HRR-Strafrecht

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Februar 2002
3. Jahrgang
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Hervorzuhebende Entscheidungen des BGH

I. Materielles Strafrecht

1. Schwerpunkt Allgemeiner Teil des StGB


Entscheidung

BGH 3 StR 303/01 - Urteil vom 12. Dezember 2001 (LG Lübeck)

BGHR; Unmittelbares Ansetzen (Tatplan; Eigendynamik nach Vorbereitungshandlungen; Ausschaltung der Verteidigungsmöglichkeiten des Opfers; wesentliche Zwischenschritte bei mehraktig geplantem Tatgeschehen); Versuch; Vorsatz; Alternativität; Irrtum über den Kausalverlauf (unerhebliche Abweichung); Mord; Körperverletzung mit Todesfolge; Fahrlässige Tötung; Zweifelsgrundsatz

§ 22 StGB; § 15 StGB; § 261 StPO; § 211 StGB; § 227 StGB; § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB

1. Bewirkt der Täter, der nach seiner Vorstellung vom Tatablauf den Taterfolg erst durch eine spätere Handlung herbeiführen will, diesen tatsächlich bereits durch eine frühere, so kommt eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Taterfolgs über die Rechtsfigur der unerheblichen Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf nur dann in Betracht, wenn er bereits vor der Handlung, die den Taterfolg verursacht, die Schwelle zum Versuch überschritten hat oder sie zumindest mit dieser Handlung überschreitet. (BGHR)

2. Beabsichtigt der zur Tötung eines anderen entschlossene Täter, das Opfer beim ersten Angriff nur verteidigungsunfähig zu machen, die eigentliche Tötungshandlung dagegen erst nach einem genau geplanten mehraktigen Geschehensablauf in größerem örtlichen und zeitlichen Abstand auszuführen, so liegt in dem ersten Angriff jedenfalls dann noch kein unmittelbares Ansetzen zum Tötungsdelikt im Sinne des § 22 StGB, wenn nach seinem Tatplan innerhalb des zum Taterfolg führenden Gesamtgeschehens auch Handlungsschritte vorgesehen sind, die in keinem inneren Zusammenhang mit der Tötung stehen und durch den vorherigen Tod des Tatopfers vereitelt würden. (BGHR)

3. Gemäß § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat vor, sobald der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies ist nicht erst dann der Fall, wenn er bereits eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt bzw. ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Auch eine frühere, vorgelagerte Handlung kann bereits die Strafbarkeit wegen Versuchs begründen. Dies gilt aber nur dann, wenn sie nach der Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung unmittelbar einmündet oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang steht (s. etwa BGHSt 26, 201, 203). Diese abstrakten Maßstäbe bedürfen angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen jedoch stets der wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles (vgl. BGHSt 30, 363, 364; 40, 257, 269; BGHR StGB § 22 Ansetzen 11). (Bearbeiter)

4. Der Gesamtplan des Täters ist die Grundlage für die Beurteilung, ob ein unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung vorliegt. Allein die objektiv nach dem Tatplan bereits bewirkte Ausschaltung der Verteidigungsmöglichkeiten des Opfers gegen die spätere eigentliche Tötungshandlung und die nach dem Tatplan anzunehmenden Eigendynamik begründen das unmittelbare Ansetzen nicht. Auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgutsgefährdung kann der Versuch einer Straftat erst dann angenommen werden, wenn die vom Täter vorgenommene Handlung nach seiner Vorstellung vom Tatablauf bereits einen derart unmittelbaren Angriff auf das geschützte Rechtsgut enthält, daß dieses schon konkret gefährdet ist und sich der Schaden unmittelbar anschließen kann (BGHSt 40, 257, 268; BGH NJW 1990, 2072). (Bearbeiter)

5. Soweit der Bundesgerichtshof bisher bei einem nach der Tatplanung mehraktigen, in Teilschritten zur Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals führenden Geschehensablauf bereits mit der Umsetzung eines frühen Teilakts das Vorliegen eines Versuchs angenommen oder erwogen hat, obwohl noch weitere Zwischenschritte bis zur Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals notwendig waren, so setzt diese Rechtsprechung voraus, daß der der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagerte Teilakt des Gesamtgeschehens wegen seiner notwendigen Zusammengehörigkeit mit der eigentlichen Tathandlung nach dem Plan des Täters als deren Bestandteil erscheint, weil er an diese zeitlich und räumlich angrenzt und bei Verwirklichung des Tatplanes mit ihr eine natürliche Einheit gebildet hätte, sowie daß der Täter keine Zwischenschritte bis zur Tatvollendung mehr vorgesehen hatte, die tatbestandsfremden Zwecken dienten. (Bearbeiter)

