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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 419

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 236/17, Urteil v. 20.12.2018, HRRS 2019 Nr. 419


BGH 3 StR 236/17 - Urteil vom 20. Dezember 2018 (OLG Stuttgart)

BGHSt 64, 10; Kriegsverbrechen gegen Personen (sich in der Gewalt der gegnerischen Konfliktpartei Befinden; kontrolliertes Gebiet; nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person; Kombattantenprivileg; Distanzangriffe gegen die Zivilbevölkerung; bewaffneter nichtinternationaler Konflikt; militärischer Befehlshaber; Defacto-Anführer; hypothetische Vermeidekausalität); psychische Beihilfe zum Kriegsverbrechen (fördernde Wirkung; Kausalität; Schaffung wesentlicher Bedingungen für den Tatentschluss; Behilfevorsatz); Verbrechen gegen die Menschlichkeit („Politikelement“ des Angriffs); Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (Vereinigungsbegriff; Organisationsstruktur; Teilorganisation); Pflichtverteidiger (Bestellung; Entpflichtung; wichtiger Grund; Verschulden des Angeklagten; kein Rechtsanspruch auf die Bestellung eines bestimmten Verteidigers; Interessenabwägung; Beschleunigungsgebot; Zusagen des Verteidigers; nachhaltige und nicht zu beseitigende Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses; Verweigerung des Kontakts durch den Angeklagten); ne bis in idem bei Verurteilung wegen eines Organisationsdelikts und weiterer strafbarer Betätigungsakte.

§ 4 VStGB; § 7 Abs. 1 Nr. 1 VStGB; § 8 VStGB; § 9 Abs. 1 VStGB; § 27 Abs. 1 StGB; § 129a StGB; § 129b StGB; § 141 StPO; § 142 StPO; § 143 StPO; Art. 103 Abs. 3 GG

Leitsätze

1. Eine Person befindet sich gemäß Sinne § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB in der Gewalt der gegnerischen Konfliktpartei jedenfalls dann, wenn sie sich in einem von dieser kontrollierten Gebiet aufhält. (BGHSt)

2. Psychische Beihilfe zu Kriegsverbrechen nach §§ 8, 9 VStGB kann auch leisten, wer bewusst daran mitwirkt, hierfür Bedingungen zu schaffen, die für den Tatentschluss der die Kriegsverbrechen anordnenden Führungspersonen wesentlich sind (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 20. September 2016 - 3 StR 49/16, BGHSt 61, 252). (BGHSt)

3. Durch die in § 8 Abs. 6 VStGB normierten Legaldefinitionen der nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person hat der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, eine Trennung zwischen Kriegsverbrechen gegen Personen (§ 8 VStGB) und solchen des Einsatzes verbotener Methoden der Kriegsführung (§ 11 VStGB) vorzunehmen. Sogenannte Distanzangriffe gegen die Zivilbevölkerung nach deutschem Recht grundsätzlich nicht als Kriegsverbrechen gegen Personen zu ahnden. Sie unterfallen allenfalls dem Straftatbestand des § 11 Abs. 1 VStGB, sollten die Voraussetzungen einer der dort (insbesondere in Nr. 1) geregelten Tathandlungsvarianten vorliegen. (Bearbeiter)

4. Um zu bestimmen, wer als Gegner der Konfliktpartei im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt anzusehen ist, ist darauf abzustellen, was die Auseinandersetzung prägt. Handelt es sich etwa um einen interethnischen Konflikt, so wird es auf die ethnische Zugehörigkeit ankommen; im Fall einer religiös motivierten Auseinandersetzung wird die konfessionelle und weltanschauliche Überzeugung von Bedeutung sein. Bei einer komplexen Bürgerkriegslage unter Beteiligung einer Vielzahl staatlicher und nichtstaatlicher Akteure mit unterschiedlichsten Interessen - wie etwa im Fall des syrischen Bürgerkriegs - kann bereits diejenige Person einem Gegner zuzurechnen sein, die den Absichten der Konfliktpartei entgegenstehende Ziele verfolgt. (Bearbeiter)

5. Das sog. „Kombattantenprivileg“ in Art. 43 Abs. 2 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) vom 8. Juni 1977 (ZP I) steht grundsätzlich nur Kämpfern in internationalen bewaffneten Konflikten zu. In diese bezieht Art. 1 Abs. 4 ZP I unter bestimmten Voraussetzungen allein solche nichtinternationalen bewaffneten Konflikte ein, in denen Völker gegen Kolonialherrschaft, fremde Besetzung oder rassistische Regime in Ausübung ihres Rechts auf Selbstbestimmung kämpfen. (Bearbeiter)

6. Maßgebend für das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts i.S.d. § 8 Abs. 1, 6 VStGB ist der Einsatz von Waffengewalt, die einer der beteiligten Konfliktparteien zuzurechnen ist. Während ein internationaler bewaffneter Konflikt die Anwendung von Waffengewalt zwischen Staaten voraussetzt, sind unter einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt solche Auseinandersetzungen zu verstehen, bei denen Streitkräfte innerhalb eines Staats gegen organisierte bewaffnete Gruppierungen oder solche Gruppierungen untereinander kämpfen, sofern diese eine gewisse Organisationsstruktur aufweisen und die Kampfhandlungen von einer gewissen Dauer und Intensität sind. Bloße innere Unruhen, Spannungen, Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen sind nicht als bewaffnete Konflikte einzustufen. (Bearbeiter)

7. Eine strafrechtliche Haftung des militärischen Befehlshabers für völkerstrafrechtswidriges Verhalten der Untergebenen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VStGB setzt tatsächliche Befehlsgewalt voraus, die überdies auf einer rechtlichen Grundlage beruht. Demgegenüber regelt § 4 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 VStGB die Verantwortlichkeit des sog. „Defacto-Anführers“ die auch in der ausschließlich tatsächlichen - mithin nicht rechtlich abgesicherten - Befehlsgewalt begründet sein kann. In beiden Fällen ist eine effektive Ausübung von Kontrolle durch den Vorgesetzten erforderlich (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 1 VStGB). Allein ein Titel oder eine formale Position vermag eine Verantwortlichkeit nach § 4 VStGB nicht zu begründen. (Bearbeiter)

8. Es kann vorliegend dahinstehen, ob § 4 VStGB eine hypothetische Vermeidungskausalität dergestalt voraussetzt, dass die gebotenen und zumutbaren (einer realiter bestehenden Kompetenz gemäßen) Verhinderungsbemühungen mit Sicherheit Erfolg gehabt hätten. Rechtsdogmatisch wäre dies für § 4 VStGB verzichtbar, weil die Vorgesetztenverantwortlichkeit als verselbständigte Beihilfe durch Unterlassen mit der Rechtsfolge täterschaftlicher Bestrafung qualifiziert werden kann und die Beihilfe keine Kausalität, sondern lediglich eine Förderungs- oder Erleichterungswirkung voraussetzt. (Bearbeiter)

9. § 142 Abs. 1 StPO gibt dem Beschuldigten keinen Rechtsanspruch auf die Bestellung einer bestimmten - von ihm gewünschten - Person als Verteidiger. Bei der Auswahl des Pflichtverteidigers ist indes dem Interesse des Beschuldigten, von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigt zu werden, ausreichend Rechnung zu tragen. Grundsätzlich soll der Beschuldigte mit der Beiordnung des Verteidigers seines Vertrauens demjenigen gleichgestellt werden, der sich auf eigene Kosten einen Verteidiger gewählt hat. (Bearbeiter)

10. Dem Grundsatz des fairen Verfahrens ist mit Blick auf die Bestellung eines Pflichtverteidigers zu entnehmen, dass einem zeitgerecht vorgetragenen Wunsch des Beschuldigten auf Beiordnung eines von ihm benannten Rechtsanwalts grundsätzlich zu entsprechen ist, es sei denn, wichtige Gründe stehen dem entgegen. Bei der hiernach vorzunehmenden Interessensabwägung gewährt § 142 Abs. 1 StPO nur einen Rechtsanspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung. Das Revisionsgericht kann - anders als das Beschwerdegericht, welches sein Ermessen an die Stelle desjenigen des Vorsitzenden der Vorinstanz setzen kann - die Beiordnungsentscheidung nur auf Ermessensfehler hin überprüfen und hat sie im Übrigen hinzunehmen. (Bearbeiter)

11. Das dem Interesse des Beschuldigten dienende und das gesamte Strafverfahren erfassende Beschleunigungsgebot zwingt insbesondere in Haftsachen dazu, dass die Hauptverhandlung so bald und so schnell wie möglich durchgeführt wird. Je länger die Untersuchungshaft andauert, desto mehr ist der Vorsitzende gehalten, auf eine straffe Terminierung hinzuwirken. Diesem Gebot, die Hauptverhandlung in Haftsachen zügig durchzuführen, kann auch dadurch entsprochen werden, dass als Verteidiger nur der Rechtsanwalt beigeordnet wird, der zusichern kann, an sämtlichen Hauptverhandlungsterminen teilzunehmen. (Bearbeiter)

12, Die Anforderungen an die Begründetheit vorgebrachter Einwände gegen den vom Gericht beigeordneten Verteidiger sind für die Entpflichtung höher als für die Bestellung. Die Aufhebung der Beiordnung ist - von den in § 143 StPO genannten Gründen abgesehen - nur zulässig und geboten, wenn der Zweck der Pflichtverteidigung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährdet ist. (Bearbeiter)

13. Ein Pflichtverteidiger ist zu entpflichten, falls eine nachhaltige und nicht zu beseitigende Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen ihm und dem Angeklagten eingetreten und daher zu besorgen ist, dass die Verteidigung objektiv nicht (mehr) sachgerecht geführt werden kann. Maßstab hierfür ist - vergleichbar der Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit - die Sicht eines verständigen Angeklagten. (Bearbeiter)

14. Ein im Verhältnis des Angeklagten zum Verteidiger wurzelnder wichtiger Grund zur Entpflichtung kann jedoch regelmäßig nicht bejaht werden, wenn dieser Grund allein vom Angeklagten verschuldet ist. Das gilt auch, wenn die Störung des Vertrauensverhältnisses darauf zurückzuführen ist, dass der Angeklagte ohne verständlichen Anlass den Kontakt verweigert. Selbst eine Strafanzeige des Verteidigers zwingt nicht zur Aufhebung der Beiordnung, falls der begründete Verdacht besteht, dass der Angeklagte den Verteidiger nur deshalb angegriffen hat, damit dieser Strafanzeige gegen ihn erstattet, um darauf gestützt die Entpflichtung zu betreiben. (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

Auf die Revisionen des Angeklagten Mu. und des Generalbundesanwalts wird das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 28. September 2015, soweit es diesen Angeklagten betrifft, aufgehoben; jedoch bleiben aufrechterhalten:

- die Feststellungen auf den Seiten 18 bis 111 der Urteilsabschrift einschließlich derjenigen, die den Ausführungen zur Beweiswürdigung auf den Seiten 316 bis 421 der Urteilsabschrift zum Verlauf der „Angriffe der FDLR auf die Siedlungen Kipopo, Mianga, Busurungi, Chiriba und Manje“ zu entnehmen sind, sowie

- die Feststellungen auf den Seiten 113 bis 134 der Urteilsabschrift mit Ausnahme derjenigen auf Seite 127 unter Gliederungspunkt 4. von „Diese Propagandaarbeit diente ...“ bis "... gegen die FDLR sein“ sowie auf Seite 133 f. unter Gliederungspunkt V. von „Dem Angeklagten Mu. war bekannt ...“ bis "... der getätigten Angriffe rechnete“.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieser Rechtsmittel, an einen anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehenden Revisionen des Angeklagten Mu. und des Generalbundesanwalts den Angeklagten Mu. betreffend sowie die Revision des Angeklagten M. und die diesen betreffende Revision des Generalbundesanwalts werden verworfen.

3. Der Angeklagte M. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Kosten des den Angeklagten M. betreffenden Rechtsmittels des Generalbundesanwalts und die jenem hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten Mu. wegen Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Beihilfe zu vier Kriegsverbrechen zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren, den Angeklagten M. wegen Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Dagegen wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen. Mit einer gemeinsamen Revisionsbegründungsschrift beanstanden sie das Verfahren und machen unter anderem ein - aus Verfahrensmängeln resultierendes - Prozesshindernis geltend; zudem erheben sie die Sachbeschwerde. Sie beantragen die Aufhebung des Urteils und ihren Freispruch, hilfsweise die Einstellung des Verfahrens, hilfshilfsweise die Zurückverweisung der Sache. Der Generalbundesanwalt rügt mit seinen zuungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen die Verletzung materiellen Rechts. Hinsichtlich des Angeklagten Mu. beantragt er die Aufhebung des Urteils unter Aufrechterhaltung der Feststellungen, hinsichtlich des Angeklagten M. nach Beschränkung des Rechtsmittels die Aufhebung im Strafausspruch sowie jeweils die Zurückverweisung der Sache im Umfang der Aufhebung.

Die Revision des Angeklagten Mu. und die gegen diesen geführte Revision des Generalbundesanwalts haben den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet. Den Revisionen des Angeklagten M. und des Generalbundesanwalts den Angeklagten M. betreffend bleibt der Erfolg versagt.

A.

I. Nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen waren die Angeklagten Mu. und M. bis zu ihrer Inhaftierung am 17. November 2009 in führenden Positionen - als Präsident und erster Vizepräsident - für die terroristische Vereinigung FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) tätig, deren armeeähnlich organisierte Miliz FOCA (Streitkräfte der Befreier) im Ost-Kongo operierte. Zu der Entstehung und Entwicklung der FDLR, deren Organisationsstruktur, ihren terroristischen Aktivitäten sowie den Funktionen, Betätigungen und Kenntnissen der Angeklagten ist Folgendes festgestellt:

1. Entstehung und Entwicklung

In der mehrheitlich von Hutu sowie den Minderheiten der Tutsi und Twa bewohnten Republik Ruanda herrschte seit dem Jahr 1990 ein Bürgerkrieg zwischen dem Regime des ruandischen Präsidenten Habyarimana und den militärischen Verbänden der Rebellenbewegung RPF (Ruandische Patriotische Front), die von exilierten ruandischen Tutsi in Uganda gegründet worden war und von der ugandischen Regierung unterstützt wurde. Ziel der von dort nach Ruanda vorgerückten, von Tutsi dominierten RPF war, die hauptsächlich aus Hutu bestehende Regierung in Ruanda zu stürzen. Infolge des Bürgerkriegs setzte in Ruanda eine zunehmende Radikalisierung ein.

