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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 20

Bearbeiter: Fabian Afshar

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 12/22, Beschluss v. 02.11.2022, HRRS 2023 Nr. 20


BGH 3 StR 12/22 - Beschluss vom 2. November 2022 (LG Koblenz)

Gewerbs- und bandenmäßiger Betrug (Täterschaft und Teilnahme: relevanter Tatbeitrag; Versuch und Vollendung; Beendigung); Urteil (Berichtigung der Urteilsformel nach abgeschlossener Urteilsverkündung: Beschränkung auf offensichtliche Fehler).

§ 25 Abs. 2 StGB; § 27 StGB; § 129 StGB; § 263 Abs.  5 StGB; 260 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die endgültige Erlangung des erstrebten Vermögensvorteils führt zur Beendigung eines Betrugs. Der Umstand, dass der Vermögensvorteil nach seiner endgültigen Erlangung noch tatplangemäß innerhalb einer Tätergruppierung verschoben wird, verlagert den Zeitpunkt der Beendigung der Betrugstat nicht nach hinten auf den des Erhalts der Tatbeute durch den vorgesehenen tatbeteiligten Endempfänger. Dies gilt auch dann, wenn der Ersterlanger einen fremdnützigen Betrug zu Gunsten des Endempfängers begeht.

2. Schließt sich ein Mitglied im Tatvorfeld der Bande an und bringt damit gegenüber den Hintermännern zum Ausdruck, für eine Mitwirkung an zukünftigen Taten zur Verfügung zu stehen, stellt eine solch allgemeine Mitwirkungsbereitschaft für sich genommen keinen (für eine Täterschaft oder Teilnahme) hinreichenden Tatbeitrag dar. Abweichendes kann für konkrete Zusagen gelten, soweit diese über eine allgemeine Mitwirkungsbereitschaft hinausgehen und daher - anders als die Bandenmitgliedschaft als solche - unter Umständen als psychische Beihilfe zu einer Tat gewertet werden kann.

3. Eine Berichtigung der Urteilsformel durch das Tatgericht nach abgeschlossener Urteilsverkündung ist nur ausnahmsweise möglich, wenn es um die Korrektur offensichtlicher Fassungsversehen geht. Offensichtlich sind solche Fehler nur, wenn sie sich ohne Weiteres aus der Urteilsurkunde oder aus solchen Tatsachen ergeben, die für alle Verfahrensbeteiligten klar zu Tage treten und selbst den entfernten Verdacht einer späteren sachlichen Änderung ausschließen. Es muss - auch ohne Berichtigung - eindeutig erkennbar sein, was das Gericht tatsächlich gewollt und entschieden hat. Bei dieser Prüfung ist ein strenger Maßstab anzulegen, um zu verhindern, dass mit einer Berichtigung eine unzulässige Änderung des Urteils einhergeht.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten Ö., A., Al. und S. wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 20. August 2021

a) in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass schuldig sind aa) der Angeklagte Ö. im Fall II. 9. der Urteilsgründe des versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, bb) der Angeklagte Al. des versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetrugs sowie cc) der Angeklagte S. der Beihilfe zum versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetrug;

b) aufgehoben, jedoch unter Aufrechterhaltung der zugehörigen Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zur subjektiven Tatseite bei den Angeklagten Ö. und A., die gleichfalls der Aufhebung unterliegen, aa) soweit diese Angeklagten im Fall II. 6. der Urteilsgründe verurteilt worden sind; bb) im Strafausspruch betreffend den Angeklagten Ö. und im Ausspruch über die Gesamtstrafe betreffend den Angeklagten A. ; cc) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen betreffend den Angeklagten A. .

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten Ö. und A., an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten Ö., A., Al. und S. sowie die Revisionen der Angeklagten G., Ga. und H. werden verworfen.

