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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1210

Bearbeiter: Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 345/19, Urteil v. 22.09.2021, HRRS 2021 Nr. 1210


BGH 1 StR 345/19 - Urteil vom 22. September 2021 (LG Rostock)

Recht auf den gesetzlichen Richter (Anforderung an den Geschäftsverteilungsplan; revisionsrechtliche Überprüfbarkeit der Auslegung des Geschäftsverteilungsplans durch das Gericht: Willkürkontrolle); Strafzumessung (keine Milderung nach § 28 Abs. 1 StGB, wenn Täterschaft lediglich das fehlende besondere persönliche Merkmal entgegensteht).

§ 101 Abs. 1 Satz 2 GG; § 338 Nr. 1 StPO; § 46 StGB; § 28 Abs. 1 StGB; § 49 Abs. 1 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Mit der Garantie des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG soll die Unabhängigkeit der Rechtsprechung sowie das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden. Um dies zu gewährleisten, müssen Geschäftsverteilungs- und Mitwirkungsregelungen, die der Bestimmung des gesetzlichen Richters dienen, derart gefasst sein, dass sie im Voraus schriftlich abstrakt-generell so eindeutig und genau wie möglich festlegen, welches Gericht, welcher Spruchkörper und welche Richter zur Entscheidung des Einzelfalls berufen sind. Die Vorausbestimmung muss sich bis auf die letzte Regelungsstufe erstrecken, auf der es um die Person des konkreten Richters geht.

2. Wird nicht die Verfassungswidrigkeit einer Zuständigkeitsregelung im Geschäftsverteilungsplan selbst, sondern deren fehlerhafte Auslegung oder Anwendung durch das Gericht geltend gemacht, beschränkt sich die Überprüfung der gerichtlichen Auslegung auf eine reine Willkürkontrolle. Das Rechtsmittelgericht hat dabei allein zu überprüfen, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnorm bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und daher unhaltbar - mithin willkürlich - sind.

3. Bei der Strafzumessung für einen Teilnehmer, der ein strafbegründendes besonderes persönliches Merkmal nicht aufweist, ist die weitere Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB nur dann vorzunehmen, wenn sich die Tat nicht allein wegen des Fehlens der steuerlichen Erklärungspflicht als strafbegründendem persönlichen Merkmal als Beihilfe statt als Täterschaft zu werten ist.

Entscheidungstenor

1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Rostock vom 29. November 2018 werden verworfen. 2. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hatte den Angeklagten L. im ersten Rechtsgang mit Urteil vom 2. Oktober 2015 wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten, die Angeklagten H. und D. jeweils wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in drei Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Die dagegen gerichteten Revisionen der Angeklagten hat der Senat als unbegründet verworfen. Das Bundesverfassungsgericht hob das Urteil des Landgerichts und den nachfolgenden Senatsbeschluss mit Beschlüssen vom 23. Dezember 2016 (2 BvR 2023/16) und vom 16. Januar 2017 (2 BvR 2011/16 und 2034/16) wegen einer Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts der Angeklagten auf ihren gesetzlichen Richter auf und verwies die Sache „an eine andere Strafkammer des Landgerichts Rostock“ zurück.

Das Landgericht hat den Angeklagten L. nunmehr wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, die Angeklagten H. und D. jeweils wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in drei Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von zwei Jahren und sieben Monaten (Angeklagter H.) sowie von zwei Jahren und drei Monaten (Angeklagte D.) verurteilt. Ferner hat es bezüglich aller Angeklagten festgestellt, dass zwei Monate der jeweils verhängten Gesamtfreiheitsstrafen wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten.

Dagegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel sind unbegründet.

