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HRR-Strafrecht
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
September 2002
3. Jahrgang
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1. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kommt es für die Abgrenzung des beendeten vom unbeendeten Versuch und damit für die Voraussetzungen strafbefreienden Rücktritts darauf an, ob der Täter nach der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs für möglich hält oder nicht ("Rücktrittshorizont"; vgl. nur BGHSt 39, 221, 227).
2. Ein den Rücktritt ausschließender fehlgeschlagener Versuch liegt vor, wenn der Erfolgseintritt - für den Täter erkanntermaßen - objektiv nicht mehr möglich ist oder er ihn nicht mehr für möglich hält (BGHSt 39, 221, 228, 232).
Wer bei der Tat eines anderen anwesend ist und sie billigt, wird nicht allein dadurch zum Mittäter (vgl. auch BGH b. Dallinger MDR 1971, 545 f. m. w. N.; BGH NStZ 1999, 454).
1. Jeder Mittäter haftet zwar für das Handeln der anderen nur im Rahmen seines Vorsatzes, ist also für den Erfolg nur insoweit verantwortlich, als sein Wille reicht; ein Exzess der anderen fällt ihm nicht zur Last (vgl. BGHSt 36, 231, 234). Jedoch werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Falles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat; ebenso ist er für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich, wenn ihm die Handlungsweise seines Tatgenossen gleichgültig ist (BGH NJW 1973, 377; BGH GA 1985, 270).
2. Je nach den Umständen - etwa bei Schlägen gegen besonders verletzliche oder empfindliche Organe und Körperteile - kann ein Gürtel ein "gefährliches" Werkzeug sein.
1. Die Anwendung des § 21 StGB setzt mindestens voraus, dass die Minderung der Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen, auch tatsächlich das Fehlen der Unrechtseinsicht bewirkt hat, denn die Schuld des Täters wird nicht gemindert, wenn er trotz erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit das Unrecht dennoch eingesehen hatte (Bestätigung von BGHSt 21, 27, 28). Der Täter, der trotz generell gegebener verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Unrechtseinsicht gehabt hat, ist voll schuldfähig.
2. Weiter kann § 21 StGB nur dann angewendet werden, wenn tatsächlich die Unrechtseinsicht gefehlt hat und dies dem Täter auch vorzuwerfen ist. Kann ihm die infolge verminderter Einsichtsfähigkeit fehlende Unrechtseinsicht dagegen nicht zum Vorwurf gemacht werden, so greift § 20 StGB ein mit der Folge, dass eine Bestrafung ausscheidet.
1. Für die Beurteilung, ob ein Kennzeichen "zum Verwechseln ähnlich" im Sinne des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB ist, kommt es nicht darauf an, dass das Original einen gewissen Bekanntheitsgrad als Symbol einer verfassungswidrigen Organisation hat. (BGHSt)
2. Ein Kennzeichen ist dem Originalkennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation "zum Verwechseln ähnlich" im Sinne von § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB, wenn es aus der Sicht eines nicht besonders sachkundigen und nicht genau prüfenden Betrachters die typischen Merkmale aufweist, welche das äußere Erscheinungsbild des Kennzeichens einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen prägen, und dadurch dessen Symbolgehalt vermittelt. (Bearbeiter)
3. Eine einschränkende Auslegung wäre auch mit den weit gespannten Schutzzwecken des § 86 a StGB, dessen Schutzgüter der demokratische Rechtsstaat und der politische Friede sind, nicht in Einklang zu bringen. Die Vorschrift richtet sich zunächst gegen eine Wiederbelebung der verfassungswidrigen Organisation und der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Bestrebungen, auf die das Kennzeichen symbolhaft hinweist. Es soll bereits jeder Anschein vermieden werden, in der Bundesrepublik Deutschland gebe es eine rechtsstaatswidrige politische Entwicklung in dem Sinne, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen in der durch das Kennzeichen symbolisierten Richtung geduldet würden (vgl. BGHSt 25, 30, 33; 31, 383, 387). (Bearbeiter)
4. Maßgeblich ist, ob nach dem Gesamteindruck eines durchschnittlichen, nicht genau prüfenden Betrachters eine Verwechslung mit dem Original möglich ist (vgl. BGH GA 1966, 279; BGH NStZ 1994, 124). (Bearbeiter)
Ausreichend für die Verwirklichung des Regelbeispiels des § 263 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 1 StGB ist es, dass ein Vermögensschaden großen Ausmaßes tatsächlich eingetreten ist, sei es auch nur für kurze Zeit. Von Dauer muss dieser Vermögensschaden jedoch nicht sein. Insoweit gilt dasselbe wie für den Grundtatbestandes des Betruges, den eine nachträgliche Wiedergutmachung des einmal eingetretenen Vermögensschadens ebenfalls nicht rückwirkend entfallen lässt.