3. Die Angeklagten G., Al., Ga., H. und S. haben die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:

- den Angeklagten Ö. wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs sowie Beihilfe zum banden- und gewerbsmäßigen Betrug zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten;

- den Angeklagten A. wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs sowie Besitzes einer verbotenen Waffe (Schlagring) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren;

- den Angeklagten G. wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten;

- den Angeklagten Al. wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat;

- den Angeklagten Ga. wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs zu einer Jugendstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat

- den Angeklagten H. wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie

- den Angeklagten S. wegen Beihilfe zum banden- und gewerbsmäßigen Betrug zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.

Zudem hat das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.000 € als Gesamtschuldner gegen den Angeklagten A. und jeweils in Höhe von 315.000 € als Gesamtschuldner gegen die Angeklagten Ga. und H. angeordnet, weitere Einziehungsentscheidungen getroffen sowie festgestellt, das Verfahren sei rechtsstaatswidrig verzögert worden.

Gegen ihre Verurteilungen wenden sich die Beschwerdeführer mit ihren auf die Rügen der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen; die Angeklagten Ö., A., Al. und H. beanstanden darüber hinaus das Verfahren. Die Rechtsmittel der Angeklagten Ö., A., Al. und S. haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Revisionen der Angeklagten G., Ga. und H. bleiben ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

1. Das Landgericht hat, soweit vorliegend von Relevanz, im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

a) Die Angeklagten beteiligten sich an einer Gruppierung, die - gesteuert aus der Türkei heraus - Betrugstaten nach dem modus operandi „Falscher Polizeibeamter“ beging. In der Türkei befindliche Anrufer („Keiler“) nahmen telefonisch Kontakt mit älteren Personen in Deutschland auf, wobei den Opfern mittels „Caller-ID-Spoofing“ als Telefonnummer des Anrufers die Notrufnummer der Polizei (110) angezeigt wurde. Die Anrufer gaben sich als Polizeibeamte aus und spiegelten den Opfern vor, Mitglieder einer „osteuropäischen Bande“ seien im Begriff, bei ihnen einzubrechen oder in kollusivem Zusammenwirken mit Angestellten ihrer Bank Sparguthaben zu vereinnahmen. Die Angerufenen sollten ihre zu Hause befindlichen Bargeldbestände und Wertsachen zusammentragen beziehungsweise Bargeld von ihren Bankkonten abheben und die Vermögenswerte, um diese zu sichern, Polizeibeamten übergeben, die sie zu Hause aufsuchen würden. Sofern die Opfer, auf die zum Teil über lange Zeit hinweg am Telefon eingewirkt wurde, den Behauptungen Glauben schenkten und den Aufforderungen nachkamen, fuhren sogenannte „Abholer“, die von ebenfalls in Deutschland tätigen „Logistikern“ angeworben worden waren und angeleitet wurden, zu ihnen, gaben sich als Polizeibeamte aus und nahmen die für die Polizei bereitgestellten Vermögenswerte an sich. Anschließend übergaben die „Abholer“ die erlangte Beute an „Logistiker“, die ihrerseits die „Abholer“ entlohnten und die Vermögenswerte - nach Abzug eines eigenen Beuteanteils - an die Hintermänner in der Türkei transferierten.

Die Angeklagten Ö., A. und G. schlossen sich der Gruppierung, zu deren führenden Köpfen ein in der Türkei ansässiger Bruder des Angeklagten Ö. gehörte, als „Logistiker“ an; die Angeklagten Al., Ga., H. und S. waren „Abholer“. Alle Angeklagten erklärten sich bereit, zukünftig in den vereinbarten Funktionen fortlaufend tätig zu werden, und wurden in die arbeitsteilige Organisationsstruktur des Zusammenschlusses eingebunden. Sie agierten, um sich durch wiederholte Tatbegehungen eine Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen.