I.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Die drei Angeklagten waren übereingekommen, künftig für eine gewisse Dauer in arbeitsteiliger Weise unversteuerte Diesel-Basisöl-Gemische aus Finnland auf dem Seeweg nach R. unter der Bezeichnung Schmieröl bzw. Universalöl zu importieren und diese anschließend als Dieselkraftstoff in andere europäische Länder weiterzuverkaufen, ohne jedoch die hierfür anfallende Energiesteuer anzumelden und zu entrichten. Den Gemischen, die zu mindestens 80 % aus handelsüblichem Dieselkraftstoff bestanden, war Basisöl beigemischt worden, um den Eindruck zu erwecken, es handele sich nicht um Energieerzeugnisse zur Verwendung als Kraftstoff und auch nicht um solche, die gemäß §§ 4 ff. Energiesteuergesetz (in der Fassung vom 5. Dezember 2012, fortan: EnergieStG aF) dem Steueraussetzungsverfahren unterlagen. Die Beimischung des Basisöls stand tatsächlich der Verwendung als Kraftstoff in Dieselmotoren nicht entgegen, führte jedoch dazu, dass die Gemische die chemischen Eigenschaften von Heizöl aufwiesen und mit 0,13 € pro Kilogramm zu versteuern waren. Die zu erklärende, indes nicht angemeldete Energiesteuer in Höhe von 474.000 € für die erste Lieferung Ende Juli 2013 und in Höhe von 480.000 € für die zweite Lieferung Anfang September 2013 entrichtete der Angeklagte L., der als geschäftsführender Vorstandsvorsitzender der importierenden E. AG (kurz: E.) hierzu verpflichtet war, nicht; für die dritte Lieferung Ende September 2013 entrichtete er die Energiesteuer, nachdem - ohne dass er zuvor eine Steueranmeldung abgegeben hatte - die Lieferung beschlagnahmt und die Steuer in Höhe von 474.723,21 € durch das Hauptzollamt S. festgesetzt worden war, um die Aufhebung der Sachhaftung zu erreichen.

2. Das Landgericht hat in allen drei Fällen der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) bzw. der Beihilfe hierzu besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 1 und Nr. 5 AO angenommen.

II.

Den Verfahrensrügen bleibt der Erfolg versagt.

1. Die von allen drei Beschwerdeführern im Wesentlichen inhaltsgleich erhobene Rüge der vorschriftswidrigen Besetzung des Gerichts (§ 338 Nr. 1 Buchst. b StPO aF) ist - entgegen der Annahme des Generalbundesanwalts - unbegründet.

a) Ihr liegt folgendes Prozessgeschehen zu Grunde:

Das Bundesverfassungsgericht hatte das im ersten Rechtsgang von einer Hilfsstrafkammer erlassene Urteil - ebenso wie den die Revisionen der Angeklagten verwerfenden Senatsbeschluss - aufgehoben und die Sache „an eine andere Strafkammer des Landgerichts“ zurückverwiesen, weil den Angeklagten ihr gesetzlicher Richter dadurch entzogen worden war, dass der Beschluss des Präsidiums des Landgerichts, mit dem es das Verfahren von der ursprünglich zuständigen 8. Großen Strafkammer auf die 8a. Hilfsstrafkammer übertragen hatte, keine abstrakt-generelle Regelung im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG enthielt.

Nach der Zurückverweisung kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Vorsitzenden der zum Zeitpunkt der Anklageerhebung zuständigen 8. Großen Strafkammer und dem Vorsitzenden der nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts für zurückverwiesene Sachen jener Strafkammer zuständigen 1. Großen Strafkammer über die Zuständigkeit für das erneut zu verhandelnde Verfahren. Eine ausdrückliche Regelung für Zurückverweisungen der von der 8a. Hilfsstrafkammer verhandelten Sachen enthielten die Geschäftsverteilungspläne der Jahre 2016 und 2017 des Landgerichts nicht. Mit Beschluss vom 18. Januar 2017, bestätigt durch Beschluss vom 23. Februar 2017, stellte das Präsidium des Landgerichts die Zuständigkeit der 8. Großen Strafkammer fest. Mit ihrem vor dem Landgericht rechtzeitig erhobenen Besetzungseinwand beanstandeten die Angeklagten die Zuständigkeit der 8. Großen Strafkammer im Wesentlichen mit der Begründung, als „andere Strafkammer“ könne „willkürfrei“ lediglich die 1. Große Strafkammer verstanden werden, weil es sich bei der 8a. Hilfsstrafkammer ihrer Rechtsnatur nach lediglich um die „Vertretungskammer“ der 8. Großen Strafkammer und nicht um eine „institutionelle“, eigenständige Strafkammer gehandelt habe. Diesen Einwand verfolgen sie im Revisionsverfahren weiter.