6. Der Zweifelssatz erfordert es nicht, zugunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte liefert (vgl. BGH NJW 1995, 2300; NStZ 1997, 344). (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 3 StR 379/01 - Beschluss vom 14. November 2001 (LG Düsseldorf)

Mittäterschaft beim Betrug; Beihilfe; Anstiftung (Vorsatzanforderungen); Tatherrschaft (zugesagte Mitwirkung bei der Beuteverwertung)

§ 25 Abs. 2 StGB; § 263 StGB; § 27 StGB; § 26 StGB; § 15 StGB

1. Ob ein Tatbeteiligter eine Tat als Täter begeht, ist in wertender Betrachtung nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfaßt sind, zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können sein der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille hierzu, so daß Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (BGHSt 37, 289, 291; BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 13, 14 und 18). Die Annahme von Mittäterschaft erfordert nicht zwingend auch eine Mitwirkung am Kerngeschehen. Für eine Tatbeteiligung als Mittäter reicht ein auf der Grundlage gemeinsamen Wollens die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag aus, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränken kann (vgl. BGHSt 40, 299, 301; BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 26 und Tatinteresse 2).

2. Nach der Rechtsprechung ist derjenige, der durch eine vor der Tat abgegebene Erklärung seine Mitwirkung bei der Beuteverwertung zusagt und dann diese Zusage auch einhält, nicht Mittäter, sondern nur Anstifter oder Gehilfe bei der Vortat und außerdem Hehler (vgl. BGHSt 8, 390 f.; s. auch BGHSt 33, 50 f.).

3. Hinsichtlich der Bestimmtheit der Haupttat gelten für den Anstifter höhere Anforderungen (BGHSt 34, 63 ff.) als für den Gehilfen (BGHSt 42, 138). Grundsätzlich kann sich eine Beteiligungshandlung auch auf eine Mehrzahl von Taten des Haupttäters beziehen, zu der angestiftet oder ein fördernder Beitrag erbracht wird. Allerdings wird dann zu fordern sein, daß die Teilnehmer wenigstens in Umrissen eine Vorstellung von Anzahl und Zeitraum der Taten haben. Dabei könnte hier von Bedeutung sein, daß die Angeklagten es durch ihre Absatzbereitschaft in der Hand hatten, die Zahl und Frequenz der Betrugstaten zu beeinflussen.


Entscheidung

BGH 5 StR 419/01 - Urteil vom 11. Dezember 2001 (LG Hamburg)

Fahrlässige Tötung (Aufsicht über gefährliche Hunde); Bedingter Vorsatz (Tötungsvorsatz; voluntatives Vorsatzelement; Beweiswürdigung und deren Revisibilität); Strafzumessung (gerechter Schuldausgleich; behördliches Mitverschulden; intensive Rettungsbemühungen)

§ 222 StGB; § 212 StGB; § 15 StGB; § 46 StGB

1. Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, daß der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und ihn billigend in Kauf nimmt. Dabei kann es sich um einen an sich unerwünschten Erfolg handeln, mit dessen möglichem Eintritt der Täter sich aber abfindet (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 38, 39 m.w.Nachw.). Hingegen ist bewußte Fahrlässigkeit gegeben, wenn er mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft - nicht nur vage - darauf vertraut, sie werde nicht eintreten. Insbesondere bei der Erörterung der Frage, ob der Täter den Eintritt des als möglich erkannten Erfolges billigt, muß das Gericht sich mit der Persönlichkeit des Täters und allen für das Tatgeschehen bedeutsamen Umständen auseinandersetzen (vgl. BGHSt 36, 1, 9 f.; BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 24, 41).

2. Dabei obliegt es allein dem Tatrichter, sich auf der Grundlage der erhobenen Beweise eine Überzeugung vom tatsächlichen Geschehen und damit auch von der subjektiven Tatseite zu verschaffen. Seine Beweiswürdigung hat das Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, Kann der Tatrichter eigene Zweifel nicht überwinden, so darf das Revisionsgericht eine solche Entscheidung nur im Hinblick auf Rechtsfehler überprüfen. Eine rechtsfehlerhafte Beweiswürdigung ist etwa dann gegeben, wenn sie widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewißheit zu hohe Anforderungen gestellt worden sind (st.Rspr.: vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16; Überzeugungsbildung 33).


