HRR-Strafrecht

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Oktober 2003
4. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen


Die Übertragung der Grundsätze zur Tatherrschaft kraft Organisationsherrschaft auf Unternehmen durch den BGH

zugleich Besprechung von BGH, Urt. vom 3.7.2003 - 1 StR 453/02 [1]

Rechtsanwalt Markus Rübenstahl, Mag. iur., Karlsruhe

I. Einleitung

Mit dem Urteil vom 3. Juli 2003 hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs die Verurteilung eines selbständigen Tierarztes - Inhaber einer überregional tätigen Praxis mit Tierklinik und angestellten Tierärzten sowie weiterem nicht tierärztlichen Personal - wegen in mittelbarer Täterschaft begangenen strafbaren Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) bestätigt und hierbei erneut - scheinbar - die Grundsätze der Entscheidung "Nationaler Verteidigungsrat der DDR" [2] (NVR der DDR) zur mittelbaren Täterschaft (§ 25 Abs. 1 2. Halbs. StGB) kraft Organisationsherrschaft auf das Wirtschaftsleben übertragen. Das zu besprechende - ansonsten weitgehend geglückte - Urteil geht indes insoweit beträchtlich über die genannte Grundsatzentscheidung hinaus, als es hier um die Tatherrschaft über berufsrechtlich gebundene Angehörige von freien Berufen geht, der fragliche Betrieb klein war und überdies die Frage, ob die unmittelbar handelnden angestellten Tierärzte in irgendeiner Weise Wissens- oder Willensdefizite aufwiesen, oder vielmehr auf gemeinsamen Tatentschluss hin arbeitsteilig und gemeinschaftlich handelten, faktisch nicht aufklärbar war, so dass die Annahme von Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) aus Beweisnot hätte unterbleiben müssen. Angesichts dieser konkreten Umstände hätte die konsequente Anwendung der Rechtsgrundsätze aus dem Urteil zum NVR der DDR gerade nicht zur Annahme einer mittelbarer Täterschaft des Angeklagten führen dürfen, wie auch generell die bisherige Anwendung der Rechtsfigur der Organisationstatherrschaft durch den BGH auf Sachverhalte des Wirtschaftslebens unter dem Gesichtspunkt fehlender Konsistenz der Kritik bedarf.

II. Inhalt der Entscheidung des Landgerichts

1. Das Landgericht hatte festgestellt, dass der Angeklagte seiner Praxis - mit durchschnittlich 12 angestellten Tierärzten und weiterem nichttierärztlichem Personal - und seine tierärztlichen Hausapotheke so organisiert hatte, dass er einen möglichst großen Arzneimittelumsatz erzielte, da ihm von den Pharmafirmen Rabatte in Form von unberechneten zusätzlich Lieferungen gewährt wurden, deren Umfang sich an seinen Umsätzen orientierte. Seinen (generalisierten) Anweisungen entsprechend wurden verschreibungspflichtige Arzneimittel aus seiner tierärztlichen Hausapotheke daher auch an andere, nicht bei ihm angestellte Tierärzte verkauft und an Tierhalter weitergegeben, ohne dass deren Tiere durch den Angeklagten oder einen der angestellten Tierärzte ordnungsgemäß behandelt wurden [3].

2. In mehreren hundert Einzelfällen (Fälle II. 2-7 des landgerichtlichen Urteils) verkaufte der Angeklagte Tierarzneimittel aus seiner tierärztlichen Hausapotheke an sechs befreundete, nicht angestellte Tierärzte, teilweise zum Selbstkostenpreis, teilweise gegen den Einkaufspreis zuzüglich eines prozentual bestimmten Aufschlags. Das Landgericht hatte insofern für jeden einzelnen Abgabetag eine rechtlich selbstständige Handlung des Angeklagten angenommen. In einem Teil der Fälle ( II.2-3) ergaben sich aus den Feststellungen überhaupt keine Anhaltspunkte für eine konkrete Beteiligung des Angeklagten an einzelnen Verkaufsvorgängen. Die buchhalterische Erfassung der Medikamentenankäufe und -verkäufe mittels elektronischer Datenverarbeitung erfolgte in keinem Fall durch den Angeklagten selbst. In einem weiteren Teil der Fälle ( II.5 und II.7) hatte die Kammer ohne nähere Konkretisierung festgestellt, dass die Käufer die Medikamente in der Regel bei der von den nicht tierärztlichen Mitarbeitern verwalteten Hausapotheke mit Wissen und Wollen des Angeklagten "zumeist" in dessen Anwesenheit "in den meisten Fällen" selbst abholten. Der Verkauf an die Tierärzte war in dieser Weise institutionalisiert und in den fortlaufende Betriebsablauf der Praxis integriert. Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit teils (für die Taten nach Inkrafttreten des 8. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetz vom 7. September 1998 [4], am 11. September 1998) wegen täterschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit Arzneimitteln nach § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG i. V. m. § 43 Abs. 1 Satz 2 AMG n.F. und für die vorhergehenden Fälle wegen unerlaubten Inverkehrbringens verschreibungspflichtiger Arzneimittel außerhalb von

Apotheken nach § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG i. V. m. § 43 Abs. 1 AMG i. d. F. der Bekanntmachung vom 19. Oktober 1994 [5] verurteilt. § 25 I 2. Alt. StGB findet keine Erwähnung [6].

3. In einer ähnlich großen Zahl von Einzelfällen (Ziffern II.14, 15, 18 und 19 des Urteils) hatte der Angeklagte selbst große Mengen von unterschiedlichen - teilweise in dieser Form zur Anwendung bei (bestimmten) Tieren nicht zugelassenen, teilweise auf seine Anweisung hin falsch etikettierten und deklarierten - Tierarzneimitteln für seine tierärztliche Hausapotheke bestellt und dort eingelagert. Es war - zumindest in einem Teil der Fälle - nicht feststellbar, dass der Angeklagte selbst unmittelbar an Abgabe bzw. (gewinnbringendem) Verkauf der Tierarzneimittel an Tierhalter beteiligt war oder sonstige konkrete Tatbeiträge im Vorfeld geleistet hätte, die über die Organisation der Tierarztpraxis hinausgegangen wären. In diesen Fällen wurden die Medikamente vielmehr von seinen angestellten Tierärzten eigenverantwortlich und ohne Rücksprache mit dem Angeklagten an die Tierhalter ausgereicht. Insoweit wurde der Angeklagte wegen Verwirklichung diverser Tatbestände des AMG, nämlich dem Inverkehrbringen von Arzneimitteln, die zur Anwendung bei Tieren bestimmt sind, ohne Zulassung (§ 96 Abs. 1 Nr. 5 AMG), unerlaubter Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Tierhalter in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Inverkehrbringen von Arzneimitteln mit irreführender Bezeichnung ( §§ 95 Abs. 1 Nr. 8, 96 Nr. 3 AMG); vorsätzlichem unerlaubten Inverkehrbringen von Arzneimitteln mit irreführender Bezeichnung (§ 96 Nr. 3 AMG) sowie gewerbsmäßigem Inverkehrbringen eines Arzneimittels unter Verletzung eines ergänzenden Schutzzertifikats in Tateinheit mit vorsätzlicher unerlaubter Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Tierhalter sowie vorsätzlichem unerlaubten Inverkehrbringen von Arzneimitteln mit irreführender Bezeichnung ( § 142 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 PatG; § 95 Abs. 1 Nr. 8 AMG; § 96 Nr. 3 AMG), verurteilt. Soweit die angestellten Tierärzte für die Abgabe/das Inverkehrbringen unmittelbar verantwortlich waren, rekurrierte die Kammer auf § 25 Abs. 1 2. Alternative StGB, weil der Angeklagte Tatherrschaft kraft Organisationsherrschaft im Sinne der BGH-Rechtsprechung habe [7].

III. Die einschlägigen Rechtsausführungen des Bundesgerichtshofs

1. Bezogen auf beide [8] genannten Komplexe sieht der 1. Strafsenat den Angeklagten als mittelbaren Täter (§ 25 Abs. 1 2. Alt. StGB). Seinen Tatbeitrag sieht der Senat in der Organisation des Geschäftsbetriebes der Praxis und in den gegebenen allgemeinen Anweisungen. Er geht von einer einmaligen Einwirkung des Angeklagten aus und deshalb - im Gegensatz zum Landgericht - von tateinheitlicher Begehung, so weit dessen Beteiligung an konkreten Abgabevorgängen nicht festgestellt ist [9].