b) Eine Gesetzesverletzung im Sinne des § 338 Nr. 1 Buchst. b StPO aF liegt nicht vor. Das Gericht war vorschriftsmäßig besetzt.

aa) Mit der Garantie des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG soll die Unabhängigkeit der Rechtsprechung sowie das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden (BVerfG, Beschluss vom 8. April 1997 - 1 PBvU 1/95, BVerfGE 95, 322, 327; Urteil vom 20. März 1956 - 1 BvR 479/55, BVerfGE 4, 412, 416, 418). Um dies zu gewährleisten, müssen Geschäftsverteilungs- und Mitwirkungsregelungen, die der Bestimmung des gesetzlichen Richters dienen, derart gefasst sein, dass sie im Voraus schriftlich abstrakt-generell so eindeutig und genau wie möglich festlegen, welches Gericht, welcher Spruchkörper und welche Richter zur Entscheidung des Einzelfalls berufen sind. Die Vorausbestimmung muss sich bis auf die letzte Regelungsstufe erstrecken, auf der es um die Person des konkreten Richters geht. Nur so wird garantiert, dass die einzelne Sache „blindlings“ aufgrund allgemeiner, vorab festgelegter Merkmale an den berufenen Richter gelangt und so der Verdacht einer Manipulation der rechtsprechenden Gewalt von vornherein ausgeschlossen wird (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 8. April 1997 - 1 PBvU 1/95, BVerfGE 95, 322, 328 f. und vom 10. Juli 1990 - 1 BvR 984 und 985/87, BVerfGE 82, 286, 298; BVerfG, Urteil vom 20. März 1956 - 1 BvR 479/55, BVerfGE 4, 412, 416).

bb) Wird nicht die Verfassungswidrigkeit einer Zuständigkeitsregelung im Geschäftsverteilungsplan selbst, sondern deren fehlerhafte Auslegung oder Anwendung durch das Gericht geltend gemacht, beschränkt sich die Überprüfung der gerichtlichen Auslegung auf eine reine Willkürkontrolle (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 15. September 2020 - 1 BvR 2435/18 Rn. 30 und vom 16. Februar 2005 - 2 BvR 581/03 Rn. 22; BGH, Urteil vom 9. April 2009 - 3 StR 376/08, BGHSt 53, 268 Rn. 15 f.; Beschlüsse vom 12. Mai 2015 - 3 StR 569/14 Rn. 12; vom 10. Juli 2013 - 2 StR 116/13 Rn. 17 und vom 27. Januar 2020 - 1 StR 622/17 Rn. 16). Das Rechtsmittelgericht hat dabei allein zu überprüfen, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnorm bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und daher unhaltbar - mithin willkürlich - sind.

cc) Nach diesen Maßstäben unterliegt der Beschluss des Präsidiums des Landgerichts Rostock vom 18. Januar 2017, mit dem es die Zuständigkeit der 8. Großen Strafkammer für das Verfahren nach der Zurückverweisung durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt hatte, einer Vertretbarkeits- und Willkürkontrolle. Denn das Präsidium hatte mit seinem Beschluss keine neue Zuständigkeitsregelung für die Zuteilung des hiesigen Verfahrens aufgestellt, sondern lediglich die bereits bestehenden Zuständigkeitsbestimmungen des Geschäftsverteilungsplans ausgelegt und zur Klärung der zwischen den Vorsitzenden der beiden Strafkammern strittigen Zuständigkeitsfrage in Anwendung gebracht (vgl. hierzu BVerfG, Beschlüsse vom 20. Februar 2018 - 2 BvR 2675/17 Rn. 20 und vom 16. Februar 2005 - 2 BvR 581/03 Rn. 17 ff.; BGH, Urteil vom 13. Mai 1975 - 1 StR 138/75 Rn. 6). Entsprechend erschöpfen sich die Angriffe der Revisionen in dem - unzutreffenden - Einwand, der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts habe „willkürfrei“ ausschließlich dahin ausgelegt werden können, dass die 1. Große Strafkammer für die Verhandlung und Entscheidung der „an eine andere Strafkammer“ zurückverwiesenen, im ersten Rechtsgang verfassungswidrig von der 8a. Hilfsstrafkammer entschiedenen Sache zuständig sei.

