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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 495/01, Beschluss v. 31.07.2002, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 3 StR 495/01 - Beschluss vom 31. Juli 2002 (KG Berlin)

BGHSt 47, 354; Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen; Merkmal "zum Verwechseln ähnlich" im Sinne des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB (Unmaßgeblichkeit des Bekanntheitsgrades des Symbols); rechtsgutsbezogene Auslegung; "Gau-Dreieck".

§ 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB; § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB

Leitsätze

1. Für die Beurteilung, ob ein Kennzeichen "zum Verwechseln ähnlich" im Sinne des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB ist, kommt es nicht darauf an, daß das Original einen gewissen Bekanntheitsgrad als Symbol einer verfassungswidrigen Organisation hat. (BGHSt)

2. Ein Kennzeichen ist dem Originalkennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation "zum Verwechseln ähnlich" im Sinne von § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB, wenn es aus der Sicht eines nicht besonders sachkundigen und nicht genau prüfenden Betrachters die typischen Merkmale aufweist, welche das äußere Erscheinungsbild des Kennzeichens einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen prägen, und dadurch dessen Symbolgehalt vermittelt. (Bearbeiter)

3. Eine einschränkende Auslegung wäre auch mit den weit gespannten Schutzzwecken des § 86 a StGB, dessen Schutzgüter der demokratische Rechtsstaat und der politische Friede sind, nicht in Einklang zu bringen. Die Vorschrift richtet sich zunächst gegen eine Wiederbelebung der verfassungswidrigen Organisation und der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Bestrebungen, auf die das Kennzeichen symbolhaft hinweist. Es soll bereits jeder Anschein vermieden werden, in der Bundesrepublik Deutschland gebe es eine rechtsstaatswidrige politische Entwicklung in dem Sinne, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen in der durch das Kennzeichen symbolisierten Richtung geduldet würden (vgl. BGHSt 25, 30, 33; 31, 383, 387). (Bearbeiter)

4. Maßgeblich ist, ob nach dem Gesamteindruck eines durchschnittlichen, nicht genau prüfenden Betrachters eine Verwechslung mit dem Original möglich ist (vgl. BGH GA 1966, 279; BGH NStZ 1994, 124). (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

Für die Beurteilung, ob ein Kennzeichen "zum Verwechseln ähnlich" im Sinne des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB ist, kommt es nicht darauf an, daß das Original einen gewissen Bekanntheitsgrad als Symbol einer verfassungswidrigen Organisation hat.

Gründe

I. Das Amtsgericht hatte den Angeklagten wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt und ein sichergestelltes Stoffabzeichen eingezogen. Auf seine Berufung hat das Landgericht dieses Urteil aufgehoben und ihn freigesprochen.

Nach den Feststellungen trug der Angeklagte beim Besuch einer öffentlich zugänglichen Waffen- und Sammlerbörse auf dem linken Ärmel seiner Jacke in Oberarmhöhe für jedermann sichtbar ein aufgenähtes Abzeichen aus schwarzem Stoff in Gestalt eines gleichschenkligen Dreiecks, in das parallel zu allen drei Rändern ein goldfarbener Streifen und zentriert innerhalb dieser Streifen in goldfarbener Frakturschrift das Wort "Schlesien" eingewirkt waren.

Während der Zeit des Nationalsozialismus trugen Angehörige der Hitler-Jugend als Teil der Uniform auf dem linken Oberarm ein schwarzes Stoffdreieck mit einer aufgestickten goldfarbenen Umrandung. Innerhalb des Dreiecks befand sich die zweizeilige Angabe der Organisationseinheit des Uniformträgers, nämlich Obergebiet und Gebiet. In Form und Größe entsprach das "Armdreieck" der Hitler-Jugend dem vom Angeklagten getragenen Abzeichen.

Das Landgericht hat eine Straftat des Angeklagten verneint. Das von ihm verwendete Abzeichen sei dem "Armdreieck" der Hitler-Jugend nicht "zum Verwechseln ähnlich". Ein unbefangener Betrachter, der über keine besonderen Kenntnisse verfüge, halte es nicht für die Nachbildung des Kennzeichens der Hitler-Jugend, weil er das Original nicht mehr kenne.

