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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1037

Bearbeiter: Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 233/19, Beschluss v. 11.07.2019, HRRS 2019 Nr. 1037


BGH 1 StR 233/19 - Beschluss vom 11. Juli 2019 (LG Bamberg)

Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand.

§ 45 StPO

Entscheidungstenor

1. Der Antrag der Beschuldigten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 26. März 2019 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen (§ 46 Abs. 1 StPO).

2. Der Antrag der Beschuldigten auf Entscheidung des Revisionsgerichts wird als unbegründet verworfen (§ 346 Abs. 2 StPO).

3. Die erneute Revision der Beschuldigten wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen (§ 349 Abs. 1 StPO).

Gründe

I.

Das Landgericht hat gegen die Beschuldigte mit Urteil vom 26. März 2019 die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen hat die Beschuldigte mit Schreiben vom 9. April 2019 das Rechtsmittel der Revision eingelegt, welches an diesem Tag per Fax bei Gericht eingegangen ist. Diese Revision hat das Landgericht mit Beschluss vom 23. April 2019 wegen Verspätung verworfen. Mit Schreiben vom 29. April 2019 hat der Verteidiger der Beschuldigten für sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, nochmals das Rechtsmittel der Revision eingelegt und „vorsorglich“ einen Revisionsantrag gestellt. Er hat ausgeführt, der Instanzverteidiger sei beauftragt worden, Revision einzulegen, und habe hierzu erklärt, dies sei keine gute Idee. Erst im „Nachhinein“ sei der Beschuldigten „klar geworden, weil ihr das so gesagt worden sei, dass das Urteil Bestand habe, weil keine Revision eingelegt sei“. Dem Instanzverteidiger werde kein Vorwurf gemacht, denn „ggf. hat sich die Angeklagte auch nicht so deutlich und klar gegenüber dem Verteidiger zur Einlegung der Revision nach der Aussage, dass das keine gute Idee sei, geäußert“. Schließlich verweist der Verteidiger darauf, dass die Frist von einer Woche ab Kenntniserlangung offenkundig gewahrt sei.

1. Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig. Gemäß § 45 StPO muss ein fristwahrendes Wiedereinsetzungsgesuch spätestens innerhalb einer Woche nach dem Wegfall des Grundes, der den Antragsteller an der rechtzeitigen Wahrnehmung einer Prozesshandlung gehindert hat, angebracht werden. Innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Wiedereinsetzungsgrund machen und darlegen, wann das Hindernis weggefallen ist, das ihn an der Fristwahrung gehindert hat. Die hierzu erforderlichen Angaben sind ebenso wie ihre Glaubhaftmachung Zulässigkeitsvoraussetzungen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Mai 1987 - 2 StR 177/87, BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 2; vom 14. August 1990 - 5 StR 304/90, BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 6; vom 26. Januar 1991 - 1 StR 737/90, BGHR StPO Tatsachenvortrag 7; vom 6. August 2013 - 1 StR 245/13 Rn. 4 f.; vom 29. November 2017 - 3 StR 499/17 Rn. 3 und vom 27. Juni 2017 - 2 StR 129/17 Rn. 6). Diesen Anforderungen wird der Antrag nicht gerecht.

Das Vorbringen der Beschuldigten belegt schon nicht, dass der Verteidiger die Einlegung der Revision zugesagt hat, was erforderlich wäre, um ein Verschulden auszuschließen (BGH, Beschluss vom 23. September 2015 - 4 StR 364/15 Rn. 4 ff. und vom 6. August 2009 - 3 StR 319/09 Rn. 2). Zudem hat die Beschuldigte nicht glaubhaft gemacht, dass sie den Instanzverteidiger mit der Einlegung der Revision beauftragt hat. Dies wäre ihr möglich gewesen, da das im Antrag dargestellte Gespräch mit dem Instanzverteidiger im Beisein der Mutter der Beschuldigten und ihrer Betreuerin stattgefunden hat. Auch eine Erklärung des Instanzverteidigers liegt hierzu nicht vor; dieser hat vielmehr erklärt, dass er wegen Nichtentbindung von der Schweigepflicht keine Stellungnahme abgeben könne.

Der Senat hat dabei berücksichtigt, dass die Beschuldigte aufgrund ihrer psychischen Krankheit und der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus besonders schutzbedürftig ist (vgl. hierzu EGMR, Urteil vom 1. September 2016 - 24062/13 Rn. 39; BGH, Beschluss vom 31. August 2017 - 4 StR 294/17 Rn. 9). Er sieht aber dennoch keine außergewöhnlichen Umstände (vgl. EGMR aaO Rn. 43), die das Ausmaß des Verschuldens an der Fristversäumung vermindern.

Die Beschuldigte ist ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls ordnungsgemäß über ihre Rechtsmittel belehrt worden; dass sie diese Belehrung nicht verstanden hätte, ist weder ersichtlich noch wird es von ihr behauptet. Zudem war sie in der Lage, das Rechtsmittel an das zuständige Gericht zu adressieren und für den Zugang noch am Tag der Absetzung des Schreibens Sorge zu tragen. Schließlich war die Beschuldigte bei der Anbringung des Wiedereinsetzungsgesuchs neben ihrem Pflichtverteidiger noch durch ihren Wahlverteidiger, den sie nach Zugang des Verwerfungsbeschlusses beauftragen konnte, anwaltlich vertreten.

2. Der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts, als der der Antrag vom Verteidiger wegen des Hinweises auf die Frist auszulegen ist (§ 300 StPO), war danach unbegründet. Das Landgericht hat die Revision zu Recht als unzulässig verworfen, da die Beschuldigte die Wochenfrist zur Einlegung der Revision versäumt hat. Diese Frist begann für das in ihrer Anwesenheit verkündete Urteil am Tag der Verkündung und lief daher am 2. April 2019 ab. Das Schreiben, mit dem sie erstmals einen Anfechtungswillen für das Urteil zum Ausdruck gebracht hat, ging erst am 9. April 2019 und daher verspätet beim Landgericht ein.

Entgegen der Ansicht der Verteidigung war auf diese Revisionseinlegung hin der Beschuldigten auch nicht Wiedereinsetzung zu gewähren. Aus dem Schreiben ergibt sich weder ein Hinweis auf die Fristversäumung noch auf die Gründe hierfür. Auch im Übrigen war nicht zu erkennen, dass das Ausmaß des Verschuldens an der Fristversäumnis aufgrund der Schutzbedürftigkeit der Beschuldigten vermindert war.

3. Die erneut eingelegte Revision war gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen.

II.

Der Senat weist darauf hin, dass das Urteil gegen die Beschuldigte keine sachlichrechtlichen Fehler aufweist. Das Landgericht hat sich in nicht zu beanstandender Weise davon überzeugt, dass die Beschuldigte infolge eines wahnhaften Erlebens als Ausfluss ihrer paranoiden Schizophrenie ihre schlafende Mutter angriff und ihr zwei Stiche mit einem Küchenmesser in den Oberschenkel versetzte. Auch die Anordnungsvoraussetzungen für die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus, insbesondere die Gefahr weiterer erheblicher Taten, sind rechtsfehlerfrei dargelegt.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1037

Bearbeiter: Christoph Henckel