HRR-Strafrecht

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Oktober 2003
4. Jahrgang
PDF-Download

Hervorzuhebende Entscheidungen des BGH

I. Materielles Strafrecht

1. Schwerpunkt Allgemeiner Teil des StGB


Entscheidung

BGH 3 StR 153/03 - Urteil vom 24. Juli 2003 (LG Oldenburg)

BGHSt; Ende der strafrechtlichen Garantenpflicht unter Eheleuten (Trennung in der ernsthaften Absicht, die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wieder herzustellen; Garantenstellung); Beweiswürdigung; Beihilfe durch Unterlassen zur gefährlichen Körperverletzung.

§ 224 StGB; § 27 StGB; § 13 Abs. 1 StGB; § 1353 BGB; § 1565 Abs. 1 BGB; § 1566 BGB; § 261 StPO

1. Die strafrechtliche Garantenpflicht unter Eheleuten endet, wenn sich ein Ehegatte vom anderen in der ernsthaften Absicht getrennt hat, die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wieder herzustellen. (BGHSt)

2. Einerseits muss die Beantwortung der Frage nach den strafrechtlichen Schutzpflichten unter Eheleuten ihren Ausgangspunkt bei § 1353 BGB nehmen. Dementsprechend kann die gegenseitige Beistandspflicht nicht etwa schon mit dem bloßen Auszug eines Ehegatten aus der Ehewohnung als solchem, also mit der bloßen räumlichen Trennung als beendet angesehen werden. Das Fehlen einer häuslichen Gemeinschaft muss - je nach den Umständen - nicht bedeuten, dass die eheliche Lebensgemeinschaft aufgegeben worden ist. (Bearbeiter)

3. Es würde jedoch eine nicht zu rechtfertigende Überdehnung der strafrechtlichen Beistandspflicht unter Eheleuten bedeuten, wollte man annehmen, dass diese erst mit dem Ende der Ehe, ggf. also erst mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils endet. Es sind zahlreiche Lebensgestaltungen denkbar, in denen - ungeachtet des formal fortbestehenden Ehebandes - keiner der beiden Ehegatten tatsächlich darauf vertraute oder auch nur Anlass hätte, darauf zu vertrauen, der andere Teil würde ihm zum Schutze seiner Rechtsgüter beistehen. Das gilt besonders augenfällig etwa dann, wenn die Ehegatten bereits seit Jahren getrennt sind, dabei möglicherweise sogar mit anderen Partnern in einer Lebensgemeinschaft verbunden, wie auch dann, wenn sie - etwa aus rein wirtschaftlichen Gründen - nach schweren ein- oder beidseitigen Eheverfehlungen oder Zerwürfnissen in

demselben Haus oder in derselben Wohnung getrennt voneinander leben. (Bearbeiter)

4. Bei einer bloßen, auf gegenseitige Hilfeleistung angelegten Gemeinschaftsbeziehung, wie sie etwa auch bei einer Wohngemeinschaft gegeben sein mag, wird die strafrechtliche Garantenpflicht im allgemeinen mit dem tatsächlichen Ende der Beziehung enden. (Bearbeiter)

5. Es ist für die Annahme einer Beihilfe durch Unterlassen nicht erforderlich, dass die unterlassene Handlung den Taterfolg verhindert hätte (vgl. BGH NJW 1953, 1838). (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 1 StR 453/02 - Urteil vom 3. Juli 2003 (LG Regensburg)