Gegen das Berufungsurteil hat sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision gewendet, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts gerügt hat.

II. Das Kammergericht (vgl. NStZ 2002, 148) hält die Revision für begründet und möchte das angefochtene Urteil aufheben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverweisen. Es ist der Ansicht, das vom Angeklagten getragene Abzeichen sei dem "Armdreieck" der Hitler-Jugend und damit dem Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation "zum Verwechseln ähnlich" im Sinne des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB. Maßgeblich dafür sei, daß es nach dem Gesamteindruck eines durchschnittlichen, nicht besonders sachkundigen und nicht genau prüfenden Betrachters wegen seiner charakteristischen Merkmale und des durch sie vermittelten Symbolgehalts als Kennzeichen der Hitler-Jugend angesehen werden könne. Auf einen gewissen Bekanntheitsgrad des Kennzeichens und der ihm zuzuordnenden nationalsozialistischen Organisation komme es nicht an.

An der beabsichtigten Entscheidung sieht sich das Kammergericht durch die Beschlüsse des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 7. Dezember 1998 (BayObLG NStZ 1999, 190, 191) und des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. Juni 2000 - 2 Ss 177/00 - (Leitsatz abgedruckt in NStZ-RR 2001, 42 und NJ 2000, 551) gehindert, in denen die Rechtsansicht vertreten wird, daß ein Kennzeichen dem Originalkennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation nur dann "zum Verwechseln ähnlich" sei, wenn zusätzlich ein gewisser Bekanntheitsgrad des Kennzeichens als Symbol gerade einer bestimmten, dem "Mann auf der Straße" als solcher bekannten verfassungswidrigen Organisation bestehe (vgl. BayObLG aaO).

Das Kammergericht hat die Sache daher gemäß § 121 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung über folgende Rechtsfrage vorgelegt:

"Ist ein Kennzeichen nur dann "zum Verwechseln ähnlich" im Sinne des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB, wenn das zugrunde liegende Original einen gewissen Bekanntheitsgrad als Symbol einer bestimmten, jedem bekannten verfassungswidrigen Organisation hat?"

Der Generalbundesanwalt hat beantragt zu beschließen:

"Für die Beurteilung, ob ein Kennzeichen "zum Verwechseln ähnlich" im Sinne des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB ist, kommt es nicht darauf an, daß das zugrunde liegende Original einen gewissen Bekanntheitsgrad als Symbol einer bestimmten, jedem bekannten verfassungswidrigen Organisation hat."

III. Die Vorlegungsvoraussetzungen sind erfüllt. Das Kammergericht kann nicht wie beabsichtigt entscheiden, ohne von den tragenden Gründen der Beschlüsse des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Oberlandesgerichts Dresden abzuweichen. Die diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte sind dem hier vorliegenden im wesentlichen gleich gelagert. In allen Verfahren ist über dieselbe Rechtsfrage zu entscheiden, die nur einheitlich beantwortet werden kann (vgl. BGHSt 29, 252, 254; 44, 107, 110).

IV. Die vorgelegte Rechtsfrage ist zu verneinen.

Ein Kennzeichen ist dem Originalkennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation "zum Verwechseln ähnlich" im Sinne von § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB, wenn es aus der Sicht eines nicht besonders sachkundigen und nicht genau prüfenden Betrachters die typischen Merkmale aufweist, welche das äußere Erscheinungsbild des Kennzeichens einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen prägen, und dadurch dessen Symbolgehalt vermittelt. Für die Beurteilung der Verwechselungsgefahr kommt es nicht darauf an, daß das Original einen gewissen Bekanntheitsgrad als Symbol einer verfassungswidrigen Organisation hat. Soweit der Beschluß des Senats vom 25. Oktober 1995 (vgl. NStZ 1996, 81), der zu § 86 a Abs. 1 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB aF ergangen ist, dahin verstanden werden könnte, daß das Kennzeichen einen bestimmten Bekanntheitsgrad als Symbol einer verfassungswidrigen Organisation haben muß, hält der Senat daran nicht fest.