b) In diesem Rahmen kam es zu den folgenden zwei Taten:

aa) Am 7. September 2017 um 0:32 Uhr riefen Mitglieder der Bande eine damals 77 Jahre alte alleinstehend in K. lebende Frau an und veranlassten sie, Bargeld in Höhe von 250.000 €, Gold im Wert von 65.000 € sowie Uhren und Schmuck zur Abholung bereitzulegen. Daraufhin verständigte der Angeklagte G. den Angeklagten H., den er zuvor als „Abholer“ rekrutiert hatte. Dieser benachrichtigte den Angeklagten Ga. Die Angeklagten H. und Ga. begaben sich zur Wohnanschrift des Opfers. Während der Angeklagte Ga. es dort aufsuchte und als vermeintlicher Polizeibeamter gegen 2:00 Uhr Bargeld und Wertgegenstände im Gesamtwert von mindestens 315.000 € entgegennahm, verblieb der Angeklagte H. im Auto und hielt telefonisch Kontakt mit den Hintermännern in der Türkei. Nachdem sie die Beute erlangt hatten, fuhren die Angeklagten H. und Ga. nach B. Der Angeklagte H. videografierte die Beute und schickte die Aufnahme dem Angeklagten G., um den Wert des Erlangten für die Hintermänner zu dokumentieren und abredewidrige Entnahmen durch einzelne Bandenmitglieder zu verhindern. In B. deponierten die Angeklagten H. und Ga. eine Tasche mit den erbeuteten Gegenständen zur Abholung durch andere Mitglieder der Bande.

Im Nachgang zu der Tat entwickelten sich Differenzen innerhalb der Gruppierung über die Höhe der den Angeklagten H. und Ga. zustehenden Entlohnung. Der Angeklagte G. bat den Angeklagten Ö. deshalb am 8. September 2017, einen Kontakt zu dessen Bruder in der Türkei herzustellen. Dieser Bitte entsprach der Angeklagte Ö. Nach der Einschaltung des Bruders erhielt der Angeklagte A., dem innerhalb der Gruppierung die Funktion zukam, „Abholer“ nach erfolgreichen Abholungen zu entlohnen, 1.000 € aus der Tatbeute, die er an die Angeklagten H. und Ga. als Entgelt weiterreichte (Fall II. 6. der Urteilsgründe).

bb) Am 16. Oktober 2017 riefen Mitglieder der Bande eine damals 80 Jahre alte alleinstehend in Ba. lebende Frau an und versuchten sie davon zu überzeugen, dass ihre Bankguthaben gefährdet seien, weil Angestellte ihrer Bank in eine kriminelle Gruppierung verstrickt seien. Sie müsse zu ihrer Sicherheit 30.000 € abheben. Das Geld solle sie für eine Abholung durch die Polizei bereithalten, damit geprüft werden könne, ob man ihr Falschgeld ausgezahlt habe. Allerdings wurde der Telefonanschluss, von dem aus das Opfer angerufen wurde, in einem Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche Mitglieder der Bande überwacht. Die „echte“ Polizei erlangte daher sogleich Kenntnis von dem Betrugsversuch, nahm Kontakt zu der 80-Jährigen auf und gewann sie als „Lockvogel“. In einem weiteren Telefonat am Vormittag des 17. Oktober 2017 erklärte die Frau dem Anrufer in Absprache mit der Polizei bewusst wahrheitswidrig, sie habe Bargeld abgehoben und halte dieses nun zur Abholung bereit. Daraufhin verständigten die Hintermänner in der Türkei den Angeklagten Ö., der seinerseits die Angeklagten Al. und S., die zuvor als weitere „Abholer“ gewonnen worden waren, unter Mitteilung der erforderlichen Informationen mit der Abholung des Bargelds beauftragte. Die Angeklagten Al. und S. fuhren zum Wohnort des Opfers. Dort begab sich der Angeklagte Al. zu dessen Wohnung und ersuchte es als vermeintlicher Polizeibeamter um Herausgabe des Geldes, während der Angeklagte S. im Fahrzeug verblieb. Sodann wurden beide festgenommen (Fall II. 9. der Urteilsgründe).