2. Der 1. Strafsenat billigt ausdrücklich die Übertragung der Grundsätze zur Tatherrschaft kraft Organisationsherrschaft, die im Urteil des 5. Strafsenats zum Nationalen Verteidigungsrats der DDR entwickelt wurden [10], auf den Fall der Tierarztpraxis des Angeklagten, soweit die Medikamente (in den Fällen II.14, II.15, II.18 und II.19) durch bei ihm angestellte Tierärzte ausgehändigt wurden. Der Senat ist der Auffassung, dass mittelbare Täterschaft unabhängig davon, ob die unmittelbaren Täter schuldhaft handeln, bei unternehmerischer Betätigung grundsätzlich und in aller Regel angenommen werden kann, wenn der Hintermann bestimmte Rahmenbedingungen durch Organisationsstrukturen schafft, die regelhafte Abläufe auslösen und er diese Bedingungen ausnutzt, um die erstrebte Tatbestandsverwirklichung herbeizuführen. Er beruft sich diesbezüglich auf die Rechtsprechung anderer Senate [11] und lässt erkennen [12], dass er in der Anwendung dieser Rechtsfigur auf Unternehmen keinesfalls einen Ausnahmefall sieht.

3. Tatsächlich hat der BGH seit Mitte der 90er Jahren mehrfach auf diesen Rechtsgedanken zurückgegriffen,

um die Bestrafung von leitenden Angestellten, Geschäftsführern und Unternehmern als Täter zu gewährleisten [13]. Allen diesen Judikaten ist gemein, dass es an einer grundsätzlichen und eingehenden Auseinandersetzung mit der Problematik der Übertragbarkeit einer Rechtsfigur, die zunächst im Hinblick auf die Entscheidungsabläufe im Militär- und Sicherheitsapparat eines totalitären Staates entwickelt und angewandt wurde, auf grundsätzlich im Rahmen der Legalität operierende Wirtschaftsunternehmen völlig fehlt. Statt dessen werden vereinzelte Gesichtspunkte aus der jeweiligen Fallgestaltungen zur Begründung der Tatherrschaft kraft Organisationsherrschaft herangezogen. Zusätzlich wird stets - meist pauschal - auf die Grundsatzentscheidung zum NVR der DDR verwiesen:

a) In der "Sterbehilfe"-Entscheidung stand für den 1. Strafsenat im Mittelpunkt, dass der behandelnde Arzt einerseits seine "Anordnungsbefugnis" in Anspruch nahm und sich andererseits die als unmittelbar Ausführende benötigten Pflegekräfte zu diesem in einer "untergeordneten, grundsätzlich weisungsgebunden Rolle" befanden [14]; eine andere Rollenverteilung als die Täterschaft sowohl des Pflegers, als auch des anordnenden Arztes, werde der "gegebenen Organisationsstruktur" nicht gerecht [15]. Die tatbestandliche Handlung des Hintermannes bestand nach Auffassung des Senats in der schriftlichen Anweisung an das Pflegepersonal, statt der Ernährung mittels Sonde dem Opfer nur noch Tee zuzuführen [16].

b) In einem weiteren Fall äußerte sich der 2. Strafsenat nahezu poetisch, wenn auch unpräzise, zur Begründung der täterschaftlichen Rolle von Geschäftsführern einer GmbH bei einer umweltgefährdenden Abfallbeseitigung: Diese hätten zur Tatbestandsverwirklichung "den Weg... eröffnet und vorgezeichnet"; konkrete Feststellungen zu einzelnen Handlungen der Angeklagten konnten hingegen nicht getroffen werden. Lediglich die "Einbindung und Beteiligung" der Angeklagten in die Geschäftsvorgänge um die Abfallbeseitigung wurde allgemein festgestellt. Überdies stellte der Senat noch auf das Tatinteresse und die Pflichtenstellung der Geschäftsführer hinsichtlich der ordnungsgemäßen Beseitigung der Abfälle ab [17]. Bezeichnenderweise enthält zumindest das Urteil des 2. Strafsenats keinerlei nähere Angaben zur Größe der Firma, der Organisationsstruktur und den Entscheidungsabläufen innerhalb derselben.

c) Ein Urteils des 4. Strafsenats bezeichnete die (faktischen) Geschäftsführer einer GmbH als mittelbare Täter der von den - nicht ausschließbar bösgläubigen - Angestellten zu Gunsten des Betriebes begangenen Betrugstaten - Warenbestellungen im laufenden Geschäftsbetrieb trotz Zahlungsunfähigkeit - obwohl "keine konkrete Einwirkung oder auch nur aktuelle Kenntnis des Angeklagten in Bezug auf die einzelnen Warenbestellungen festgestellt" werden konnte [18]. Zuvor hatten die Angeklagten in Kenntnis der Sachlage und in Voraussicht der Folgen durch Gesellschafterbeschluss die unveränderte Fortsetzung des Geschäftsbetriebes veranlasst. Als Täter kraft Tatherrschaft komme auch derjenige "in Betracht", der durch Organisationsstrukturen bestimmte Rahmenbedingungen ausnutze, die regelhafte Abläufe auslösen, die ihrerseits wiederum zur Tatverwirklichung führen, was der BGH auch für unternehmerische Betätigung bereits bejaht habe. Die Angeklagten hätten hier auch gegenüber dem Geschäftsführer - einem Lagerarbeiter, der von den Angeklagten eingestellt worden war - den notwendigen überragenden Einfluss ausüben können. Genaueres sagt der Senat jedoch weder zur Struktur des Unternehmens und noch zu den Entscheidungsabläufen, insbesondere legt er nicht dar, wie das Verhältnis zwischen den Angeklagten und den unmittelbar handelnden Angestellten war.

d) In einem weiteren Urteil hat der 5. Strafsenat den Teilfreispruch eines Rechtsanwalts, der einen Polizeibeamten des Bundesgrenzschutzes über sein Kanzleipersonal und einen freien Mitarbeiter der Kanzlei (ebenfalls Rechtsanwalt), in mehreren Fällen gegen Zahlung von Schmiergeldern mit der Ermittlung ungeklärter Wohn- oder Geschäftsanschriften beauftragt hatte, vom Vorwurf der Bestechung und der Anstiftung zum Verstoß gegen das Datenschutzgesetz, aufgehoben [19]. Der Angeklagte hatte diesbezüglich seinen Angestellten eine "generelle Anordnung" erteilt. Mit dem Polizeibeamten hatte er eine allgemeine Absprache. Die Bösgläubigkeit des Personals konnte weder ausgeschlossen noch festgestellt werden. Ein konkretes Tätigwerden des Angeklagten im Einzelfall müsse nicht nachgewiesen werden, auch komme es auf die Gutgläubigkeit des Personals nicht an; weil der Angeklagte durch einen einzigen "Organisationsakt" die Rahmenbedingungen für die Aktivität seines Kanzleipersonals gesetzt hatte und deshalb vom Täterwillen getragene Tatherrschaft gehabt habe. Eine mittelbare Täterschaft des Angeklagten komme deshalb in Betracht.

4. Auch auf diese Rechtsprechung beruft sich der Senat im Urteil vom 3. Juli 2003 [20]. Argumentativ begründet er die Annahme der Tatherrschaft kraft Organisationsherrschaft folgendermaßen: Der Angeklagte habe durch die streng hierarchische Organisation seiner Praxis,

die Umbenennung der Medikamente und die - allgemeinen - Anweisungen an die bei ihm angestellten Tierärzte, diese Medikamente in bestimmter Weise zu gebrauchen, die Rahmenbedingungen für die Medikamentenabgabe geschaffen. In diesem Rahmen sei es entsprechend seinen Vorgaben zu dem von ihm gewünschten Medikamentenverkauf gekommen. Er habe diese Rahmenbedingungen nicht nur geschaffen, sondern bewusst ausgenutzt, um zu erreichen, dass auch seine angestellten Tierärzte die Arzneimittel für Tiere abgaben, zu deren Behandlung die Medikamente nicht zugelassen waren. Den angestellten Tierärzten gegenüber habe er bei wertender Betrachtung Tatherrschaft gehabt, denn aufgrund seiner "Stellung als Arbeitgeber" seien diese "rein faktisch an seine Weisung gebunden" gewesen und auf die Medikamentenentnahme aus der Hausapotheke angewiesen. Seine beherrschende Rolle sei durch seine Verschleierungsmaßnahmen verstärkt worden, auch wenn der Vorsatz der angestellten Tierärzte damit nicht ausgeschlossen sei, da davon ausgegangen werden könne, diese hätten gewusst, welche Medikamente zugelassen waren und dass den Produkten des Angeklagten die Zulassung fehlte [21].