1. Ausgangspunkt für die Beantwortung der vorgelegten Rechtsfrage muß § 86 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 StGB sein, da § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB den in diesen Vorschriften genannten Kennzeichen solche gleichstellt, die ihnen "zum Verwechseln ähnlich" sind.

Nach § 86 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 StGB i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB macht sich strafbar, wer vorsätzlich im Inland Originalkennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in von ihm verbreiteten Schriften verwendet. Auf einen gewissen Bekanntheitsgrad des Kennzeichens als Symbol einer verfassungswidrigen Organisation kommt es dabei entgegen vereinzelten Meinungen in der Literatur (vgl. Hörnle NStZ 2002, 113, 115; Weinmann NJ 1998, 522, 523) nicht an (vgl. BayObLGSt 1998, 202, 203).

a) Diese Auslegung entspricht dem Wortlaut des Gesetzes. Es enthält weder in der Definition des Begriffs "Kennzeichen" (§ 86 a Abs. 2 Satz 1 StGB) noch in der Auflistung der verfassungswidrigen Organisationen (§ 86 a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 StGB) Anhaltspunkte für eine Beschränkung des Tatbestandes auf Kennzeichen und Organisationen, denen eine gewisse Bekanntheit zukommt.

b) Eine einschränkende Auslegung wäre auch mit den weit gespannten Schutzzwecken des § 86 a StGB, dessen Schutzgüter der demokratische Rechtsstaat und der politische Friede sind (vgl. Rudolphi in SK-StGB 53. Lfg. § 86 a Rdn. 1; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 86 a Rdn. 1), nicht in Einklang zu bringen.

aa) Die Vorschrift richtet sich zunächst gegen eine Wiederbelebung der verfassungswidrigen Organisation und der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Bestrebungen, auf die das Kennzeichen symbolhaft hinweist. Es soll bereits jeder Anschein vermieden werden, in der Bundesrepublik Deutschland gebe es eine rechtsstaatswidrige politische Entwicklung in dem Sinne, daß verfassungsfeindliche Bestrebungen in der durch das Kennzeichen symbolisierten Richtung geduldet würden (vgl. BGHSt 25, 30, 33; 31, 383, 387; Laufhütte in LK 11. Aufl. § 86 a Rdn. 1). Die öffentliche Verwendung des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation begründet die Gefahr einer solchen Wiederbelebung, weil in ihr ein werbendes Bekenntnis zu der Organisation und deren verfassungsfeindlichen Zielen unabhängig davon liegt, ob es einen gewissen Bekanntheitsgrad als Symbol einer verfassungswidrigen Organisation hat.

Dagegen läßt sich nicht einwenden, die öffentliche Zurschaustellung weithin unbekannter Symbole sei nicht geeignet, Aufregung in der Bevölkerung zu verursachen oder eine negative Berichterstattung im Ausland zu provozieren (vgl. Hörnle NStZ 2002, 113, 114 f.). Denn zum einen wird § 86 a StGB allgemein als abstraktes Gefährdungsdelikt verstanden (vgl. BGHSt 23, 267, 268, 270; Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 86 a Rdn. 1), so daß der Tatbestand eine konkrete Gefährdung des politischen Friedens nicht voraussetzt. Zum anderen ist es im Interesse der Wahrung des politischen Friedens ein Anliegen, auch die Verbreitung solcher Kennzeichen unter Strafandrohung zu verhindern, die bei in- und ausländischen Beobachtern mit besonderer Sachkunde den Eindruck hervorrufen können, in der Bundesrepublik Deutschland würden rechtsstaatswidrige - insbesondere rechtsradikale - Entwicklungen geduldet (vgl. BGHSt 25, 30, 33).