Als am 6. April 1994 das mit dem ruandischen und dem burundischen Staatspräsidenten besetzte Flugzeug bei dem Anflug auf den Flughafen Kigali abgeschossen wurde und hierbei beide Präsidenten ums Leben kamen, wurde vielerorts in Ruanda die Verantwortung dafür der RPF zugeschrieben. Von Seiten der ruandischen Machthaber kam es in der Folge zu einer systematischen Tötung von mindestens 500.000 in Ruanda lebenden Tutsi und ca. 10.000 oppositionellen gemäßigten Hutu, vor allem durch die ruandische Armee FAR sowie die milizartige Jugendorganisation Interahamwe. Die Massenmorde endeten erst im Juli 1994, als es der RPF unter der Führung des Tutsi Kagame - des heutigen Präsidenten Ruandas - gelang, nach Siegen über die staatliche Armee FAR sowie die Interahamwe-Miliz die Macht in Ruanda zu übernehmen. Dem folgte ein Massenexodus der Mitglieder der ruandischen Regierung, der Soldaten der ruandischen Armee und der Angehörigen der Interahamwe, aber auch hunderttausender ziviler Hutu ins Ausland. Insgesamt verließen weit mehr als eine Million Ruander ihre Heimat. Ein Großteil der Menschen suchte Zuflucht in den an Ruanda angrenzenden Provinzen Nord- und Süd-Kivu der damaligen Republik Zaire.

Nahe der Grenze zu Ruanda entstanden Lager, in denen sich die ruandischen Flüchtlinge reorganisierten. Die bewaffneten Kräfte formierten sich neu mit dem Ziel, gewaltsam die Macht im Heimatland wiederzuerlangen, und brachten die Flüchtlingslager unter ihre Kontrolle. Nachdem sie von den Lagern aus zahlreiche Angriffe auf ruandisches Territorium durchgeführt hatten, überschritten im Jahr 1996 ruandische Truppen die Staatsgrenze und zerstörten gemeinsam mit ihren Verbündeten die Lager, wobei Tausende Zivilisten getötet wurden. Nach dem anschließenden Machtwechsel in dem von Republik Zaire in Demokratische Republik Kongo umbenannten Staat bediente sich der neue Machthaber Laurent Désiré Kabila der ruandischen Rebellen, um die Armee Ruandas und ihre Alliierten zu bekämpfen; er und seine Bündnispartner versorgten die Milizionäre mit Waffen und Logistik.

Am 1. Mai 2000 wurde in der Demokratischen Republik Kongo mit Unterstützung der kongolesischen Regierung die FDLR gegründet. Die beiden in Deutschland lebenden Angeklagten nahmen an der Gründungsversammlung teil. Führer der ruandischen Milizionäre suchten nach einem organisatorischen Rahmen, unter dem sich diese neu formieren und ihren Kampf für einen Machtwechsel in Ruanda auf politischer Ebene effektiver weiterverfolgen konnten. Für eine „unbelastete“ Organisation, die in der Lage war, auf internationaler Ebene als legitimer Verhandlungspartner aufzutreten, sollten als Funktionäre solche Politiker gewonnen werden, die nicht in den ruandischen Völkermord verwickelt waren und über ausreichend Einflussmöglichkeiten verfügten. Der Angeklagte Mu. erfüllte diese Anforderungen. Im Juni 2001 wurde er zum Präsidenten der FDLR bestimmt und im Dezember 2001 in Wahlen bestätigt. Die Truppenteile der ruandischen Milizionäre verschmolzen Anfang 2003 zur FOCA als vereinten militärischen Kräften der Organisation.

In der Folgezeit setzte sich die FDLR in den Kivu-Gebieten fest. Ihrer Miliz gelang es, ganze Zonen unter ihre Kontrolle zu bringen, sodass insgesamt ungefähr die Hälfte der Fläche der Kivu-Provinzen unter ihrem Einfluss stand. Die Truppen errichteten in der Regel außerhalb der Siedlungen der kongolesischen Zivilbevölkerung Lager, die den Milizionären und dem dazugehörigen Truppenpersonal vorbehalten waren. In der Nähe ließen sich häufig ruandische Flüchtlinge nieder, unter ihnen viele Familienangehörige der Kämpfer.

Nach internen Machtkämpfen innerhalb der FDLR im Jahr 2004 sprach sich der neu gewählte FOCA-Kommandant Mudacumura dafür aus, dass der Angeklagte Mu. weiterhin das „Amt“ des Präsidenten der FDLR bekleide; dieser enthob daraufhin fünf Funktionäre ihrer „Ämter“, unter anderem den ersten Vizepräsidenten, und ernannte stattdessen fünf andere Personen auf die Positionen, darunter den Angeklagten M. zum kommissarischen ersten Vizepräsidenten. Am 25. Juni 2005 wurden die Angeklagten zum Präsidenten und ersten Vizepräsidenten gewählt.

In öffentlichen Bekundungen erklärte die FDLR ihre bewaffnete Präsenz in den Kivu-Provinzen als eine Etappe auf dem Weg zu einer Beteiligung an der Macht in Ruanda, bis die ruandische Regierung zu einem innerruandischen Dialog und zu politischen Konzessionen bereit sei. Intern wurde bis zuletzt die Übernahme der Macht in Ruanda als eigentliches Ziel genannt.

2. Organisationsstruktur

Die FDLR war nach ihren Regelwerken und nach den tatsächlichen Verhältnissen sowohl im politischen als auch im militärischen Teil hierarchisch gegliedert und wies differenzierte Führungs-, Entscheidungs- und Kommandostrukturen auf. An der Spitze der Vereinigung standen der Präsident und zwei Vizepräsidenten, von denen der erste Vizepräsident für den politischen und administrativen Bereich, der zweite Vizepräsident für Verteidigung und Sicherheit zuständig war. Die höchsten Gremien der FDLR stellten der Nationalkongress, das Nationale Widerstandskomitee und das Comité Directeur dar. Da in der instabilen Kriegsregion des Ost-Kongo größere Versammlungen von FDLR-Mitgliedern kaum möglich waren, war das Comité Directeur das faktisch oberste Entscheidungsgremium der Gesamtorganisation. Es war jeweils zur Hälfte aus Personen des politischen und des militärischen Teils der Vereinigung zusammengesetzt. Zu den Mitgliedern aus dem politischen Bereich zählten unter anderem der Präsident sowie die beiden Vizepräsidenten; die Mitglieder des militärischen Bereichs waren Angehörige des FOCA-Oberkommandos, regelmäßig - neben anderen - der FOCA-Kommandant und dessen Vertreter. Dem Comité Directeur untergeordnet war das Exekutivkomitee der FDLR, das für die Ausführung der Entscheidungen und für das Tagesgeschäft verantwortlich zeichnete. Diesem gehörten ebenfalls der Präsident und die beiden Vizepräsidenten an, daneben auch der Exekutivsekretär, der für die Koordination der Tätigkeiten zuständig war und die Funktion eines Berichterstatters einnahm.

Die FOCA, die als bewaffneter Arm der FDLR in die Gesamtorganisation eingebunden war und formal deren verantwortlichen Gremien unterstand, war wie eine reguläre Armee aufgebaut und verfügte über eine bürokratische Struktur. Faktisch war das Militär der mächtige und bestimmende Teil der Gesamtvereinigung. Das höchste Organ auf militärischer Ebene stellte das FOCAOberkommando dar, das in Umsetzung der vom Comité Directeur vorgegebenen bindenden Leitlinien alle wichtigen Entscheidungen im militärischen Bereich traf. An der Spitze der bewaffneten Milizionäre standen der FOCA-Kommandant und dessen Vertreter. Der Kommandant war Führer der Miliz auf operativem Gebiet und für die Umsetzung der strategischen Vorgaben des Oberkommandos zuständig. Er und sein Vertreter waren zugleich Präsident und Vizepräsident des Oberkommandos. Die mehreren tausend - großteils mit Sturmgewehren ausgerüsteten - Kämpfer waren in Divisionen, Bataillone, Kompanien, Züge und Gruppen untergliedert.

3. Terroristische Aktivitäten

a) Ihre wirtschaftliche Existenz sicherte die FDLR unter anderem durch von der kongolesischen Zivilbevölkerung erhobene Schutzsteuern, Zwangsabgaben und Wegezölle sowie vor allem durch sogenannte Verpflegungsoperationen („opérations de revitaillement“), die schon vor dem Jahr 2008 und seither wiederkehrend durchgeführt wurden. Unter diesem Begriff wurde insbesondere das vom FOCA-Kommando befohlene oder genehmigte Plündern bei der lokalen Bevölkerung verstanden. Um Nahrungsmittel und Vieh, Kleidung, Bedarfsgegenstände, Medikamente sowie Geld zu erlangen, verübten die Milizionäre Überfälle auf Fahrzeuge, Geschäftseinrichtungen, Gehöfte und ganze Siedlungen. Solche Plünderungen stellten ein wesentliches Mittel dar, um in Zeiten bewaffneter Konflikte die Versorgung der Truppen mit dem notwendigen Lebensbedarf sicherzustellen.

b) Nachdem noch von August bis November 2008 die FDLR die kongolesische Armee FARDC bei einer Militäroffensive gegen die CNPD, eine neue Rebellenbewegung dominiert von Tutsi, unterstützt hatte, kam es anschließend zu einer Annäherung der Regierungen der Demokratischen Republik Kongo und Ruandas. Die Präsidenten Joseph Kabila und Kagame trafen einen Kompromiss, wonach sich die ruandischen Streitkräfte an einer Militäroffensive gegen die FDLR beteiligen sollten und die CNPD eine neue politische Rolle im Nord-Kivu einnehmen sollte. Die Kämpfer der CNPD wurden daraufhin in die kongolesische Armee integriert.

Am 20. Januar 2009 begann unter Beteiligung der ruandischen und der kongolesischen Streitkräfte die gegen die FDLR geführte militärische Offensive „Umoja Wetu“, die bis zum 25. Februar 2009 andauerte. Ihr schloss sich die Folgeoffensive „Kimia II“ der kongolesischen Streitkräfte mit Unterstützung der UN-Friedensmission MONUC vom 2. März bis Ende 2009 an. Die FOCA-Truppen gerieten unter starken militärischen Druck und zogen sich zurück. Da sich die FDLR von den kongolesischen Streitkräften ebenso verraten fühlte wie von Teilen der kongolesischen Zivilbevölkerung, die sich unter den Schutz des nunmehrigen militärischen Gegners stellte, entwickelte das FOCA-Kommando die Strategie der sogenannten Bestrafungsoperationen („opérations punitives“). Darunter wurden Vergeltungsangriffe der FOCA gegen solche Siedlungen verstanden, von denen aus die FARDC oder verbündete bewaffnete Gruppierungen FOCA-Stellungen und ruandische Flüchtlinge attackiert hatten. Mit den Bestrafungsoperationen sollte in erster Linie an der FARDC und gegebenenfalls Verbündeten Rache geübt werden; sie sollten daran gehindert werden, weiter gegen die FDLR vorzugehen. Gleichzeitig dienten die Operationen aber auch dazu, die Zivilbevölkerung, die die feindlichen Truppen - tatsächlich oder vermeintlich - unterstützte, zu bestrafen und davon abzuschrecken, der FARDC und verbündeten Gruppierungen Hilfe zu leisten. Anders als die FDLR-Milizionäre lebten die Soldaten der FARDC regelmäßig inmitten der Bevölkerung, nahmen oftmals deren Häuser für sich in Anspruch und ließen sich durch sie mit allem versorgen, was zum Bestreiten des täglichen Unterhalts der Truppen erforderlich war. Auch bedienten sich die kongolesischen Soldaten zum Auffinden des Gegners in der Regel Zivilisten als ortskundigen Führern. Die Teile der Bevölkerung, die unter solchen Umständen zusammen mit den FARDC-Soldaten in den Siedlungen blieben oder dort Schutz suchten, galten nach dem Verständnis der FOCA als „Feinde“. Eine Unterscheidung zwischen Soldaten und Zivilisten war bei den Angriffen auf ganze Ortschaften nicht vorgesehen. Die FOCA-Führung ging davon aus, dass die Kämpfer Einwohner töteten und deren Häuser niederbrannten. Mit in den umkämpften Gebieten verteilten Flugblättern wurde den kongolesischen Zivilisten gedroht, sie würden im Fall einer Zusammenarbeit mit der kongolesischen Armee und deren Verbündeten wie diese als „Feinde“ betrachtet.

Während der Offensiven „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ führte die FDLR folgende Vergeltungsangriffe, die sich gegen feindliche Einheiten, aber insbesondere auch gegen die Zivilbevölkerung richteten, auf in den Kivu-Gebieten gelegene Siedlungen durch:

- Um Vergeltung für einen Angriff der kongolesischen Armee auf ruandische Flüchtlinge zu verüben und die lokale Zivilbevölkerung zu bestrafen, die die Soldaten bei sich aufgenommen hatte, entschloss sich die FOCA zu einer Bestrafungsoperation gegen das Dorf Kipopo (Nord-Kivu). Diese fand am 13. Februar 2009 in der Nacht statt. Die Milizionäre drangen in den Ort ein und setzten mindestens hundert Holz- und Strohhäuser in Brand. In einigen der Häuser hatten sie zuvor Dorfbewohner eingesperrt, die infolgedessen bei lebendigem Leib verbrannten. Mindestens 13 Zivilisten wurden getötet. Ob sich zurzeit des Angriffs - wie von den FOCA-Kämpfern erwartet - tatsächlich FARDC-Soldaten in dem Dorf aufhielten, hat das Oberlandesgericht nicht festzustellen vermocht.

