Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 191/02, Beschluss v. 26.06.2002, HRRS-Datenbank, Rn. X
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 18. Januar 2002, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit schwerem Raub verurteilt wurde (Fall B III 1 der Urteilsgründe);
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Der Angeklagte wurde wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer (§ 316a StGB) in Tateinheit mit schwerem Raub (§ 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB) sowie über 80 weiterer Straftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Er hat, teilweise mit anderen bandenmäßig verbunden, insbesondere PKWs aufgebrochen und ist vor allem in Vereinsheime und Gaststätten eingebrochen. In einigen wenigen Fällen blieb es beim Versuch, einige Taten hingen mit der Verwertung der Beute (z. B. EC-Karten) zusammen. Bei sämtlichen Taten ging es dem heroinabhängigen Angeklagten darum, sich Geld für Rauschgift zu beschaffen. Daher hat die Strafkammer den Angeklagten in einer Entziehungsanstalt untergebracht (§ 64 StGB).
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat hinsichtlich der Verurteilung wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit schwerem Raub und damit auch hinsichtlich der Gesamtstrafe Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), im übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Am 27. November 2000 wollten der Angeklagte, K. und M. wieder PKWs aufbrechen und suchten geeignete Tatobjekte. Auf einem Parkplatz beobachteten sie eine Frau mit einer Handtasche, die ihr Fahrzeug bestieg, aber nicht zügig wegfahren konnte, weil ihr Fahrzeug von anderen Fahrzeugen "extrem zugeparkt" war. Sie kamen stillschweigend überein, der Frau die Handtasche wegzunehmen. Der Angeklagte und K. gingen zum Fahrzeug und taten so, als ob sie beim Ausparken helfen wollten. K. stand auf der Fahrerseite, der Angeklagte auf der Beifahrerseite, M. beobachtete die Umgebung, um eventuell warnen zu können. Der Angeklagte konnte die auf dem Beifahrersitz liegende Tasche aber nicht wegnehmen, weil das Fenster der Beifahrerseite verschlossen und die Beifahrertür von innen verriegelt war. Dies gab der Angeklagte, von der mit Ausparken beschäftigten Fahrerin unbemerkt, K. über den Wagen hinweg zu verstehen. Dieser entschloß sich daraufhin, selbst die Tasche gewaltsam wegzunehmen. Er drückte seinen Oberkörper durch das geöffnete Fenster auf der Fahrerseite, stieß den Kopf der Fahrerin kräftig gegen das Lenkrad, ergriff die Handtasche und flüchtete.
Der Angeklagte hat den Entschluß K.s - offenbar schon vor dessen Umsetzung - "unter Vorwegnahme der weiteren Vorgehensweise seines Tatgenossen" gebilligt. Dieser - also K. - habe "nämlich erkannt, daß es nicht möglich sein werde, die Tasche ... ohne ... Gewalt wegzunehmen".
Nachdem K. die Tasche ergriffen hatte, flüchtete auch der Angeklagte, ebenso wie K., in "Richtung Mannheim-Feudenheim", allerdings waren K. und der Angeklagte dabei "getrennt voneinander", ehe sie sich dann "noch auf der Flucht" wieder trafen. Die Beute verbrauchten beide für sich.
2.. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit schwerem Raub nicht.
a) Der Angeklagte hat behauptet, ihm sei es nur darum gegangen, der Geschädigten beim Ausparken zu helfen. Geflüchtet sei er "aus Angst, in Verdacht zu geraten", obwohl tatsächlich die Wegnahme der Tasche durch K. für ihn überraschend gekommen sei. Die Strafkammer sieht dies im wesentlichen auf Grund der - dessen "Wahrnehmungsbereich" entsprechenden - Angaben K. s als widerlegt an, der "den inkriminierten Sachverhalt unter Beteiligung des Angeklagten detailliert geschildert" hat. Die dabei angestellten rechtsfehlerfreien Erwägungen der Strafkammer belegen, daß es dem Angeklagten darum ging, die Tasche unbemerkt wegzunehmen. Es wird jedoch schon nicht deutlich, warum daraus, daß K. das Scheitern dieser Bemühungen erkannte, ohne weiteres ("nämlich") folgt, daß der Angeklagte eine Gewaltanwendung durch K. voraussah und billigte.
b) Selbst wenn man der Strafkammer aber insoweit folgt, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Eine zumindest stillschweigend getroffene Vereinbarung zwischen dem Angeklagten und K., die Tasche gewaltsam wegzunehmen, ist nicht festgestellt. Ebensowenig ist festgestellt, daß K. bei seiner - spontan und innerhalb eines ganz kurzen Zeitraums durchgeführten - Tat durch die Anwesenheit des Angeklagten psychisch bestärkt worden wäre. Wer bei der Tat eines anderen anwesend ist und sie billigt, wird nicht allein dadurch zum Mittäter (vgl. zu einer im Kern vergleichbaren Fallgestaltung BGH b. Dallinger MDR 1971, 545 f. m. w. N.; BGH NStZ 1999, 454 zu einer spontan am Tatort getroffenen Verabredung eines Raubes durch Mitglieder einer Diebesbande; allgemein zur Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und dem Exzeß eines Tatbeteiligten Roxin in LK 11. Aufl. § 25 Rdn. 175 m. w. N.).
c) Unabhängig von alledem kann der Angeklagte sich aber dadurch an der Tat K. s beteiligt haben, daß er sie in Kenntnis der von diesem vorgenommenen Abweichungen vom ursprünglichen Tatplan gemeinschaftlich fortgesetzt hat. Zur weiteren Begehung der Tat ist nämlich auch die diese erst beendende gemeinschaftliche Flucht zu rechnen (BGH b. Dallinger aaO).
Die eher beiläufigen Feststellungen, wonach der Angeklagte und K. offenbar gleichzeitig aber doch getrennt voneinander in die gleiche Richtung geflohen sind und sie sich erst auf der Flucht wieder trafen, ermöglichen dem Senat jedoch keine abschließende Beurteilung.
d) Die danach in diesem Punkt gebotene Aufhebung des Urteils führt zugleich zum Wegfall der Gesamtstrafe.
3. Im übrigen hat die auf Grund der Revisionsrechtfertigung gebotene Überprüfung des Urteils weder im Schuldspruch noch im Rechtsfolgenausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Senat kann ausschließen, daß die sehr maßvollen Einzelstrafen, die die Strafkammer gegen den vielfach vorbestraften, bewährungsbrüchigen Angeklagten verhängt hat, von der Höhe der Strafe in dem aufgehobenen Fall beeinflußt sind. Ebenso bleibt die rechtsfehlerfrei auf die Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten und die daraus resultierende Gefahr weiterer Beschaffungskriminalität gestützte Unterbringungsanordnung unberührt (vgl. BGH, Beschluß vom 18. Dezember 1998 - 1 StR 660/98).
Externe Fundstellen: NStZ 2003, 85
Bearbeiter: Ulf Buermeyer