Entscheidung

BGH 1 StR 369/01 - Urteil vom 11. Dezember 2001 (LG München I)

Brandstiftung mit Todesfolge; Bedingter Tötungsvorsatz (lebensgefährdende Handlungen; feindliche Absicht; Hemmschwelle; Willenselement); Unzulässige Verwertung eines Teilschweigens

§ 212 StGB; § 15 StGB; § 261 StPO; § 306c StGB

Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen, die in feindlicher Absicht vorgenommen werden und die Lebensgefährlichkeit offen zutage trete, liegt es ausgesprochen nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs der von ihm in Gang gesetzten Handlungskette rechnet. Der Bundesgerichtshof hat es aber auch für denkbar angesehen, dass es Fälle geben kann, in denen ein Täter alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, er sich aber gleichwohl nicht bewußt ist, daß sein Tun zum Tod des Opfers führen kann (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 6, 10, 15, 26). Deshalb bedürfe es für den Schluß der Billigung eines Todeserfolges selbst bei einer in feindlicher Absicht begangenen Tathandlung im Hinblick auf die gegenüber der Tötung eines anderen Menschen bestehenden hohen Hemmschwelle sorgfältiger Prüfung insbesondere des Willenselements.


Entscheidung

BGH 3 StR 407/01 - Beschluss vom 14. November 2001 (LG Duisburg)

Vergewaltigung; Vorsatz (Mitsichführen eines gefährlichen Werkzeuges; sachgedankliches Mitbewusstsein)

§ 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB; § 15 StGB

Der Täter muss sich im Zeitpunkt der Tat nicht sämtlicher Tatumstände im Sinne eines "Daran-Denkens" bewusst sein, vielmehr sind von dem Erfordernis eines aktuellen Bewußtseins Abstriche vorzunehmen.

2. Schwerpunkt Besonderer Teil des StGB


Entscheidung

BGH 1 StR 185/01 - Urteil vom 15. November 2001 (LG Mannheim)

BGHSt; BGHR; Missbrauchstatbestand; Untreue; Gravierende Pflichtverletzung bei Kreditvergabe; Pflicht zum Verlangen nach Offenlegung; Vorsatz bei der Untreue; (zu hohe) Anforderungen an die Überzeugungsbildung; Abstufung der Verantwortlichkeit für die Kreditvergabe trotz Einstimmigkeitsprinzips

§ 266 Abs. 1 1 Alt. StGB; § 18 Satz 1 KWG; § 15 StGB; § 261 StPO

1. Für die Pflichtverletzung im Sinne des Mißbrauchstatbestandes des § 266 StGB bei einer Kreditvergabe ist maßgebend, ob die Entscheidungsträger bei der Kreditvergabe ihre bankübliche Informations- und Prüfungspflicht bezüglich der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers gravierend verletzt haben. Aus der Verletzung der in § 18 Satz 1 KWG normierten Pflicht zum Verlangen nach Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse können sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß der banküblichen Informations- und Prüfungspflicht nicht ausreichend Genüge getan wurde (Fortführung von BGHSt 46, 30). (BGHSt)

2. Zwar könnte eine Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 266 StGB bei der Vergabe von - auch hochriskanten - Folgekrediten entfallen, wenn diese Erfolg bei der Sanierung des gesamten Kreditengagements versprechen. Das ist insbesondere bei einem wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplan der Fall, der auf einen einheitlichen Erfolg angelegt ist und bei dem erst nach einem Durchgangsstadium ein Erfolg erzielt wird. Ist die Existenz der Bank nicht bedroht und wird die Kreditwürdigkeit sorgfältig geprüft, so können bei dieser Erfolgsbewertung neben der Chance auf das "Auftauen" eingefrorener Altkredite auch weitere Umstände berücksichtigt werden, wie etwa die ökonomisch sinnvolle Erhaltung eines Unternehmens und seiner Arbeitsplätze. (Bearbeiter)

