HRR-Strafrecht

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Oktober 2002
3. Jahrgang
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Hervorzuhebende Entscheidungen des BGH

I. Materielles Strafrecht

1. Schwerpunkt Allgemeiner Teil des StGB

In dieser Ausgabe kein Eintrag.

2. Schwerpunkt Besonderer Teil des StGB


Entscheidung

BGH 4 StR 174/02 - Beschluss vom 2. Juli 2002 (LG Nürnberg-Fürth)

Versuchter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr (ähnlicher, ebenso gefährlicher Eingriff; Beseitigung von Anlagen).

§ 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB; § 315 b Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. StGB

1. Anlagen im Sinne des § 315 b Abs. 1 Nr. 1 3. Alt. StGB sind alle dem Verkehr dienenden Einrichtungen wie Verkehrszeichen, Ampeln, Absperrungen, aber auch die Straße selbst mit ihrem Zubehör.

2. Zu einem Einzelfall des Beseitigens von Anlagen durch Entfernen eines Gullydeckels.


Entscheidung

BGH 5 StR 139/02 - Urteil vom 3. September 2002 (LG Berlin)

Mord (Heimtücke, Arglosigkeit, Wehrlosigkeit, niedrige Beweggründe, Hass, Wut, Ehre); besondere Schuldschwere (Verstrickung eines Jugendlichen in ein Kapitalverbrechen).

§ 211 StGB; § 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB

1. Erforderlich für die Beseitigung der Arglosigkeit ist auch bei einem vorhergehenden Streit, dass das Opfer im Tatzeitpunkt mit einem tätlichen Angriff rechnet (BGHSt 32, 382, 384; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 7, 13 und 27).

2. Das Opfer kann auch dann arglos und wehrlos sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegen tritt, das Opfer aber die drohende Gefahr erst im letzten Augenblick erkennt, so dass ihm keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff zu begegnen. Die Gefährlichkeit heimtückischen Handelns liegt darin, dass der Täter sein Opfer in hilfloser Lage überrascht und dadurch hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu entgehen oder doch wenigstens zu erschweren (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3, 15, 16). Maßgebend für die Beurteilung ist die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs. Abwehrversuche, die das durch einen überraschenden Angriff in seinen Verteidigungsmöglichkeiten behinderte Opfer im letzten Moment unternommen hat, stehen der Heimtücke daher nicht entgegen (BGH NJW 1996, 471; NStZ 1999, 506 m. w. N.).

3. Beweggründe sind niedrig, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind, wobei eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu erfolgen hat (st. Rspr.; vgl. BGHSt 35, 116, 127; BGH StV 1996, 211, 212).

4. Setzt der Angeklagte die Beendigung des Lebens eines Menschen als Mittel zur Verdeckung eigenen Fehlverhaltens ein, handelt er aus niedrigen Beweggründen (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 35, 37, 39). Wut und Hass, sind niedrige Beweggründe, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhten (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 8, 16).

5. Die Entscheidung der Frage, ob die besondere Schwere der Schuld zu bejahen ist, hat der Tatrichter unter Abwägung der im Einzelfall für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu treffen (vgl. BGHSt 40, 360, 370; 41, 57, 62; 42, 226, 227). Dem Revisionsgericht ist bei der Nachprüfung der tatrichterlichen Wertung eine ins einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt. Es hat nur zu prüfen, ob der Tatrichter alle maßgeblichen Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat; es ist aber gehindert, seine eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen (BGH NStZ 1998, 352, 353). Die Verstrickung eines Jugendlichen in ein schwerstes Kapitalverbrechen kann fraglos ein für die Schuldschwereentscheidung maßgeblicher Gesichtspunkt sein.