IV. Vereinbarkeit dieser Rechtsprechung mit der in Anspruch genommenen Grundsatzentscheidung zum Nationalen Verteidigungsrat der DDR?

Bei genauerer Betrachtung lassen sich die Rechtsausführungen des Senats - genauso wenig wie die der anderen Senate in den in Bezug genommenen Urteilen - nicht aus der Grundsatzentscheidung BGHSt 40, 218 herleiten, gleiches gilt für das offensichtlich grundsätzlich gewünschte Ergebnis, bei hierarchischer (Unternehmens-)Struktur und - generellem - Vorsatz des Vorgesetzten oder Arbeitgebers bzgl. der Tatbestandsverwirklichung durch Angestellte liege mittelbare Täterschaft des Vorgesetzten (bzw. des Inhabers oder Leiters) eines Wirtschaftsunternehmens vor.

1. Die Grundsätze der Entscheidung zur Organisationstatherrschaft aus BGHSt 40, 218

Zunächst ist auffällig, dass in dem Urteil des 5. Strafsenats eingehend die Organisationsstruktur der politischen Leitungsgremien der DDR, der nationalen Volksarmee der DDR, speziell der Grenztruppen, denen die unmittelbaren Täter angehörten, sowie die Entscheidungsstrukturen und die Befehls- bzw. Weisungslage beschrieben werden. Überdies werden die Tathandlungen der Hintermänner - die (mehrfache) Mitwirkung an Beschlüssen des NVR - genau identifiziert und wiedergegeben [22]. Nicht zuletzt auf dieser spezifischen Konstellation beruht die Annahme des 5. Strafsenats, es liege ein Fall der mittelbaren Täterschaft vor. Die Situation war besonders dadurch gekennzeichnet, dass zwischen den Hintermännern, den Mitgliedern des NVR der DDR, und den unmittelbaren Tätern, häufig einfachen Soldaten der Grenztruppen der DDR, eine geradezu unüberschaubar lange Befehlskette mit einer Vielzahl von Zwischengliedern lag. Der NVR der DDR fasste abstrakt-generelle Beschlüsse, die wiederum durch den Verteidigungsminister der DDR in (eher allgemein gehaltene) Befehle umgewandelt wurden, die in der militärische Hierarchie abwärts über viele Stufen an die Soldaten weitergegeben - und konkretisiert - wurden. Ein unmittelbarer intellektueller Kontakt in der für einen gemeinschaftlichen Tatentschluss erforderlichen Art war angesichts der tatsächlichen Umstände völlig ausgeschlossen, auch wenn man insoweit mit der Rechtsprechung nur sehr maßvolle Anforderungen stellt [23]. Der Senat hält eingangs seiner Rechtsausführungen fest, dass bei irrtumsfreiem und uneingeschränkt schuldhaftem Handeln des Vordermannes der "Hintermann regelmäßig nicht mittelbarer Täter" sei [24]. Nur Fallkonstellationen, bei denen trotz eines uneingeschränkt verantwortlichen Tatmittlers der Beitrag des Hintermannes "nahezu automatisch" zur Tatbestandsverwirklichung führe, seien anders zu beurteilen. Diese Situation "kann" dem Senat

zufolge vorliegen, wenn der Hintermann durch Organisationsstrukturen bestimmte Rahmenbedingungen ausnutzt, innerhalb derer sein Tatbeitrag regelhafte Abläufe auslöst. Dies komme "insbesondere bei staatlichen, unternehmerischen oder geschäftsähnlichen Organisationsstrukturen in Betracht" [25]. Eine Verbindung zur "Verantwortlichkeit beim Betrieb wirtschaftlicher Unternehmen" stellt der Senat im Hinblick darauf her, als er auch für diesen Fall annimmt, dass der "räumliche, zeitliche und hierarchische Abstand" zwischen Hintermann und Vordermann gegen arbeitsteilige Mittäterschaft spreche, ohne dass deshalb die täterschaftliche Verantwortung der Entscheidungsträger verneint werden dürfe [26], mit anderen Worten, dass mittelbare Täterschaft als dogmatische (Auffang-)Konstruktion in Betracht gezogen werden müsse. Zur rechtsdogmatischen Begründung der Konstruktion bezieht sich der Senat [27] auch auf das ursprünglich von Roxin [28] herausgearbeitete Kriterium der "Fungibilität" - der unbegrenzten und problemlosen Austauschbarkeit und Ersetzbarkeit - des Tatmittlers. Zudem verweist der Senat für die angesprochenen Konstellationen auf die Bedeutung der "Ausnutzung" der "unbedingten Bereitschaft" des unmittelbar Handelnden, den Tatbestand zu erfüllen, für die Rechtfertigung der Tatherrschaft. Insoweit nahm der Senat wohl - implizit - Bezug auf die Auffassung von F.C. Schroeder [29], der für die Organisationsherrschaft das Bestehen eines im Sinne des Hintermannes bereits gebildeten, durch eine Weisung nur noch auszulösenden, Tatentschlusses für ausschlaggebend hält [30]. Der Senat nimmt an, dass der Hintermann in diesen Konstellationen auch den erforderlichen Willen zur Tatherrschaft habe, wenn er weiß, dass die vom Tatmittler noch zu treffende - von den Rahmenbedingungen vorgegebene - Entscheidung gegen das Recht kein Hindernis bei der Tatbestandsverwirklichung darstelle.

2. Kurze Stellungnahme

Grundsätzlich ist die Anwendung der Rechtsfigur der Täterschaft hinter dem Täter kraft Organisationsherrschaft zumindest in den Fällen staatlichen Unrechts (oder auch im Rahmen von kriminellen Organisationen) zu begrüßen. Zur Vermeidung von Wiederholungen soll insofern auf eingehende Stellungnahmen verwiesen werden [31]. Besonders jedoch der - wohl nicht voll bewusst erfolgten - impliziten kumulativen Verknüpfung der Kriterien von Roxin und F. C. Schroeder durch den BGH ist - meines Erachtens - Positives abzugewinnen: Gerade in dem Zusammenhang der Einbindung des Vordermanns in die regelhaften Abläufe eines organisierten Systems kann als ergänzendes, zumindest indizielles Kriterium für dessen Stellung als Werkzeug im Sinne des § 25 Abs. 1 2. Alt. StGB die unbedingte Bereitschaft eines Mitglieds eine Organisation, jedwede Weisung - sei es auch die Begehung einer Straftat - auszuführen, von Bedeutung sein. Umgekehrt spricht die selbständige Entscheidung von Angehörigen der Organisation entgegen der Befehls- oder Weisungslage gegen eine Werkzeugstellung und gegen deren Fungibilität, denn wer ein jederzeit austauschbares Werkzeug ist, wird sich in den seltensten Fällen gegen Weisungen auflehnen, weil er - mit der Zeit - im Regelfall eine zu seiner Stellung passende Untertanenmentalität entwickelt hat [32]. Je unbedeutender die Stellung eines Befehlsempfängers aufgrund seiner Austauschbarkeit, desto eher wird dieser zu der Auffassung gelangen, dass seine Entscheidung im Ergebnis nicht maßgeblich ist. Die natürliche Folge davon dürfte sein, dass sich ein derartiges Glied eine Organisation von den Konsequenzen seiner Handlungen psychisch entlastet fühlt und ohne - bewusste - Zwischenschaltung eines eigenen Willensentschlusses Anweisungen "automatisch" umsetzt. Er muss sein Gewissen nicht mit einer bedeutsamen Entscheidung belasten, denn nach seinem - realistischen - Empfinden wäre seine Entscheidung, entsprechend oder entgegen der Weisung zu handeln ohne fühlbare Konsequenz in der Außenwelt, da der Apparat in jedem Fall für die Umsetzung der Weisung sorgt [33]. Insofern kann auch die psychische Disposition eines solchen Tatmittlers - anders als in der Literatur mehrheitlich angenommen wird [34] - mit dazu beitragen, dem Hintermann objektiv Tatherrschaft zu verschaffen, insbesondere wenn der jeweilige Hintermann

um diese Disposition weiß, diese voraussetzt und ausnutzt. Meiner Auffassung nach ergänzen sich insofern die beiden angeblich unvereinbaren Kriterien dahingehend, dass bei einem hohen Grad an Austauschbarkeit des Tatmittlers regelmäßig zugleich in hohem Maß eine unbedingte Bereitschaft zur ungeprüften Umsetzung von Weisungen vorliegen dürfte. Beides wiederum dürfte mit der Größe der Organisation, dem Grad von deren Hierarchisierung und der Ausrichtung von deren internen, aber faktisch geltenden und durchsetzbaren Normen am Prinzip von Befehl und Gehorsam zunehmen. Umgekehrt signalisiert fehlende Feststellbarkeit entweder der Fungibilität des Tatmittlers oder von dessen unbedingter Bereitschaft zur Umsetzung von Weisungen, dass Tatherrschaft des Vorgesetzten kraft Organisationsherrschaft nicht angenommen werden kann.