dd) Die Auslegung und die Anwendung der Zuständigkeitsbestimmungen im Geschäftsverteilungsplan durch das Präsidium des Landgerichts sind frei von Willkür.

(1) Der Beschluss genügt den vom Präsidium des Landgerichts zu beachtenden Darlegungs- und Dokumentationspflichten (vgl. hierzu BVerfG, Beschlüsse vom 16. Februar 2005 - 2 BvR 581/03 Rn. 19 und vom 18. März 2009 - 2 BvR 229/09 Rn. 26; BGH, Beschluss vom 4. August 2009 - 3 StR 174/09 Rn. 18). Die Erwägungen, auf die das Präsidium die Feststellung der Zuständigkeit der 8. Großen Strafkammer für das Verfahren nach der Zurückverweisung gestützt hat, sind im Protokoll der Präsidiumssitzungen vom 18. Januar und 23. Februar 2017 dargelegt und hinreichend dokumentiert.

(2) Auch inhaltlich erweist sich der Beschluss des Präsidiums als willkürfrei.

(a) Das Präsidium hat zunächst zutreffend festgestellt, dass Abschnitt B. III. 7. des Geschäftsverteilungsplans, der eine Zuständigkeitsregelung für zurückverwiesene oder sonst vor einer anderen Strafkammer des Landgerichts zu verhandelnde Sachen enthielt, von der 8a. Hilfsstrafkammer entschiedene Verfahren nicht aufführte. Eine ausdrückliche Regelung über die Zuständigkeit für die an das Landgericht zurückverwiesenen Sachen der 8a. Hilfsstrafkammer fehlte mithin. Diese der Auslegung zugängliche Lücke hat das Präsidium - unter Beachtung des Gesetzeszwecks des § 95 Abs. 2 BVerfGG, einen unvoreingenommenen Spruchkörper mit der Sache zu betrauen - methodisch noch vertretbar durch eine Anwendung der allgemeinen Zuständigkeitsregelungen des Geschäftsverteilungsplans für neu eingehende Strafsachen geschlossen und die Zuständigkeit der 8. Großen Strafkammer mit deren originärer Zuständigkeit als Wirtschaftsstrafkammer gemäß § 74c GVG in Verbindung mit der Geschäftsverteilung für die Jahre 2016 und 2017 begründet. Es hat demgegenüber davon abgesehen, die Regelung des Abschnitts B. III. 7., wonach die an das Landgericht zurückverwiesenen Sachen der 8. Großen Strafkammer von der 1. Großen Strafkammer neu zu verhandeln seien, entsprechend dahin anzuwenden, dass sie auch für die zurückverwiesenen Sachen der 8a. Hilfsstrafkammer gelte. Dabei hat das Präsidium ausdrücklich darauf abgestellt, dass die Hilfsstrafkammer „eine andere Strafkammer“ im Sinne des zurückverweisenden Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts sei. Denn die 8a. Hilfsstrafkammer sei trotz ihrer Errichtung zur Entlastung gerade der 8. Großen Strafkammer und unabhängig von ihrer Rechtsnatur als Hilfsstrafkammer als „eine selbstständige und mit originärer eigener Zuständigkeit versehene Strafkammer“ anzusehen.