- Um Vergeltung für Angriffe der FARDC auf FOCA-Kämpfer sowie für die Tötung ruandischer Flüchtlinge zu verüben und sich bei der „abtrünnigen“ örtlichen Zivilbevölkerung zu rächen, die die ruandischen und kongolesischen Streitkräfte willkommen geheißen und unterstützt hatte, ordnete das FOCA-Kommando eine Bestrafungsoperation gegen das Dorf Mianga (Nord-Kivu) an. Nachdem die FDLR-Milizionäre die Soldaten der kongolesischen Armee am frühen Morgen des 12. April 2009 angegriffen und in die Flucht geschlagen hatten, gingen sie anschließend gezielt gegen die Bevölkerung vor. Sie drangen gewaltsam in das Haus des Dorfvorstehers ein und enthaupteten den in seinem Bett liegenden Mann mit einer Machete. Danach töteten sie drei andere Angehörige der zivilen Dorfverwaltung. Ferner erschossen, erschlugen und zerstückelten sie mindestens 41 weitere Zivilisten, darunter viele Frauen und Kinder, und brannten fast das ganze Dorf, mindestens aber 50 Häuser nieder.

- Als Vergeltung für die insbesondere von der kongolesischen Armee vorgenommene brutale Tötung zahlreicher ruandischer Flüchtlinge ordnete das FOCA-Kommando einen Angriff auf die Ortschaft Busurungi (Nord-Kivu) an. Die Operation, die am 10. Mai 2009 nach 2 Uhr stattfand, diente auch dazu, die dort verbliebene Zivilbevölkerung für ihren „Verrat“ durch Unterstützung des militärischen Gegners zu bestrafen. Nachdem die FARDC-Soldaten geflohen waren, gingen die FDLR-Milizionäre massiv gegen die ihnen schutzlos ausgelieferte Bevölkerung vor. Bei der Bestrafungsoperation töteten sie 96 Einwohner, insbesondere auch Frauen, Kinder und alte Menschen, indem sie sie erschossen, erschlugen, erstachen, zerstückelten, ihnen die Kehle durchschnitten oder sie in ihren Häusern verbrannten. Die Angreifer setzten die ganze Siedlung in Brand; 700 Gebäude, darunter Schulen, Kirchen und Gesundheitszentren, wurden zerstört. Zwei FOCA-Kämpfer entwendeten aus dem Haus eines Ehepaars Bargeld und alles sonstige Stehlenswerte. Die Ortschaft war nach dem Angriff unbewohnbar und wurde in den folgenden Jahren nicht wiederbesiedelt.

- Nach Drohschreiben des Befehlshabers einer FOCA-Kompanie mit der Ankündigung, gegen die kongolesische Armee und die sie beherbergende Zivilbevölkerung vorzugehen, überfielen zwischen dem 25. und dem 27. Mai 2009 FOCA-Kämpfer das Dorf Chiriba (Süd-Kivu). Sie töteten mindestens vier Zivilisten und brannten mehr als hundert Häuser nieder.

- Um die in dem Dorf Manje (Nord-Kivu) stationierten Streitkräfte der FARDC zu vertreiben und die dort verbliebene Zivilbevölkerung „zur Rechenschaft zu ziehen“, nahm die FDLR in der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 2009 eine Bestrafungsoperation gegen diese Ortschaft vor. Nachdem die kongolesischen Soldaten vertrieben waren, töteten die FDLR-Rebellen zumindest 16 Zivilisten, indem sie sie mit Macheten erschlugen oder in ihren Häusern verbrannten; insgesamt brannten die Milizionäre mindestens 182 Gebäude nieder.

4. Funktionen und Betätigungen der Angeklagten

a) Der Angeklagte Mu. nahm als Präsident der FDLR zahlreiche wichtige Aufgaben in der Verwaltung und Repräsentation der Organisation wahr, insbesondere folgende: Er war „oberste Autorität“ der FDLR sowie deren Vertreter gegenüber Regierungen, anderen politischen Organen und internationalen Organisationen bei Verhandlungen und Eingaben. Er war Vorsitzender des Comité Directeur, dessen Versammlungen er vorbereitete und leitete, und gehörte dem Exekutivkomitee an. Er hatte formal den Oberbefehl über die Streitkräfte inne, ohne allerdings faktisch die Möglichkeit zu haben, auf Entscheidungen des FOCA-Kommandos - namentlich des Kommandanten Mudacumura - Einfluss zu nehmen und insbesondere Kriegsverbrechen der Milizionäre gegen den Willen der militärischen Führung zu verhindern.

Der Angeklagte Mu. motivierte die Mitglieder der FDLR durch schriftliche Botschaften sowie Ansprachen. Er war maßgebend für die Öffentlichkeits- und Propagandaarbeit verantwortlich, die er im Wesentlichen in enger Absprache mit dem in Frankreich wohnhaften Exekutivsekretär Mb. und mit Unterstützung des Angeklagten M. leistete. Der Angeklagte Mu. verfasste Presseerklärungen und gab den Medien Interviews; die Öffentlichkeitsarbeit wurde im Jahr 2009 zunehmend ein Instrument, die Verantwortung der FDLR für die Kriegsverbrechen - ohne Nachprüfung - abzustreiten und sie dem militärischen Gegner anzulasten. Dies war den kämpfenden Einheiten und den FOCA-Führungskräften bekannt. Außerdem versorgte der Angeklagte diese von Dezember 2007 bis August 2009 18-mal mit Telefoneinheiten und Zubehör für Satellitentelefone, auf die die Führungskräfte für die Vorbereitung und Durchführung militärischer Operationen angewiesen waren.

b) Der Angeklagte M. übte das „Amt“ des ersten Vizepräsidenten aktiv aus und trat als solcher auf, insbesondere wie folgt: Er war Mitglied des Comité Directeur sowie des Exekutivkomitees. Zur Vorbereitung und Durchführung der Versammlungen des Comité Directeur standen die beiden Angeklagten in vertrautem Kontakt. Bei der letzten Versammlung im Januar 2009, die in enger Abstimmung zugleich in Europa und im Ost-Kongo stattfand, wirkte der Angeklagte M. an den Entscheidungen und Empfehlungen sowie der Ausformulierung der entsprechenden Texte mit. Überdies unterstützte er den Angeklagten Mu. bei der Öffentlichkeits- und Propagandaarbeit und beriet sich dabei regelmäßig mit ihm. Insbesondere richtete er Schreiben an Politiker und Organisationen, diente als Ansprechpartner der Vereinigung, fertigte und unterzeichnete Presseerklärungen und nahm dabei Einfluss auf deren Inhalt. Gemeinsam mit dem Angeklagten Mu. sowie Mb. verfolgte er die Linie, gegenüber der FDLR erhobene Vorwürfe, ihre Angehörigen hätten Straftaten begangen, stets unverzüglich zu bestreiten.

5. Kenntnisse der Angeklagten

Die Angeklagten hatten Kenntnis davon, dass die FDLR von der Zivilbevölkerung Wegezölle, Zwangsabgaben sowie Schutzsteuern erhob und die FDLR-Milizionäre vor und während der Offensiven „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ „Kriegsverbrechen“ begingen; der Angeklagte Mu. wusste positiv um die von der FOCAFührung angeordneten und den Kämpfern durchgeführten sogenannten Verpflegungsoperationen. „Die Art und Weise des Vorgehens der FOCA gegen die lokale Zivilbevölkerung bei (Bestrafungs-)Operationen gegen kongolesische Siedlungen war beiden Angeklagten spätestens nach dem Angriff auf das Dorf Kipopo bekannt; zumindest akzeptierten und billigten sie dieses.“

II. Das Oberlandesgericht hat im Wesentlichen folgende Wertungen vorgenommen:

Die Angeklagten hätten sich als Rädelsführer mitgliedschaftlich an der ausländischen terroristischen Vereinigung FDLR beteiligt (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB). Deren Tätigkeit sei, was beiden Angeklagten bekannt gewesen sei, darauf gerichtet gewesen, Kriegsverbrechen zu begehen. Zum einen hätten die FDLR-Milizionäre schon vor dem Jahr 2008 und seither wiederkehrend - als Verpflegungsoperationen bezeichnete - systematische Plünderungen durchgeführt, die als Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte (§ 9 Abs. 1 Variante 1 VStGB) zu beurteilen seien. Zum anderen hätten die Kämpfer ab Februar 2009 während der (Bestrafungs-)Operationen gegen die fünf kongolesischen Siedlungen Kipopo, Mianga, Busurungi, Chiriba und Manje, von der Vorstellung der Angeklagten umfasst ab März 2009, weitere Kriegsverbrechen begangen. Dabei handele es sich jeweils um Kriegsverbrechen gegen Personen (§ 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 Nr. 2 VStGB) sowie gegen Eigentum und sonstige Rechte in Form des Zerstörens und - in einem Fall (Busurungi) - des Plünderns (§ 9 Abs. 1 Variante 1, 2 VStGB). Da beide Angeklagte maßgebliche Führungsrollen innerhalb der FDLR innegehabt und einen bestimmenden Einfluss auf die Organisation ausgeübt hätten, seien sie als Rädelsführer anzusehen.

Das Verhalten des Angeklagten Mu. sei darüber hinaus als zu der Rädelsführerschaft tateinheitlich hinzutretende „Beihilfe zu vier Kriegsverbrechen“ zu werten. Zu den Haupttaten, die die FDLR-Milizionäre in den fünf benannten Siedlungen begangen hätten, habe der Angeklagte durch eine einheitliche Tat (§ 2 VStGB, § 52 StGB) physisch und - „vor allem“ (UA S. 573) - psychisch Beihilfe geleistet (§ 2 VStGB, § 27 Abs. 1 StGB). Die physische Beihilfe habe darin bestanden, dass der Angeklagte die FOCA-Führung mit Telefoneinheiten und Zubehör für Satellitentelefone versorgt habe; psychische Beihilfe habe er mit seiner Propagandatätigkeit sowie - im Zusammenhang hiermit - den schriftlichen Botschaften geleistet. Den Gehilfenvorsatz in Bezug auf die Haupttaten hat das Oberlandesgericht nur teilweise bejaht. Hinsichtlich der zeitlich ersten Operation gegen Kipopo während der Offensive „Umoja Wetu“ habe der Angeklagte - nicht ausschließbar - unvorsätzlich, hinsichtlich der weiteren vier Angriffe auf Mianga, Busurungi, Chiriba und Manje nach Beginn der Folgeoffensive „Kimia II“ dagegen mit Vorsatz gehandelt.

Indes sei eine Strafbarkeit der FDLR-Milizionäre wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 VStGB) ebenso wie ein hierauf bezogener Vorsatz des Angeklagten Mu. zu verneinen. Auch bestehe keine täterschaftliche Verantwortlichkeit des Angeklagten für die Kriegsverbrechen gegen Personen sowie gegen Eigentum und sonstige Rechte, weder aufgrund - gegebenenfalls irrtümlich angenommener - militärischer Befehlshaberschaft (§ 4 VStGB bzw. §§ 2, 4 VStGB, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB) noch nach allgemeinem Strafrecht als mittelbarer Unterlassungstäter (§ 2 VStGB, § 13 Abs. 1, § 25 Abs. 1 Alternative 2 StGB).

B.

I. Revision des Angeklagten Mu.

Die Revision des Angeklagten Mu. führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils, soweit es ihn betrifft, unter Aufrechterhaltung der oben in Ziffer 1 der Entscheidungsformel bezeichneten objektiven Feststellungen sowie zur Zurückverweisung der Sache in diesem Umfang.

1. Es besteht kein Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs.

a) Eine Verletzung des Ne bis in idem-Grundsatzes (Art. 103 Abs. 3 GG) wäre deshalb denkbar, weil der Angeklagte Mu. mit Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 3. März 2009 i.V.m. dem Urteil des Landgerichts Mannheim vom 18. Juni 2009 rechtskräftig wegen Zuwiderhandlung gegen eine ausländerrechtliche vollziehbare Anordnung in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden war. Dem lag zugrunde, dass er in der Zeit von September 2007 bis November 2008 durch 13 Handlungen (etwa Presseerklärungen) im Rahmen der von ihm als Präsident der FDLR geleisteten Öffentlichkeitsarbeit das auf § 47 AufenthG gestützte Verbot der Stadt Mannheim vom 2. Mai 2006 missachtet hatte, sich für die Organisation politisch zu betätigen und Ämter in ihr auszuüben (s. Sachakten, Register 3, Ordner 2, Bl. 147 ff., 160 ff.). Damit waren Gegenstand dieser Vorverurteilung weitere mitgliedschaftliche Betätigungsakte für die FDLR, wobei damals die Verwirklichung des Tatbestands des § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB unberücksichtigt geblieben war.

b) Die der Vorstrafe zugrundeliegenden Taten sind indes nach der neueren Rechtsprechung des Senats gegenüber den in den Feststellungen des angefochtenen Urteils geschilderten, verfahrensgegenständlichen Taten materiellrechtlich wie im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO prozessual selbständig:

Wäre der Angeklagte damals - auf der Grundlage der nunmehr getroffenen Feststellungen der materiellen Rechtslage entsprechend - auch wegen Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung verurteilt worden, wäre bei allen abgeurteilten Straftaten nach § 95 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG jeweils von Tateinheit mit dem Organisationsdelikt der § 129a Abs.1 Nr. 1, Abs. 4, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB auszugehen. Weitere Betätigungsakte für die Vereinigung, die noch gegen andere Strafgesetze verstoßen (wie gegebenenfalls hier § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 Nr. 2, § 9 Abs. 1 Variante 1, 2, § 2 VStGB, § 27 Abs. 1 StGB durch die Zuwendungen von Mitteln für die Satellitentelefonie sowie durch die Öffentlichkeits- und Propagandaarbeit), stehen hierzu in Tatmehrheit. Gleiches gilt für Beteiligungshandlungen, die nicht gesondert strafbar sind (wie beispielsweise die Vorbereitung und Leitung von Versammlungen des Comité Directeur sowie Verhandlungen auf internationaler Ebene); diese werden durch das Organisationsdelikt als tatbestandliche Handlungseinheit zusammengefasst und treten in ihrer Gesamtheit als materiellrechtlich eigenständige Tat (§ 53 StGB) zu den auch andere Straftatbestände erfüllenden Betätigungsakten hinzu (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, 34 35 BGHSt 60, 308, 311 f., 319 f.; vom 20. Dezember 2016 - 3 StR 355/16, BGHR StGB § 129a Konkurrenzen 6; vom 8. November 2017 - AK 54/17, NStZ-RR 2018, 42, 43).