3. Inkonsistente Übertragung dieser Grundsätze auf Unternehmen

Die obigen Ausführungen (unter 1) lassen erkennen, dass sich der BGH hier und in den anderen in Bezug genommenen Entscheidungen zu Unrecht auf die Entscheidung zum NVR der DDR beruft:

a) Obwohl aus den Ausführungen des 5. Strafsenats hinreichend deutlich wird, dass die Wahl der Konstruktion der mittelbaren Täterschaft in casu mit der Unmöglichkeit in Verbindung steht, die Voraussetzungen der Mittäterschaft unter dem Gesichtspunkt des gemeinsamen Tatentschlusses und der gemeinsamen Tatausführung als verwirklicht anzusehen, und zwar nicht etwa aufgrund von Beweisschwierigkeiten, sondern weil gerade die vollständige Aufklärung des Sachverhalts eine derartige räumliche, zeitliche und organisatorische Distanz zwischen den unmittelbaren Tätern und den Hintermännern offenbarte, dass auch den maßvollen dogmatischen Anforderungen der ständigen Rechtsprechung des BGH insoweit nicht genüge getan werden konnte, spielte dieser Gesichtspunkt - soweit ersichtlich - bei der Übertragung der Grundsätze auf Wirtschaftsunternehmen bisher keine Rolle. Insbesondere in dem Fall, der dem Urteil des 1. Strafsenats vom 3. Juli 2003 zugrunde liegt, gab es unzweifelhaft direkten kommunikativen Kontakt zwischen dem Angeklagten als Inhaber der Tierarztpraxis und den - maximal 12 (wobei viele hundert Fälle einer Handvoll von Personen zuzuschreiben wurden) - angestellten Tierärzten, welche die Medikamente in den Verkehr brachten. Zwar hatte der Angeklagte nach den Feststellungen die Praxis "hierarchisch gegliedert", jedoch ergibt sich aus dem Sachverhalt auch, dass er den Tierärzten seine Weisungen zum Verkauf der Medikamente unter Verstoß gegen das AMG nicht lediglich mittelbar, sondern unmittelbar -. mündlich - gab. Die Existenz eines gemeinsamen Tatentschlusses und die Annahme von Mittäterschaft nach den Grundsätzen der Rechtsprechung, die keine Anwesenheit des Angeklagten bei der Abgabe der Medikamente an die Tierhalter, das heißt bei der Tatbestandsverwirklichung, fordert [35], stand bei realistischer Betrachtung grundsätzlich im Raum.

b) Auch eine gemeinsame - arbeitsteilige -Verwirklichung des Tatbestands im Sinne der ständigen Rechtsprechung ist in dem hier besprochenen Fall gerade nicht von vornherein von der Hand zu weisen, weil der Angeklagte nach den Feststellungen neben der Organisation des Praxisbetriebs und der Erteilung von Weisungen auch konkret im Vorbereitungsstadium an der Verwirklichung der Verstöße gegen das AMG mitwirkte, indem er die Medikamente teilweise in verschleiernder Weise oder auch zur Förderung des Verkaufs umbenannte. Rechtskonstruktive Hindernisse standen also der Annahme von Mittäterschaft, im Gegensatz zum Fall des NVR der DDR, nicht im Wege, da auch ein wesentlicher Tatbeitrag im Vorfeld vorlag.

c) Nur für solche Fälle, in denen derartige Probleme nach den Maßstäben des § 25 Abs. 2 StGB nicht überwunden werden können, das heißt der räumliche, zeitliche und hierarchische Abstand zwischen Vorder- und Hintermann der Annahme von Mittäterschaft im Wege steht, sollte - m.E. und der konkludenten Aussage des 5. Strafsenats nach - subsidiär die Konstruktion der Tatherrschaft aufgrund Organisationsherrschaft in der Rechtsprechung etabliert werden. Nicht zufällig merkte der 5. Strafsenat an, dass häufig die Verantwortlichkeit mit größerem Abstand zum Tatort nicht ab-, sondern zunehme und deshalb (zumindest mittelbare) Täterschaft angenommen werden müsse [36]. Dies verkennen bzw. übergehen sämtliche nachfolgenden Entscheidungen des BGH und berufen sich daher zu Unrecht umstandslos auf die Grundsatzentscheidung.

d) Die neueren Entscheidungen des BGH verkennen zudem das Regel-Ausnahmeverhältnis zwischen Mittäterschaft und mittelbare Täterschaft bei irrtumsfreiem und uneingeschränkt schuldhaftem Handeln des Vordermanns, welches die Grundsatzentscheidung zu Recht - indirekt - noch postulierte. Danach liegt in diesen Fällen in aller Regel keine mittelbare Täterschaft des Hintermannes vor, dies könne (nicht: müsse) bei der Ausnutzung von Organisationsstrukturen, die bestimmte regelhafte Abläufe auslösen, anders sein, und dies auch nur dann, wenn der Beitrag des Hintermannes nahezu automatisch zur Tatbestandsverwirklichung führt. Insofern ist meines Erachtens vorrangig zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Annahme einer (mit-)täterschaftlichen Stellung des Vordermannes - eine rechtswidrige und schuldhafte Verwirklichung des Tatbestands - vorliegen. Im Besprechungsfall wäre zunächst einmal zu klären gewesen, ob möglicherweise ein

gemeinsamer Tatentschlusses und eine gemeinsame Tatverwirklichung der angestellten Tierärzte mit dem Angeklagten vorlag. Daran fehlte es in der dem Urteil vom 3. Juli 2003 zugrunde liegenden Entscheidung des Landgerichts vollständig [37].

e) Entgegen der Intention des Urteils zum NVR der DDR rückte in den nachfolgend vom BGH entschiedenen Fällen zu Verantwortung von Entscheidungsträgern in Unternehmen überdies für die Instanzgerichte erkennbar der Gesichtspunkt der Beweiserleichterung im Hinblick auf die Gut- oder Bösgläubigkeit der unmittelbar Handelnden in den Vordergrund, der für den 5. Strafsenat zunächst nur eine Nebenfolge rechtskonstruktiver Erfordernisse war [38]. So stand in dem hier zu besprechen Fall der Annahme einer mittäterschaftlichen Begehung der Verstöße gegen das AMG lediglich entgegen, dass fast alle - ärztlichen und nichtärztlichen - Angestellten der Praxis des Angeklagten zwar grundsätzlich als Zeugen zur Verfügung standen, jedoch vom Landgericht aufgrund ihrer durchgängigen Einbindung in den Praxisbetrieb ein zum - umfassenden - Zeugnisverweigerungsrecht erstarktes Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 StPO) zuerkannt bekamen, welches sie zumindest im Hinblick auf ihre persönlichen Kenntnisse über die für die Rechtswidrigkeit des Arzneimittelverkaufs maßgeblichen Tatsachen auch wahrnahmen [39]. Dies führte praktisch dazu, dass das Landgericht sich nicht in der Lage sah, die für § 25 Abs. 2 StGB notwendigen Feststellungen zum subjektiven Tatbestand der unmittelbar ausführenden Personen zu machen. Unter diesen Umständen eröffnete die neuere Rechtsprechung zur Organisationsherrschaft einen verführerisch einfachen und scheinbar rechtlich einwandfreien Ausweg zu Verurteilung des Angeklagten als Täter.

