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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
April 2004
5. Jahrgang
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1. Bei alkoholbedingter Verminderung der Schuldfähigkeit kommt eine Versagung der fakultativen Strafmilderung gem. §§ 21, 49 StGB - abgesehen von den Fällen, in denen der Rechtsgedanke der actio libera in causa zur Ablehnung der Strafmilderung führt - dann in Betracht, wenn der Täter seinen Rausch verschuldet herbeigeführt und schon früher unter Alkoholeinfluss vergleichbare Taten begangen hat und daher zumindest hätte wissen können, dass er in einem solchen Zustand zu derartigen Straftaten neigt (vgl. BGHSt 34, 29, 33; 43, 66, 78).
2. Der Senat lässt offen, ob eine Strafrahmenmilderung in der Regel schon dann nicht in Betracht kommt, wenn die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters auf verschuldeter Trunkenheit beruht (vgl. 3 StR 435/02 vom 27. März 2003). Voraussetzung für die Versagung der Strafmilderung ist allerdings, dass dem Täter der Alkoholkonsum uneingeschränkt vorwerfbar ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn der Täter alkoholkrank oder alkoholüberempfindlich ist.
3. Eine Alkoholerkrankung, bei der die Alkoholaufnahme nicht als schulderhöhender Umstand zu werten ist, kann vorliegen, wenn der Täter den Alkohol aufgrund eines unwiderstehlichen oder ihn weitgehend beherrschenden Hanges trinkt.
1. Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Ausnahme von der Regelwirkung in Betracht kommen, wenn ein Regelbeispiel mit gewichtigen Milderungsgründen zusammentrifft. Der Bestrafung kann dann bei der Vergewaltigung ausnahmsweise der Normalstrafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt werden. In extremen Ausnahmefällen kann sogar eine weiter gehende Milderung des Normalstrafrahmens (§ 177 Abs. 1 StGB) und die Bemessung der Strafe aus dem Rahmen für den minder schweren Fall (§ 177 Abs. 5 1. Halbs. StGB) in Betracht zu ziehen sein (vgl. BGHR StGB § 177 Abs. 2 Strafrahmenwahl 13 m.w.N.).
2. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann bei einem Täter, der seine erheblich verminderte Schuldfähigkeit durch Alkoholgenuss verschuldet herbeigeführt hat, die Strafmilderung dann versagt werden, wenn er die Neigung hatte, nach Alkoholgenuss Straftaten zu begehen und wenn er sich dieser Neigung bewusst war oder hätte bewusst sein können (vgl. BGHSt 43, 66, 78; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 14, 22, 30 m.w.N.).
1. Die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Entscheidung, ob ein minder schwerer Fall anzunehmen ist, maßgebend, ob das gesamte Tatbild, einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit, vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle so sehr abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint (vgl. nur BGHR StGB § 177 Abs. 5 Strafrahmenwahl 2 m.w.N.).
2. Dabei liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters, im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu entscheiden, welches Gewicht den einzelnen Milderungsgründen im Verhältnis zu den Erschwerungsgründen beizumessen ist. Das Revisionsgericht darf die Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein (durchgreifender) Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. BGH StV 2002, 20; 2003, 395 f.).
1. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung gem. § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt zum einen voraus, dass der Täter wegen vorsätzlicher Straftaten schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, damit die Sicherungsverwahrung nur gegen Personen angeordnet wird, die durch Straftaten von einem gewissen Gewicht gezeigt haben, dass sie für die Allgemeinheit gefährlich sind. Zum anderen müssen die Vortaten symptomatisch für den Hang des Täters zu erheblichen Straftaten sein, also als Indiz für einen solchen Hang gewertet werden können. Dabei lassen nur Straftaten von einem gewissen Gewicht den Schluss auf einen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten zu.
2. Angesichts der gesetzlichen Wertung, wie sie in der erweiterten Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 183 Abs. 3, Abs. 4 Nr. 2 StGB zum Ausdruck kommt, stellen rein exhibitionistische Handlungen ohne unrechtserhöhende Besonderheiten, auch wenn sie vor Kindern begangen werden, nicht ohne weiteres erhebliche Straftaten dar, die für sich gesehen die Gefahr einer erheblichen Straftat im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB indizieren könnten.
1. Körperliche Attacken, die wiederholt sogar zu Knochenbrüchen geführt haben, aber auch Ohrfeigen oder Faustschläge ins Gesicht sind nicht lediglich lästige und
unbedeutende und daher von der Allgemeinheit hinzunehmende Vorfälle, selbst wenn im Einzelfall Ohrfeige oder Fausthieb den Betroffenen letztlich aus Zufall oder wegen eigenen geschickten Ausweichens nicht oder nicht mit voller Wucht getroffen hat.
2. Bei der Frage der Notwendigkeit einer Maßregel gemäß § 63 StGB kommt es entscheidend auf den Zeitpunkt der Hauptverhandlung an.
1. Das Merkmal "Hang" im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verlangt einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet; ebenso aber auch derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag. Entscheidend ist das Bestehen eines solchen Hanges, nicht dessen Ursache (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 1; BGH NStZ 1999, 502).
2. Bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung ist für die Gefährlichkeitsprognose (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB) nach feststehender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich der Zeitpunkt der Aburteilung maßgeblich (vgl. BGHSt 25, 59, 61; BGH NStZ 2002, 535). Der Tatrichter darf dem Alter des Angeklagten und den Wirkungen eines langjährigen Strafvollzuges allenfalls dann Bedeutung beimessen, wenn schon bei Urteilsfindung mit Sicherheit angenommen werden kann, dass aufgrund dessen eine Gefährlichkeit des Täters bei Ende des Vollzuges der Strafe nicht mehr bestehen wird. Die bloße Möglichkeit künftiger Besserung oder die Hoffnung auf sich ändernde Umstände können die Gefährlichkeit jedoch nicht ausräumen (vgl. BGH NStZ 2002, 535; NStZ-RR 1998, 206).
1. Von einem Hang im Sinne von § 64 Abs. 1 StGB ist auszugehen, wenn eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung besteht, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht dem Grad physischer Abhängigkeit erreicht haben muss (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 1, 5, 6 m.w.N.).
2. Eine durch Entzugserscheinungen indizierte körperliche Abhängigkeit ist ebenso wenig wie eine zumindest verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 2; BGH NStZ-RR 2001, 12) Voraussetzung für die Bejahung eines Hanges im Sinne des § 64 StGB.