(b) Diese Auslegung begegnet unter Zugrundelegung des Willkürmaßstabs keinen Bedenken.

(aa) Zwar gehören Hilfsstrafkammern, die aus sachlichem Anlass für eine begrenzte Zeit errichtet werden, nicht zu den in § 60 GVG genannten Strafkammern, deren Zahl von der Justizverwaltung bestimmt wird und deren Einrichtung deshalb von einer vorgehenden Verwaltungsentscheidung abhängt; ihre Bildung ist vielmehr eine Maßnahme der Geschäftsverteilung, die als solche dem Präsidium obliegt (BGH, Urteil vom 14. Juni 1967 - 2 StR 230/67, BGHSt 21, 260, 261). Die Errichtung einer Hilfsstrafkammer stellt der Sache nach nichts anderes dar als eine außerordentliche Vertretungsregelung auf Kammerebene für den Sonderfall der Verhinderung (BGH, Urteil vom 7. Juni 1983 - 4 StR 9/83, BGHSt 31, 389, 394).

(bb) Ihre Rechtsnatur steht jedoch der Annahme nicht entgegen, dass es sich bei einer Hilfsstrafkammer um eine eigenständige, von dem entlasteten Spruchkörper losgelöste Strafkammer handelt. Vielmehr legt das Präsidium durch seinen Beschluss über die Errichtung einer Hilfsstrafkammer sowohl deren Zuständigkeit als auch ihre Besetzung fest, die sich von den anderen Strafkammern - insbesondere dem überlasteten Spruchkörper - unterscheidet und abhebt. Sie hat sich einen eigenen internen Kammerverteilungsplan zu geben.

(cc) Nach der Errichtung der 8a. Hilfsstrafkammer stand diese selbständig neben der 8. Großen Strafkammer. Sie war damit ein zwar temporär errichteter, dennoch aber eigenständiger Spruchkörper, der in dieser Sache originär zur Entscheidung berufen war. Demgegenüber war die 8. Große Strafkammer im ersten Rechtsgang mit dieser Sache nicht im Erkenntnisverfahren, insbesondere nicht in einer Hauptverhandlung befasst. Entsprechend gründete die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gerade darauf, dass die 8a. Hilfsstrafkammer in verfassungsverletzender Weise als „andere“ als die gesetzlich dazu bestimmte zuständige 8. Große Strafkammer entschieden hatte.

(c) Hiervon ausgehend erweist sich auch die Feststellung der Zuständigkeit der 8. Großen Strafkammer für die zurückverwiesene Sache durch das Präsidium als frei von Willkür.

(aa) Die Geschäftsverteilungspläne des Landgerichts enthielten keine ausdrückliche Regelung darüber, welcher Spruchkörper für die erneute Verhandlung einer Sache zuständig ist, die durch eine eingerichtete Hilfsstrafkammer entschieden und durch das Revisionsgericht oder, wie vorliegend, durch das Bundesverfassungsgericht zurückverwiesen wurde. In Betracht kam sowohl die Zuständigkeit der 8. Großen Strafkammer als auch - nach der Lesart der Beschwerdeführer in analoger Anwendung der Zuständigkeitsbestimmungen des Abschnitts B. III. 7. des Geschäftsverteilungsplans - die Zuständigkeit der 1. Großen Strafkammer als der für Zurückverweisungen der von der 8. Großen Strafkammer - und damit entsprechend der 8a. Hilfsstrafkammer - verhandelten Sachen. Die Entscheidungsformel im aufhebenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichts engt diese Zuständigkeitsmöglichkeiten nicht weiter ein. Die Zurückverweisung an eine „andere“ Strafkammer schloss lediglich aus, dass die Sache erneut von der - nicht den gesetzlichen Richter darstellenden - 8a. Hilfsstrafkammer verhandelt werde.

(bb) Die Feststellung der für die zurückverwiesene Sache zuständigen 8. Großen Strafkammer durch den Beschluss des Präsidiums vom 18. Januar 2017 war zu der gebotenen Beseitigung der Folgen der Verletzung des Anspruchs der Angeklagten auf den gesetzlichen Richter geeignet und hält sich im Rahmen einer vertretbaren und damit willkürfreien Auslegung.

