HRR-Strafrecht

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Juli 2002
3. Jahrgang
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IV. Nebenstrafrecht, Haftrecht und Jugendstrafrecht


Entscheidung

BGH 4 StR 152/01 - Urteil vom 25. April 2002 (LG Bielefeld)

BGHSt; Anstiftung zur falschen Versicherung an Eides Statt (Verwendung von Rechtsbegriffen als Tatsachen; Bestimmen); vorsätzliches Betreiben einer Apotheke ohne die erforderliche Erlaubnis; besondere Bedeutung des Falles (Willkür); Berufsfreiheit (Mehrbetriebsverbot des Apothekenrechts; Berufsausübungsfreiheit; enge Auslegung der Strohmann-Rechtsprechung; Vereinbarkeit mit dem Europarecht); Verbot partiarischer Verträge und Stiller Gesellschaften.

§ 27 StGB; § 156 StGB; § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG; § 1 Abs. 3 ApothG; § 8 Satz 2 ApothG; § 23 ApothG; § 25 Abs. 1 Nr. 1 ApothG; Art. 12 GG; Art. 43 EG; Art. 49 EG.

1. Zum Begriff des nach § 23 ApothG strafbaren Betreibens einer Apotheke ohne die erforderliche Erlaubnis - Abgrenzung zur Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 25 Abs. 1 Nr. 1 ApothG. (BGHSt)

2. Nach dem im gesamten Gewerberecht einheitlich verwendeten Begriff ist Betreiber eines Gewerbes, wer in dem den jeweiligen gewerberechtlichen Vorschriften unterfallenden Bereich eine selbständige, grundsätzlich erlaubte, auf Gewinnerzielung gerichtete, auf gewisse Dauer ausgerichtete Tätigkeit ausübt. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, richtet sich im Interesse der Wirksamkeit des ordnungsrechtlichen Instrumentariums nach dem äußeren Bild der gewerblichen Betätigung (vgl. BVerwG DÖV 1993, 618, 619). Nach § 1 Abs. 2 ApothG erlaubnispflichtiger selbständiger Betreiber der Apotheke ist somit regelmäßig derjenige, der sie im eigenen Namen führt, so dass er nach außen das rechtliche und wirtschaftliche Risiko aus den für die Apotheke abgeschlossenen Rechtsgeschäften trägt. (Bearbeiter)

3. Wer aufgrund der Vereinbarungen, die er im Innenverhältnis mit dem Erlaubnisinhaber getroffen hat, auf den Apothekenbetrieb Einfluss nehmen kann, ist nur dann in die Erlaubnispflicht nach § 1 Abs. 2 ApothG einzubeziehen, wenn ein Strohmannverhältnis vorliegt. Im Gewerberecht ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein solches Strohmannverhältnis gegeben, wenn eine genaue Analyse der Innenbeziehungen erweist, dass eine natürliche oder juristische Person nur vorgeschoben wird, die ohne eigene unternehmerische Tätigkeit als Marionette am Wirtschaftsleben teilnimmt (vgl. BVerwGE 65, 12, 13; BVerwG NVwZ 1982, 557). Nur bei einer solchen Sachlage, bei der der vorgeschobenen Person kein autonom bestimmter Handlungsspielraum im gewerblichen Bereich verbleibt, kann ein Strohmannverhältnis mit den sich daraus für den Hintermann ergebenden Durchgriffskonsequenzen angenommen werden (vgl. BVerwG GewArch 1982, 200, 201). Allein der Umstand, dass ein Dritter das Geschehen in einem Gewerbebetrieb bestimmend beeinflussen kann, reicht für die Annahme eines Strohmannverhältnisses nicht aus (BVerwG GewArch 1982, 200, 202). Insbesondere kann nicht auch derjenige als Hintermann und damit als Gewerbetreibender angesehen werden, der einen Gewerbebetrieb aufgrund wirtschaftlicher Beherrschung maßgeblich leitet (BVerwG NVwZ 1982, 557). Der Begriff des Strohmannverhältnisses ist eng auszulegen (vgl. BVerfG NJW 1994, 1577, 1579). Ein Strohmannverhältnis kann daher nur dann angenommen werden, wenn dem Erlaubnisinhaber aufgrund der getroffenen, nach § 8 Satz 2 ApothG unzulässigen Vereinbarungen kein oder jedenfalls kein nennenswerter autonom bestimmter Handlungsspielraum in den Apotheken verbleibt. (Bearbeiter)

4. Aus Art. 12 Abs. 1 GG abzuleitende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Verbotsnorm des § 8 Satz 2 ApothG hat der Senat nicht. (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 4 StR 394/01 - Beschluss vom 19. März 2002 (AG Kaufbeuren; BayObLG)

BGHSt; Wenden auf einer Kraftfahrstraße (Überqueren der Fahrbahn; Parkplätze; Begriff der Straße); Vorlage.