Unerlaubtes Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln außerhalb von Apotheken; mittelbare Täterschaft (Täter kraft Tatherrschaft; Organisationsherrschaft; Täter hinter dem Täter; Übertragung in das Wirtschaftsstrafrecht / auf Unternehmen); unerlaubte Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Tierhalter (Dispensierrecht); unerlaubtes Inverkehrbringen von Arzneimitteln mit irreführender Bezeichnung (Bewertungseinheit); Unparteilichkeit des Sachverständigen (Besorgnis der Befangenheit bei Äußerungen in Publikationen, Lehrveranstaltungen oder Fachtagungen); unerlaubtes Inverkehrbringen verschreibungspflichtiger Arzneimittel außerhalb von Apotheken; Abgrenzung von Tateinheit und Tatmehrheit bei mehreren Tatbeteiligten (mittelbare Täterschaft; Abgrenzung nach den jeweiligen Tathandlungen); milderes Gesetz (Umwandlung in eine Ordnungswidrigkeit); Beweiswürdigung (Kognitionspflicht); Berufsverbot (Pflichtverletzung); Verfall (unbillige Härte: keine Umgehung des Bruttoprinzips / Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne; Entreicherung; Ermessen).

§ 73c Abs. 1 S. 1 StGB; § 73c Abs. 1 S. 2 1. Alt. StGB; § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG a.F.; § 43 Abs. 1 AMG a.F.; § 95 Abs. 1 Nr. 8 AMG; § 56a Abs. 1 Nr. 1 AMG; § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG; § 96 Nr. 3 AMG; § 25 Abs. 1 StGB; § 52 StGB; § 53 StGB; § 70 Abs. 1 StGB; § 2 Abs. 3 StGB; § 74 Abs. 1 StPO; § 24 Abs. 2 StPO; § 261 StPO

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann Täter kraft Tatherrschaft auch derjenige sein, der bestimmte Rahmenbedingungen durch Organisationsstrukturen schafft, die regelhafte Abläufe auslösen, wenn er diese Bedingungen ausnutzt, um die erstrebte Tatbestandsverwirklichung herbeizuführen. Nach diesem Maßstab bejaht der Bundesgerichtshof mittelbare Täterschaft auch bei unternehmerischer Betätigung unabhängig davon, ob die unmittelbaren Täter schuldhaft handeln (hier: Anwendung auf eine Tierarztpraxis).

2. In der Regel liegt kein Grund zu Zweifeln an der Unparteilichkeit eines Sachverständigen vor, wenn er sich im Rahmen seiner Berufsausübung - etwa in Publikationen, bei Lehrveranstaltungen oder auf Fachtagungen - zu einer Frage aus seinem Fachgebiet allgemein äußert oder hierzu im Rahmen der Erstattung eines Gutachtens besonders Stellung nimmt. Innerhalb dieses Rahmens abgegebene Äußerungen rechtfertigen die Besorgnis seiner Befangenheit grundsätzlich nicht, mag der Sachverständige dabei auch eine wissenschaftliche Meinung vertreten, die sich in einem anhängigen Strafverfahren zum Nachteil des Angeklagten auswirken würde.

3. Ein Handeltreiben i. S. von § 43 Abs. 1 S. 2, 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG ist ebenso zu verstehen wie im Betäubungsmittelrecht. Danach reicht die bloße Entgeltlichkeit nicht. Vielmehr muss sich für den Täter bei objektiver Betrachtung eigener Nutzen aus dem Umsatzgeschäft selbst ergeben, so dass der Verkauf zum Selbstkostenpreis zwar eine entgeltliche Veräußerung, aber kein Handeltreiben darstellt (st. Rspr., vgl. BGH StV 1985, 235).

4. Auch die Umwandlung eines Straftatbestands in eine Ordnungswidrigkeit stellt eine mildere gesetzliche Beurteilung des Verstoßes gemäß § 2 Abs. 3 StGB dar (BGHSt 12, 148, 154 f.).