f) Auch in anderer Hinsicht zeigte sich der BGH in den Entscheidungen zu mittelbaren Täterschaft in Wirtschaftsunternehmen unter dem Gesichtspunkt der Beweiserleichterung großzügiger als in seiner Grundsatzentscheidung: Insbesondere in den Urteilen des 2. Strafsenats vom 6. Juni 1996 und des 4. Strafsenats vom 11. Dezember 1997 [40] und dem hier besprochenen Urteil des 1. Strafsenats vom 3. Juli 2003 senkte er die Anforderungen an die Feststellung eines bestimmten, in Raum und Zeit fixierten und näher umschriebenen Tatbeitrags des Hintermannes deutlich ab. Während in der Entscheidung des 5. Strafsenats überzeugend dargelegt ist, dass der detailliert beschriebene Beschluss des NVR der kausale Tatbeitrag der Hintermänner war, dessen Wirkung auf die Tatmittler eingehend geschildert wird, bleibt der jeweilige kausale Tatbeitrag des Hintermannes in den anderen Entscheidungen im Dunkeln. Es ist jedenfalls nicht ausreichend, insofern lediglich von der "Einbindung und Beteiligung" des Hintermannes in die "Geschäftsvorgänge" zu sprechen, wie das der 2. Strafsenat tut. Gleiches gilt für die sonstigen ambivalenten Formulierungen der Entscheidung. Im Urteil des 4. Strafsenats ist zwar mit dem Gesellschafterbeschluss zur Fortführung des zahlungsunfähigen Unternehmens ein Tatbeitrag fixiert, wie und warum dieser interne Vorgang unter den Hintermännern kausale Wirkung für das objektiv betrügerische Verhalten der unmittelbar Handelnden hatte, wird jedoch nicht dargelegt. Der 1. Strafsenat beschreitet im Urteil vom 3. Juli 2003 in gewisser Weise - gefährliches - Neuland, indem er allenfalls in zweiter Linie auf nicht genau identifizierbare, zeitlich unbestimmte Weisungen des angeklagten Inhabers der Tierarztpraxis abstellt und sich mit solchen sehr genereller Natur, die das Landgericht allenfalls ansatzweise feststellt hatte [41], zufrieden gibt. In erster Linie stellt der Senat auf die Organisationsentscheidungen und -maßnahmen des Angeklagten ab, mit denen er Praxis und tierärztliche Hausapotheke auf einen möglichst großen Arzneimittelumsatz hin orientiert und sie auf sich bezogen hierarchisch strukturiert hatte. Gerade mit letzterer Erwägung dürfte der 1. Strafsenat zu weit - jedenfalls über das Urteil zum NVR der DDR hinaus - gehen, denn dort wird gerade davon abgesehen, etwa die Errichtung der Sicherungsanlagen an der innerdeutschen Grenze, die Einrichtung und Gliederung der Grenztruppen der DDR sowie deren Unterstellung unter die Befehlsgewalt des Verteidigungsministeriums und des Nationalen Verteidigungsrates, d. h. Organisationsentscheidungen, die eine tatbestandsmäßige Handlung anschließend ermöglichten, weil sie die Organisationsstrukturen für die Auslösung regelhafter Abläufe herstellen, als tatbestandliche Handlungen zu betrachten. Es handelt sich bei den Organisationsentscheidungen nämlich um klassische Vorbereitungshandlungen, die in besonderer Weise die Frage nach der Zurechenbarkeit des Taterfolges aufwerfen. Vielmehr wird richtigerweise auf die Mitwirkung an den Beschlüssen des Nationalen Verteidigungsrates abgestellt [42], mit denen die Angeklagten die Befehlskette in Gang setzten. Durch die nachfolgende Rechtsprechung wird es dem Instanzgericht weiter erleichtert, mit einem Minimum an leicht beweisbaren Feststellungen, gerade etwa bei Unternehmensgründern, die ihren Betrieb selbstverständlich selbst (hierarchisch)

organisiert haben, die Täterrolle eines Unternehmers rechtsbeständig darzulegen.

g) Noch weniger verständlich ist es, dass die seit BGHSt 40, 218 ergangenen, oben referierten, Entscheidungen völlig auf das in der Grundsatzentscheidung noch als mit maßgeblich angesehene und ausdrücklich bejahte - zutreffende - Kriterium der Fungibilität [43] des Tatmittlers verzichten. Weder bei der hier besprochenen, noch bei den anderen wirtschaftstrafrechtlichen Anwendungsfällen der Theorie vom "Täter hinter dem Täter" wird vom BGH mit einem Wort erwähnt, ob dem Hintermann statt des tatsächlich tätig gewordene Tatmittlers eine Vielzahl (oder auch nur eine Mehrzahl) potenziell einsetzbarer Werkzeuge zur Verfügung gestanden hätte. Jedenfalls für den hier primär interessierenden Sachverhalt des Urteils vom 3. Juli 2003 dürfte dies definitiv zu verneinen sein: Zwar hatte der Angeklagte eine Mehrzahl von angestellten Tierärzten und freien Mitarbeiter zur Verfügung, jedoch waren diesen nach den Feststellungen des Landgerichts in eine feste Praxisstruktur eingebunden, welche diesen bestimmte Aufgaben, insbesondere die Betreuung von bestimmten Tierhaltern und Tierbeständen, auf Dauer zuwies [44]. Jedenfalls ist aus den Feststellungen nicht zu erkennen, dass der Angeklagte ohne weiteres sofort im hinreichenden Umfang tierärztliches Personal zur Verfügung gehabt hätte, wenn einer oder mehrere der angestellten Tierärzte die Mitarbeit verweigert hätten. Hinzu kommt, dass die Verweigerung der Mitarbeit eines Tierarztes mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge gehabt hätte, dass der Angeklagte seiner - rechtswidrigen - Tätigkeit nicht weiter hätte nachgehen können, weil er mit einer Strafanzeige oder dem Einschreiten der Aufsichtsbehörde hätte rechnen müssen, überdies damit, dass eventuell gutgläubig gebliebene Mitarbeiter nicht mehr ohne weiteres seinen Anordnungen gefolgt wären. Der Angeklagte war also tatsächlich in besonderer Weise auf die freiwillige (oder unwissende) Kooperation seiner Mitarbeiter angewiesen.

h) Auch das Kriterium der unbedingten Bereitschaft des unmittelbar Handelnden, einen Straftatbestand auf Weisung eines Vorgesetzten erfüllen, welches der 5. Strafsenat im BGHSt 40, 218 noch für bedeutsam gehalten hatte, findet später keinerlei Erwähnung mehr, obwohl gerade in Bezug auf die Handlungs- und Entscheidungsprozesse in Wirtschaftsunternehmen, die in einem demokratischen Rechtsstaat operieren, nicht ohne weiteres die gleichen Bedingungen vorliegen dürften, wie in der staatlichen Bürokratie sowie den Sicherheits- und Militärapparaten einer Diktatur. Insofern kann nämlich nicht ohne weiteres ein Automatismus von Befehl und Gehorsam auch bezogen auf erkennbar rechtswidrige oder gar strafbare Handlungen, wie in BGHSt 40, 218 als Voraussetzung der Tatherrschaft des Hintermannes genannt, angenommen werden [45]. Die Tatsache, dass der 5. Strafsenat im Rahmen eines bloßen "obiter dictum" damals zumindest annahm, dass sich auch im Wirtschaftsleben derartige Situationen ergeben können, entbindet nicht von der Verpflichtung, eine vergleichbar intensive faktische Bindung des Untergebenen an die Weisungen des Vorgesetzten bzw. Arbeitgebers festzustellen. Bzgl. der neueren Rechtsprechung des BGH zur mittelbaren Täterschaft in Unternehmen lässt sich allenfalls in der oben widergegebenen Entscheidung des 4. Strafsenats, in der die faktischen Geschäftsführer (und beherrschenden Gesellschafter) einer GmbH einen seinen Aufgaben schon der Ausbildung und den intellektuellen Fähigkeiten nach nicht gewachsenen Strohmann als Geschäftsführer installierten und über diesen die Abläufe steuerten, die Erfüllung dieses Kriteriums annehmen. In den anderen Entscheidungen entnimmt der BGH die Existenz von Organisationsstrukturen, die regelhaft Abläufe auslösen, bereits der hierarchischen Struktur des Unternehmens selbst und verkennt, dass allein deshalb eine gleichsam automatische Verwirklichung von Weisungen, die strafbares Verhalten fordern, wie sie der 5. Strafsenat vor Augen hatte, nicht gewährleistet ist.