Hebt das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung auf und verweist es die Sache an ein im Sinne des § 95 Abs. 2 BVerfGG zuständiges Gericht zurück, wird das Ausgangsverfahren bei diesem Gericht in den Stand vor dem Erlass der aufgehobenen Entscheidung zurückversetzt (vgl. Hömig in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 60. EL Juli 2020, § 95 Rn. 35 unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom 19. September 2013 - IX ZB 16/11). Das Gericht hat die Sache sodann „im Lichte der verfassungsrechtlichen Entscheidung“ neu zu verhandeln (BGH, aaO, Rn. 8).

Eine solche Verhandlung „im Lichte der verfassungsrechtlichen Entscheidung“ wurde durch den Präsidiumsbeschluss ermöglicht. Denn die vom Präsidium des Landgerichts vorgenommene Auslegung bewirkte zum einen, dass die zurückverwiesene Sache durch einen „anderen“ Spruchkörper als die 8a. Hilfsstrafkammer zu entscheiden war. Zum anderen legte das Präsidium, indem es die Sache als Neueingang behandelte, den Geschäftsverteilungsplan in vertretbarer Weise so aus, dass Sachen, mit denen die regulären Großen Strafkammern noch nicht im Erkenntnisverfahren befasst waren, der originären Zuständigkeit der 8. Großen Strafkammer für Wirtschaftsstrafsachen nach § 74c GVG unterfallen sollten.

2. Ohne Erfolg beanstandet der Angeklagte H. die fehlerhafte Ablehnung von Beweisanträgen.

a) Die Beweisantragsrüge ist unbegründet. Bei dem Antrag vom 19. April 2018, ein Sachverständigengutachten zur energiesteuerlichen Behandlung von Heizöl in Finnland einzuholen, handelt es sich - ungeachtet der Frage, inwiefern damit nur Rechtsfragen betroffen sind - jedenfalls lediglich um einen Beweisermittlungsantrag. Der Antrag benennt weder eine konkrete ausländische Norm noch bezeichnet er deren Inhalt und die sich aus ihr ergebende Rechtsfolge näher (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 2. Februar 1994 - XII ZR 148/92 Rn. 11; BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 2001 - 1 B 131/00 Rn. 11; KK-StPO/Krehl, 8. Aufl., § 244 Rn. 71). Zudem musste sich das Landgericht nicht zur Beweiserhebung gedrängt sehen, da die Energiesteuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG im Inland unabhängig von der Erhebung einer Energiesteuer in Finnland entstand (s. auch III. 1.).

b) Soweit der Angeklagte rügt, das Landgericht sei dem hilfsweise - für den Fall der Ablehnung des ersten Antrags - gestellten Antrag auf Vernehmung der Zeugin Ru. nicht nachgekommen, ist die Rüge bereits unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Denn der Beschwerdeführer legt den von ihm in Bezug genommenen Beweisantrag des Mitangeklagten L. nicht vor. Im Übrigen gelten die Erwägungen unter 2.a) entsprechend.

III.

Das Urteil hält auch sachlichrechtlicher Nachprüfung stand.

1. Der Schuldspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.

Durch den Empfang der drei aus Finnland gelieferten Energieerzeugnisse „Base 300“ und „Eurobase 300“ entstanden jeweils Energiesteuerforderungen nach dem deutschen Energiesteuergesetz, und zwar unabhängig davon, ob die Verbrauchsteuer bereits in Finnland erhoben worden ist (vgl. Milewski in Möhlenkamp/Milewski, Energiesteuergesetz, 2. Aufl., § 15 Rn. 1). Denn auch wenn im Abgangsmitgliedstaat eine Verbrauchsteuer bereits erhoben wurde, wird diese gemäß § 46 EnergieStG bzw. Art. 33 Abs. 6 RL 2008/118/EG lediglich auf Antrag hin erstattet oder erlassen. Entsprechende Steuererstattungs- oder -erlassanträge haben die Angeklagten jedoch nicht gestellt.