Da es sich bei den der Vorverurteilung zugrundeliegenden Taten um getrennte Lebensvorgänge handelt und sachlich-rechtlich selbständige Taten grundsätzlich auch prozessual selbständig sind (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, juris Rn. 47 [insoweit in BGHSt 60, 308 nicht abgedruckt]; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 264 Rn. 2, 6 mwN), ist hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Beteiligungshandlungen kein Strafklageverbrauch eingetreten. Das gilt unabhängig davon, inwieweit diese Handlungen noch gegen andere Strafgesetze verstoßen und solche Verstöße schwerer wiegen als die Verwirklichung des Tatbestands der § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB.

2. Die Verfahrensbeanstandungen dringen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 23. August 2017 genannten Gründen ganz überwiegend nicht durch. Schon deshalb kann auch ein aus Mängeln des Verfahrens resultierendes Prozesshindernis nicht vorliegen. Lediglich für die Rüge „Unzureichender rechtlicher Hinweis zur 'Beihilfe'" (C. II. 5. der Revisionsbegründung) lässt der Senat deren Zulässigkeit und Begründetheit dahinstehen (dazu unten b)). Näher einzugehen ist allein auf den Rügekomplex „Neuer Pflichtverteidiger für den Angeklagten Mu. ab dem 247. Hauptverhandlungstag“ (C. I. der Revisionsbegründungsschrift; dazu nachfolgend a)).

a) Mit dem Rügekomplex „Neuer Pflichtverteidiger ...“ hat der Angeklagte Mu. eine „Verletzung von §§ 141, 142 Abs. 1, 145 Abs. 1, 265 Abs. 4, 338 Nrn. 5 und 8 StPO und des Grundsatzes des fairen Verfahrens aus Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK, Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG“ geltend gemacht.

aa) Diesen Rügen liegen - im Wesentlichen - folgende Verfahrensgeschehnisse zugrunde:

Die Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht fand an 320 Hauptverhandlungstagen zwischen dem 4. Mai 2011 und dem 28. September 2015 statt. Ab dem 230. Hauptverhandlungstag am 12. Mai 2014 nahm Rechtsanwalt S., den der Vorsitzende dem Angeklagten Mu. wegen des Umfangs und der Schwierigkeit des Verfahrens als zweiten Pflichtverteidiger neben Rechtsanwältin L. beigeordnet hatte, aus gesundheitlichen Gründen an der Hauptverhandlung nicht mehr teil.

Mit Verfügung vom 15. Juli 2014 gab der Vorsitzende bekannt, es sei beabsichtigt, für den Angeklagten Mu. zur Sicherung des Verfahrens einen weiteren Pflichtverteidiger zu bestellen, und gab dem Angeklagten Gelegenheit, bis spätestens zum 25. Juli 2014 einen Verteidiger seiner Wahl zu benennen. Der Angeklagte bat daraufhin um Beiordnung von Rechtsanwalt R. oder Rechtsanwalt N. Der Vorsitzende, der zwischenzeitlich Kontakt zu dem in Stuttgart ansässigen Rechtsanwalt E. aufgenommen hatte, teilte den Rechtsanwälten R. und N. mit Schreiben vom 25. und 30. Juli 2014 jeweils mit, dass eine Bestellung zum Pflichtverteidiger in Betracht komme, wenn sie künftig an sämtlichen Hauptverhandlungsterminen teilnehmen könnten, ferner bereit seien, sich während der bevorstehenden einmonatigen Sommerunterbrechung bis zum 14. September 2014 in das Verfahren einzuarbeiten, und „daher keinen Aussetzungs- oder Unterbrechungsantrag zur Einarbeitung ... stellen“ würden. Falls diese Zusagen nicht gemacht werden könnten, werde ein Stuttgarter Strafverteidiger beigeordnet, der seine Bereitschaft zur Übernahme der Verteidigung unter den genannten Umständen erklärt habe.

Rechtsanwalt R. bekundete letztlich mit Schriftsatz vom 6. August 2014, dass eine Verteidigung am 15. August 2014 nicht möglich sei. Rechtsanwalt N. erklärte mit Schriftsatz vom selben Tag, er könne - mit ganz wenigen Ausnahmen - jeweils an den avisierten Terminstagen zur Verfügung stehen. Des Weiteren äußerten beide Zweifel, sich in der Sommerunterbrechung ausreichend in das Verfahren einarbeiten zu können, und verlangten vom Vorsitzenden unter Berufung auf die gerichtliche Fürsorgepflicht und das Gebot eines fairen Verfahrens, sie - über die schriftlichen Unterlagen hinausgehend - persönlich von dem Gang der Hauptverhandlung und den bisherigen Ergebnissen der Beweisaufnahme zu unterrichten. Schließlich sahen sie sich aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen außerstande, vorab auf Unterbrechungs- und Aussetzungsanträge zu verzichten.

Daraufhin bestellte der Vorsitzende am 7. August 2014 Rechtsanwalt E. zum dritten Pflichtverteidiger des Angeklagten Mu. Dieser und Rechtsanwältin L. lehnten von Beginn an jede Kommunikation mit Rechtsanwalt E. ab. Der Angeklagte entband weder Rechtsanwältin L. noch Rechtsanwalt S. von der anwaltlichen Schweigepflicht gegenüber dem neuen Verteidiger.

Am auf die Beiordnungsentscheidung folgenden 252. Hauptverhandlungstag, dem 15. August 2014, beantragte Rechtsanwältin L., Rechtsanwalt E. zu entpflichten und für den Fall, dass er nicht entpflichtet werde, das Verfahren gemäß § 265 Abs. 4 StPO auszusetzen. Zur Begründung führte sie an, die Beiordnung sei von unzulässigen und für den Angeklagten nachteiligen Bedingungen abhängig gemacht worden, sodass ein Vertrauensverhältnis zum Angeklagten nicht bestehe. Zudem sei Rechtsanwalt E. ungeeignet und nicht in das Verfahren eingearbeitet. Mit Schriftsätzen vom 19. August und 8. September 2014 beantragte Rechtsanwalt E. selbst, entpflichtet zu werden. Eine sachgerechte Verteidigung sei mangels Kommunikation mit dem Angeklagten nicht möglich. Dem schloss sich Rechtsanwältin L. jeweils schriftsätzlich an. Der Vorsitzende lehnte die Anträge am 253. Hauptverhandlungstag ab, dem ersten Verhandlungstag nach der Sommerunterbrechung am 15. September 2014, an dem auch Rechtsanwältin L. krankheitsbedingt fehlte.

Am 259. Hauptverhandlungstag, dem 13. Oktober 2014, erklärte Rechtsanwältin L., der Angeklagte Mu. habe sie beauftragt mitzuteilen, dass für ihn Rechtsanwalt E. ein „Verbrecher“ sei. Rechtsanwältin L. schloss sich dieser Äußerung ausdrücklich an und stellte sie in den Kontext der Zusagen, die Rechtsanwalt E. gegenüber dem Vorsitzenden abgegeben hatte. Mit Schriftsatz vom 7. November 2014 beantragte auch Rechtsanwalt E. erneut, seine Beiordnung aufzuheben. Zur Begründung führte er aus, dass das Vertrauensverhältnis endgültig und nachhaltig erschüttert sei, weil der Angeklagte ihn als „Verbrecher“ bezeichnet und Rechtsanwältin L. sich dem angeschlossen habe. Wegen dieses Vorfalls habe er, Rechtsanwalt E., Strafanzeige erstattet und Strafantrag gestellt.

Ab dem 252. Hauptverhandlungstag stellten sowohl der Angeklagte Mu. als auch Rechtsanwältin L. im Zusammenhang mit der Beiordnung von Rechtsanwalt E. eine Vielzahl weiterer Anträge, insbesondere auf dessen Entpflichtung und Bestellung von Rechtsanwalt N. sowie auf Aussetzung und/oder Unterbrechung der Hauptverhandlung. Sämtliche Anträge wurden abgelehnt, zuletzt mit Beschlüssen vom 25. März 2015.

bb) Wegen dieser Verfahrensgeschehnisse hat der Angeklagte Mu. mehrere Verfahrensrügen erhoben. Diese sind in der Revisionsbegründungsschrift in der Weise dargestellt, dass zunächst die tatsächlichen Vorgänge zusammenhängend in chronologischer Abfolge vorgetragen werden (S. 100 bis 236 zuzüglich Anlagen) und anschließend eine „rechtliche Würdigung“ vorgenommen wird, in der - weitestgehend ohne ausdrückliche Bezugnahme auf konkrete Verfahrenshandlungen - mehrere Verfahrensverstöße unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten geltend gemacht werden (S. 237 bis 260).

Obgleich eine solche Form des Revisionsvortrags - insbesondere in Anbetracht des erheblichen Umfangs des Rügekomplexes - im Hinblick auf die Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO grundsätzlichen Bedenken begegnet, vermag der Senat im Rahmen der gebotenen Auslegung einzelne Stoßrichtungen der Rügen noch hinreichend zu konkretisieren. Diesen Verfahrensbeanstandungen bleibt indes der Erfolg versagt:

(1) Soweit die Revision auf eine Verletzung der §§ 141, 142 Abs. 1 StPO gestützt ist, weil der Vorsitzende des erkennenden Strafsenats Rechtsanwalt E., nicht Rechtsanwalt R. oder Rechtsanwalt N. zum Pflichtverteidiger bestellt habe, ist die Rüge jedenfalls aus einem anderen Grund unzulässig.

(a) Der Angeklagte Mu. hat die Beiordnung von Rechtsanwalt E. als rechtswidrig beanstandet, weil der Vorsitzende hiermit das Ziel verfolgt habe, eine Aussetzung oder Unterbrechung um jeden Preis zu vermeiden, wohingegen er die Verteidigungsinteressen völlig außer Betracht gelassen habe. Er habe sich über das Recht des Angeklagten, einen Verteidiger seines Vertrauens auswählen zu dürfen, ohne wichtigen Grund hinweggesetzt. Ein Vertrauensverhältnis zu Rechtsanwalt E., der nicht in das Verfahren eingearbeitet gewesen sei, habe von Anfang an nicht zustande kommen können; denn dieser habe sich zu Unmöglichem, nämlich zu einer Einarbeitung in zu kurzer Zeit, bereit erklärt und zum Nachteil des Angeklagten vorab auf Aussetzungs- oder Unterbrechungsanträge verzichtet. Da der Vorsitzende seine Entscheidung auf das Beschleunigungsgebot gestützt habe, sei besonders in den Blick zu nehmen, dass er durch sein langes Zuwarten nach Bekanntwerden der Erkrankung von Rechtsanwalt S. die Zeitnot erst herbeigeführt habe; diese wäre bei rechtzeitigem Einschreiten nicht eingetreten.

(b) Den Erwägungen liegt ein unzutreffender Sachvortrag zugrunde, soweit eine selbstverschuldete Zeitnot behauptet worden ist. Dies macht die Rüge unzulässig, weil es dem Senat nicht möglich ist, die Beiordnungsentscheidung des Vorsitzenden allein auf der Grundlage des Revisionsvorbringens dahin zu prüfen, ob er sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat.

Der Beschwerdeführer hat zu der behaupteten vom Vorsitzenden zu verantwortenden Zeitnot vorgetragen, nachdem der zweite Pflichtverteidiger Rechtsanwalt S. am 23. Mai 2014 mitgeteilt habe, dass er aufgrund Erkrankung nicht in der Lage sei, bis zum 6. Juni 2014 an der Hauptverhandlung teilzunehmen, sei „zwei Monate lang im Hinblick auf das Defizit der Verteidigung nichts“ geschehen (S. 118). Wie der Generalbundesanwalt in seiner Gegenerklärung vom 21. April 2017 im Einzelnen dargelegt hat, entspricht dieses Vorbringen nicht den Tatsachen. Vielmehr fand im Anschluss an das benannte Telefax eine beachtliche schriftliche Korrespondenz zwischen dem Vorsitzenden und Rechtsanwalt S. statt, die darauf gerichtet war, eine Verteidigung des Angeklagten Mu. sicherzustellen. Erst mit seinem vierten Schriftsatz vom 15. Juli 2014, auf den der Vorsitzende sogleich mit der Anfrage an den Angeklagten initiativ wurde, teilte Rechtsanwalt S. mit, auf absehbare Zeit sei nicht mit der Wiederherstellung seiner Gesundheit zu rechnen. Ob er dauerhaft aus dem Verfahren ausscheiden werde, war auch zu diesem Zeitpunkt ungesichert. Noch eine amtsärztliche Stellungnahme vom 14. November 2014 stellte für Rechtsanwalt S. fest, die bei ihm in leichter Form vorliegende Erschöpfungssymptomatik habe sich nicht verschlechtert, die hausärztliche Krankschreibung habe „einen vorbeugend schützenden Charakter“ und zum künftigen gesundheitlichen Verlauf ließe sich keine sichere Aussage treffen. Seine Bestellung als - vom Angeklagten ausgewählter - Pflichtverteidiger wurde erst mit Beschluss vom 23. Februar 2015 zurückgenommen.