5. Die Anwendung der Härtevorschrift des § 73c StGB ist in erster Linie Sache des Tatrichters. Die Gewichtung der für das Vorliegen einer unbilligen Härte maßgeblichen Umstände ist daher der revisionsrechtlichen Beanstandung nicht zugänglich. Mit der Revision kann aber angegriffen werden, dass das Tatbestandsmerkmal "unbillige Härte" selbst unzutreffend interpretiert wird, indem diese auf Umstände gestützt wird, die in diesem Rahmen nicht zum Tragen kommen können. Eine unbillige Härte i. S. von § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB kann nicht auf die vom Gesetzgeber mit der Einführung des Bruttoprinzips beabsichtigte Konsequenz gestützt werden, dass Aufwendungen für ein rechtswidriges Geschäft in den Verfallsbetrag fallen, obwohl sie den Gewinn mindern.

6. Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine "unbillige Härte" i. S. von § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB vor, wenn die Härte "ungerecht" wäre und das "Übermaßverbot" verletzen würde. Das Übermaßverbot bezieht sich dabei auf die Verhältnismäßigkeit im engeren. Es geht also darum, ob die Auswirkungen der Maßnahme im konkreten Einzelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber damit angestrebten Zweck stehen würden. Es müssen dabei besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine außerhalb des Verfallszwecks liegende zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen auch unter Berücksichtigung des Zwecks des Verfalls nicht zugemutet werden kann. Die mit dem Bruttoprinzip in jedem Fall verbundene Folge, dass Aufwendungen bei der Berechnung des Verfallsbetrages gerade nicht berücksichtigt werden, stellt als solche grundsätzlich keine unbillige Härte i. S. v. § 73c Abs. 1 S. 1 StGB dar. Anders kann es etwa liegen, wenn der Betroffene durch die Verfallserklärung in seiner

Existenz gefährdet würde (BGH aaO). Denn dabei handelt es sich um eine außerhalb des Verfallszwecks liegende außergewöhnliche Folge, die dem Betroffenen auch nicht zuzumuten ist.


Entscheidung

BGH 3 StR 159/03 - Beschluss vom 24. Juli 2003 (LG Oldenburg)

Beweiswürdigung (Überzeugungsbildung); Körperverletzungsvorsatz (maßgeblicher Zeitpunkt, aktuelles Bewusstsein des Täters, nachträglicher Vorsatz; Koinzidenzprinzip).

§ 227 StGB; § 16 StGB; § 261 StPO; § 267 StPO

In subjektiver Hinsicht setzt § 227 StGB den Vorsatz einer Körperverletzung voraus. Dieser Vorsatz, der - als bedingter Vorsatz - nur dann gegeben ist, wenn der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Körperverletzungserfolgs als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt und damit in der Weise einverstanden ist, dass er die Tatbestandsverwirklichung billigend in Kauf nimmt oder sich um des erstrebten Zieles willen wenigstens mit ihr abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch unerwünscht sein (BGHSt 36, 1, 9), muss nach § 16 StGB "bei der Begehung der Tat", also im Zeitpunkt der Handlung vorliegen, die den Körperverletzungserfolg zur Folge hat. Zu diesem Zeitpunkt muss bei dem Täter das für den Vorsatz erforderliche Wissen in aktuell wirksamer Weise vorhanden sein (BayObLG NJW 1977, 1974). Bloßes nicht in das Bewusstsein gelangtes Wissen oder ein nur potentielles Bewusstsein reicht nicht aus. Ebenso wenig vermag früheres Wissen, das beim Täter zum Zeitpunkt der Tat nicht mehr vorhanden ist, oder eine erst nach der Tat erlangte Kenntnis das Wissenselement des Vorsatzes zu begründen (vgl. BGH NStZ 1983, 452; BGHSt 10, 151, 153).


Entscheidung

BGH 4 StR 199/03 - Beschluss vom 22. Juli 2003 (LG Siegen)

Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (positive Feststellung der erheblichen Minderung der Schuldfähigkeit; "pathologisches Spielen").

§ 63 StGB

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit beim pathologischen Spielen nur ausnahmsweise dann gegeben, wenn die Sucht zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt oder der Täter bei Beschaffungstaten unter starken Entzugserscheinungen gelitten hat (BGH NStZ 1999, 448, 449; BGH StV 1993, 241).