bb) Auch der weitere Schutzzweck des § 86 a StGB, die von der Verwendung des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation ausgehende gruppeninterne Wirkung zu unterbinden, verbietet eine einschränkende Auslegung: Neben der Werbung nach außen erfüllen Kennzeichen eine wichtige gruppeninterne Funktion als sichtbares Symbol geteilter Überzeugungen. Ihre Verwendung erlaubt es Gleichgesinnten, einander zu erkennen und sich als eine von "den anderen" abgrenzbare Gruppe zu definieren (vgl. Hörnle NStZ 2002, 113, 114). Dabei kommt es auf einen gewissen Bekanntheitsgrad des Kennzeichens als Symbol einer verfassungswidrigen Organisation nicht an, weil die Verfestigung gegenseitiger Bindungen Gleichgesinnter, denen der Symbolgehalt des Kennzeichens bekannt ist, die naheliegende Gefahr einer Wiederbelebung der verfassungswidrigen Organisation begründet.

cc) Schließlich widerspräche eine einschränkende Auslegung auch dem aus den Schutzzwecken abgeleiteten Ziel des § 86 a StGB, Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen - ungeachtet der mit ihrer Verwendung verbundenen Absichten - aus dem politischen Leben der Bundesrepublik Deutschland zu verbannen (vgl. BGHSt 25, 30, 33; BayObLG NStE Nr. 5 zu § 86 a StGB). Dies kann effektiv nur erreicht werden, wenn sich die Strafandrohung des § 86 a StGB auch gegen die Verwendung verhältnismäßig unbekannter oder durch Zeitablauf weitgehend in Vergessenheit geratener Kennzeichen richtet.

c) Eine Differenzierung nach dem Bekanntheitsgrad des Kennzeichens hätte zudem erhebliche nachteilige Folgen für die Rechtssicherheit und ist daher als strafbarkeitsbegründendes Kriterium ungeeignet. Ob ein Kennzeichen einen gewissen Bekanntheitsgrad als Symbol einer verfassungswidrigen Organisation aufweist, läßt sich nur schwer feststellen. Außerdem kann sich sein Bekanntheitsgrad durch die Berichterstattung in den Massenmedien innerhalb kürzester Zeit ändern.

2. Bei der Verwendung des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation, das zwar nicht exakt dem Original entspricht, diesem aber "zum Verwechseln ähnlich" ist, kann für den Bekanntheitsgrad des Originalkennzeichens als Symbol einer verfassungswidrigen Organisation nichts anderes gelten. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Verwendung eines solchen Kennzeichens entgegen der ausdrücklichen Gleichstellung mit dem Originalkennzeichen gemäß § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB nur unter einer zusätzlichen Voraussetzung strafbar sein soll, die bei dessen Verwendung in unveränderter Form keine Rolle spielt und die zudem das zugrunde liegende Originalkennzeichen betrifft.

a) Für eine einschränkende Auslegung gibt der Wortlaut des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB nichts her. Das Tatbestandsmerkmal "zum Verwechseln ähnlich", das sich auch in anderen Straftatbeständen wie etwa § 132 a Abs. 2, § 149 Abs. 1 Nr. 2 und § 275 Abs. 1 Nr. 2 StGB findet, umschreibt seinem Wortlaut nach einen gesteigerten Grad sinnlich wahrnehmbarer Ähnlichkeit. Maßgeblich ist, ob nach dem Gesamteindruck eines durchschnittlichen, nicht genau prüfenden Betrachters eine Verwechslung mit dem Original möglich ist (vgl. BGH GA 1966, 279; BGH NStZ 1994, 124; Cramer/Sternberg-Lieben in Schönke/ Schröder, StGB 26. Aufl. § 132 a Rdn. 13; Rudolphi in SK-StGB 46. Lfg. § 132 a Rdn. 11).

Das Wort "ähnlich" bezeichnet allgemein die objektiv vorhandene Übereinstimmung in wesentlichen Vergleichspunkten. Bei einem Kennzeichen, das seiner Funktion nach optisch wahrgenommen werden soll, kommt es maßgeblich auf die das äußere Erscheinungsbild prägenden Merkmale an, in denen sich sein Symbolgehalt verkörpert. Diese charakteristischen Merkmale haften dem Kennzeichen als solchem an, und zwar unabhängig von der Person des Betrachters.