(c) Die derart verschwiegenen Verfahrenstatsachen sind für die revisionsrechtliche Beurteilung der Beiordnungsentscheidung vom 7. August 2014 wesentlich. Zwar scheint es rechtlich bedenklich, dass der Beschluss über die Pflichtverteidigerbestellung von Rechtsanwalt E. auch damit begründet ist, nur dieser, nicht hingegen Rechtsanwalt R. oder Rechtsanwalt N. hätten zugesagt, keinen Aussetzungs- oder Unterbrechungsantrag zur Einarbeitung in das Verfahren zu stellen. Das macht die insbesondere zum Zweck der Verfahrenssicherung beschlossene Beiordnung jedoch nicht per se ermessensfehlerhaft. Dies ergibt sich aus Folgendem:

(aa) § 142 Abs. 1 StPO gibt dem Beschuldigten keinen Rechtsanspruch auf die Bestellung einer bestimmten - von ihm gewünschten - Person als Verteidiger (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2008 - 2 BvR 1146/08, juris Rn. 10; BGH, Beschluss vom 3. September 1986 - 3 StR 355/86, BGHR StPO § 142 Abs. 1 Auswahl 1). Bei der Auswahl des Pflichtverteidigers ist indes dem Interesse des Beschuldigten, von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigt zu werden, ausreichend Rechnung zu tragen. Grundsätzlich soll der Beschuldigte mit der Beiordnung des Verteidigers seines Vertrauens demjenigen gleichgestellt werden, der sich auf eigene Kosten einen Verteidiger gewählt hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 1958 - 1 BvR 449/55, BVerfGE 9, 53 54 36, 38; BGH, Urteil vom 17. Juli 1997 - 1 StR 781/96, BGHSt 43, 153, 154 f.). Dem Grundsatz des fairen Verfahrens ist insoweit zu entnehmen, dass einem zeitgerecht vorgetragenen Wunsch des Beschuldigten auf Beiordnung eines von ihm benannten Rechtsanwalts grundsätzlich zu entsprechen ist, es sei denn, wichtige Gründe stehen dem entgegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. März 2006 - 2 BvQ 10/06, NStZ 2006, 460, 461; BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2000 - 5 StR 408/00, BGHR StPO § 142 Abs. 1 Auswahl 8). Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um die Bestellung eines Erst- oder Zweitverteidigers handelt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. September 2001 - 2 BvR 1152/01, NJW 2001, 3695, 3696).

Bei der hiernach vorzunehmenden Interessensabwägung gewährt § 142 Abs. 1 StPO nur einen Rechtsanspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung. Das Revisionsgericht kann - anders als das Beschwerdegericht, welches sein Ermessen an die Stelle desjenigen des Vorsitzenden der Vorinstanz setzen kann - die Beiordnungsentscheidung nur auf Ermessensfehler hin überprüfen und hat sie im Übrigen hinzunehmen. Ermessensfehlerhaft ist die Auswahlentscheidung dann, wenn sie von falschen oder sachwidrigen Voraussetzungen ausgeht, in Wahrheit nicht bestehende Bindungen annimmt („Ermessensunterschreitung“) oder wenn das Ermessen infolge des Überwiegens besonderer Umstände ausnahmsweise „auf Null reduziert“ ist (BGH, Urteil vom 17. Juli 1997 - 1 StR 781/96, BGHSt 43, 153, 155 f.).

(bb) Ausweislich der Begründung der Beiordnungsentscheidung erachtete der Vorsitzende hier das Beschleunigungsgebot in Haftsachen als einen wichtigen Grund für die Beiordnung von Rechtsanwalt E. Der Vorsitzende wollte weiteren Unterbrechungen der Hauptverhandlung vorbeugen. Im Hinblick auf die besondere Verfahrenslage, die dadurch gekennzeichnet war, dass Rechtsanwalt S. drei Monate lang krankheitsbedingt nicht erschienen war, wegen einer Erkrankung von Rechtsanwältin L. bereits ein Hauptverhandlungstermin ausgefallen war und im Anschluss an den 252. Hauptverhandlungstag die fast einmonatige Sommerunterbrechung nahte, musste überdies ersichtlich die Gefahr bedacht werden, dass die - schon über drei Jahre andauernde - Hauptverhandlung hinsichtlich des Angeklagten Mu. nicht fortgesetzt, sondern wegen Überschreitung der Höchstunterbrechungsfristen (vgl. § 229 StPO) eine Aussetzung notwendig werden könnte. Dass der Vorsitzende, der zum damaligen Zeitpunkt noch beanstandungsfrei davon ausging, dass der Angeklagte zwei Verteidiger seines Vertrauens hatte, bei seiner Abwägung unter diesen besonderen Umständen dem Beschleunigungsgebot den Vorrang vor der Auswahl des Angeklagten einräumte, begründet für sich gesehen keinen Ermessensfehler.

(?) Das dem Interesse des Beschuldigten dienende und das gesamte Strafverfahren erfassende Beschleunigungsgebot unterliegt strengen verfassungsrechtlichen Vorgaben. Insbesondere in Haftsachen zwingt es dazu, dass die Hauptverhandlung so bald und so schnell wie möglich durchgeführt wird. Je länger die Untersuchungshaft andauert, desto mehr ist der Vorsitzende gehalten, auf eine straffe Terminierung hinzuwirken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. März 2006 - 2 BvR 170/06, NJW 2006, 1336, 1337 f.; BGH, Beschluss vom 29. August 2006 - 1 StR 285/06, NStZ 2007, 163, 164, jeweils mwN). Dem Beschleunigungsgebot kommt eine besondere Bedeutung zu, wenn sich neben dem betroffenen Angeklagten noch weitere Mitangeklagte in Untersuchungshaft befinden (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2. März 2006 - 2 BvQ 10/06, NStZ 2006, 460, 461; vom 24. Juli 2008 - 2 BvR 1146/08, juris Rn. 11). Dem Gebot, die Hauptverhandlung in Haftsachen zügig durchzuführen, kann auch dadurch entsprochen werden, dass als Verteidiger nur der Rechtsanwalt beigeordnet wird, der zusichern kann, an sämtlichen Hauptverhandlungsterminen teilzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. März 2006 - 2 BvQ 10/06, aaO; BGH, Beschluss vom 9. Januar 2007 - 3 StR 465/06, juris).

(?) Im Hinblick auf das Beschleunigungsgebot in Haftsachen durfte der Vorsitzende in seiner Beiordnungsentscheidung darauf abstellen, dass Rechtsanwalt E. als einziger der drei in Betracht kommenden Verteidiger eine solche Erklärung abgegeben hatte. Ebenso wenig war es ihm verwehrt, der von Rechtsanwalt E. erklärten Bereitschaft, sich in der bevorstehenden Sommerunterbrechung vom 16. August bis zum 14. September 2014 in das Verfahren einzuarbeiten, Bedeutung beizumessen (zu den Hintergründen für die nur kurze Zeitspanne s. oben (b)). Sowohl der Vorsitzende als auch Rechtsanwalt E. (s. dessen Stellungnahme vom 8. September 2014, S. 4) durften davon ausgehen, dass auch nach der Fortsetzung der Hauptverhandlung im Anschluss an die Sommerunterbrechung am 15. September 2014 eine ergänzende Vorbereitung und vertiefte Erfassung des Akteninhalts zwischen den Sitzungsterminen möglich sein werde (s. hierzu BGH, Urteil vom 8. Dezember 1976 - 3 StR 363/76, juris Rn. 13; Beschluss vom 18. Februar 1981 - 3 StR 269/80, juris Rn. 5; KK/Laufhütte/Willnow, StPO, 7. Aufl., § 145 Rn. 10), zumal der Angeklagte Mu. auch durch Rechtsanwältin L. verteidigt war. Für den letzten vor der Sommerunterbrechung terminierten Hauptverhandlungstag am 15. August 2014 hatte der Vorsitzende das Beweisprogramm gerade wegen der knappen Vorbereitungszeit auf die Verlesung der Übersetzung von vier - jederzeit nachlesbaren - E-Mails begrenzt.

Zwar hatten auch Rechtsanwalt R. und Rechtsanwalt N. einen Willen zur Einarbeitung in das Verfahren bekundet. Der Vorsitzende musste jedoch für den Fall deren Beiordnung hieran und damit an einer zügigen Durchführung der Hauptverhandlung ernstlich zweifeln. Im Zusammenhang mit einer etwaigen Pflichtverteidigerbestellung hatten beide insbesondere erklärt, sie sähen ihn dazu verpflichtet, sie - über die verschrifteten Vorgänge hinausgehend - von dem Gang der Hauptverhandlung und den bisherigen Ergebnissen der Beweisaufnahme zu informieren. Eine solche persönliche Unterrichtungspflicht bestand indes nicht, weder aufgrund der gerichtlichen Fürsorgepflicht noch gemäß dem Gebot des fairen Verfahrens. Vielmehr wäre Rechtsanwalt R. oder Rechtsanwalt N. für den Fall der Bestellung gegebenenfalls gehalten gewesen, solche zusätzlichen Informationen von den beiden anderen - weiterhin beigeordneten - Pflichtverteidigern oder zumindest einem von ihnen einzuholen. Auskünfte des Vorsitzenden sind hierfür ohnehin kein gleichwertiger Ersatz (vgl. auch LR/Lüderssen/Jahn, StPO, 26. Aufl., § 145 Rn. 27 mwN).

Das Beschleunigungsgebot hatte hier ein besonderes Gewicht, weil sich auch der Mitangeklagte M. seit mehr als viereinhalb Jahren in Untersuchungshaft befand. Das Revisionsvorbringen, der Angeklagte M. habe ebenfalls zum Ausdruck gebracht, dass ihm an einer wirkungsvollen Verteidigung des Angeklagten Mu. gelegen gewesen sei, vermag eine abweichende Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Zum einen lässt sich den im Zusammenhang mit der Beiordnung von Rechtsanwalt E. für den Angeklagten M. gestellten Befangenheitsanträgen ohnehin nicht entnehmen, dass dieser auf seinen Anspruch auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist verzichtet hätte, sodass es auf die Frage der Beachtlichkeit einer solchen Erklärung nicht ankommt. Zum anderen sind diese Befangenheitsgesuche erst angebracht worden, als Rechtsanwalt E. bereits zum Pflichtverteidiger bestellt war.

(cc) Wenn nach alledem ein Rechtsfehler nicht schon darin zu sehen ist, dass der Vorsitzende bei seiner Auswahlentscheidung dem Beschleunigungsgebot Gewicht beigemessen hat, so gehören die weiteren Umstände, die die Fortsetzung des Verfahrens gefährden konnten, namentlich in welchem Umfang Rechtsanwalt S. arbeitsunfähig war und inwiefern sich der Vorsitzende insoweit um Aufklärung bemühte, zur Tatsachengrundlage der Ermessensentscheidung. Sie hätten daher wahrheitsgemäß und vollständig mitgeteilt werden müssen, um die Pflichtverteidigerbestellung auf Ermessensfehler überprüfen zu können.

(2) Soweit die Revision auf eine Verletzung der §§ 141, 142 Abs. 1 StPO gestützt ist, weil der Vorsitzende es rechtsfehlerhaft unterlassen habe, Rechtsanwalt E. zu entpflichten, ist die Rüge jedenfalls unbegründet.

(a) Der Angeklagte Mu. hat vorgebracht, der Vorsitzende habe mehrfach die Aufhebung der Beiordnung von Rechtsanwalt E. abgelehnt, obwohl ein zur Entpflichtung zwingender wichtiger Grund vorgelegen habe; denn zwischen diesem und dem Angeklagten habe kein Vertrauensverhältnis entstehen können. Der Vorsitzende, nicht der Angeklagte habe diese nachhaltige und endgültige Störung des Vertrauensverhältnisses schuldhaft herbeigeführt. Rechtsanwalt E. habe sich selbst zu einer sachgerechten Verteidigung außerstande gesehen. Zudem habe er Strafanzeige und Strafantrag gegen den Angeklagten und Rechtsanwältin L. wegen Beleidigung erstattet, ohne dass dies provoziert worden sei, um seine Entpflichtung zu bewirken.

(b) Diese Erwägungen können der Rüge nicht zum Erfolg verhelfen. Ein wichtiger Grund, der den Vorsitzenden dazu verpflichtet hätte, die Beiordnung von Rechtsanwalt E. aufzuheben, lag nicht vor.

Die Anforderungen an die Begründetheit vorgebrachter Einwände gegen den vom Gericht beigeordneten Verteidiger sind für die Entpflichtung höher als für die Bestellung. Die Aufhebung der Beiordnung ist - von den in § 143 StPO genannten Gründen abgesehen - nur zulässig und geboten, wenn der Zweck der Pflichtverteidigung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährdet ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. September 2001 - 2 BvR 1152/01, NJW 2001, 3695, 3697; BGH, Beschluss vom 24. Februar 2016 - 2 StR 319/15, NStZ 2017, 59, 61). Zwar ist ein Pflichtverteidiger zu entpflichten, falls eine nachhaltige und nicht zu beseitigende Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen ihm und dem Angeklagten eingetreten und daher zu besorgen ist, dass die Verteidigung objektiv nicht (mehr) sachgerecht geführt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. September 2001 - 2 BvR 1152/01, NJW 2001, 3695, 3697; BGH, Urteil vom 26. August 1993 - 4 StR 364/93, BGHSt 39, 310, 314 f.). Maßstab hierfür ist - vergleichbar der Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit - die Sicht eines verständigen Angeklagten (vgl. BGH, Beschluss vom 18. November 2003 - 1 StR 481/03, NStZ 2004, 632, 633). Ein im Verhältnis des Angeklagten zum Verteidiger wurzelnder wichtiger Grund zur Entpflichtung kann jedoch regelmäßig nicht bejaht werden, wenn dieser Grund allein vom Angeklagten verschuldet ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. August 1993 - 4 StR 364/93, aaO, S. 315; Beschluss vom 12. Februar 2008 - 1 StR 649/07, StV 2009, 5, 7). Das gilt auch, wenn die Störung des Vertrauensverhältnisses darauf zurückzuführen ist, dass der Angeklagte ohne verständlichen Anlass den Kontakt verweigert (s. BGH, Beschluss vom 18. November 2003 - 1 StR 481/03, aaO). Selbst eine Strafanzeige des Verteidigers zwingt nicht zur Aufhebung der Beiordnung, falls der begründete Verdacht besteht, dass der Angeklagte den Verteidiger nur deshalb angegriffen hat, damit dieser Strafanzeige gegen ihn erstattet, um darauf gestützt die Entpflichtung zu betreiben (vgl. BGH, Urteile vom 26. August 1993 - 4 StR 364/93, aaO, S. 316; vom 10. Dezember 1997 - 3 StR 441/97, NStZ 1998, 267). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Pflichtverteidiger selbst die Aufhebung seiner Beiordnung beantragt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2008 - 1 StR 649/07, aaO).