3. Wird die Entscheidung über eine Kreditvergabe von einem mehrköpfigen Gremium getroffen, kommen allerdings auch für den Fall des Einstimmigkeitsprinzips unterschiedliche Verantwortlichkeiten der Beteiligten in Frage (BGHSt 46, 30, 35). Die Bankleiter können sich grundsätzlich auf den Bericht des federführenden Vorstandsmitglieds oder des als zuverlässig bekannten Kreditsachbearbeiters verlassen. Ergeben sich jedoch Zweifel oder Unstimmigkeiten, ist Rückfrage oder eigene Nachprüfung geboten. Eine eigene Nachprüfung ist auch dann erforderlich, wenn die Kreditvergabe ein besonders hohes Risiko - insbesondere für die Existenz der Bank (vgl. BGHSt 37, 106, 123) - beinhaltet, oder wenn bekannt ist, daß die Bonität des Kunden eines hohen Kredits ungewöhnlich problematisch ist. (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 1 StR 215/01 - Urteil vom 6. Dezember 2001 (LG Offenburg)

BGHSt; BGHR; Untreue; Pflichtwidrigkeit bei Förderungen von Kunst, Wissenschaft, Sozialwesen oder Sport durch eine Aktiengesellschaft (nur bei gravierenden gesellschaftsrechtlichen Pflichtverletzungen; Gesamtschau; Maßstab bei Nebentätigkeiten); Missbrauchstatbestand; Treubruchstatbestand; Anstiftung; Aufsichtsratspflichten; Unternehmerischer Spielraum des Vorstandes (verdeckte Werbeausgaben); Vermögensbetreuungspflicht; Vermögensfürsorgepflicht; Public relations; Sponsoring; Pet charities; Politische Landschaftspflege; Gesamtverantwortung des Vorstands (Transparenz; Verschleierung); Konkurrenzen (Zurücktreten der Anstiftung zur Tat hinter der eigenen Täterschaft); Strafbegründendes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB; Nebentäterschaft

§ 266 StGB; § 26 StGB; § 28 Abs. 1 StGB; § 52 StGB; § 25 StGB; § 76 AktG; § 116 AktG; § 93 AktG

1. Vergibt der Vorstand einer Aktiengesellschaft aus deren Vermögen Zuwendungen zur Förderung, von Kunst, Wissenschaft, Sozialwesen oder Sport, genügt für die Annahme einer Pflichtwidrigkeit im Sinne des Untreuetatbestandes des § 266 StGB nicht jede gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung; diese muß vielmehr gravierend sein. (BGHSt)

2. Ob eine Pflichtverletzung gravierend ist, bestimmt sich aufgrund einer Gesamtschau insbesondere der gesellschaftsrechtlichen Kriterien. Bedeutsam sind dabei: Fehlende Nähe zum Unternehmensgegenstand, Unangemessenheit im Hinblick auf die Ertrags- und Vermögenslage, fehlende innerbetriebliche Transparenz sowie Vorliegen sachwidriger Motive, namentlich Verfolgung rein persönlicher Präferenzen. (BGHSt)

3. Jedenfalls dann, wenn bei der Vergabe sämtliche dieser Kriterien erfüllt sind, liegt eine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB vor. (BGHSt)

4. Die Abgrenzung, inwieweit im Einzelfall Unternehmensinteressen verfolgt oder ob mit dem Geld der Gesellschaft ausschließlich Privatbelange gefördert werden, obliegt grundsätzlich der Beurteilung des Vorstands. Zwar darf er mit dem Geld der Gesellschaft auch seine eigene politische Überzeugung, private Liebhaberei für Kunst und Wissenschaft oder seine Begeisterung für eine bestimmte Sparte des Sports verfolgen. Hier gilt aber: Je loser die Verbindung zwischen dem Geförderten und dem Unternehmensgegenstand, desto enger ist der Handlungsspielraum des Vorstands und desto größer sind die Anforderungen an die interne Publizität. Bei unentgeltlichen, nicht erkennbar mit dem Unternehmensgegenstand zusammenhängenden Zuwendungen an Dritte muß sich der Vorstand an dem möglichen Nutzen orientieren, den ein solches Verhalten der sozialen Akzeptanz - dem "standing" - des Unternehmens in der allgemeinen oder auch nur in der interessierten Öffentlichkeit sowie dem Ansehen der Unternehmensleitung bei der Belegschaft und dergleichen bringt. (Bearbeiter)

5. Zur fehlenden Rechtfertigung der Tat durch das Motiv "politische Landschaftspflege". (Bearbeiter)

6. Dem Aufsichtsrat obliegt gegenüber der Aktiengesellschaft eine Vermögensfürsorgepflicht (BGH wistra 1999, 418 lfd. Nr. 2; BGHSt 9, 203, 217). Den Umfang dieser Pflichten regelt das Aktiengesetz in § 116 AktG durch einen Verweis auf die sinngemäße Anwendung der Vorschriften über die Sorgfalt der Vorstandsmitglieder (§ 93 AktG). (Bearbeiter)