2. Die Strafkammer hat die Tatbeiträge der Angeklagten Ö. und Al. im Fall II. 9. sowie der Angeklagten A., G., Ga. und H. im Fall II. 6. der Urteilsgründe jeweils als banden- und gewerbsmäßigen Betrug gemäß § 263 Abs. 1 und 5 StGB gewertet. Die Tatbeiträge des Angeklagten Ö. im Fall II. 6. und des Angeklagten S. im Fall II. 9. der Urteilsgründe hat die Strafkammer rechtlich jeweils als Beihilfe zum banden- und gewerbsmäßigen Betrug gemäß § 263 Abs. 1 und 5, § 27 StGB erachtet.

II.

1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen ohne Erfolg.

2. Die auf die Sachrügen hin gebotene umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilaufhebung betreffend die Angeklagten Ö. und A. hinsichtlich ihrer Verurteilungen im Fall II. 6. der Urteilsgründe, der Strafaussprüche und der Einziehungsentscheidung (hierzu unten a)). Sie gebietet ferner Schuldspruchänderungen betreffend die Angeklagten Ö., Al. und S. dahin, dass diese jeweils im Fall II. 9. der Urteilsgründe (der Beihilfe zu) einer versuchten und nicht vollendeten Tat schuldig sind (hierzu unten b)).

Im Übrigen hat die revisionsrechtliche Überprüfung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Dadurch, dass eine Strafbarkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 StGB beziehungsweise Amtsanmaßung (§ 132 Variante 1 StGB) oder Beihilfe hierzu (vgl. insofern BGH, Urteil vom 2. Juni 2021 - 3 StR 21/21, NJW 2021, 2813 Rn. 16 ff.; Beschluss vom 14. April 2020 - 5 StR 37/20, BGHSt 64, 314 Rn. 4 ff.; ferner BGH, Beschluss vom 28. Juni 2022 - 3 StR 403/20, juris Rn. 19) nicht in den Blick genommen worden ist, sind die Angeklagten jedenfalls nicht beschwert.

a) Die insgesamt rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilungen der Angeklagten Ö. und A. im Fall II. 6. der Urteilsgründe nicht. Denn die beiden Angeklagten erbrachten ihre Tatbeiträge in diesem Fall erst nach Beendigung der Betrugstat. Damit hält die von der Strafkammer angenommene Strafbarkeit des Angeklagten A. wegen mittäterschaftlich begangenen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs sowie des Angeklagten Ö. wegen Beihilfe zum banden- und gewerbsmäßigen Betrug der sachlichrechtlichen Überprüfung nicht stand.

aa) Der - jedenfalls von den Angeklagten G., H. und Ga. sowie weiteren nicht identifizierten Personen in der Türkei mittäterschaftlich begangene - Betrug war mit der Erlangung der Tatbeute durch die Angeklagten H. und Ga. sowie deren Verbringung nach B. beendet. Denn damit hatten diese Angeklagten die ertrogenen Vermögenswerte für die Bande vereinnahmt und gesichert. Die endgültige Erlangung des erstrebten Vermögensvorteils führt zur Beendigung eines Betrugs (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. März 2022 - 4 StR 357/21, NJW 2022, 1399 Rn. 6; vom 25. November 2021 - 4 StR 103/21, NStZ 2022, 219 Rn. 6; Urteil vom 10. November 2016 - 4 StR 86/16, NStZ 2018, 45, 46; Beschlüsse vom 18. November 2015 - 4 StR 76/15, NStZ-RR 2016, 42 f.; vom 16. April 2014 - 2 StR 435/13, NStZ 2014, 516, 517; Fischer, StGB, 69. Aufl., § 263 Rn. 201; MükoStGB/Hefendehl, 4. Aufl., § 263 Rn. 1192; Schönke/Schröder/Perron, StGB, 30. Aufl., § 263 Rn. 178).