In den Gründen der die Entpflichtung ablehnenden Entscheidungen des Vorsitzenden vom 15. September 2014, vom 3. November 2014, vom 11. Dezember 2014 und vom 25. März 2015 einschließlich der dort jeweils in Bezug genommenen Schriftstücke ist im Einzelnen dargelegt, dass die Voraussetzungen für die Aufhebung der Beiordnung nicht vorlagen. Mit der notwendigen Begründungstiefe ist dort dargetan, dass den Angeklagten Mu. das Verschulden an dem mangelnden Vertrauensverhältnis traf und nach dem tatsächlichen Verfahrensgang der Verdacht begründet war, dieser habe die Strafanzeige provoziert, um die Aufhebung der Beiordnung zu betreiben. Die Ausführungen lassen Rechts- bzw. Ermessensfehler nicht erkennen.

(3) Hinsichtlich des Rügekomplexes „Neuer Pflichtverteidiger ...“ verweist der Senat im Übrigen, namentlich zu den Rügen der Verletzung der § 145 Abs. 1, § 265 Abs. 4 StPO, des § 338 Nr. 5 StPO sowie des § 338 Nr. 8 StPO und des Gebots eines fairen Verfahrens, auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 23. August 2017 (insbesondere S. 10 ff.).

b) Darüber, ob die Verfahrensrüge des Angeklagten Mu. zulässig und begründet ist, durch einen unzureichenden rechtlichen Hinweis des Oberlandesgerichts zur Beihilfestrafbarkeit seien § 265 StPO sowie das rechtliche Gehör verletzt und das Recht auf effektive Verteidigung beschränkt, braucht der Senat nicht zu befinden; denn der ihn betreffende Schuldspruch ist bereits auf die Sachbeschwerde aufzuheben (s. dazu sogleich B. I. 3.). Ein Erfolg dieser Verfahrensbeanstandung stünde auch der Entscheidung nicht entgegen, die im Urteilstenor bezeichneten Feststellungen bestehen zu lassen; denn die Rüge betrifft allein die Verurteilung wegen Beihilfe zu vier Kriegsverbrechen, während die aufrechterhaltenen Feststellungen ebenso für die rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung von Bedeutung sind.

3. Der Schuldspruch gegen den Angeklagten Mu. hält der auf die Sachrüge gebotenen umfassenden Nachprüfung nicht stand. Während seine Verurteilung wegen Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung für sich gesehen keinen rechtlichen Bedenken begegnet, erweist sich die Verurteilung wegen - hiermit idealkonkurrierender - Beihilfe zu vier Kriegsverbrechen als zu seinem Nachteil rechtsfehlerhaft. Damit unterliegt der ihn betreffende Schuldspruch insgesamt der Aufhebung (§ 353 Abs. 1 StPO; s. BGH, Urteil vom 29. August 2007 - 5 StR 103/07, juris Rn. 51; vom 28. September 2017 - 4 StR 282/17, juris Rn. 14; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 353 Rn. 7a).

a) Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten Mu., tateinheitlich zur Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung hinzutretend, wegen einer Tat (§ 2 VStGB, § 52 StGB) der Beihilfe (§ 2 VStGB, § 27 Abs. 1 StGB) zu vier Fällen des Kriegsverbrechens gegen Personen (§ 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 Nr. 2 VStGB) jeweils zugleich mit Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte (§ 9 Abs. 1 Variante 1 und 2 VStGB: in Form des Zerstörens und - in einem Fall [Busurungi] - des Plünderns) verurteilt, wenngleich der Urteilstenor - entgegen § 260 Abs. 4 Satz 1, 2 StPO (vgl. BeckOK StPO/Eschelbach, § 260 Rn. 22; KK/Ott, StPO, 7. Aufl., § 260 Rn. 29, jeweils mwN) - nicht zwischen diesen zwei Delikten des Völkerstrafgesetzbuches differenziert und lediglich die Abschnittsüberschrift „Kriegsverbrechen“ (Teil 2 Abschnitt 2 des VStGB) als Bezeichnung für das tatbestandliche Unrecht anführt. Insbesondere aus der Liste der angewendeten Vorschriften und den Urteilsgründen ergibt sich, dass der erkennende Strafsenat den Angeklagten für schuldig befunden hat, an der Verwirklichung beider Tatbestände als Gehilfe beteiligt gewesen zu sein.

b) Zwar ist das Oberlandesgericht auf der Grundlage der insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen zutreffend davon ausgegangen, die FDLR-Milizionäre hätten bei den Angriffen auf die kongolesischen Siedlungen Mianga, Busurungi, Chiriba und Manje Kriegsverbrechen gegen Personen sowie solche gegen Eigentum und sonstige Rechte begangen. Die Ausführungen dazu, dass der Angeklagte Mu. an diesen Haupttaten als Gehilfe beteiligt gewesen sei, stoßen indes auf durchgreifende rechtliche Bedenken. Im Einzelnen:

aa) Im Rahmen der Operationen gegen die vier benannten Ortschaften verwirklichten die FDLR-Milizionäre jeweils in einer Vielzahl von Fällen den Straftatbestand des Kriegsverbrechens gegen Personen (§ 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 Nr. 2 VStGB).

(1) Bei den von der FDLR über Jahre hinweg in den Kivu-Provinzen geführten kriegerischen Auseinandersetzungen mit wechselnden Gegnern handelte es sich um einen bewaffneten Konflikt gemäß § 8 Abs. 1, 6 VStGB. Insbesondere auch die mit militärischen Waffen ausgetragenen Kämpfe während der Offensiven „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ fallen unter diesen Begriff.

Maßgebend für das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts ist der Einsatz von Waffengewalt, die einer der beteiligten Konfliktparteien zuzurechnen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, BGHSt 55, 157, 166). Während ein internationaler bewaffneter Konflikt die Anwendung von Waffengewalt zwischen Staaten voraussetzt, sind unter einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt solche Auseinandersetzungen zu verstehen, bei denen Streitkräfte innerhalb eines Staats gegen organisierte bewaffnete Gruppierungen oder solche Gruppierungen untereinander kämpfen, sofern diese eine gewisse Organisationsstruktur aufweisen und die Kampfhandlungen von einer gewissen Dauer und Intensität sind (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2016 - 3 StR 435/16, NStZ 2017, 699, 700). Die Erfordernisse der Organisationsstruktur der beteiligten Gruppierungen sowie der Intensität und Dauer der bewaffneten Auseinandersetzungen stellen sicher, dass bloße innere Unruhen, Spannungen, Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen nicht als bewaffnete Konflikte eingestuft werden (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 2016 - AK 54/16, juris Rn. 23 mwN; Urteil vom 27. Juli 2017 - 3 StR 57/17, BGHSt 62, 272, 275). Aufgrund des Grades ihrer Organisationsstruktur war die FDLR taugliche Konfliktpartei eines bewaffneten Konflikts (s. hierzu BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, aaO; MüKoStGB/Geiß/Zimmermann, 3. Aufl., § 8 VStGB Rn. 111; ferner MüKoStGB/Ambos, 3. Aufl., Vorbem. zu § 8 VStGB Rn. 23).

Da seit Beginn von „Umoja Wetu“ die kongolesischen und ruandischen Streitkräfte nicht gegeneinander, sondern mit militärischen Mitteln gemeinsam gegen die FOCA-Miliz als Teil der FDLR fochten, ist der bewaffnete Konflikt jedenfalls im Jahr 2009 als nichtinternational im Sinne des § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB zu beurteilen (noch offengelassen in BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, BGHSt 55, 157, 166). Die ruandischen Streitkräfte kämpften zwar auf dem Staatsgebiet der Demokratischen Republik Kongo, intervenierten aber auf Seiten deren Regierung (s. zu dieser Konstellation MüKoStGB/Geiß/Zimmermann, 3. Aufl., § 8 VStGB Rn. 101). Dadurch, dass die FDLR in der Vergangenheit als nichtstaatliche Akteurin transnational agiert hatte, wurde die Auseinandersetzung nicht zu einem internationalen Konflikt (s. MüKoStGB/Ambos, 3. Aufl., Vorbem. zu § 8 VStGB Rn. 32 aE).

(2) Die FDLR-Milizionäre töteten bei den Angriffen auf die vier benannten Ortschaften jeweils eine Vielzahl kongolesischer Zivilisten. Die Opfer waren - bei jedem Angriff zumindest ganz überwiegend - nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen im Sinne des § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB, weil sie in dem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnahmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befanden. Allein der letztgenannte Umstand bedarf der Erörterung:

(a) Die getöteten Zivilisten befanden sich in der Gewalt der FDLR.

(aa) Hinsichtlich der Auslegung des Tatbestandsmerkmals des Sich-in-der-Gewalt-Befindens gilt:

Durch die in § 8 Abs. 6 VStGB normierten Legaldefinitionen der nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person hat der Gesetzgeber ausdrücklich das Ziel verfolgt, eine Trennung zwischen Kriegsverbrechen gegen Personen (§ 8 VStGB) und solchen des Einsatzes verbotener Methoden der Kriegsführung (§ 11 VStGB) vorzunehmen (vgl. BT-Drucks. 14/8524, S. 30 ["Zu § 8 Abs. 6 Nr. 1" aE]; Werle/Nerlich, Humanitäres Völkerrecht - Informationsschriften 2002, 124, 130). Anders als nach internationalem Kriegsvölkerrecht (s. Art. 3 GK I bis IV sowie Art. 8 Abs. 2 Buchst. c IStGH-Statut) sind sogenannte Distanzangriffe gegen die Zivilbevölkerung nach deutschem Recht grundsätzlich nicht als Kriegsverbrechen gegen Personen zu ahnden. Sie unterfallen - allenfalls - dem Straftatbestand des § 11 Abs. 1 VStGB, sollten die Voraussetzungen einer der dort (insbesondere in Nr. 1) geregelten Tathandlungsvarianten vorliegen (vgl. MüKoStGB/Geiß/Zimmermann, 3. Aufl., § 8 VStGB Rn. 92, 129; Werle/Nerlich aaO; kritisch zum Wortlaut des § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB Gropengießer/Kreicker in Eser/Kreicker [Hrsg.], Nationale Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen, Band 1: Deutschland, 2003, S. 162 f.).

Mit der Einfügung des Zusatzes „und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden“ hat der Gesetzgeber die für den nichtinternationalen bewaffneten Konflikt geltende Regelung des § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB im Verhältnis zum internationalen Kriegsvölkerrecht damit bewusst eingeschränkt; dabei hat er sich an der den internationalen bewaffneten Konflikt betreffenden Vorschrift des Art. 4 Abs. 1 des IV. Genfer Abkommens vom 12. August 1949 zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten (BGBl. 1954 II, S. 917; fortan: GK IV) orientiert (vgl. BT-Drucks. 14/8524, S. 30 [von § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB erfasster Personenkreis „spiegelbildlich zu“ § 8 Abs. 6 Nr. 1 VStGB, der für den internationalen bewaffneten Konflikt tatbestandsbegrenzend unter anderem <aber nicht nur> auf Art. 4 Abs. 1 GK IV verweist]; ferner Werle/Nerlich, Humanitäres Völkerrecht - Informationsschriften 2002, 124, 130; MüKoStGB/Geiß/Zimmermann, 3. Aufl., § 8 VStGB Rn. 91 f.).

Für Art. 4 Abs. 1 GK IV ist anerkannt, dass das Erfordernis, fremder Gewalt unterworfen zu sein, in einem weiten Sinne zu verstehen ist. Es genügt, wenn sich das Opfer in einem von der gegnerischen Konfliktpartei kontrollierten Gebiet aufhält (vgl. MüKoStGB/Geiß/Zimmermann, 3. Aufl., § 8 VStGB Rn. 84, 92 ["Machtbereich"]; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 4. Aufl., Rn. 1182, jeweils mwN). Dieses Verständnis ist auch für § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB maßgebend.

(bb) In diesem Sinne befanden sich die in den vier benannten Ortschaften getöteten Zivilisten - jeweils zumindest allergrößtenteils - in der Gewalt der FDLR-Milizionäre:

- Nach den auf tragfähiger Beweisgrundlage getroffenen Feststellungen setzten die Kämpfer bei den Vergeltungsangriffen auf Mianga, Busurungi und Manje nicht nur Schusswaffen ein, um die Siedlungen zu erstürmen und die FARDC-Soldaten zu bekämpfen. Vielmehr gingen die Milizionäre, nachdem sie die Soldaten bereits getötet oder vertrieben und somit die Kontrolle über die jeweilige Siedlung gewonnen hatten, massiv gegen die lokale Bevölkerung vor. Mit dem Verlust der Kontrolle durch die Soldaten übten die FOCAKämpfer faktisch die Gewalt über die verbliebenen Zivilisten aus. Dass der weit überwiegende Teil der Opfer erst in diesem Stadium der Operationen den Tod fand, lässt sich den Urteilsgründen hinreichend sicher entnehmen.