1. Die Tatmodalität des "rohen Misshandelns" in § 225 Abs. 1 StGB kann auch durch Unterlassen begangen werden kann (vgl. BGH NStZ 1991, 234). Wenn die Angeklagte weitere Misshandlungen ihrer Tochter durch einen Dritten lediglich für möglich gehalten hat, ist eine Abwägung auf Grund aller objektiven und subjektiven Tatumstände erforderlich, ob sie diese billigend in Kauf nahm und deshalb bedingter Vorsatz zu bejahen ist oder ob sie auf ihr Ausbleiben ernsthaft vertraute und ihr deshalb nur Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann (vgl. BGHSt 36, 1, 10).
2. Bei der Frage, ob das Misshandeln roh im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB war, sind vor allem die Schwere des drohenden körperlichen Angriffes auf das hilflose Kleinkind, in der sich die gefühllose, fremde Leiden missachtende Gesinnung widerspiegelt, aber auch die Persönlichkeit der Angeklagten und deren Motivation von Bedeutung (vgl. BGHSt 25, 277, 278, 280).
Der Tatbestand des Raubs setzt voraus, dass der Täter zum Zweck der Wegnahme Gewalt gegen eine Person anwendet oder mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht. Nicht ausreichend ist, dass die Wegnahme der Gewalt zeitlich nachfolgt, ohne dass eine finale Verknüpfung besteht. Eine solche Verknüpfung kann in Betracht kommen, wenn die zuvor ausgeübte Gewalt als aktuelle Drohung erneuter Gewaltanwendung fortwirkt. Erfolgt die Wegnahme dagegen nur "gelegentlich" der Nötigungshandlung oder folgt sie der Nötigung nur zeitlich nach, ohne dass eine finale Verknüpfung besteht, kommt ein Schuldspruch wegen vollendeten Raubs nicht in Betracht (vgl. BGH NStZ 1999, 510; NStZ-RR 1997, 298; BGHR StGB § 249 Abs. 1 Gewalt 3, 5 und 7).
1. Der Anwendbarkeit des § 323 a StGB steht es nicht entgegen, wenn der Zustand der (möglichen) Schuldunfähigkeit nicht allein durch Alkohol, sondern erst durch das Hinzutreten weiterer Ursachen herbeigeführt worden ist. Voraussetzung ist jedoch, dass der Zustand der (möglichen) Schuldunfähigkeit sich nach seinem ganzen Erscheinungsbild noch als ein durch den Alkoholkonsum hervorgerufener Rausch darstellt (vgl. BGHSt 26, 363, 365 f.; BGHSt 32, 48, 53; BGH NJW 1997, 3101, 3102).
2. Zwar kann ein sthenischer - also auf Wut, Zorn oder Hass beruhender - Affekt im Zusammenwirken mit einer alkoholischen Enthemmung zu einem völligen Schuldausschluss führen (vgl. BGHR StGB § 20 Ursachen, mehrere 1). Ob dies der Fall ist, beurteilt sich jedoch auf Grund einer Gesamtwürdigung aller tat- und täterbezogenen Merkmale, die als Indizien für und gegen die Annahme eines (möglicherweise) schuldausschließenden Affekts sprechen können (vgl. BGHR StGB § 21 Affekt 4; BGH NStZ 1995, 175, 176 m. w. N.).
3. Die Anwendung des § 20 StGB kann nicht auf beide Alternativen zugleich gestützt werden kann (vgl. BGHR StGB § 63 Schuldunfähigkeit 1 und 3).
4. In einem Fall, in dem der Rauschzustand im Sinne des § 323 a Abs. 1 StGB nicht allein durch den Alkoholgenuss, sondern erst durch das Hinzutreten eines Affektes herbeigeführt worden ist, setzt die Verurteilung wegen vorsätzlichen Vollrausches voraus, dass der Täter beim Alkoholgenuss vor Eintritt der (möglichen) Schuldunfähigkeit mit einem Verlust seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit infolge des Zusammenwirkens von Alkohol und Affekt gerechnet und diesen billigend in Kauf genommen hat (vgl. BGHR StGB § 323 a Abs. 1 Fahrlässigkeit 1 und Vorsatz 1).
1. Bei einer erneuten Täuschung im Rahmen von Anlagegeschäften läge ein Betrugsschaden nur dann vor, wenn die Gläubiger wegen der erneuten Täuschung auf realistische Möglichkeiten zur Durchsetzung ihrer bisher entstandenen Forderungen verzichtet hätten. Andernfalls wäre der schon zuvor entstandene Schaden nicht weiter vertieft worden (st. Rspr., vgl. nur BGH wistra 2001, 338; StV 2000, 498).
2. Beruhen von einem "Werkzeug" abgeschlossene betrügerische Verträge auf nur einem Auftrag des Täters (BGH NStZ 1994, 35 m.w.Nachw.), liegt Tateinheit vor.