Rechtlich unerheblich ist insofern entgegen der Auffassung der Strafkammer, dass die Beute zum Zeitpunkt des Agierens der Angeklagten Ö. und A. noch nicht zu den Hintermännern in der Türkei gelangt war, mithin für die ebenfalls an der Tat beteiligten Bandenmitglieder in der Türkei das deliktische Geschehen zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war. Der Umstand, dass der Vermögensvorteil nach seiner endgültigen Erlangung noch tatplangemäß innerhalb einer Tätergruppierung verschoben wird, verlagert den Zeitpunkt der Beendigung der Betrugstat nicht nach hinten auf den des Erhalts der Tatbeute durch den vorgesehenen tatbeteiligten Endempfänger. Dies gilt auch dann, wenn der Ersterlanger einen fremdnützigen Betrug zu Gunsten des Endempfängers begeht (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2021 - 4 StR 103/21, NStZ 2022, 219 Rn. 6 f.; Urteil vom 1. Juli 2021 - 3 StR 84/21, NStZ-RR 2021, 273, 275).

Nach Beendigung einer Tat ist weder eine mittäterschaftliche Beteiligung an dieser noch eine Beihilfe zu dieser durch zeitlich nachfolgende Tatbeiträge möglich (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. November 2021 - 4 StR 103/21, NStZ 2022, 219 Rn. 6; vom 18. Februar 2021 - 4 StR 314/20, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 42 Rn. 6; vom 7. März 2017 - 3 StR 517/16, NStZ-RR 2017, 134, 135; vom 16. April 2014 - 2 StR 435/13, NStZ 2014, 516, 517; Fischer, StGB, 69. Aufl., § 25 Rn. 39, § 27 Rn. 6a).

bb) Entgegen der Rechtsauffassung der Strafkammer kann ein relevanter Tatbeitrag der Angeklagten Ö. und A. auf der Basis der getroffenen Feststellungen ebenso wenig darin erblickt werden, dass diese sich im Tatvorfeld der Bande anschlossen und damit gegenüber den Hintermännern in der Türkei zum Ausdruck brachten, für eine Mitwirkung an zukünftigen Taten zur Verfügung zu stehen. Zwar war es für einen erfolgreichen Ablauf der komplexen Tatgeschehen - zumal aus Sicht der Hintermänner - unabdingbar, dass neben „Abholern“ auch „Logistiker“ wie die Angeklagten Ö. und A. in Deutschland jederzeit bereit standen, ihre verabredeten Beiträge als Bandenmitglieder zu erbringen. Ohne das Wissen um die Bereitschaft von „Logistikern“ und „Abholern“ zum Tätigwerden nach erfolgreicher Einwirkung auf ein Tatopfer per Telefon hätte es für die Hintermänner in der Türkei keinen Sinn ergeben, ihrerseits Anrufe bei potentiellen Opfern zu tätigen. Würde man aber deshalb die mit ihrem Anschluss an die Bande verbundene allgemeine Zusage der Angeklagten Ö. und A. gegenüber den Hintermännern in der Türkei, Tatbeiträge wie die tatsächlich später geleisteten zu erbringen, als für eine mittäterschaftliche Tatbeteiligung oder Beihilfe hinreichenden „psychischen Tatbeitrag“ erachten (zur grundsätzlichen Möglichkeit einer - auch mittäterschaftlichen - Tatbeteiligung durch psychische Förderung der Tat vgl. BGH, Beschluss vom 12. August 2021 - 3 StR 441/20, NJW 2021, 2896 Rn. 51, 58 ff. mwN; s. zudem BGH, Beschlüsse vom 8. März 2022 - 3 StR 456/21, juris Rn. 16; vom 25. November 2021 - 4 StR 103/21, NStZ 2022, 219 Rn. 11), hätte dies letztlich eine Strafbarkeit der bloßen Eingliederung in eine Bande mit der Zusage, an Bandentaten mitzuwirken, zur Folge, also eine Strafbarkeit der Bandenmitgliedschaft als solche. Die Angeklagten wären dann allein aufgrund ihrer Bandenzugehörigkeit und unabhängig von eigenen Tatbeiträgen im konkreten Einzelfall strafrechtlich verantwortlich für sämtliche im Rahmen der Bandenabrede verübte Taten. Nach deutschem Recht ist indes weder die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer Bande allein strafbar, noch führt die Zugehörigkeit zu ihr als solche zu einer Strafbarkeit wegen aller von ihr begangenen Taten (vgl. BGH, Urteile vom 29. Juli 2021 - 1 StR 83/21, NStZ 2022, 95 Rn. 9; vom 2. Juni 2021 - 3 StR 21/21, NJW 2021, 2813 Rn. 27; Beschluss vom 23. Februar 2021 - 3 StR 424/20, NStZ-RR 2021, 141, 142; Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216 Rn. 29; Fischer, StGB, 69. Aufl., § 244 Rn. 39).