7. Im gegebenen Fall kann dahinstehen, ob die gesellschaftsrechtliche Treupflicht des Aufsichtsrates zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Gesellschaft bei einer Betätigung außerhalb der Geschäftssphäre der Gesellschaft und bei Rechtsgeschäften mit ihr nur in einem beschränkten Umfang gilt, weil in Rechnung gestellt werden muß, daß die Tätigkeit dort eine typische Nebentätigkeit ist, so daß Interessenkollisionen mit anderen Tätigkeiten des Aufsichtsratsmitglieds absehbar sind und mitunter zwangsläufig eintreten. (Bearbeiter)

8. Liegt jeweils eine Tat i. S. d. § 52 StGB vor, geht die Anstiftung eines weiteren Täters zu dieser Tat in der Verurteilung wegen täterschaftlichen Handelns auf, das die schwerere Tat darstellt (vgl. BGH NStZ 2000, 421). (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 1 StR 432/01 - Beschluss vom 24. Oktober 2001 (LG Regensburg)

Untreue; Treubruch; Vermögensbetreuungspflicht; Betrug

§ 266 StGB; § 263 StGB

1. Ein Treueverhältnis im Sinne des § 266 StGB erfordert, daß der Täter innerhalb eines nicht unbedeutenden Pflichtenkreises bei Einräumung von Ermessensspielraum, Selbständigkeit und Bewegungsfreiheit zur fremdnützigen Vermögensfürsorge verpflichtet ist.

2. Aus dem Auftrag einer Versicherungsgesellschaft, Berechtigte aus einer Lebensversicherung über Möglichkeiten der Wiederanlage frei gewordener Gelder zu beraten und ihnen Gelder auszuhändigen, wenn es zu keinem neuen Vertrag kommt, oder neue Kunden für die Versicherungsgesellschaft zu gewinnen, ergibt sich keine Treuepflicht im Sinne des § 266 StGB gegenüber den Kunden.


Entscheidung

BGH 3 StR 458/01 - Beschluss vom 14. Dezember 2001 (LG Hannover)

Verdeckungsmord (andere Tat; Tateinheit); Vergewaltigung; Begriff der Tat; Niedrige Beweggründe; Sicherungsverwahrung (drei selbständige Symptomtaten und enger zeitlicher und innerer Zusammenhang)

§ 177 Abs. 2 StGB; § 211 StGB; § 264 StPO; § 52 StGB; § 66 StGB

1. Ein Verdeckungsmord kann auch dann gegeben sein, wenn das zu verdeckende Delikt mit der vorsätzlichen Tötung in Tateinheit steht (vgl. BGHSt 35, 116, 125 f.; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Verdeckung 11). Dies muss jedoch näher begründet werden.

2. Handelt der Täter bereits bei der vorausgehenden Gewaltanwendung zum Zwecke der Vergewaltigung mit Tötungsvorsatz, scheidet das Merkmal der Verdeckungsabsicht mangels einer "anderen Straftat" aus. Eine Verurteilung wegen Mordes ist dann aber nicht ausgeschlossen. Denn statt der Verdeckungsabsicht wäre das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe zu erwägen und zu prüfen (vgl. BGH NStZ 1992, 127).

3. § 66 Abs. 2 StGB setzt drei rechtlich selbständige Taten voraus, die einer selbständigen Aburteilung fähig sind. Dies kann zwar auch bei rasch aufeinanderfolgenden Taten der Fall sein, bedarf aber hinsichtlich der Bewertung, dass jede der Taten für sich genommen geeignet ist, einen eingewurzelten Hang des Angeklagten zu belegen, besonderer Prüfung: in Fällen, bei dem die Taten in einem sehr engen zeitlichen und inneren Zusammenhang stehen, versteht es sich nicht von selbst, daß diese, selbst wenn materiell-rechtlich Tatmehrheit anzunehmen wäre, von einander trennbare Lebenssachverhalte darstellen, die jeder für sich als eine der erforderlichen - bei § 66 Abs. 2 StGB drei - Symptomtaten gewertet werden können und jeweils als selbständige Grundlage für die Prognose nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB i.V.m. § 66 Abs. 2 StGB in Betracht kommen.