Gleiches gilt für die durch den 1. Strafsenat im besprochenen Urteil hervorgehobene Stellung des Hintermannes als Arbeitgeber, die dessen Stellung als weisungsberechtigtem Vorgesetzten nichts Wesentliches hinzufügt, jedenfalls wenn nicht kumulativ der Arbeitsplatzes des Vordermanns im Weigerungsfall außerordentlich gefährdet erscheint, der Rechtsschutz durch die Arbeitsgerichte nicht erfolgversprechend ist und die Arbeitsmarktsituation eine neue und gleichwertige Beschäftigung nicht hergibt. Hierzu gab es keinerlei Erkenntnisse. Erst recht gilt dies, wenn, wie in dem besprochenen Fall, nicht einmal eine konkludente Drohung mit den aus der Arbeitgeberstellung resultierenden Befugnissen und faktischen Möglichkeiten festgestellt ist. Unter dem vom 1. Strafsenat gesehenen Umständen taugt die Arbeitgeberstellung nicht einmal zur ergänzenden Begründung einer Tatherrschaft kraft Organisationsherrschaft. Gleiches gilt für den Hinweis, die angestellten Tierärzte seien auf die Medikamentenentnahme aus der Hausapotheke des Angeklagten angewiesen gewesen. Gerade weil diese Angestellte des Angeklagten waren, lag die Abgabe von möglichst vielen Medikamenten stets im Interesse des Angeklagten, so dass dessen alleinige Verfügungsberechtigung über die Hausapotheke - insbesondere angesichts der vollständigen Abwesenheit irgendwelcher Feststellungen, dass darin seitens der Tierärzte ein Druckmittel gesehen wurde oder dieser Umstand konkludent als Druckmittel eingesetzt wurde - ohne Belang ist. Hinzu kommt, dass feststeht, dass die angestellten Tierärzte in vielen Einzelfällen gerade ohne konkrete Kenntnis und explizite Einverständnis des Angeklagten von den mit der Verwaltung der Hausapotheke

betrauten Angestellten die für nötig gehaltenen Medikamente erhielten [46].

V. Fazit

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der BGH in seinen Entscheidungen zur mittelbaren Täterschaft in Wirtschaftsunternehmen nicht etwa die zutreffenden Grundsätze von BGHSt 40, 218 auf die dort anders gelagerten Sachverhalte anwendet, sondern sich vielmehr - ohne dies auszusprechen - von einem Großteil der dort aufgestellten und im Zusammenhang mit den Entscheidungsabläufen bei wirtschaftlicher Betätigung besonders problematischen bzw. schwer zu beweisenden Anforderungen abgerückt ist. Häufig vermitteln die hier behandelten Entscheidungen des BGH den Eindruck, als wollten sie die eigentlich für die Annahme von mittelbarer Täterschaft oder Mittäterschaft unzureichenden Feststellungen des jeweiligen Instanzgerichts, auf deren Lücken der BGH gelegentlich inzident und diskret hinweist [47], um nahezu jeden rechtsdogmatischen Preis aufrechterhalten, weil er - so scheint es - unter unausgesprochener Zugrundelegung einer nicht präzise umschriebenen Mischung aus subjektiver Theorie und Tatherrschaftslehre, auf jeden Fall die "zentrale Figur" der Tat als Täter zur Verantwortung gezogen sehen will. Diese "zentrale Figur" wird anscheinend häufig weniger unter Bezug auf den Anteil an der Verwirklichung des gesetzlichen Straftatbestands im konkreten Einzelfall als im Hinblick auf die Stellung des Angeklagten in der sozioökonomischen Rangsskala der mutmaßlichen Tatbeteiligten sowie dessen Machtstellung im Gesamtgefüge der bei Kenntnis der Umstände objektiv an der Tat beteiligten oder auch nur daran interessierten Personen bestimmt. So kommt es faktisch dazu, dass der Leiter eines Unternehmens für alles, was in seinem Betrieb geschieht und von seinem Wissen und Wollen auch nur in ganz allgemeiner Form umfasst ist, als mittelbarer Täter haftbar gemacht werden kann [48].

Grundsätzlich gebührt dieser Umkehrung des sprichwörtlichen "die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen" als Ausdruck des Strebens nach mehr materieller Gerechtigkeit alle Sympathie, jedoch darf dies nicht auf Kosten der völligen Auflösung von - in der Rechtsprechung - unter anderem durch das Urteil zum NVR der DDR mühsam gewonnenen dogmatischen Strukturen geschehen. Zumindest für die Frage, ob mittelbare Täterschaft vorliegt, war in der Rechtsprechung des BGH - im Gegensatz zur Abgrenzungsproblematik zwischen Mittäterschaft und Teilnahme [49] - etwa seit den 80er Jahren eine faktische, wenn auch teilweise nicht eingestandene, Hinwendung zur trennschärferen Tatherrschaftslehre erkennbar [50].

Die Entscheidung BGHSt 40, 218 stellt einen insbesondere durch die nachfolgenden Rechtsprechung zur mittelbaren Täterschaft im Wirtschaftsleben in Frage gestellten Höhepunkt dieser Entwicklung dar. Über die dort kombiniert zugrundegelegten, in beträchtlichem Maße greifbaren und verifizierbaren Kriterien der Fungibilität bzw. der unbedingten Tatbereitschaft des Tatmittlers nach den (Tatherrschafts-)Lehren Roxins und F. C. Schroeders wurden jedenfalls für den Teilbereich der "Täter hinter dem Täter" im Rahmen hierarchischer Organisationen in der Rechtsprechung außergewöhnlich klare und eindeutige, vorrangig auf die objektiven Umstände [51] der Tatbestandsverwirklichung bezogene, Vorgaben für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gemacht. Diese heben sich insbesondere von dem dehnbaren Begriff des Tatinteresses, welchem der BGH bei der Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und bloßer Teilnahme gern entscheidende Bedeutung zuspricht [52], vorteilhaft ab. An dem Fehlen klarer Kriterien litt und leitet die Stringenz und Einheitlichkeit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Täterschaft und Teilnahme ansonsten. Der BGH meint, diese Rechtsfrage einer wertenden Gesamtbetrachtung des Instanzgerichts unter Berücksichtigung insbesondere der - nicht weiter umschriebenen - Tatherrschaft, des Tatherrschaftswillens, des Gewichts des Tatbeitrages sowie des Tatinteresses überlassen zu können und räumt faktisch dem Tatrichter insofern ein beträchtlicher Ermessensspielraum hinsichtlich der rechtlichen Bewertung ein [53]. Trotz der nominellen Inbezugnahme der Organisationsherrschaft in den hier kritisierten Entscheidungen hat sich der BGH nunmehr auch für den Bereich der Straftaten im Rahmen von Organisationen und Unternehmen für diese aus der subjektiven Theorie hergeleitete Gesamtbetrachtungslehre und damit für einen weiten Ermessensbereich des Tatrichters entschieden. Durch die Beifügung einer um die wesentlichen Unterscheidungskriterien verminderten Lehre von der "Täterschaft hinter dem Täter" durch Organisationsherrschaft hat er diesen Ermessensbereich

sogar weiter entgrenzt. Die dogmatischen Konturen der § 25 Abs. 1 2. Alt. und Abs. 2 StGB in der Rechtsprechung haben sich damit endgültig aufgelöst. Eine trennscharfe Abgrenzung der beiden Täterschaftsformen von einander ist - in Sachverhaltskonstellationen wie hier - kaum noch möglich. Zumindest für den Sachverhalt der hier besprochenen Entscheidung ist erkennbar, dass diese Rechtsprechung zur Konsequenz hat, dass nunmehr definitiv die Vorurteilung des "Hintermannes" als mittelbaren Täter möglich ist, wenn angesichts der Gegebenheiten keinesfalls davon gesprochen werden kann, dass dieser die Tat "durch einen anderen" - als Werkzeug - (§ 25 Abs. 1 2. Alt. StGB) begangen hat.

Mit den voranstehenden Ausführungen ist noch nicht in hinreichender Weise positiv und abschließend umrissen, unter welchen Umständen und nach welchen Kriterien die - grundsätzlich zulässige - Annahme mittelbarer Täterschaft kraft Organisationsherrschaft auch bei wirtschaftlicher Betätigung in Unternehmen in Betracht kommt. Dies soll einer weiteren Abhandlung überlassen bleiben, in der insbesondere auch die Frage erörtert werden wird, inwieweit die standesrechtlichen Bindungen von Angehörigen der freien Berufe ihrer Eigenschaft als Tatmittler i. S. des § 25 Abs. 1 2. Alt. StGB - in Anwaltskanzleien oder (Tier-)Arztpraxen - entgegensteht. [54]


[1] Soweit ersichtlich, ist das Urteil in den Druckwerken - das heißt außerhalb von HRR-Strafrecht - noch unveröffentlicht. Es enthält ansonsten überwiegend zustimmungswürdige Ausführungen zur Befangenheit von Sachverständigen, zur Interpretation des AMG, zu Konkurrenzproblemen und zu Rechtsfragen des Verfalls.