cc) Der aufgezeigte Rechtsfehler bedingt die Aufhebung der Verurteilungen der Angeklagten Ö. und A. im Fall II. 6. der Urteilsgründe, zudem hinsichtlich des zu einer Einheitsjugendstrafe verurteilten Angeklagten Ö. im Strafausspruch sowie hinsichtlich des Angeklagten A. im Ausspruch über die Gesamtstrafe und über die Einziehung des Wertes von Taterträgen. Die jeweils zugehörigen Feststellungen sind mit Ausnahme derjenigen zur subjektiven Tatseite bei diesen Angeklagten von dem Rechtsfehler nicht betroffen und haben daher Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO).

dd) Die zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Strafkammer kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese nicht zu den bisherigen in Widerspruch stehen. Sie wird insbesondere eine Strafbarkeit der Angeklagten Ö. und A. im Fall II. 6. der Urteilsgründe wegen sogenannter Anschlussdelikte zu prüfen, gegebenenfalls aber auch näher aufzuklären haben, ob die Angeklagten Ö. und A. einzelnen tatbeteiligten Hintermännern in der Türkei konkrete Zusagen einer bestimmten späteren Mitwirkung bei der Tat im Fall II. 6. der Urteilsgründe machten, die über die mit der Eingliederung in die Bande zum Ausdruck gebrachte allgemeine Mitwirkungsbereitschaft hinausgingen und daher - anders als die Bandenmitgliedschaft als solche - unter Umständen als psychische Beihilfe zu der angeklagten Tat gewertet werden könnten (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom 8. März 2022 - 3 StR 456/21, juris Rn. 16; vom 25. November 2021 - 4 StR 103/21, NStZ 2022, 219 Rn. 11).

b) Auch die in der Urteilsformel zum Ausdruck gebrachte rechtliche Würdigung der Taten der Angeklagten Ö., Al. und S. im Fall II. 9. der Urteilsgründe erweist sich als rechtsfehlerhaft.

Die Angeklagten Ö. und Al. haben sich (insofern) nicht wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs, sondern wegen versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetrugs gemäß § 263 Abs. 1 und 5, §§ 22, 23, 25 Abs. 2 StGB strafbar gemacht. Der Angeklagte S. ist nicht der Beihilfe zum banden- und gewerbsmäßigen Betrug, sondern der Beihilfe zum versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetrug gemäß § 263 Abs. 1 und 5, §§ 22, 23, 27 StGB schuldig.

Die Strafkammer hat die fehlerhafte Fassung der Schuldsprüche nach der Urteilsverkündung erkannt und ausgeführt, insofern sei versehentlich bei der Niederlegung der Urteilsformel und deren Verkündung die Kennzeichnung der Straftaten als Versuch unterblieben. Tatsächlich sei eine Verurteilung der Angeklagten Ö. und Al. wegen versuchten banden- und gewerbsmäßigen Betrugs und des Angeklagten S. wegen Beihilfe zum versuchten banden- und gewerbsmäßigen Betrug beabsichtigt gewesen; es sei lediglich verabsäumt worden, eine solche in dem verkündeten Tenor zum Ausdruck zu bringen.

aa) Der Senat korrigiert die Schuldsprüche daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Beschlussformel ersichtlich. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil die Anklageschrift den Angeklagten im Fall II. 9. der Urteilsgründe eine versuchte Tatbegehung zur Last gelegt hat.

bb) Zwar hat die Strafkammer nach der Urteilsverkündung und noch vor dem Eingang des schriftlichen Urteils auf der Geschäftsstelle einen Berichtigungsbeschluss erlassen und die Schuldsprüche korrigiert. Dieser Beschluss vermag jedoch keine Wirkung zu entfalten (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2017 - 2 StR 542/16, BGHR StPO § 260 Abs. 1 Urteilstenor 6 Rn. 16; Beschlüsse vom 21. Dezember 2010 - 3 StR 440/10, juris; vom 4. August 2010 - 3 StR 276/10, juris Rn. 2).