Entscheidung

BGH 2 StR 215/03 - Beschluss vom 30. Juli 2003 (LG Frankfurt/Main)

Verbotsirrtum; Einsichtsfähigkeit (verminderte, fehlende); Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.

§ 17 StGB; § 20 StGB; § 21 StGB; § 63 StGB

§ 21 StGB regelt ebenso wie § 20 StGB, soweit er auf die Einsichtsfähigkeit abstellt, einen Fall des Verbotsirrtums. Fehlt dem Täter die Einsicht wegen seiner krankhaften seelischen Störung oder aus einem anderen in § 20 StGB benannten Grund, ohne dass ihm dies zum Vorwurf gemacht werden kann, so ist - auch bei an sich nur verminderter Einsichtsfähigkeit - nicht § 21 StGB, sondern § 20 StGB anzuwenden. Die Vorschrift des § 21 StGB kann in den Fällen der verminderten Einsichtsfähigkeit nur dann angewendet werden, wenn die Einsicht gefehlt hat und dies dem Täter vorzuwerfen ist. Der Täter, der trotz generell gegebener verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht gehabt hat, ist voll schuldfähig (vgl. u.a. BGHSt 21, 27, 28; 40, 341, 349 m.w.N.; BGH NStZ-RR 2002, 328; BGH, Beschl. vom 23. März 2001 - 3 StR 59/01).

2. Schwerpunkt Besonderer Teil des StGB


Entscheidung

BGH 3 StR 137/03 - Urteil vom 7. August 2003 (LG Aurich)

BGHSt; Irrtum über das Bestehen eines Anspruchs; Billigung eines Anspruchs durch die Rechtsordnung; Kaufpreisanspruch bei Betäubungsmittelgeschäften; Kondiktion des Besitzes an Betäubungsmitteln; Vermögensbegriff beim Betrug (faktisch-wirtschaftlicher, juristisch-ökonomischer); Anspruchsdurchsetzung zur Herstellung eines verbotenen Zustandes als Verstoß gegen Treu und Glauben; Einheit der Rechtsordnung; Tatbestandsirrtum; normatives Tatbestandsmerkmal des rechtswidrigen Vermögensvorteils; Parallelwertung in der Laiensphäre.

§ 29 BtMG; § 253 StGB; § 823 Abs. 2 BGB; § 263 StGB; § 433 BGB; § 134 BGB; § 242 BGB; § 16 Abs. 1 StGB

1. Überlässt ein Betäubungsmittelhändler seinem Kunden, der ihn über seine Zahlungsfähigkeit und -willigkeit getäuscht hat, die verkauften Drogen ohne Kaufpreiszahlung, hat er auch keinen Anspruch auf deren Rückgabe, denn eine derartige Forderung ist wegen unzulässiger Rechtsausübung mit Treu und Glauben unvereinbar. Ihm steht daher nach Verbrauch der Drogen durch den Kunden auch kein Anspruch auf Geldersatz zu. Will er die Bezahlung der Betäubungsmittel mit

Nötigungsmitteln durchsetzen, erstrebt er demgemäß eine unrechtmäßige Bereicherung im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB. (BGHSt)

2. Ein Irrtum des Erpressers über die Unrechtmäßigkeit der von ihm erstrebten Bereicherung liegt nicht schon dann vor, wenn er sich nach den Anschauungen der einschlägig kriminellen Kreise als berechtigter Inhaber eines Anspruchs gegen das Opfer fühlt. Maßgeblich ist vielmehr, ob er sich vorstellt, dass dieser Anspruch auch von der Rechtsordnung anerkannt wird und er seine Forderung demgemäß mit gerichtlicher Hilfe in einem Zivilprozess durchsetzen könnte. (BGHSt)