[2] BGHSt 40, 218 ff.

[3] BGH, Urt. vom 3. Juli 2003 - 1 StR 453/02, S. 5.

[4] BGBl 1998 I S. 2649.

[5] BGBl 1994 I S. 3018.

[6] BGH, Urt. vom 3. Juli 2003 - 1 StR 453/02, S. 6/7, 25/26.

[7] BGH, Urt. vom 3. Juli 2003 - 1 StR 453/02, S. 10-14.

[8] Auch die Fälle unter II.2-9, in denen das Landgericht anscheinend unmittelbare Täterschaft annahm.

[9] BGH, Urt. vom 3. Juli 2003 - 1 StR 453/02, S. 24-26: Insoweit, als das Landgericht den Angeklagten wegen jedes einzelnen Abgabevorgangs tatmehrheitlich verurteilt hat, hat der Senat entweder den Schuldspruch in tateinheitliche Begehung abgeändert (II. 2) oder - mangels hinreichend eindeutiger Feststellungen - mit den Feststellungen aufgehoben (II. 3,II. 4,II. 5,II. 6,II. 7), UA S. 3, 24 ff; der BGH kann sich diesbezüglich auf gefestigte Rechtsprechung stützen, etwa BGH, Beschluss vom 10. Mai 2001 - 3 StR 52/01=StV 2002, 73; BGH, Urteil vom 11. Dezember 1997 - 4 StR 323/97=NJW 1998, 568; BGH, Beschluss vom 19. November 1996 - 1 StR 572/96=NStZ 1997, 61.

[10] Unrichtigerweise gibt der 1. Strafsenat. als Fundstelle für das Urteil zum NVR der DDR BGHSt 40, 126 an (UA S. 29) bei dieser Entscheidung (genauer: BGHSt 40, 125 ff) handelt es sich zwar auch um mittelbare Täterschaft im Zusammenhang mit dem DDR-Regime, nämlich die Freiheitsberaubung an DDR-Bürgern durch politische Verdächtigung, tatsächlich ist das Urteil zum NVR in BGHSt 40, 218 abgedruckt; nur dort finden sich im übrigen die Ausführungen zur Tatherrschaft kraft Organisationsherrschaft, daher muss man davon ausgehen, dass der Senat diese Entscheidung gemeint hat; die weiteren Entscheidungen zur Bewältigung staatlichen Unrechts in der DDR beziehen sich nicht auf den NVR bzw. haben bzgl. der Täterschaft durch Organisationsherrschaft keinen grundsätzlichen Charakter, vgl. BGHSt 40, 307; 42, 65; 44, 204; 45, 270, 296 ff (Politbüro; vollumfängliche Wiedergabe der Grundsätze von BGHSt 40, 218); siehe auch BGH, Beschl. vom 30.6.1999 - 2 BJs 95/97 - 4- Stb 5/99 (unveröffentlicht) vgl. bei Rotsch, ZStW 112 (2000), 518, 558 ff.

[11] BGH, Urt. vom 22. Juni 2000 - 5 StR 268/99 ( NStZ 2000, 596 = StV 2002, 26); BGH, Urteil vom 6. Juni 1997 - 2 StR 339/96 (NJW 1998, 767 = NStZ 1998, 568 = StV 1998, 416 = wistra 1998, 148 = BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täterschaft 1); BGH, Urteil vom 11. Dezember 1997 - 4 StR 323/97 (BGHSt 43, 219 = NStZ 1997, 544 = StV 1998, 131 = BGHR StGB § 326 Abs. 1 mittelbare Täterschaft 2).

[12] Deutlicher wurde dies noch in der Verhandlung am 1./3. Juli 2003 durch Äußerungen von Herrn Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Nack, der sinngemäß meinte, die Annahme mittelbarer Täterschaft in Unternehmen sei "nichts Besonderes" und ständige Rechtsprechung nicht nur des BGH, sondern bereits seit längerem der Wirtschaftsstrafkammern der Landgerichte.

[13] Neben den vom Senat zitierten Entscheidungen ist am Rande ist hier auch die "Sterbehilfe"-Entscheidung, BGHSt 40, 257 ff einschlägig, weil die Organisationsform "Krankenhaus" in ihrer Rechtsgebundenheit und den Entscheidungsstrukturen dem Wirtschaftsleben zumindest vergleichbar ist (hier ging es um die Entscheidungsabläufe in einem Krankenhaus, namentlich um das Verhältnis zwischen behandelndem Arzt und Pflegepersonal); angedeutet ist diese Entwicklung bereits in der Ausgangsentscheidung BGHSt 40, 218.

[14] BGHSt 40, 257, 267/268.

[15] BGHSt 40, 257, 266.

[16] BGHSt 40, 257, 265; aufgrund des Mangels an Nährstoffen wäre die schwerkranke Geschädigte so in absehbarer Zeit gestorben.

[17] BGHSt 43, 219, 231/232.

[18] BGH NJW 1998, 767 = NStZ 1998, 568 = StV 1998, 416 = wistra 1998, 148.

[19] BGH NStZ 2000, 596 ff = StV 2002, 26 ff.

[20] BGH, Urt. vom 3. Juli 2003 - 1 StR 453/02, S. 29.

[21] BGH, Urt. vom 3. Juli 2003 - 1 StR 453/02, S. 29/30.

[22] BGHSt 40, 218, 219-228.

[23] Die bloße Kenntnis des Vorhabens oder seine nachträgliche Billigung genügt insoweit nämlich nicht, vgl. BGH MDR 1953, 272. Die Mittäter müssen alle das Tun aller als gemeinschaftliches Tun wollen; BGHSt 8,393. Zwar ist eine ausdrückliche gemeinsame Planung von Tatbeginn nicht erforderlich und der gemeinsame Tatentschluss kann auch erst während der Tatausführung gefasst werden, auch konkludent durch arbeitsteilige Tatausführung. Die Mittäter müssen sich nicht einmal vor dem gemeinsame Tatentschluss gekannt haben, vgl. BGHSt 6, 249; 37, 292; BGH NJW 1987, 268; NStZ 1985, 70; 1999, 510. Angesichts der hierarchischen Rangunterschiede der Beteiligten dürfte hier jedoch die minimalen Anforderungen nicht erfüllt sein, weil von einer irgendwie gleichgewichtigen Tatplanung nicht die Rede sein kann. Allein maßgeblich war hier der - allein und gewissermaßen souverän gefasste - Tatentschluss des NVR, der mit Hilfe von Mechanismen von Befehl und Gehorsam umgesetzt wurde, ohne dass es zu einer Willensübereinkunft mit den Ausführenden kommt. Auf den unteren Hierarchieebenen gab es die Möglichkeit zu einer selbstständigen Entscheidung über die (Nicht-)Herstellung einer Willensübereinkunft und deren Rückkoppelung an die Vorgesetzten an der Spitze der Hierarchie faktisch und technisch nicht. Auch die These F.C. Schroeders (vgl. Der Täter hinter dem Täter (1965), S. 143 ff, 152, 158; ders. JR 1995, 177, 178), dass die abrufbare und unbedingte Bereitschaft zur Umsetzung von Weisungen bzw. Befehlen kennzeichnend für die Situation in streng hierarchisch strukturierten Staats- und Machtapparaten ist, erscheint deshalb überzeugend; vgl. aber auch zutreffend Roxin AT Bd. 2 § 25 Rdnr. 121; anderer Ansicht Jescheck/Weigend AT, 5. Aufl., § 62 II 8;. Otto AT 6. Aufl., § 21 IV 3 d; Baumann/Weber AT 10. Aufl. § 29 IV 1; Jakobs NStZ 1995, 27. Auch am Vorliegen einer gemeinsamen - arbeitsteiligen - Tatausführung gemäß § 25 Abs. 2 StGB, vgl. Tröndle/Fischer § 25 Rdnr. 6 m. w. N. zur Rechtsprechung, dürfte es bei realistischer Betrachtung fehlen, da der NVR nicht einmal einen irgendwie konkretisierten Tatplan, sondern lediglich die abstrakten Vorgaben für die Verhaltensweise bei Grenzdurchbrüchen lieferte und überdies bei der Mittäterschaft (aufgrund von deren "horizontaler Struktur") im Hinblick auf die Tatbestandsverwirklichung eine annähernd gleichgewichtige Stellung der Beteiligten zu fordern ist; vgl. zutreffend Bloy GA 1996, 440; Knauer, Die Kollegialentscheidung im Strafrecht (2001) S. 73f.; Roxin AT Bd. 2 § 25 Rdnr. 122/123.