§ 18 Abs. 7 StVO; § 9 Abs. 5 StVO; § 121 Abs. 2 GVG i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG

1. Ein Wenden auf einer Kraftfahrstraße im Sinne des § 18 Abs. 7 StVO liegt nicht vor, wenn der Betroffene auf einer Kraftfahrstraße unter Einbeziehung von zwei gegenüberliegenden Parkplätzen sein Fahrzeug in der Weise in die der bisherigen Fahrtrichtung entgegengesetzte Richtung bringt, dass er zunächst in den rechtsseitig gelegenen Parkplatz einfährt, diesen durchfährt, sein Fahrzeug sodann über dessen Ausfahrt unter Überqueren der Kraftfahrstraße in die Einfahrt des gegenüberliegenden Parkplatzes lenkt und diesen über die Ausfahrt entgegen seiner ursprünglichen Fahrtrichtung wieder verlässt. (BGHSt)

2. Nach allgemeiner Auffassung ist unter "Wenden" der - willentlich gesteuerte - Verkehrsvorgang zu verstehen, durch den ein Fahrzeug auf derselben Straße von der bisherigen in die entgegengesetzte Richtung gebracht wird (vgl. BGHSt 27, 233, 234/235; 31, 71, 74). (Bearbeiter)

3. Aufgabe des Straßenrechts ist die Regelung der Rechtsverhältnisse an den öffentlichen Straßen; es befasst sich daher insbesondere mit der Widmung, Umstufung und Einziehung öffentlicher Straßen, mit der Straßenbaulast sowie mit der Abgrenzung von Gemeingebrauch und Sondernutzung. Mit dem Straßenverkehrsrecht soll hingegen die Teilnahme am Straßenverkehr, vor allem dessen Sicherheit und Leichtigkeit, gewährleistet werden (vgl. hierzu BGH NJW 2002, 1280, zum Abdruck in BGHSt vorgesehen). (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 3 StR 369/01 - Beschluss vom 7. Mai 2002

Gemeinschaftliche Tatbegehung beim bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge; Täterschaft und Teilnahme (unmittelbarer Zugriff; Mittäterschaft; Anstiftung; Eigenhändigkeit); Vorlage an den Großen Senat.

§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG; § 25 Abs. 2 StGB; § 26 StGB; § 27 StGB § 132 Abs. 2, Abs. 4 GVG

Bei gemeinschaftlicher Tatbegehung des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ist nicht nur derjenige Täter, der selbst unmittelbar Zugriff auf die mitgeführte Schusswaffe hat: Die vom gemeinsamen Tatplan umfasste Bewaffnung eines Mittäters kann auch den übrigen nach allgemeinen Grundsätzen (§ 25 Abs. 2 StGB) zugerechnet werden (Empfehlung des vorlegenden dritten Strafsenates).


Entscheidung

BGH 3 StR 45/02 - Beschluss vom 25. April 2002 (LG Krefeld)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln; Bandenhandel mit Betäubungsmitteln; minder schwerer Fall; Wirkstoffmenge; Strafzumessung.

§ 30 a BtMG; § 46 StGB

Für das Vorliegen eines minder schweren Falls des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln ist entscheidend, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maß abweicht, dass die Anwendung des milderen Strafrahmens geboten erscheint. Dabei ist die Gesamtmenge des Wirkstoffs bezeigen auf die einfache nicht geringe Menge ein wesentlicher Umstand. Er verliert seine Bedeutung auch nicht dadurch, dass das Betäubungsmittelgeschäft kurz vor dem Abschluss scheitert. Je deutlicher die Grenze der nicht geringen Menge überschritten wird, desto gewichtiger müssen die für die Annahme eines minder schweren Falls herangezogenen Gründe sein.