HRR-Strafrecht

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Februar 2000
1. Jahrgang
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IV. Nebenstrafrecht, Haftrecht und Jugendstrafrecht


Entscheidung

BGH 5 StR 221/99 - Urteil v. 10. November 1999 (LG Aachen)

Steuerhinterziehung; Time-Sharing; Dauerwohnrecht nach § 31 WEG; Vorsteuerabzug; Unrichtige bzw. unvollständige Angaben; Bedingter Vorsatz; Leichtfertigkeit; Offenbarungspflicht

§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO; § 31 WEG; § 4 Nr. 12 lit. c UStG; § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG; § 41 Abs. 1 AO; § 378 AO

1. Zur Steuerhinterziehung bei zu unrecht geltend gemachtem Vorsteuerabzug im Rahmen von Time-Sharing-Modellen.

2. Der Umsatzsteuerfreiheit der Übertragung der Anteile an Dauerwohnrechten steht nicht entgegen, daß die Erwerber der Anteile nach den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen wirtschaftlich Mietern gleichgestellt werden sollten. Zwar ist bei der Auslegung von Steuergesetzen die Berücksichtigung von Zweck und wirtschaftlicher Bedeutung des jeweils zugrunde liegenden Geschäfts geboten. Soweit es sich um die Begründung einer Steuerpflicht handelt, findet diese Berücksichtigung aber ihre Grenze am möglichen Wortsinn der anzuwendenen Vorschrift (vgl. BFHE 91, 511, 514).

3. Zum Umfang der steuerrechtlichen Erklärungspflicht.

4. Da sich hinter den (im Rahmen der formalisierten Steuererklärung) mitgeteilten Zahlen die verschiedensten Sachverhalte verbergen können, die für das Finanzamt nicht erkennbar sind, besteht zumindest eine Offenbarungspflicht für diejenigen Sachverhaltselemente, deren rechtliche Relevanz objektiv zweifelhaft ist (vgl. auch BGH wistra 1986, 27, 28; wistra 1995, 69). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die von dem Steuerpflichtigen vertretene Auffassung über die Auslegung von Rechtsbegriffen oder die Subsumtion bestimmter Tatsachen von der Rechtsprechung, Richtlinien der Finanzverwaltung oder der regelmäßigen Veranlagungspraxis abweicht. In einem derartigen Fall kann es ausreichend sein, die abweichende Rechtsauffassung mitzuteilen, wenn deren Schilderung die erforderliche Tatsachenmitteilung enthält.

5. Stellt das Gericht fest, daß der Angeklagte von Anfang an beabsichtigt hat, keine zutreffenden Umsatzsteuerjahreserklärungen abzugeben und es mit seinen Hinterziehungshandlungen vielmehr darauf angelegt hat, die zunächst bewirkte Hinterziehung auf Zeit später in eine solche auf Dauer übergehen zu lassen, darf es den gesamten jeweils monatlich erlangten Vorteil als vom Vorsatz umfaßtes Handlungsziel bei der Strafzumessung erschwerend berücksichtigen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 43, 270, 276). Der Tatrichter hat sich daher in den Fällen, in denen es nicht mehr zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung kommt, grundsätzlich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob es dem Angeklagten bei der Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen lediglich darauf angekommen ist, auf Zeit Liquidität zu schöpfen, oder ob das Handlungsziel des Angeklagten bereits die Steuerverkürzung auf Dauer umfaßte.

6. Ungeachtet der grundsätzlich bestehenden Möglichkeit einer Aufgabenteilung im normalen Geschäftsbetrieb (vgl. auch BFH BStBl. II 1984, 776, 778; BayObLG wistra 1993, 237, 238), treffen auch bei Berufung mehrerer Geschäftsführer einen jeden im Rahmen einer Gesamtverantwortung (§ 114 HGB) gemäß § 34 AO die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft in eigener Person. Fehlen einem Geschäftsführer die zur Erfüllung dieser Pflichten erforderlichen persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, so darf er sich fachkundiger Hilfe, auch der eines Mitgeschäftsführers, bedienen. Dies entbindet ihn jedoch nicht von der Pflicht, sich innerhalb des ihm Möglichen und Zumutbaren zu vergewissern, ob die mit dieser Aufgabe betraute Person - auch wenn es sich um den Mitgeschäftsführer handelt - die ihm übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß ausführt und ob sie genügend zuverlässig und sachkundig ist (vgl. BGHSt 7, 336, 349, 351). Ist der Pflichtige zu einer solchen Kontrolle selbst nicht in der Lage, weil ihm die erforderliche Sachkunde fehlt, darf er sich nicht völlig auf den Beauftragten verlassen, sondern muß einen ihm als zuverlässig und erfahren bekannten Angehörigen der steuerberatenden Berufe hinzuziehen (vgl. BGHSt aaO S. 352).


Entscheidung

BGH 5 AR (VS) 2/99 - Beschluß v. 14. Dezember 1999 (OLG München)

Vorlagepflicht bei Abweichung; Gefährdung von Sicherheit und Ordnung der Anstalt

§ 70 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. StVollzG; § 121 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 GVG

1. Zu den Voraussetzungen der Vorlage nach § 121 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 GVG.

2. Es ist kein Vorlegungsgrund, wenn ein Oberlandesgericht nur in der Begründung seiner Rechtsansicht, nicht aber im Ergebnis von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts abweichen will (vgl. BGH NJW 1977, 1014).

3. Die Frage, ob der Besitz eines Gegenstandes die Sicherheit und Ordnung der Anstalt im Sinne von § 70 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. StVollzG gefährdet, hängt weitgehend von den Umständen des Einzelfalles ab, nämlich von der Art des Gegenstandes, von den Verhältnissen in der konkreten Justizvollzugsanstalt und von der Person des Strafgefangenen, der den Antrag auf Besitz des Gegenstandes gestellt hat. (Im Fall CD-Player)


Entscheidung

BGH 5 StR 316/99 - Beschluß v. 23. November 1999 (LG Hamburg)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln; Doppelverwertungsverbot

§§ 29, 29a BtMG; § 46 Abs. 3 StGB

Ist ein gewichtiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Einzelfall belegt, so ist die Erwägung, die verwirklichte Tatbestandsvariante des Handeltreibens sei "eine der verwerflichsten Tatmodalitäten des § 29a BtMG", nicht zu beanstanden (im Anschluß an BGHSt 44, 361). (BGH)


Entscheidung

BGH 5 StR 493/99 - Beschluß v. 22. November 1999 (LG Berlin)

Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auch bei Verbringen über eine ausländische Grenze?

§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG

1. Die Einfuhr von Betäubungsmitteln iSd § 30 Abs.1 Nr. 4 BtMG wird durch deren Verbringen über eine ausländische Grenze nicht verwirklicht. Vielmehr ist das Verbringen der Betäubungsmittel über die deutsche Hoheitsgrenze aus dem Ausland in den Geltungsbereich des Betäubungsmittelgesetzes erforderlich.

2. Die Vorschrift des § 6 Nr. 5 StGB, wonach für den "unbefugten Vertrieb von Betäubungsmitteln" das Weltrechtsprinzip gilt, gibt keinen Anlaß zu einer erweiterten Auslegung des Einfuhrtatbestandes. Allein durch die Pönalisierung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln wird eine ausreichend effektive Umsetzung des Weltrechtsprinzips im innerdeutschen Strafrecht realisiert.