- Für Chiriba ist zwar in den Feststellungen kein entsprechender Tathergang beschrieben. Er ergibt sich aber aus den Ausführungen zur Beweiswürdigung. So haben die Mitarbeiterin von Human Rights Watch W. sowie die Experten der Vereinten Nationen Ma. und G. als Zeugen bekundet, ihre Untersuchungen hätten Folgendes ergeben: Die in Chiriba aufhältige kleine Einheit der FARDC sei nicht in der Lage gewesen, die Bevölkerung des Dorfs zu verteidigen. Die FDLR-Rebellen seien zuletzt von Haus zu Haus gegangen und hätten Feuer gelegt; sie hätten die Menschen aus ihren Häusern gezogen und die meisten ihrer (mindestens vier) Opfer mit Macheten getötet (vgl. UA S. 392 ff.). Von dem Wahrheitsgehalt dieser Angaben hat sich das Oberlandesgericht - nach „kritischer“ und „zurückhaltender“ Würdigung (UA S. 155, 158) - überzeugt. Das ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden, zumal auch die festgestellten Drohschreiben hiermit in Einklang stehen.

(b) Die FDLR war im Verhältnis zu den getöteten Zivilisten eine gegnerische Partei.

(aa) Hinsichtlich der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der gegnerischen Partei ist von Folgendem auszugehen:

Nach der Vorschrift des § 4 Abs. 1 GK IV, an die sich § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB - wie dargelegt (s. soeben (a) (aa)) - anlehnt, ist geschützt, wer sich im Machtbereich einer an der Auseinandersetzung beteiligten Partei oder einer Besatzungsmacht befindet, deren Angehöriger er nicht ist. Die Regelung, die auch inhaltlich auf den internationalen Konflikt zugeschnitten ist, knüpft im Grundsatz an die Staatsangehörigkeit der Person an, die fremder Gewalt unterworfen ist; das wird besonders deutlich an der englischen Fassung der Norm ("... in the hands of a Party ... or ... Power of which they are not nationals“). Da dieses formale Abgrenzungskriterium den Realitäten moderner mit militärischen Mitteln ausgetragener Auseinandersetzungen nicht mehr gerecht wird, haben es der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien und - ihm folgend - der Internationale Strafgerichtshof an die neuen Gegebenheiten angepasst. Nach der Rechtsprechung der internationalen Strafgerichte kommt es darauf an, ob die Opfer bei materieller Betrachtung der jeweiligen Gegenseite zuzurechnen sind (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 21. Februar 2001 - 3 StR 372/00, BGHSt 46, 292, 300 f.; s. auch die Nachw. bei BT-Drucks. 14/8524, S. 30; Ambos, NStZ 2000, 71 f.; MüKoStGB/Geiß/Zimmermann, 3. Aufl., § 8 VStGB Rn. 85).

Für den nichtinternationalen bewaffneten Konflikt, an dem häufig nichtstaatliche Akteure derselben Nationalität beteiligt sind, erweist sich die Staatsangehörigkeit ohnehin zumeist nicht als sachgerechtes Kriterium, mit dem der Umfang eines Schutzes nach dem humanitären Völkerrecht sinnvoll festgelegt werden könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 2016 - AK 54/16, juris Rn. 26). Um zu bestimmen, wer als Gegner der Konfliktpartei im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt anzusehen ist, bietet es sich vielmehr an, darauf abzustellen, was die Auseinandersetzung prägt. Handelt es sich etwa um einen interethnischen Konflikt, so wird es auf die ethnische Zugehörigkeit ankommen; im Fall einer religiös motivierten Auseinandersetzung wird die konfessionelle und weltanschauliche Überzeugung von Bedeutung sein (vgl. Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 4. Aufl., Rn. 1186 f. m. Nachw. aus der Rechtsprechung der internationalen Strafgerichte zu Art. 4 Abs. 1 GK IV). Bei einer komplexen Bürgerkriegslage unter Beteiligung einer Vielzahl staatlicher und nichtstaatlicher Akteure mit unterschiedlichsten Interessen - wie etwa im Fall des syrischen Bürgerkriegs - kann bereits diejenige Person einem Gegner zuzurechnen sein, die den Absichten der Konfliktpartei entgegenstehende Ziele verfolgt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 2016 - AK 54/16, aaO).

(bb) Unter Berücksichtigung dessen ist die FDLR im Verhältnis zu den getöteten kongolesischen Zivilisten als gegnerische Partei zu beurteilen; denn sie agierte mit Blick auf ihr Ziel, die Macht in Ruanda zu übernehmen oder zumindest daran teilzuhaben, wie eine fremde Besatzungsmacht. Die gegenständlichen militärischen Auseinandersetzungen hatten ihre Wurzel darin, dass Ruander massenhaft in das Staatsgebiet der damaligen Republik Zaire emigriert waren, sich dort - letztlich als FDLR - politisch und militärisch reorganisiert und weite Teile der Kivu-Provinzen unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Die FDLR-Milizionäre lebten von der Ausbeutung der Zivilbevölkerung, indem sie von dieser planmäßig Schutzsteuern, Zwangsabgaben sowie Wegezölle erhoben und bei ihr - als Verpflegungsoperationen bezeichnete - systematische Plünderungen vornahmen. Während der Offensive „Umoja Wetu“ hatten die Teile der lokalen Bevölkerung, die von den Operationen der FDLR betroffen waren, die kongolesische Armee sowie verbündete Gruppierungen in ihre Siedlungen aufgenommen und sich unter deren Schutz gestellt.

(3) Keiner näheren Erörterung bedarf, dass die an den kongolesischen Zivilisten verübten Tötungsdelikte, die der von der FOCA entwickelten Strategie der Bestrafungsoperationen entsprachen, in einem funktionalen Zusammenhang mit dem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt standen (s. hierzu BGH, Beschlüsse vom 11. August 2016 - AK 43/16, BGHR VStGB § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Zu schützende Person 1; vom 25. September 2018 - StB 40/18, juris Rn. 23; MüKoStGB/Geiß/Zimmermann, 3. Aufl., § 8 VStGB Rn. 119 ff.).

(4) Der Tod der Zivilisten wurde nicht durch im Einzelfall völkerrechtlich zulässige Kriegshandlungen verursacht. Hierfür kommt es nicht auf das - vom Oberlandesgericht erörterte (s. UA S. 558 ff.) - Verbot unterschiedsloser Angriffe gegen militärische und zivile Ziele gemäß Art. 51 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) vom 8. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551; fortan: ZP I) an, das an das sog. Kombattantenprivileg des Art. 43 Abs. 2 ZP I anknüpft:

Für den jeweiligen Zeitraum nach der - sukzessiven - Vertreibung der FARDC-Soldaten, in dem der weit überwiegende Teil der Opfer getötet wurde, ist schon rein tatsächlich auszuschließen, dass aufgrund militärischer Erfordernisse (weitere) schwere Gewalttaten geboten gewesen wären. Selbst für diesen Fall wäre aus Rechtsgründen nicht ersichtlich, dass sich die FDLR als nichtstaatliche Gruppierung auf einen Kombattantenstatus berufen könnte, dessentwegen ihre Kämpfer für Kriegshandlungen nicht zur Verantwortung zu ziehen wären (s. Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 4. Aufl., Rn. 1101). Das Kombattantenprivileg steht grundsätzlich nur Kämpfern in internationalen bewaffneten Konflikten zu. In diese bezieht Art. 1 Abs. 4 ZP I unter bestimmten Voraussetzungen allein solche nichtinternationalen bewaffneten Konflikte ein, in denen - anders als hier - Völker gegen Kolonialherrschaft, fremde Besetzung oder rassistische Regime in Ausübung ihres Rechts auf Selbstbestimmung kämpfen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2014 - 3 StR 265/13, BGHR StGB § 129b Rechtswidrigkeit 1; ferner Scheuß, ZStW 2018, 23 ff.; MüKoStGB/Ambos, 3. Aufl., Vorbem. zu § 8 VStGB Rn. 38 mwN).

bb) Darüber hinaus verwirklichten die FDLR-Milizionäre bei den Angriffen auf die vier benannten Ortschaften - gleichfalls jeweils in einer Vielzahl von Fällen - den Straftatbestand des Kriegsverbrechens gegen Eigentum und sonstige Rechte (§ 9 Abs. 1 Variante 1, 2 VStGB).

Indem die Milizionäre in Mianga, Busurungi, Chiriba und Manje zahlreiche Gebäude niederbrannten, zerstörten sie jeweils im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterlagen, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten war (zu den Voraussetzungen s. MüKoStGB/Ambos, 3. Aufl., § 9 VStGB Rn. 9 ff.). In Busurungi plünderten außerdem zwei Kämpfer dadurch, dass sie aus dem Haus eines Ehepaars Bargeld und alles sonstige Stehlenswerte entwendeten, im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt Sachen der gegnerischen Partei (zu den Voraussetzungen vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, BGHSt 55, 157, 167; vom 11. Januar 2018 - AK 75-77/17, juris Rn. 32; MüKoStGB/Ambos aaO, Rn. 6 ff.; ferner MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 125a Rn. 28; S/SSternbergLieben, StGB, 30. Aufl., § 125a Rn. 13, jeweils mwN). Hinsichtlich des nichtinternationalen bewaffneten Konflikts sowie der Auslegung der Begriffe „gegnerische Partei“ und „Gewalt der eigenen Partei“ kann - sinngemäß - auf die obigen Ausführungen verwiesen werden (s. B. I. 3. b) aa) (2) (a) (aa) sowie (b) (aa)). Der funktionale Zusammenhang zu dem Konflikt sowie die Völkerrechtswidrigkeit dieser jenseits militärischer Erfordernisse vorgenommenen Tathandlungen verstehen sich demgegenüber von selbst.

cc) Liegen damit grundsätzlich teilnahmefähige Haupttaten vor, so wird die Annahme, der Angeklagte Mu. habe zu den Kriegsverbrechen gegen Personen sowie gegen Eigentum und sonstige Rechte vorsätzlich Hilfe geleistet (§ 2 VStGB, § 27 Abs. 1 StGB), durch die Urteilsfeststellungen indes nicht belegt. Das gilt sowohl für die Versorgung der FOCA-Führung mit Telefoneinheiten und Zubehör für Satellitentelefone als auch für die auf Dementierung oder Bagatellisierung gerichtete Propagandatätigkeit und die die FDLR-Milizionäre motivierenden schriftlichen Botschaften.

(1) Im rechtlichen Ausgangspunkt gilt:

Als Hilfeleistung im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, die die Herbeiführung des Taterfolgs durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert. Dass sie für den Eintritt des Erfolgs in seinem konkreten Gepräge in irgendeiner Form kausal wird, ist nicht notwendig (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2001 - 4 StR 453/00, NJW 2001, 2409, 2410; Beschluss vom 20. September 2016 - 3 StR 49/16, BGHSt 61, 252, 257). Objektiv gefördert oder erleichtert werden kann die Haupttat auch in der Form psychischer Beihilfe, wenn der Haupttäter ausdrücklich oder auch nur konkludent in seinem Willen zur Tatbegehung - sei es bereits in seinem Tatentschluss - bestärkt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2016 - 3 StR 49/16, BGHSt 61, 252, 258). Voraussetzung hierfür ist, dass der Täter die Beihilfehandlung zumindest als Billigung seines Tuns versteht und ihr Relevanz für seinen Willen zur (weiteren) Tatausführung beimisst (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2017 - StB 18/17, NStZ-RR 2018, 72, 74); überdies muss sich der Hilfeleistende dessen bewusst sein (s. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2016 - 1 StR 344/15, NStZ-RR 2016, 136, 137). Für eine psychische Unterstützung bedarf es daher genauer Feststellungen, insbesondere zur objektiv fördernden Funktion der Beihilfehandlung und zur entsprechenden Willensrichtung des Gehilfen sowie gegebenenfalls zu einer konkludenten Verständigung zwischen ihm und dem Haupttäter (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2011 - 3 StR 206/11, NStZ 2012, 316 f.; ferner BGH, Beschlüsse vom 24. März 2014 - 5 StR 2/14, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 33; vom 13. September 2017 - 2 StR 161/17, NStZ-RR 2018, 40).

An den Vorsatz des Gehilfen sind geringere Anforderungen als an denjenigen des Täters zu stellen. Wer lediglich eine fremde Tat fördert, braucht Einzelheiten dieser Tat nicht zu kennen und keine bestimmten Vorstellungen von ihr zu haben. Allerdings ist ein Mindestmaß an Konkretisierung erforderlich. Der Hilfeleistende muss die zentralen Merkmale der Haupttat, namentlich den wesentlichen Unrechtsgehalt und die wesentliche Angriffsrichtung, im Sinne bedingten Vorsatzes zumindest für möglich halten und billigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Mai 1990 - 3 StR 448/89, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 6; vom 20. Januar 2011 - 3 StR 420/10, NStZ 2011, 399, 400; vom 8. November 2011 - 3 StR 310/11, NStZ 2012, 264; vom 28. November 2017 - 3 StR 272/17, juris Rn. 34 f.).

(2) Es ist nicht rechtsfehlerfrei dargetan, dass der Angeklagte Mu. die in Mianga, Busurungi, Chiriba und Manje begangenen Kriegsverbrechen in dem Zeitraum, für den das Oberlandesgericht ein vorsätzliches Verhalten bejaht hat, objektiv förderte oder erleichterte.

(a) Dass die Versorgung der FOCA-Führung mit Telefoneinheiten und Zubehör für Satellitentelefone die Kriegsverbrechen objektiv gefördert oder erleichtert hätte, ist nicht belegt. Die Urteilsausführungen zur Förderungswirkung leiden daran, dass kein konkreter Bezug der einzelnen Tätigkeiten des Angeklagten Mu. zu den Haupttaten und zu dessen hierauf bezogenem Vorsatz hergestellt wird.

