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HRR-Strafrecht
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2002
3. Jahrgang
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1. Zur Zulässigkeit eines Grundurteils im Adhäsionsverfahren, namentlich bei Schmerzensgeldansprüchen. (BGHSt)
2. Die Verzahnung des strafprozessualen mit dem zivilprozessualen Verfahren gem. § 406 StPO bedeutet, dass im Adhäsionsverfahren für die Zulässigkeit des Grundurteils grundsätzlich dieselben rechtlichen Voraussetzungen vorliegen müssen, die auch nach der Zivilprozessordnung gelten. Danach scheidet in der Regel ein Grundurteil über einen unbezifferten Feststellungsantrag aus. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Klage auch zu einem Ausspruch über die Höhe führen soll. Dies ist etwa der Fall, wenn der Antragsteller eine Kombination aus unbeziffertem Leistungsantrag und Feststellungsantrag stellt. (Bearbeiter)
3. Der zivilprozessuale Grundsatz, wonach ein Grundurteil dann nicht zulässig ist, wenn der Rechtsstreit entscheidungsreif wäre, findet im Adhäsionsverfahren nur modifiziert Anwendung: Gem. § 405 StPO kann der Tatrichter bei fehlender Eignung der Sache von einer Entscheidung über den Entschädigungsantrag im Strafverfahren insgesamt abzusehen. Dann muss es ihm aber erst recht gestattet sein, einen Ausspruch nur über den Betrag abzulehnen, da die Ablehnung der Durchführung des Betragsverfahrens den geringeren Eingriff darstellt. Im Interesse der Verfahrensökonomie muss dies jedoch Ausnahmefällen vorbehalten bleiben. (Bearbeiter)
4. Im Rahmen eines zivilprozessualen Urteils über einen Schmerzensgeldanspruch hat eine Quotierung nach Mitverschuldensanteilen zwar grundsätzlich nicht eigenständig zu erfolgen, sondern in die Bemessung des Schmerzensgeldes nach Billigkeit einzufließen. Entscheidet jedoch ausnahmsweise das Strafgericht durch Grundurteil, so erscheint es aus verfahrensökonomischen Gründen sinnvoll, die Ergebnisse der strafprozessualen Sachaufklärung (vgl. § 244 Abs. 2 StPO) in der Weise auch für die schadensersatzrechtliche Entscheidung fruchtbar zu machen, dass auf ihrer Grundlage die Mitverschuldensanteile festgestellt werden. (Bearbeiter)
1. Das Revisionsgericht muss grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag, da die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters ist. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze und gesicherte Erfahrungssätze verstößt.
2. Wenn das Tatgericht auf Freispruch erkennt, obwohl nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, so muss es in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich wesentlichen gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten.
3. Ist der Angeklagte wegen einzelner Taten aus einer Serie ähnlicher angeklagter Straftaten rechtskräftig verurteilt, so begründet diese rechtskräftige Verurteilung für die Beweiswürdigung zu den noch zu prüfenden Anklagevorwürfen nicht mehr als ein gravierendes Indiz für die Täterschaft des Angeklagten in den Parallelfällen (vgl. BGHSt 43, 106, 107 f.).
Eine Vorlage nach § 121 Abs. 2 GVG (i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG) setzt voraus, daß die vorgelegte Rechtsfrage entscheidungserheblich ist (BGHSt 43, 241, 244). Nur wenn die Rechtsauffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts, mit der von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts abgewichen werden soll, tragende Grundlage der eigenen Entscheidung ist, kommt eine Vorlegung in Betracht (vgl. BGHSt 3, 234, 235; 33, 61, 63). Die Vorlegung ist hingegen nicht zulässig, wenn die unterschiedlichen Rechtsauffassungen für die Entscheidung des konkreten Falles ohne Bedeutung sind (vgl. BGH VRS 59, 345, 346).
Eine gewisse Untätigkeit während eines bestimmten Verfahrensabschnitts führt nicht ohne weiteres zu einem Verstoß gegen diese Vorschrift, sofern die angemessene Frist insgesamt nicht überschritten wird (BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 9; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 15).
Ein Verstoß gegen § 51 Abs. 1 BZRG kann auch dann gegeben sein, wenn der Angeklagte die frühere Verurteilung freiwillig eingeräumt hat (vgl. BGHR BZRG § 51 Verwertungsverbot 5).
Das Verschulden ihres Anwaltes muss sich ein Nebenkläger zurechnen lassen; der Fall liegt insoweit anders als beim Verschulden eines Verteidigers (BGHSt 30, 309 f.; BGHR StPO § 44 Verschulden 6).
Eine zulässig erhobene Aufklärungsrüge setzt die Mitteilung voraus, aufgrund welcher konkreten Umstände das Gericht sich zur Vernehmung eines Zeugen hätte gedrängt sehen müssen (st. Rspr., vgl. nur BGH NStZ 1999, 45). Ein pauschaler Hinweis genügt hierfür nicht.
Auch die Gründe eines freisprechenden Urteils können und müssen zwar nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt von der jeweiligen Beweislage und damit von den Umständen des Einzelfalls ab. Dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung einzelner Beweisumstände erübrigt. Liegt eine Vielzahl von Belastungsindizien für eine Tatbeteiligung vor, während die den Zweifel der Strafkammer begründenden Aspekte von eher theoretischer Natur sind, müssen in die Beweiswürdigung und deren Darlegung alle für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbezogen werden, die geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 7; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11 und Beweiswürdigung, unzureichende 1).