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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 192/02, Beschluss v. 25.07.2002, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 1 StR 192/02 - Beschluss vom 25. Juli 2002 (LG Nürnberg-Fürth)

Betrug (Vermögensschaden; Vertiefung; erneute Täuschung); Tateinheit (einmaliger Auftrag bei mittelbarer Täterschaft).

§ 263 StGB; § 52 StGB; § 25 Abs. 1 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

1. Bei einer erneuten Täuschung im Rahmen von Anlagegeschäften läge ein Betrugsschaden nur dann vor, wenn die Gläubiger wegen der erneuten Täuschung auf realistische Möglichkeiten zur Durchsetzung ihrer bisher entstandenen Forderungen verzichtet hätten. Andernfalls wäre der schon zuvor entstandene Schaden nicht weiter vertieft worden (st. Rspr., vgl. nur BGH wistra 2001, 338; StV 2000, 498).

2. Beruhen von einem "Werkzeug" abgeschlossene betrügerische Verträge auf nur einem Auftrag des Täters (BGH NStZ 1994, 35 m.w.Nachw.), liegt Tateinheit vor.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 29. November 2001, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Der Angeklagte wurde wegen Betrugs in 88 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, ein weiterer Angeklagter, der das Urteil nicht angefochten hat, wegen Begünstigung zu Geldstrafe. Die Revision hat mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

1. Der Angeklagte war durch mißglückte Geldanlagegeschäfte hoch verschuldet. Er vermittelte daraufhin "unter Vorspiegelung irrealer Anlagegewinne" Geldanlagen, wobei ihm die Geschädigten Beträge in vier- oder meist fünfstelliger, in einigen Fällen aber auch sechsstelliger Höhe überließen. In unverjährter Zeit legte er die Gelder überhaupt nicht mehr an, sondern verwendete sie für sich oder zur Schuldentilgung nach dem von der Strafkammer so bezeichneten "Loch-auf-Loch-zu-Prinzip". War er zunächst mit etwa 500.000 DM verschuldet, so belaufen sich seine Schulden inzwischen auf etwa 3 Millionen DM.

2. In einer Reihe von Fällen handelt es sich um "Wiederanlagefälle". Der Angeklagte hatte die Geschädigten veranlaßt, auf fällige Zahlungen zu verzichten und ihr Kapital sowie die angeblich angelaufenen Zinsen erneut anzulegen.

Hier läge ein Betrugsschaden nur dann vor, wenn die Gläubiger wegen der erneuten Täuschung, auf realistische Möglichkeiten zur Durchsetzung ihrer bisherigen Forderungen verzichtet hätten. Andernfalls wäre der schon zuvor entstandene Schaden nicht weiter vertieft worden (st. Rspr., vgl. nur BGH wistra 2001, 338; StV 2000, 498; Urteil vom 1. Dezember 1992 - 1 StR 695/92). Daß in den Wiederanlagefällen derartige Möglichkeiten bestanden hätten, versteht sich angesichts der Vermögensverhältnisse des Angeklagten nicht von selbst und folgt auch nicht aus den wenigen, meist verhältnismäßig geringfügigen Rückzahlungen in anderen Fallen, die sich aus den Urteilsgründen konkret ergeben (vgl. z.B. die Fälle 17 und 58, in denen die geschädigte M bei einer Anlage von 60.000 DM eine Rückzahlung von 12.850 DM und bei einer Anlage von 10.000 DM eine Rückzahlung von 300 DM erhielt).

3. In den übrigen Fällen sieht sich der Senat an der Bestätigung des Schuldspruchs (auch der an sich sehr maßvollen Einzelstrafen) wegen Unklarheiten bezüglich der Konkurrenzen gehindert. So wird in einigen Fällen schon nicht deutlich, warum bei mehreren, mit dem selben Geschädigten am selben Tag geschlossenen Verträgen rechtlich selbständige Handlungen vorliegen (dies betrifft nicht nur einige Wiederanlagefälle, sondern z.B. auch die Fälle 63 und 64). Die Möglichkeit einer "natürlichen Handlungseinheit" erscheint hier zumindest nicht fernliegend.

Vor allem hat die Strafkammer aber verkannt, daß Tateinheit vorliegt, soweit von einem Werkzeug abgeschlossene betrügerische Verträge auf nur einem Auftrag des Täters beruhen (BGH NStZ 1994, 35 m.w.Nachw.). So verhält es sich in einem konkret für den Senat nicht feststellbaren Umfang hier. Ohne daß dies näher aufgeschlüsselt wäre, hatte der Angeklagte nämlich "nicht immer" selbst Kontakt mit den Geschädigten, sondern er bediente sich auch des gutgläubigen Vermittlers A. S., demgegenüber der Angeklagte den "Anschein seriöser Geldanlagen aufrecht erhielt".

4. All dies führt zur Aufhebung des Urteils insgesamt, ohne daß es auf Weiteres noch ankäme. Der Senat weist jedoch auf die Ausführungen, des Generalbundesanwalts in seinem Antrag vom 15. Mai 2002 hin, wie etwa zu Unklarheiten über den Umfang des Eröffnungsbeschlusses oder zu der notwendigen Prüfung des von der Strafkammer ohne weiteres angewendeten, bei einer Reihe von Taten aber noch nicht geltenden § 263 Abs. 3 StGB nF.

Externe Fundstellen: StV 2003, 447

Bearbeiter: Karsten Gaede