(1) Eine Berichtigung der Urteilsformel durch das Tatgericht nach abgeschlossener Urteilsverkündung ist nur ausnahmsweise möglich, wenn es um die Korrektur offensichtlicher Fassungsversehen geht (s. BGH, Urteil vom 8. November 2017 - 2 StR 542/16, BGHR StPO § 260 Abs. 1 Urteilstenor 6 Rn. 17 mwN; KK-StPO/Ott, 8. Aufl., § 260 Rn. 13 mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 268 Rn. 10 mwN). Offensichtlich sind solche Fehler nur, wenn sie sich ohne Weiteres aus der Urteilsurkunde oder aus solchen Tatsachen ergeben, die für alle Verfahrensbeteiligten klar zu Tage treten und selbst den entfernten Verdacht einer späteren sachlichen Änderung ausschließen. Es muss - auch ohne Berichtigung - eindeutig erkennbar sein, was das Gericht tatsächlich gewollt und entschieden hat. Bei dieser Prüfung ist ein strenger Maßstab anzulegen, um zu verhindern, dass mit einer Berichtigung eine unzulässige Änderung des Urteils einhergeht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2020 - 2 StR 48/20, BGHR StPO § 260 Abs. 1 Urteilstenor 7 Rn. 4; Urteil vom 8. November 2017 - 2 StR 542/16, BGHR StPO § 260 Abs. 1 Urteilstenor 6 Rn. 17 f.; Beschluss vom 11. April 2017 - 2 StR 345/16, NStZ-RR 2017, 212, 213; Urteil vom 14. Januar 2015 - 2 StR 290/14, BGHR StPO § 267 Urteilsberichtigung 1 Rn. 8; Beschlüsse vom 21. Dezember 2010 - 3 StR 440/10, juris; vom 4. August 2010 - 3 StR 276/10, juris Rn. 2; KK-StPO/Ott, 8. Aufl., § 260 Rn. 13). Ob eine offensichtliche Unrichtigkeit der Urteilsformel vorliegt, kann unter Heranziehung der mündlichen Begründung des Urteils bei dessen Verkündung bestimmt werden (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2017 - 2 StR 542/16, BGHR StPO § 260 Abs. 1 Urteilstenor 6 Rn. 17 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 268 Rn. 10).

(2) Hieran gemessen haben die Voraussetzungen für einen rechtswirksamen Urteilsberichtigungsbeschluss, der eine Schuldspruchkorrektur durch den Senat entbehrlich gemacht hätte, nicht vorgelegen.

cc) Die gegen die Angeklagten Al. und S. verhängten Freiheitsstrafen haben Bestand. Denn die Strafkammer ist bei der Strafzumessung durchgehend von einer lediglich versuchten Tatbegehung ausgegangen und hat der Bemessung der Strafen rechtsfehlerfrei jeweils den Strafrahmen des unter Verbrauch des vertypten Milderungsgrundes des Versuchs (§ 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1, § 50 StGB) bejahten minder schweren Falles gemäß § 263 Abs. 5 StGB zu Grunde gelegt. Auch im Übrigen weist die Strafzumessung in Bezug auf diese Angeklagten keinen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil auf.

III.

Die Kostenentscheidung betreffend die Angeklagten A. und S. folgt aus § 473 Abs. 4 StPO. Der geringfügige Erfolg ihrer Rechtsmittel lässt es nicht unbillig erscheinen, sie mit deren gesamten Kosten zu belasten.

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 20

Bearbeiter: Fabian Afshar