3. Ein Verkäufer von Betäubungsmittel, der nicht über die notwendige Genehmigung zum Verkehr mit Betäubungsmitteln verfügt und daher durch den Verkauf gegen ein gesetzliches Verbot (§ 29 BtMG) verstößt, erlangt wg. § 134 BGB keinen Anspruch auf Kaufpreiszahlung gegen den Käufer. Ebensowenig kann er vom Käufer den rechtsgrundlos geleisteten Besitz an den Betäubungsmitteln kondizieren (vgl. § 817 S. 2 BGB). (Bearbeiter)

4. Es kann offen bleiben, ob der - seinerseits unter Strafandrohung stehende - Besitz an Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG) dennoch strafrechtlich einen Vermögensbestandteil darstellt, der den Schutz des § 263 StGB genießt (so auf der Grundlage des faktisch-wirtschaftlichen Vermögensbegriffs BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Sichverschaffen 2; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Versuch 1). (Bearbeiter)

5. Selbst wenn der Verlust des Besitzes an den Betäubungsmitteln als Schaden im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, § 263 Abs. 1 StGB zu sehen sein sollte, so kommt ein Schadensersatzanspruch dennoch weder im Wege der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) noch in Form von Geldersatz (§ 251 Abs. 1 BGB) in Betracht. Die Geltendmachung eines Anspruchs auf Wiedereinräumung des Besitzes (§ 249 Abs. 1 Satz 1 BGB) würde auf die Herstellung eines strafrechtlich verbotenen Erfolges zielen, nämlich die Erfüllung des Straftatbestands des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG. Die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs zur Herbeiführung eines derartigen rechtswidrigen Zustands ist jedoch mit Treu und Glauben unvereinbar. (Bearbeiter)

6. Bei der Erpressung ist die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils ein normatives Tatbestandsmerkmal, auf das sich der - zumindest bedingte - Vorsatz des Täters erstrecken muss. Stellt er sich für die erstrebte Bereicherung einen Anspruch vor, der in Wirklichkeit nicht besteht, so handelt er in einem Tatbestandsirrtum im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB (BGH NStZ-RR 1996, 9). (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 5 StR 188/03 - Beschluss vom 26. August 2003 (LG Neuruppin)

Untreue (Anforderungen an den Vorsatz bei; Pflichtwidrigkeit; Nachteilszufügung).

§ 266 StGB; § 16 StGB

Nach ständiger Rechtsprechung macht es der weitgefasste objektive Tatbestand der Untreue erforderlich, strenge Anforderungen an den Nachweis der inneren Tatseite zu stellen. Dies gilt umso mehr, wenn nur bedingter Vorsatz in Frage steht und der Täter nicht eigennützig gehandelt hat (vgl. BGHSt 47, 295, 302; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 38 und 48). Der Täter muss sich nicht nur der Pflichtwidrigkeit seines Tuns, sondern auch und gerade des dadurch bewirkten Nachteils für das zu betreuende Vermögen bewusst sein.


Entscheidung

BGH 2 StR 160/03 - Urteil vom 20. August 2003 (LG Bonn)

Bestechlichkeit (Unrechtsvereinbarung; Tateinheit; Tatmehrheit; Klammerwirkung des vereinbarten Vorteils).

§ 332 StGB; § 52 StGB; § 53 StGB

Mehrere Vorteilsannahmen stehen grundsätzlich untereinander im Verhältnis der Tatmehrheit. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der für die Unrechtsvereinbarung zu leistende Vorteil zwischen dem Amtsträger und dem Dritten von Anfang an genau bestimmt war. In diesen Fällen liegt hinsichtlich der Annahme aller Teilleistungen auf die Unrechtsvereinbarung eine tatbestandliche Handlungseinheit vor (vgl. BGHSt 47, 22, 30 = NStZ 2001, 479, 481).