Entscheidung

BGH 2 StR 477/01 - Beschluss vom 28. November 2001 (LG Erfurt)

Hehlerei; Abgeschlossene Vortat (rechtswidrige Besitzlage)

§ 259 Abs. 1 StGB

Nach ständiger Rechtsprechung muß die gegen fremdes Vermögen gerichtete Tat zum Zeitpunkt des abgeleiteten Erwerbs abgeschlossen sein (BGHSt 13, 403, 405); daher liegt Hehlerei nicht vor, wenn die Vortat erst durch die Verfügung zugunsten des Hehlers begangen wird (BGH NStZ 1994, 486; BGHR StGB § 259 Abs. 1 Vortat 5). In diesem Fall kommt vielmehr Beteiligung des Erwerbers an der Vortat - hier einer durch die Verfügung begangenen Unterschlagung - in Betracht.


Entscheidung

BGH 3 StR 422/01 - Beschluss vom 5. Dezember 2001 (LG Hildesheim)

Besonders schwere Brandstiftung; Inbrandsetzen eines zur Wohnung von Menschen dienenden Gebäudes; Brandlegung (Zerstörung durch Rußeinwirkung); Mittäterschaft; Ermöglichen

§ 306 a Abs. 1 Nr. 1, § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB; § 25 StGB

Das Inbrandsetzen eines Gebäudes ist nur dann vollendet, wenn Teile des Gebäudes, die für dessen Gebrauch bestimmend sind, so vom Feuer erfaßt sind, daß ein Fortbrennen aus eigener Kraft möglich ist. Für die Unterscheidung ob ein genügendes Gebäudeteil vorliegt ist von Bedeutung, ob die fragliche Sache jederzeit entfernt werden konnte, ohne daß das Bauwerk selbst beeinträchtigt wurde (vgl. BGHR StGB § 306 Nr. 2 Inbrandsetzen 4 und BGHSt 16, 109, 111).


Entscheidung

BGH 4 StR 408/01 - Beschluss vom 13. November 2001 (LG Bochum)

Zuhälterei in Tateinheit mit Förderung der Prostitution (persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit); Ausbeuterische, dirigierende Prostitution; Prostitutionsgesetz

§ 180 a Absatz 1 Nr. 2 StGB; 180 a Abs. 1 Nr. 1 StGB; § 181 a Abs. 1 Nr. 1 StGB; ProstG

1. Die ausbeuterische Prostitution setzt ein planmäßiges und eigensüchtiges Ausnutzen der Prostitutionsausübung als Erwerbsquelle, das zu einer spürbaren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Prostituierten geführt hat (vgl. BGH NStZ 1989, 67; 1999, 349, 350) voraus.

2. Der Tatbestand der dirigierenden Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB) setzt in allen Begehungsweisen eine bestimmende Einflußnahme auf die Prostitutionsausübung voraus; eine bloße Unterstützung reicht nicht aus (BGHR StGB § 181 a Abs. 1 Nr. 2 Dirigieren 2). Das Verhalten muß vielmehr geeignet sein, die Prostituierte in Abhängigkeit vom Täter zu halten, ihre Selbstbestimmung zu beeinträchtigen, sie zu nachhaltigerer Prostitutionsausübung anzuhalten oder in ihrer Entscheidungsfreiheit in sonstiger Weise nachhaltig zu beeinflussen (BGH StV 2000, 357, 361 m.w.N.).


Entscheidung

BGH 2 StE 6/01-6 - Beschluss vom 20. Dezember 2001 (OLG Celle)

Fortdauernde Untersuchungshaft; Bildung einer kriminellen Vereinigung (Prägung des Erscheinungsbildes durch strafrechtswidriges Verhalten bei PKK/ERNK); Bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern

§§ 121, 122 StPO; § 129 Abs. 1 StGB; § 112 StPO; § 92 a Abs. 2 Nr. 2 AuslG

Die Zwecke oder die Tätigkeit einer kriminellen Vereinigung im Sinne des § 129 StGB müssen in der Weise darauf gerichtet sein, Straftaten zu begehen, daß diese nicht nur von untergeordneter Bedeutung, sondern in dem Sinne wesentlich und mit anderen Zwecken oder Tätigkeiten gleichgeordnet sind, daß durch das strafrechtswidrige Verhalten das Erscheinungsbild der Vereinigung aus der Sicht informierter Dritter mitgeprägt wird (BGHSt 41, 47, 56).