Soweit in Rechtsprechung und Literatur als Maßstab auf den Gesamteindruck eines durchschnittlichen Betrachters abgestellt wird, wird dadurch nur der geforderte Grad der Ähnlichkeit zwischen den Vergleichsobjekten näher bestimmt. Einerseits braucht die Übereinstimmung mit dem Originalkennzeichen nicht so weit zu gehen, daß die Abweichungen nur von einem Fachmann nach sorgfältiger Prüfung festgestellt werden können. Andererseits genügt es aber nicht, daß sich lediglich einzelne Merkmale des Vorbilds in der Abwandlung wiederfinden, ohne daß dadurch einem unbefangenen Betrachter, der das Original kennt, der Eindruck des Originalkennzeichens vermittelt wird. Dagegen ist nach dem sprachlichen Aussagegehalt des Tatbestandsmerkmals "zum Verwechseln ähnlich" ein spezifisches Wissen des Betrachters, das ihm über den reinen Wahrnehmungsvorgang hinaus eine politische, historische oder juristische Einordnung des Wahrgenommenen ermöglicht, nicht erforderlich (vgl. BayObLG, Urt. vom 5. August 1997 - 2 St RR 126/97; OLG Brandenburg, Urt. vom 7. Februar 2001 - 1 Ss 87/00; Bartels/Kollorz NStZ 2000, 648, 649; Steinmetz NStZ 2002, 118, 119 f.; Dahm DRiZ 2001, 404, 414).

b) Auch die Entstehungsgeschichte des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB steht einer einschränkenden Auslegung entgegen.

Mit der Einfügung dieser Bestimmung in das Strafgesetzbuch durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. Oktober 1994 (BGBl I S. 3186) sollten zur wirksamen Verfolgung verfassungsfeindlicher Umtriebe Strafbarkeitslücken geschlossen werden (vgl. BTDrucks. 12/7960 S. 4; Dahs NJW 1995, 553, 554), nachdem die Anhänger nationalsozialistischen Gedankengutes verstärkt dazu übergegangen waren, mit leicht abgewandelten nationalsozialistischen Symbolen ihre Zugehörigkeit zu dieser politischen Richtung zu dokumentieren und ihre verfassungsfeindlichen Ansichten zu verbreiten. Die Ausweitung des Tatbestandes sollte namentlich solche Symbole erfassen, die nur geringfügig von den Originalkennzeichen verfassungswidriger Organisationen abweichen, zugleich aber nach ihrem Eindruck auf einen verständigen Beobachter deutlich an jene Kennzeichen erinnern (BRDrucks. 887/92 S. 9). Ausdrücklich wurde dabei auf den Umstand verwiesen, daß der Schutzzweck des § 86 a StGB durch die nicht unter Strafe stehende Verwendung solcher Ersatzkennzeichen, durch die sich die Anhänger nationalsozialistischen Gedankengutes auf die geltende Rechtsordnung eingestellt haben, in nicht geringerem Maße verletzt wird als dies bei Verwendung der Originalkennzeichen der Fall ist (vgl. BRDrucks. 887/92 S. 4 und BTDrucks. 12/7960 S. 4). Somit war eine Ausweitung der Strafbarkeit, keinesfalls eine Einschränkung gewollt (vgl. Bartels/Kollorz NStZ 2000, 648, 649), worauf die Rechtsmeinung des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Oberlandesgerichts Dresden hinauslaufen würde.

c) Schließlich widerspräche eine einschränkende Auslegung den oben dargestellten Schutzzwecken des § 86 a StGB. Auch wenn der Bekanntheitsgrad des Originals als Symbol einer verfassungswidrigen Organisation gering ist, gefährdet die öffentliche Verwendung eines unwesentlich abgewandelten Kennzeichens wegen der damit verbundenen Gefahr einer Wiederbelebung der Organisation und der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Bestrebungen den politischen Frieden und den demokratischen Rechtsstaat in gleicher Weise wie die Benutzung eines entsprechenden Originals.

Externe Fundstellen: BGHSt 47, 354; NJW 2002, 3186; NStZ 2003, 31

Bearbeiter: Karsten Gaede