oder Wandel zu erweitertem Bewusstsein über das rein Juristische hinaus" (S.7) gegenüberzustellen. Wie ein roter Faden durchzieht das kleine schmale Büchlein mehr oder weniger versteckt die Frage Zihlmanns, wieso "diese Rechtssucher so wenig friedlich, so ruhe- und rastlos (waren) und wieso ... sie so selten Glück oder innere Zufriedenheit (fanden), selbst wenn sie sieghaft aus den Rechtshändeln hervorgingen" (S.10). Neugierig, zugleich offen und "mit ganzem Herzen" (S.3) den Juristen in sich selbst befragend, möchte Zihlmann untersuchen, wie das "Rechtsverständnis ... sich von den spirituellen Werten unterscheidet und weshalb es so oft in einem derart unseligen Spannungsverhältnis zu ihnen" (S.10) steht.

Bei dem "Aufbruch" (S.9) zu jenen spirituellen Werten als dem Gesetz über dem Recht, dem "Massstab der Massstäbe" (S.9) ist die tiefe Beeinflussung Zihlmanns durch eine Vielzahl sich zu jahrhundertealten spirituellen Werten verschiedener Kulturen und Religionen äußernden Büchern, welche mir als Rezensentin zum Teil sehr gut bekannt sind, unverkennbar. Wünschenswert wäre es daher gewesen, wenn die Autoren jener in der Fußnote 1 von Zihlmann genannten Bücher in einem verstärkten Maße und in Auseinandersetzung mit den persönlichen Anschauungen Zihlmanns in den Haupttext Eingang gefunden hätten, um so - wie auch Zihlmann hofft - "das Herz der Leserin und des Lesers durch Ausblicke ins weite Feld des Spirituellen zu öffnen" (S.11).

Zihlmanns Untersuchung zum Verhältnis des Rechts zu den dieses überlagernden, doch zugleich durchdringenden spirituellen Werten gliedert sich in 17 Kapitel, in denen er die verschiedenen Erscheinungsformen und Facetten des Rechts in bildhafter und leicht verständlicher Sprache, gespickt mit persönlichen An- und Bemerkungen zu durchleuchten versucht. Jene Kapitel wurden nicht in übergeordnete Gliederungspunkte bzw. Untersuchungsabschnitte zusammengefasst und - so scheint es - sollten dies auch gar nicht bzw. könnten dies nicht, ohne mit einer belehrenden Wertungsvorgabe begleitet zu sein. Eine eben solche gerade vermeiden wollend, baut das Verständnis eines Kapitels nicht zwingend auf dem Erfordernis des Lesens der vorhergehenden Kapitel auf. Vielmehr lädt das Buch die Leserin und den Leser ein, sich mutig und entsprechend der eigenen Interessen und Vorprägungen dem Verhältnis von Recht und spirituellen Werten zu nähern. Auf jene Fähigkeit der Leser, den

jeweils für sie "richtigen Blickwinkel" (S.11) zu den Ausführungen des Buches zu finden, vertraut Zihlmann und appelliert entsprechend im 1. einleitenden Kapitel an die Leserschaft, "gerade soviel für sich selbst herauszulösen als für ihr eigenes Erleben und ihre eigene Erkenntnis des Rechts ihnen nützlich erscheint" (S.11).

Im 2. Kapitel widmet sich Zihlmann "diese(r) starke(n) und unausrottbare(n) Emotion, die uns als Opfer oder Zeuge einer Ungerechtigkeit befällt und beherrschen kann und das mit ihr verbundene Gefühl im Recht zu sein" (S.13, 14). So "gehen (wir) davon aus, dass wir im Recht sind, solange wir uns im Recht fühlen ..." und "... akzeptieren unser Rechtsgefühl als innere Stimme wie die unseres Gewissens, die auch immer Recht behält" (S.17), und dennoch müsse laut Zihlmann ein Unterschied zwischen beiden bestehen, denn - so fragt er - wieso gehe von dem Gefühl, im Recht zu sein, nicht die gleiche wohltuende und beruhigende Wirkung aus wie von dem Gefühl, in Übereineinstimmung mit unserem Gewissen gehandelt zu haben (S.17)?