[24] BGHSt 40, 218, 236.

[25] BGHSt 40, 218, 236.

[26] BGHSt 40, 218, 237.

[27] BGHSt 40, 218, 236: "Der Senat ist der Auffassung, dass damit für Fälle mittelbare Täterschaft zutreffende Abgrenzungskriterien aufgezeigt sind". Dies bezieht sich unter anderem auf die vorhergehend in Bezug genommenen Ausführungen zur Ansicht von Roxin auf den S. 233/234.

[28] Roxin AT Bd. 2 (2003),§ 25 Rdnr. 107, 111, 115; so schon derselbe in: GA 1963, 193 ff und LK 11. Auflage, § 25 Rn. 54; Täterschaft und Tatherrschaft, 7. Aufl. (2000), S. 242-252, 677 ff.

[29] F. C. Schroeder, Der Täter hinter dem Täter (1965), S. 152 ff.

[30] BGHSt 40, 218, 236/237; die Auffassung von Rotsch ZStW 112 (2000), 518, 539/540 und Roxin, AT Bd. 2 § 25 Rdnr. 133 ff, dass das entscheidende Kriterium von Schroeder, die unbedingte Tatentschlossenheit des Vordermanns, im Urteil ohne sinnhafte Verbindung neben den Ansatz Roxins gestellt wurde, trifft meines Erachtens nicht zu, s.u.

[31] Vgl. pro und contra etwa Roxin, JZ 1995, 49; Schroeder, JR 1995, 177; Jakobs, NStZ 1995, 26; Gropp, JuS 1996, 13; Murmann, GA 1996, 269; Bloy GA 1996, 425; Rotsch, NStZ 1998, 491; Ambos, GA 1998, 226.

[32]anders Roxin, AT Bd. 2 § 25 Rdnr. 114 ff; Rotsch, ZStW 112 (2000), S. 518, 530.

[33] Vgl. F.C. Schroeder, der Täter hinter dem Täter, S. 196 ff, 222.

[34] Rotsch ZStW 112 ( 2000) S. 518, 525/526; vgl. grundsätzlich auch Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, 1977, S. 49 ff; die - etwas polemische - Stellungnahme von Roxin, AT Bd. 2 § 25 Rdnr. 134/135, dass "Angestellte" zur Durchführung von Straftaten nicht in höherem Maße zu veranlassen sein dürften als andere, trifft wohl jedenfalls bzgl. von Organisationen, in denen ein starkes Machtgefälle festgestellt ist, welches erfolgversprechende Möglichkeiten zu Nötigung beinhaltet und in denen faktisch das Prinzip von Befehl und Gehorsam gilt und durchsetzbar ist, auch wenn es um Verstöße gegen Strafgesetze geht, nicht den entscheidenden Punkt. Der Verweis auf die Anstifterrolle desjenigen, der gemäß § 30 Abs. 2 StGB das Erbieten eines anderen zu einer Straftat annimmt, ist nicht überzeugend, weil richtigerweise in der Bereitschaft zur Tatbegehung nur eine von mehreren, kumulativ erforderlichen Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft zu sehen ist.

[35] vgl. BGHSt 11, 271; 14, 28; 37, 292; 40, 301; BGH NStZ 1995, 122; 1996, 495; 2002, 74.

[36] BGHSt 40, 218, 237.

[37] vgl. LG Regensburg, Urteil vom 24. April 2002 - 1 KLs 138 Js 93022/00 (unveröffentlicht), etwa UA S. 414 f,416, 420, 422; theoretisch käme wohl auch eine gleichartige Wahlfeststellung, d.h.Tatsachenalternativität, weil der Täter nur ein Strafgesetz verletzt hat, vgl. Tröndle/Fischer § 1 Rn. 25, zwischen den tatsächlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 2. Alt. StGB und des § 25 Abs. 2 StGB in Betracht, wenn beweisbar ist, dass - sicher - eine von beiden Sachverhaltskonstellationen vorliegt, ohne dass man jedoch weiß, welche von beiden. Hier jedoch dürfte dieser Ausweg m.E. versperrt sein, da es die rechtlichen Anforderungen für die Annahme von Tatherrschaft kraft Organisationsherrschaft sind, so wie sie hier verstanden werden, die aufgrund der insoweit hinreichend sicher festgestellten Gegebenheiten ausschließen, dass mittelbare Täterschaft angenommen werden kann.

[38]BGHSt 40, 218, 237

[39]vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 55 Rdnr. 7 m. w. N. zur Rechtsprechung; die konkreten Umstände des Falles ergeben sich aus der Sitzungsniederschrift des LG Regensburg.

[40] BGH NStZ 1997, 544 und NJW 1998, 767

[41] LG Regensburg, Urteil vom 24. April 2002 - 1 KLs 138 Js 93022/00 (unveröffentlicht), UA S. 15-17, 220, 303 f.

[42] BGHSt 40, 218, 239.

[43] s.o. vgl. insofern zutreffend auch Rotsch, NStZ 1998, 491, 492; ders. eingehend in ZStW 112 (2000), 517, 537 ff.

[44] LG Regensburg, Urteil vom 24. April 2002 - 1 KLs 138 Js 93022/00 (unveröffentlicht), UA S. 15, 17.

[45] Vgl. die im Ausgangspunkt zutreffenden Ausführungen von Roxin, AT Bd. 2 § 25 Rdnr. 130 ff.

[46] BGH, Urteil vom 3. Juli 2003 - 1 StR 453/02, S. 25/26.

[47] vgl. etwa BGHSt 43, 219 ff keine "Feststellung weiterer konkrete Einzelmaßnahmen der Angeklagten"; BGH NStZ 1998, 568, 569: "ohne nähere Erörterung"... "keine konkrete Einwirkung oder auch nur aktuelle Kenntnis der Angeklagten... festgestellt".

[48] Rotsch, ZStW 112 (2000), 517, 556; vgl. auch Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, 7. Aufl. (2000), S. 617.

[49] Vgl. etwa BGHSt 11, 271; 14, 123; 16, 12/14; 37, 292; BGH MDR 1975, 366; BGHR StGB § 25 Abs. 2 Tatinteresse 5; BGH NStZ 1995, 120; 1999, 609; auch in jüngeren Entscheidung zur Mittäterschaft stellte der BGH regelmäßig noch maßgeblich auf der Tatherrschaftslehre fremde Umstände wie das Tatinteresse ab und bejaht in einer Vielzahl von Fällen das im Grundsatz irgend eine Förderung der Tat als Tatbeitrag, auch außerhalb des Kerngeschehens etwa im Vorbereitungsstadium ausreichend sein kann.

[50] Vgl. die repräsentative Ausführungen von Tröndle/Fischer § 25 Rdnr. 3 ff mit Hinweisen auf die Literatur; BGHSt 35, 353; 40, 257, 267; 43, 232; BGH StV 1996, 479; insbesondere gab es im Ergebnis wohl selten unterschiedliche Auffassungen über die Rolle des Hintermannes als Täter oder Teilnehmer.

[51] Die unbedingte Tatbereitschaft des Tatmittlers wird sich häufig auch aus dem Umfeld - dessen Organisations- und Entscheidungsstruktur -folgern lassen, sowie aus den konkreten Umständen der Tatbegehung und der Persönlichkeit des Tatmittlers.

[52] Vgl. etwa BGH StV 2001, 462; BGHR StGB § 25 Abs. 2 Tatinteresse 2.

[53] vgl. hierzu BGHSt 37, 289, 291; BGH NStZ 1987, 225; StV 1981, 275; BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 13,18; Tatinteresse 2; zu Recht kritisch gegenüber dieser "Gesamtschau" ist Roxin in: 50 Jahre BGH, Festgabe aus der Wissenschaft, Bd. 4 (Strafrecht und Strafprozessrecht), 2000, S. 177, 194 ff.

[54] Ein entsprechender Beitrag des Autors für die HRR-Strafrecht 2004 (voraussichtlich die Ausgabe im Januar oder Februar) ist in Planung.