HRR-Strafrecht

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Februar 2000
1. Jahrgang
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III. Strafverfahrensrecht (mit Gerichtsverfassungsrecht)



Entscheidung

BGH 5 StR 32/99 - Urteil v. 8. Dezember 1999 (LG Hamburg)

Verwertungsverbot in Fällen unlauterer Verfahrensmanipulation; Zulässigkeit der Hinzuverbindung eines Verfahrens gegen einen der versuchten Strafvereitelung durch Falschaussage angeschuldigten Zeugen während fortlaufender Hauptverhandlung; Richterausschluß; Besorgnis der Befangenheit; Zeugnisverweigerungsrecht; Grundsatz der Wahrheitserforschung; Schutz von Ehe und Familie

§ 252 StPO; § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO; §§ 3, 4 StPO; § 261 StPO; § 338 Nr. 2 i.V.m. § 22 Nr. 5 StPO; Art. 6 GG

1. Zu den Grenzen des aus § 252 StPO abzuleitenden Verwertungsverbots in Fällen unlauterer Verfahrensmanipulation. (BGHSt)

2. Zur Zulässigkeit der Hinzuverbindung eines Verfahrens gegen einen der versuchten Strafvereitelung durch Falschaussage angeschuldigten Zeugen während fortlaufender Hauptverhandlung. (BGHSt)

3. Zu den Anforderungen an den Richterausschluß (im Anschluß an BGHSt 44, 4 ff.).

4. Einzelfall einer angeblich zur Erlangung eines Zeugnisverweigerungsrechts geschlossenen Ehe.


Entscheidung

BGH 5 StR 312/99 - Urteil v. 9. Dezember 1999 (LG Darmstadt)

Schuldfrage; Glaubwürdigkeit; Beauftragter Richter; Einführung durch dienstliche Äußerung; Inbegriff der Hauptverhandlung; Beweiswürdigung; Richterausschluß wegen Zeugenvernehmung; Freibeweis; Strengbeweis; Gerichtskundigkeit

§§ 223, 251 Abs. 1, 261 StPO; § 338 Nr. 2 i.V.m. § 22 Nr. 5 StPO; § 15 KonsularG

1. Die Schuldfrage betreffende Wahrnehmungen des beauftragten Richters dürfen nicht im Wege der dienstlichen Erklärung in die Hauptverhandlung eingeführt werden. (BGHSt)

2. Zur Anwendbarkeit des § 338 Nr. 2 i.V.m. § 22 Nr. 5 StPO bei der Verlesung der dienstlichen Äußerung des beauftragten Richters. (Bearbeiter)

3. Eine nach § 223 Abs. 1 StPO angeordnete konsularische Zeugenvernehmung, die gemäß § 15 KonsularG im Wege der inländischen Rechtshilfe vorgenommen wird, ist nicht Teil der Hauptverhandlung. (Bearbeiter)

4. Die Feststellung schuldrelevanter Tatsachen ist dem Freibeweis nicht zugänglich, sondern unterliegt den in §§ 244 bis 256 StPO festgelegten Regeln des Strengbeweises. Dienstliche Äußerungen scheiden im Bereich des Strengbeweises als zulässige Beweismittel aus. (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 2 StR 313/99 - Urteil v. 17. November 1999 (LG Aachen)

Ablehnung eines Richter wegen Besorgnis der Befangenheit; Absprachen über Strafobergrenze im Fall eines Geständnisses

§§ 24, 338 Nr. 3 StPO

Erweckt das Gericht nach Vorberatung über die Strafobergrenze, die es im Fall eines Geständnisses nicht überschreiten wolle, den Eindruck, sich insoweit ohne Rücksicht auf den Umfang des Geständnisses und den weiteren Verlauf der Hauptverhandlung vorbehaltlos und endgültig festgelegt zu haben, so kann dies für einen Verfahrensbeteiligten die Besorgnis der Befangenheit begründen. (BGHSt)


Entscheidung

BGH 3 StR 267/99 - Urteil v. 08. Dezember 1999 (LG Lübeck)

Bildung einer Hilfsstrafkammer bei Überlastung einer als Schwurgericht tätigen Strafkammer; Recht auf den gesetzlichen Richter

Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG; § 60 GVG

Die vorübergehende Überlastung einer ordentlichen Strafkammer (als Voraussetzung für die Bildung einer Hilfsstrafkammer) ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, bei dessen Anwendung dem Präsidium ein weiter Beurteilungsspielraum zusteht. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters liegt erst dann vor, wenn offen zutage liegt, daß die Überlastung nicht bloß vorübergehend ist, und daher die Entscheidung über die Bildung der Hilfsstrafkammer als objektiv willkürlich erscheint. (BGH)


Entscheidung

BGH 3 StR 333/99 - Beschluß v. 03. November 1999 (LG Hannover)

Rechtsfehlerhafte Abwesenheit des Angeklagten bei Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen

§ 338 Nr. 5 StPO; § 247 S. 2, 4 StPO

Die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen gehört nicht mehr zur Vernehmung, sondern ist ein selbständiger Verfahrensabschnitt und - in der Regel - wesentlicher Teil der Hauptverhandlung. Der Angeklagte, dessen Entfernung aus dem Sitzungssaal während der Vernehmung eines Zeugen durch das Gericht angeordnet worden ist, muß daher zur Verhandlung über die Entlassung wieder zugelassen werden.


Entscheidung

BGH 2 ARs 418/99 (2 AR 185/99) - Beschluß v. 10. November 1999 (LG Koblenz; StA Koblenz; LG Detmold)

Zuständigkeit für Erinnerungen gegen Kostenrechnungen der Staatsanwaltschaft

§ 5 Abs. 1 Satz 2 GKG; § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO

Für die Entscheidung über die Erinnerung des Verurteilten gegen den Ansatz der Kosten eines nach § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO erhobenen Sachverständigengutachtens in der Kostenrechnung der Staatsanwaltschaft ist das Gericht der ersten Instanz zuständig. (BGH)


Entscheidung

Ermittlungsrichter des BGH 3 BJs 47/99 (StB 15/99) - Beschluß v. 12. Januar 2000

Staatsschutzdelikt; Ausländerhaß als niedriger Beweggrund

§ 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a) GVG; § 211 StGB

Zur Annahme eines Staatsschutzdelikts bei Tötungsverbrechen aus Ausländerhaß (hier: versuchter Mord zum Nachteil von Vietnamesen). (BGH)

Eine Beeinträchtigung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch eine Straftat liegt nicht erst dann vor, wenn die Existenz des Staates, dessen Institutionen oder die freiheitlich - demokratische Grundordnung insgesamt in Frage stehen. Sie ist vielmehr bereits dann gegeben, wenn die Tat Auswirkungen auf den inneren Frieden der Bundesrepublik Deutschland in - einer Weise hat, die über die Verletzung der Rechtsgüter einzelner Personen und die dadurch hervorgerufene Gefährdung der öffentlichen Sicherheit erheblich hinausgehen. (Bearbeiter)