Dass zwischen dem Gefühl, im Recht zu sein und der objektiven Rechtslage oft Welten liegen, zeigt Zihlmann in den folgenden Kapiteln auf: im 3. Kapitel "Alles ist recht, so wie es ist" weist er auf den Ausgangspunkt von allem, was im Leben Bestand haben soll, hin, nämlich dass alles, was ist, seinen Grund hat und die "Realität ... das bessere Recht (ist). Das Ganze ist einfach so, wie es ist" (S.27). Auf die Gefahr nutzloser Rechtsstreitigkeiten nur noch um des Prinzips willen hinweisend (S.28), führe das Leben nicht nur von einem Anspruch zum nächsten, ist nicht nur Festhalten am Rechthaben, sondern auch "Loslassen und Zulassen eines Austausches mit Neuem und Unerwartetem" (S.24). Die Lebenskunst bestehe darin, herauszufinden, was wir ändern, annehmen, behalten und was wir loslassen sollten (S.27), so dass Zihlmann für das Beschreiten eines sog. "dritten Weges" eintritt: die Realität in ihrer Gesamtheit achtsam wahrnehmend, liegt zwischen dem "zwanghaften Festhalten des Rechthabers an Rechtspositionen, dem ebenso zwanghaften Drang des Machers nach gewaltsamer Veränderung und der fatalistischen Gleichgültigkeit eines Hans-im-Glück-Daseins ... ein dritter Weg..., nämlich der des "Wandels" und des behut- und achtsamen Lebens aus unserer Lebensmitte heraus" (S.28).

Dass ein Nachdenken über Recht nicht denkbar ist, ohne sich auch ernsthaft der Frage nach der Gerechtigkeit zu widmen, thematisiert Zihlmann im 4. Kapitel, in dem er auf den unvermeidlichen Widerspruch hinweist, dass Gerechtigkeit zwar Ausgleich, Harmonie und Friede anstrebe, der Weg dorthin jedoch oft ein "Kriegspfad" (S.31) sei, auf dem "Kämpfernaturen" (S.32) gefragt seien. Worauf werde sich "Justitia mit Waage und Schwert" wohl mehr verlassen, was habe eine "formalistische Schnell- und Fliessband-Justiz überhaupt noch mit Gerechtigkeit zu tun?" (S.34, 35) - solche und weitergehende Fragen wirft Zihlmann prägnant auf und regt die Leser damit zum eigenen Sich-diese-Fragen-Stellen an, wenn sich die Rezensentin auch gewünscht hätte, gerade im Kapitel "Gerechtigkeit als Ausgewogenheit" mehr von den auch Antwort gebenden Ansichten des Autors zu seinen aufgeworfenen Fragen hätte lesen zu können.

Im 5. Kapitel mit der dem Buchtitel entsprechenden Überschrift wagt Zihlmann - so seine Worte - den Versuch, die Rechts-Sphäre mit der spirituellen Sphäre, welche zwar beide auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben, jedoch bei näherem Hinschauen durch die Ethik verbunden sind (S.38), zueinander in Beziehung zu setzen. Daran erinnernd, dass das Recht nicht Garant für ein gelingendes Leben sei (S.38), spricht der Mensch Zihlmann zu seinen Lesern, wenn er schreibt, dass es nicht die wichtigste Aufgabe im Leben sei, unser Recht durchzusetzen, sondern "dem Gesetz unseres eigenen Herzens und Lebens zu folgen und ... zu dem zu werden, wer wir im Grunde sind" (S.41) und - so möchte die Rezensentin anfügen - nicht zu dem, was wir sein sollten. Dass es dabei nicht einfach ist, uns so zu sehen, wie wir sind und der inneren Stimme des Herzens zu folgen (S.42, 45), verdeutlichen die Ausführungen im 6. Kapitel, die dem unbarmherzigen - nach Ansicht der Rezensentin wohl unbarmherzigsten - Richter in uns selbst gewidmet sind.