2. Die Strafaussprüche haben ebenfalls Bestand.

a) Zutreffend hat das Landgericht das Regelbeispiel eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO (als Mitglied einer Bande) angenommen.

Insbesondere hat das Landgericht hinreichende Feststellungen zu der Bandenabrede der drei Angeklagten, ihrer gegenseitigen Abstimmung, ihrer Aufgabenteilung sowie der Kenntnis über die Tätigkeiten der jeweils anderen Beteiligten getroffen und die hierfür relevanten Gesichtspunkte einer Gesamtschau unterworfen (vgl. UA S. 351 f.; vgl. zum Begriff der Bande BGH, Beschluss vom 22. März 2001 - GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 325 ff.; Urteil vom 16. Juni 2005 - 3 StR 492/04, BGHSt 50, 160, 164; Beschluss vom 16. März 2010 - 4 StR 497/09 Rn. 3).

Schließlich steht der Annahme einer Bande nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entgegen, dass die Angeklagten H. und D. lediglich als Gehilfen an den Steuerhinterziehungen mitwirkten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Januar 2002 - 4 StR 499/01, BGHSt 47, 214, 217 ff. und vom 5. Juni 2019 - 1 StR 233/19, BGHR BtMG § 30a Bande 13 Rn. 3).

b) Ferner stellt es im Ergebnis keinen Rechtsfehler dar, dass das Landgericht bei den Angeklagten H. und D. neben einer Milderung des Strafrahmens gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB von einer weiteren Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB abgesehen hat.

Das Landgericht hat zutreffend (vgl. BGH, Urteile vom 23. Oktober 2018 - 1 StR 454/17 Rn. 19 und vom 9. April 2013 - 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218 Rn. 52; Beschlüsse vom 23. August 2017 - 1 StR 33/17 Rn. 14 und vom 14. April 2010 - 1 StR 105/10) angenommen, die Angeklagten H. und D. seien lediglich deshalb keine Mittäter der durch Unterlassen bewirkten Steuerhinterziehungen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO), weil sie einer persönlichen Steuerpflicht nicht unterworfen und deshalb zur Aufklärung steuerlicher Tatsachen nicht besonders verpflichtet gewesen seien (UA S. 358). Bei der Strafzumessung für einen Teilnehmer, den die Erklärungspflicht nicht trifft, ist aber die weitere Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB nur dann vorzunehmen, wenn sich die Tat nicht allein wegen des Fehlens der steuerlichen Erklärungspflicht als strafbegründendem persönlichen Merkmal als Beihilfe statt als Täterschaft zu werten ist (BGH, Beschlüsse vom 13. März 2019 - 1 StR 636/18 Rn. 3; vom 13. März 2019 - 1 StR 50/19 Rn. 6; vom 21. Mai 2019 - 1 StR 92/19 Rn. 3; vom 23. Juli 2019 - 1 StR 197/19 Rn. 6; vom 25. Juli 2019 - 1 StR 230/19 Rn. 10 und vom 14. Oktober 2020 - 1 StR 265/20 Rn. 4; Jäger in Klein, AO, 15. Aufl., § 370 Rn. 61e mwN). So verhält es sich hier. Die - für sich genommen bedenklichen - Ausführungen des Landgerichts, es „hätte nahegelegen“, die Angeklagten H. und D. als Mittäter anzusehen, wenn sie selbst steuerrechtlich zur Abgabe von Erklärungen verpflichtet gewesen wären (UA S. 369 und 375), versteht der Senat im Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe dahin, dass es die Annahme der Gehilfenschaft dieser Angeklagten entscheidend auf das Fehlen ihrer persönlichen Steuerpflicht gestützt und eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB daher im Ergebnis ohne Rechtsfehler abgelehnt hat.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1210

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2022, 20

Bearbeiter: Christoph Henckel