Entscheidung

BGH 4 StR 29/03 - Beschluss vom 15. Juli 2003 (LG Paderborn)

Förderung der Prostitution (milderes Gesetz; lex mitior; einvernehmlich begründetes Beschäftigungsverhältnis; Abhängigkeitsverhältnis); dirigierende Zuhälterei (bestimmende Einflussnahme auf die Prostitutionsausübung; Konkurrenzen); Einschleusen von Ausländern; Verfall (Prostituierte als Verletzte).

§ 180a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB a. F.; § 2 Abs. 3 StGB; § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB; § 52 StGB; § 92a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 AuslG; § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB; ProstG

1. Ein einvernehmlich begründetes Beschäftigungsverhältnis, das Prostituierten eine jederzeitige Selbstbefreiung bzw. Loslösung aus dieser vertraglichen Beziehung ermöglicht, fällt nicht unter den Tatbestand des § 180a Abs. 1 StGB n.F.

2. Der Tatbestand der dirigierenden Zuhälterei setzt in allen Begehungsweisen eine bestimmende Einflussnahme auf die Prostitutionsausübung voraus; eine bloße Unterstützung reicht nicht aus (BGH NStZ-RR 2002, 232 m.w.N.). Das Verhalten muss vielmehr geeignet sein, die Prostituierte in Abhängigkeit vom Täter zu halten, ihre Selbstbestimmung zu beeinträchtigen, sie zu nachhaltiger Prostitutionsausübung anzuhalten oder in

ihrer Entscheidungsfreiheit nachhaltig zu beeinflussen (BGH aaO).

3. Die durch Zuhältereihandlungen betroffenen Frauen sind nach der nunmehr getroffenen Wertentscheidung (§ 1 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten - ProstG - vom 20. Dezember 2001 [BGBl I S. 3983]) als Verletzte im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB anzusehen (vgl. BGH, Beschluß vom 7. Mai 2003 - 5 StR 536/02).


Entscheidung

BGH 2 StR 68/03 - Urteil vom 16. Juli 2003 (LG Trier)

Beweisantrag (Prozessverschleppung; Verfolgung prozessfremder Ziele: Benennung eines Richters als Zeugen); Abgrenzung von Mord und Totschlag (Heimtücke; Habgier; tatbezogenes Mordmerkmal; täterbezogenes Mordmerkmal); Anstiftung (Vorsatz; Abgrenzung von der Mittäterschaft).

§ 211 StGB; § 212 StGB; § 28 StGB; § 15 StGB; § 26 StGB; § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Verhältnis des § 211 StGB zu § 212 StGB (vgl. BGHSt 22, 375), wonach der Mord nicht als Qualifikation des Totschlags, sondern als eigenständiger Tatbestand anzusehen ist, kommt es für die Bejahung des - strafbarkeitsbegründenden - täterbezogenen Mordmerkmals der Habgier auf die Person des Haupttäters und nicht auf den Teilnehmer an. Für letzteren sind seine Vorstellungen und Kenntnisse von der Motivation des Haupttäters maßgebend.

2. Beweisanträge, mit denen prozessfremde Ziele verfolgt werden, sind gemäß § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO als unzulässig zu verwerfen. Ein prozessfremdes Ziel wird auch dann verfolgt, wenn ein erkennender Richter durch Benennung als Zeuge ausgeschaltet werden soll, obwohl in Wirklichkeit keine Sachaufklärung erstrebt wird (vgl. hierzu u.a. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 1 Unzulässigkeit 4, 9; BGHSt 7, 330, 331; 44, 4 ff.; 45, 354, 362; BGH StV 2002, 294, 296).

3. Ein deutliches Indiz für diesen sachfremden Zweck ist das Beharren auf einer Zeugenvernehmung, wenn der als Zeuge benannte Richter bereits dienstlich erklärt hat, dass er die Behauptung, für die er als Zeuge benannt wurde, nicht bestätigen könne (vgl. u.a. BGHSt 7, 330, 331; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 1 Unzulässigkeit 4).