In den folgenden zwei Kapiteln untersucht Zihlmann das Verhältnis von mitmenschlichem, von Mitgefühl begleiteten "Verstehen" einerseits und "Verurteilen" andererseits sowie den Umstand, dass das Recht oft als Ausgangspunkt, aber auch als Endpunkt des Vertrauens zwischen den Menschen in Erscheinung tritt. In den sich anschließenden drei weiteren Kapiteln (9.-11.) finden sich wertvolle praktische Lebensratschläge für Rechtssuchende, die sich mit der Entscheidung tragen, einen Rechtsstreit zu beginnen bzw. sich auf einen solchen, mehr oder weniger freiwillig, einzulassen/ einlassen zu müssen, wobei Zihlmann zum einen die Beziehung zum beauftragten Rechtsanwalt und zum anderen das Geschehen rund um den Prozess, insbesondere in einem Rechtsstreit gegen den Staat, aufgreift. Dem rechtssuchenden Laien wird klar gemacht, dass auf der Ebene des Rechts eben auch mit rechtlichen Kunstregeln (S.61, 75) gespielt wird, die zumeist nur von darin ausgebildeten Juristen beherrscht werden, wobei das Recht immer auch " Ausdruck und Abbild unserer gesellschaftlichen Stärke- und Machtverhältnisse" (S.64) sei und dem Diktat von öffentlicher Meinung, Zeitgeist und gesellschaftlichen Einflusssphären (S.61, 64) unterstehe. Jenes sich durchdringende Wechselspiel näher beleuchtend, hätte sich die Rezensentin auch hier weiterführende Aussagen und Stellungnahmen des Autors gewünscht. Dem konkret Rechtssuchenden jedoch werden praktische, über eine rein juristische Beratung hinausgehende Hinweise an die Hand gegeben, indem er zu einem umfassenden Abwägen aller Vor- und Nachteile, die mit dem "meist in den Sternen geschriebenen Prozessausgang" (S.69) verbunden sind, aufgefordert wird sowie dazu, sich klar zu machen, dass sein Entscheid zu kämpfen oder nachzugeben - wie alle wichtigen Entscheidungen - abgestimmt auf die

konkrete Lebenssituation und erst nach vollständiger Analyse nicht nur der rechtlichen, sondern aller auf dem Spiel stehender Lebensinteressen getroffen werden sollte.

Im 12. Kapitel zum "Unausweichliche(n) Recht" wendet sich Zihlmann gegen die oft beobachtete Prozesssucht und Rechthaberei bei der Suche nach dem eigenen Recht und appelliert - wenn auch wieder etwas kurz, so doch auffordernd - an die Verantwortung als Bürger eines demokratischen Rechtsstaates, sich bei vor seinen Augen abspielenden Ungerechtigkeiten uneigennützig für die Rechte der Benachteiligten einzusetzen (S.81).

Zihlmann warnt im folgenden Kapitel davor, nicht zu verkennen, dass der Prozess als ein "soziales Kunstprodukt" (S.83) mit seinem Fortgang an Umfang, Gewicht und Bedeutung zunimmt, und zwar nicht nur gemessen am Aktenberg, sondern auch gemessen an dessen Einflussnahme auf das gesamte persönliche, familiäre oder berufliche Leben des Rechtssuchers (S.83). Er stellt daher im 14. Kapitel die Frage nach dem "Urteil, dein Glück?", verbunden mit der Hoffnung und Aufforderung an den Rechtssuchenden, sich von dem sich allein auf die Juristerei konzentrierten Denken zu lösen und den ganzen Horizont menschlichen Verstehens ins Auge zu fassen (S.89). Wenn auch keine Zweifel daran bestünden, dass aufstehen und sein Recht einfordern, Zivilcourage zeigen, eine gute Sache und Tugend sei (S.90), so sollte dies immer mit den Augen des eingeschalteten Beobachters in uns geschehen, der danach fragt, was "uns das Urteil an innerem, spirituellem Wert" (S.90) bringe. Denn - so die treffenden Worte Zihlmanns - "es gibt im Leben lohnendere Ziele, als einen Prozess zu gewinnen" (S.91) und nicht ein Urteil eines Richters mache unser Glück, unsere Lebensfreude, den inneren Frieden, das Mitgefühl und die zwischenmenschliche Wärme aus (S.90, 91).

Mit einem Sprung zu "Recht, Schuld und innere Sicherheit" im folgenden Kapitel wendet sich Zihlmann mit deutlicher Kritik gegen den Paradigmawechsel, dass sich das Strafrecht von dem bisher als gerecht empfundenen Maßstab der Schwere der Schuld des Täters abwende und mit den sog. sichernden Maßnahmen eine Sicherheit für die Gesellschaft anstrebe, welche das Recht gar nicht zu leisten imstande sei (S.98,99). Wenn Zihlmann die Tendenz des Strafrechts auch in dem - wie er selbst eingesteht - "etwas plakativen Satz" (S.98) zusammenfasst, dass das "Recht im 21. Jahrhundert ... nicht mehr Gerechtigkeit, sondern Sicherheit garantieren (will)" (S.98), so ist ihm jedoch insofern zuzustimmen, als dass wir die Möglichkeiten des Rechts überschätzen, wenn wir annehmen, mit Hilfe des Rechts jedes mit dem Zusammenleben von Menschen verbundene Risiko auszuschalten (S.98, 99). Erneut etwas sprunghaft und ohne direkte Verbindung zu den vorherigen Kapiteln geht Zihlmann sodann in den beiden letzten Kapiteln auf Inhalt und Wesen einer Freundschaft mit dem Verurteilten ein und stellt die innere Beschränkung des Rechts, hier nun speziell des Erbrechts, auf das Materielle sowie die Unfähigkeit, insbesondere bei der Abfassung eines Testaments auch spirituelle Werte zu erfassen (S.107, 108), heraus.

Zihlmann hat ein kleines feines Buch vorgelegt, das in bildhafter und leicht verständlicher Sprache und einem von persönlichen Erfahrungen und Eindrücken des Autors geprägten Erzählstil einzelne Facetten der Rechtswelt auf ihr Verhältnis zu spirituellen Werten untersucht. Er wirft dabei eine Vielzahl zum eigenen Weiternachdenken anregende Fragen auf, die neugierig machen, inspirieren und - bei der Rezensentin auf jeden Fall - den Wunsch entstehen lassen, auch vermehrt persönliche Antworten, Antwortversuche des Autors selbst zu den von ihm gestellten Fragen in seinem Buch wiederzufinden. Das Buch stellt kleine und große Fragen, die zu einem weiterführenden Diskus einladen, mit und in sich selbst, auf der Ebene der Rechtswissenschaft und -praxis, aber vor allem zwischen suchenden Menschen, suchend nach ihrem Lebens-Recht und dem Gesetz ihres Herzens. Und gerade deshalb sollte es vielleicht auch von jedem Studenten des Rechtswissenschaft in einer ruhigen Minute gelesen werden, sich seine zukünftige Verantwortung als Rechtsausübender für das Leben anderer Menschen bewusst machend und begreifend, dass das Recht nicht um seiner selbst willen und als bloßer Selbstzweck fungiert. Es geht um Leben, Lebendigkeit, Frieden, Lebensfreude, Glück und Mitgefühl (S.91), die sich als "Licht des Spirituellen" (S.10) in allen Facetten des Rechts brechen sollten, so - um mit den Worten Zihlmanns zu sprechen - "wie das Licht der Sonne sich im Regenbogen in all seine Farben aufbrechen und zerlegen lässt. Denn ohne dieses innere Licht ... ist das Recht eine fade oder eher düstere Erscheinung" (S.10). Jener wertvolle Gedanke findet sich bei einem genauen Hinsehen in bildhafter Weise bereits auf der vorderen Umschlagseite des Buches wieder, auf der das in grau getauchte "Recht" vom in Regenbogenfarben und -form gezeichneten "Gesetz" angestrahlt wird und ein kleiner bunter Schmetterling - vielleicht als Symbol der Lebendigkeit, die es in allen Facetten des Rechts zu erhalten gilt - auf dem "R" von "Recht" Platz nimmt.

Oberass. Dr. Daniela Demko (LLM), Zürich.