Das Oberlandesgericht hat angenommen, der Angeklagte Mu. habe die Kommunikation unter den FOCA-Führungskräften sichergestellt, indem er ihnen Mittel für die Satellitentelefonie verschafft habe, auf die die Führungskräfte im Rahmen militärischer Auseinandersetzungen angewiesen gewesen seien (UA S. 573). Es hat 18 einzelne Versorgungsakte des Angeklagten festgestellt, welche sich auf den Zeitraum von Dezember 2007 bis August 2009 erstreckten (s. UA S. 130 ff.). Die ersten zehn dieser Zuwendungen nahm er vor Beginn der Offensive „Kimia II“ am 2. März 2009 vor, als er - nicht ausschließbar - noch keinen Vorsatz in Bezug auf die Kriegsverbrechen hatte. Die letzten vier Zuwendungen fallen in die Monate Juli und August 2009, als die Haupttaten - bei drei der Zuwendungen sicher und bei einer von ihnen möglicherweise - bereits beendet waren. Das Oberlandesgericht hat daher weitgehend auf Versorgungsakte abgestellt, die aus Rechtsgründen für eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Beihilfe nicht bedeutsam sein können.

Wie sich die verbleibenden vier Zuwendungen in den Monaten März bis Mai 2009 auf die abgeurteilten Kriegsverbrechen konkret auswirkten, hat das Oberlandesgericht nicht festgestellt. Eine Förderung oder Erleichterung der Kriegsverbrechen gerade durch diese Versorgungsakte versteht sich auch nicht von selbst. Beides setzt zwar nicht voraus, dass die Mittel für die Satellitentelefonie, die der Angeklagte Mu. der FOCA in den Monaten März bis Mai 2009 verschaffte, bei Anordnung oder Durchführung der einzelnen Operationen eingesetzt wurden. Erforderlich wäre jedoch zumindest, dass diese Mittel hierfür konkret zur Verfügung standen (s. BGH, Urteil vom 16. November 2006 - 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 388). Dass der Angeklagte sie zwei FOCA-Führungskräften - dem FOCA-Kommandanten Mudacumura sowie dem Divisionsbefehlshaber Nt. - für militärische Zwecke verschaffte und die FOCA-Führung allgemein zur Vorbereitung und Durchführung von Militäroperationen auf die Versorgung mit Telefoneinheiten für Satellitentelefone angewiesen war (s. UA S. 129 f.), begründet nicht den erforderlichen Zusammenhang zu den konkreten Kriegsverbrechen.

(b) Dass der Angeklagte Mu. mit seiner Propagandatätigkeit und seinen schriftlichen Botschaften die Kriegsverbrechen objektiv gefördert oder erleichtert hätte, geht aus den Urteilsgründen ebenfalls nicht hervor. Von den im Urteil festgestellten, dem Angeklagten zugerechneten 14 Einzelakten, mit denen seine „Propagandaarbeit ... exemplarisch“ dargestellt ist (UA S. 466), fallen lediglich sechs unzweifelhaft in den Zeitraum zwischen dem Beginn von „Kimia II“ (Vorsatz) und dem Angriff auf Manje (Tatbeendigung), von den drei Botschaften immerhin zwei (s. UA S. 461 ff., 467 ff.). Im Übrigen ist für die - hier allein in Betracht kommende - psychische Beihilfe zu differenzieren zwischen einer Stärkung des Tatentschlusses der die Kriegsverbrechen ausführenden FDLR-Milizionäre und der die tatursächlichen Operationen anordnenden FOCA-Führung:

(aa) Zu einer psychisch vermittelten Wirkung der Propagandatätigkeit und der Botschaften auf die FDLR-Milizionäre ist festgestellt, diese Handlungen des Angeklagten Mu. hätten dazu beigetragen, die hohe Motivation der Kämpfer aufrechtzuerhalten (UA S. 126 f.). Darüber hinaus hätten die kämpfenden Einheiten als Folge der Propagandatätigkeit „gewusst“, dass „die politische Führung ... Kriegsverbrechen“, welche die FDLR zu verantworten habe, „entweder abstreiten oder dem Gegner anlasten werde und ... deshalb keine konkreten Konsequenzen zu befürchten“ seien. Bei den Kämpfern sei „der Eindruck“ entstanden, „wenn ihr Präsident in der BBC zu hören sei, dann könne man nicht weltweit gegen die FDLR sein“ (UA S. 127).

Indes ist nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass - entsprechend den oben dargelegten rechtlichen Grundsätzen - die Milizionäre durch die Beiträge des Angeklagten Mu. in ihrem Willen bestärkt wurden, in den vier benannten Ortschaften die konkreten Kriegsverbrechen zu begehen, indem sie unabhängig von Gefechten mit den FARDC-Einheiten Zivilisten töteten, Häuser niederbrannten und plünderten. Der - durch Zeugenaussagen bestätigten (s. UA S. 463 f.) - Aufrechterhaltung einer hohen Motivation fehlt ein Bezug zum konkreten Tatentschluss. Die im Rahmen der rechtlichen Würdigung angeführte generelle Steigerung von „Moral“ und „Kampfkraft“ der Milizionäre (UA S. 574) genügt ebenfalls nicht. Gleiches gilt für die Feststellung, durch die Propagandatätigkeit sei bei diesen „der Eindruck“ hervorgerufen worden, die FDLR habe nicht nur Gegner. Für eine den die Kriegsverbrechen verübenden Kämpfern hierdurch vermittelte, den jeweiligen Willen zur Tatbegehung beeinflussende Überzeugung, „keine konkreten Konsequenzen“ wegen dieser von FOCA-Führungskräften angeordneten Taten befürchten zu müssen, fehlt jeder Beleg.

Vielmehr ist zu besorgen, dass das Oberlandesgericht hinsichtlich einer Förderungswirkung lediglich eine pauschale Betrachtung bezogen auf die Gesamtheit der dem FOCAKommando unterstellten Milizionäre und der von einem Teil dieser Kämpfer begangenen zahlreichen Taten vorgenommen hat. Hierfür spricht auch, dass im Rahmen der in den Urteilsgründen dargelegten rechtlichen Würdigung die Förderungswirkung mit einer allgemeinen Wahrscheinlichkeitsbetrachtung begründet wird: Der „Tatbeitrag“ des Angeklagten Mu. habe „sich ... in den Haupttaten nieder(geschlagen)", weil „durch die zugesagte Propagandaarbeit die Wahrscheinlichkeit erhöht“ worden sei, „dass der Entschluss der FOCA-Verantwortlichen zur Begehung von Kriegsverbrechen durchgehalten“ werde; „umgekehrt“ sei „die ... Abstandnahme von den Kriegsverbrechen weniger wahrscheinlich“ geworden (UA S. 574). Eine psychisch vermittelte konkrete Förderungs- oder Erleichterungswirkung wird dadurch nicht belegt.

(bb) Dem Urteil lässt sich eine psychisch vermittelte Wirkung der Propagandatätigkeit auf die FOCA-Führungskräfte nicht entnehmen.

In den Feststellungen fehlen Angaben hierzu. Allerdings ist im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, neben den kämpfenden Einheiten habe auch das FOCA-Kommando „gewusst“, dass „die politische Führung ... Kriegsverbrechen ... abstreiten oder dem Gegner anlasten werde“ (UA S. 464). Auch wird in der rechtlichen Würdigung das Verhalten des Angeklagten Mu. dahin gewertet, dass er während „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ den FOCA-Führungskräften durch die von ihm konkludent zugesagte und tatsächlich betriebene Propagandatätigkeit geholfen habe, die Kriegsverbrechen „vor der Weltöffentlichkeit zu verbergen“, was sich in den Taten niedergeschlagen habe (UA S. 573 f.).

Nach den Urteilsausführungen käme zwar eine Förderungswirkung bezogen auf die FOCA-Führungskräfte in Betracht, mit denen der Angeklagte - anders als mit den Kämpfern - in regem Austausch stand. Psychische Beihilfe kann auch leisten, wer bewusst daran mitwirkt, für Straftaten Bedingungen zu schaffen, die für den Tatentschluss der anordnenden Führungspersonen wesentlich sind (s. auch BGH, Beschluss vom 20. September 2016 - 3 StR 49/16, BGHSt 61, 252, 260 f.). Ausreichend wären insbesondere ein - auf der Grundlage der Feststellungen jedenfalls nicht fernliegendes (s. UA S. 128, 466) - Wissen der FOCA-Führungskräfte darum, dass der Angeklagte absprachegemäß bzw. stillschweigend einvernehmlich damit befasst gewesen wäre, den durch die Begehung schwerster Kriegsverbrechen hervorgerufenen Schaden für die politische Reputation der FDLR und deren strategische Ziele zu begrenzen, sowie die hierdurch hervorgerufene Festigung des Willens, weitere sogenannte Bestrafungsoperationen von den Milizionären durchführen zu lassen.

Jedoch lässt sich den Urteilsgründen, auch ihrem Gesamtzusammenhang nach, nicht entnehmen, inwieweit sich das Oberlandesgericht von solchen Formen einer psychischen Hilfeleistung - bezogen auf die Bestärkung des Tatentschlusses zu Kriegsverbrechen der die Bestrafungsoperationen anordnenden FOCA-Führungskräfte durch die Propagandatätigkeit des Angeklagten Mu. im tatrelevanten Zeitraum - überzeugt hat. An Feststellungen dazu, dass dem Angeklagten eine solche den Willen zur Begehung von Kriegsverbrechen bestärkende Wirkung seines Verhaltens auf die Führungskräfte bewusst war, mangelt es ebenfalls.

(3) Auch die Urteilsausführungen zum auf die Haupttaten bezogenen Gehilfenvorsatz des Angeklagten Mu. weisen Rechtsfehler auf.

Die diesbezüglichen Feststellungen sind auch im Zusammenhang mit den weiteren Erörterungen zur Beweiswürdigung und zur rechtlichen Würdigung unklar und nicht frei von Widersprüchen. Zudem lassen die Ausführungen besorgen, dass das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung von einem unzutreffenden Verständnis der tatbestandlichen Voraussetzungen des Kriegsverbrechens gegen Personen ausgegangen ist. Im Ganzen betrachtet, sind in den Urteilsgründen zwar zahlreiche für die subjektive Tatseite potentiell relevante Beweisergebnisse (insbesondere gesicherte Telekommunikationsinhalte) dokumentiert; es ist jedoch nicht ausreichend kenntlich gemacht, welche Schlüsse der erkennende Strafsenat daraus gezogen hat. Dem Urteil lässt sich nicht entnehmen, welche Vorstellungen der Angeklagte Mu. von den Taten hatte, die die FDLR-Milizionäre bei den Angriffen auf Mianga, Busurungi, Chiriba und Manje begingen.

(a) Hinsichtlich des Vorsatzes in Bezug auf Kriegsverbrechen gegen Personen bleibt letztlich offen, ob das Oberlandesgericht die Überzeugung hat gewinnen können, der Angeklagte Mu. habe es auch für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, dass die Kämpfer jeweils - wie tatsächlich geschehen - in den vier Ortschaften aufhältige Zivilisten gezielt töteten, nachdem sie die Siedlungen mit der Vertreibung der Einheiten der kongolesischen Armee sukzessive unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Ebenso könnte das Oberlandesgericht lediglich angenommen haben, der Angeklagte habe allein damit gerechnet, dass die Milizionäre die Siedlungen in der Dunkelheit erstürmten und dabei mit automatischen Schusswaffen auf Menschen und Gebäude schießen, ohne in der Lage zu sein, zwischen verteidigungsfähigen Soldaten und wehrlosen Zivilisten zu unterscheiden. In der ersten Alternative bezöge sich der Gehilfenvorsatz - den obigen Ausführungen zufolge (s. B. I. 3. b) aa) (2) (a)) - auf sämtliche Tatbestandsmerkmale eines Kriegsverbrechens gegen Personen nach § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 Nr. 2 VStGB, wohingegen in der zweiten Alternative das zentrale Merkmal des Sich-in-der-Gewalt-Befindens der Opfer (§ 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB) nicht vom Vorsatz des Angeklagten umfasst gewesen wäre.

(aa) Für eine Überzeugungsbildung des Oberlandesgerichts im Sinne der ersten Alternative - Vorsatz auch bezüglich gezielter Tötungen unabhängig von der Bekämpfung der Soldaten - spricht, dass in den Urteilsfeststellungen nach der Schilderung der Operationen gegen die Siedlungen pauschal festgestellt ist, dem Angeklagten Mu. sei ebenso wie dem Angeklagten M. die „Art und Weise des Vorgehens gegen die kongolesische Zivilbevölkerung ... spätestens nach dem Angriff auf ... Kipopo bekannt“ gewesen, was sie „zumindest“ gebilligt hätten (UA S. 112). Ähnliche allgemeine Darlegungen, die sich zumeist auf den gesamten Zeitraum der Offensiven „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ erstrecken (und konsequenterweise auch für die gegen Kipopo gerichtete erste Bestrafungsoperation gelten müssten), finden sich für den Angeklagten Mu. in den Ausführungen zur Beweiswürdigung. So habe der Angeklagte „nach dem Beginn ... (von) 'Umoja Wetu' Ende Januar 2009 ... Kriegsverbrechen … für notwendig ... (gehalten) und daher zumindest billigend in Kauf“ genommen (UA S. 453; s. auch UA S. 483, 494).

(bb) Für eine Überzeugungsbildung des Oberlandesgerichts im Sinne der zweiten Alternative - Vorsatz nur bezüglich Tötungen bei der beabsichtigten Bekämpfung der Soldaten - bestehen indes ebenfalls gewichtige Anhaltspunkte:

In den unter der Überschrift „Kenntnis des Angeklagten von den terroristischen Aktivitäten der FDLR“ (UA S. 132) getroffenen Feststellungen ist dargelegt, dem Angeklagten Mu. sei spätestens mit dem Beginn von „Kimia II“ - folglich noch nicht zur Zeit des Angriffs auf Kipopo - bekannt gewesen, dass sich die durch „Umoja Wetu“ eingetretene dramatische militärische Lage der FOCA voraussichtlich nicht bessern und diese daher diverse Angriffe auf Stellungen des militärischen Gegners vornehmen würde (s. UA S. 133), obgleich er über solche Operationen, wenn überhaupt, erst im Nachhinein informiert worden sei (s. UA S. 445). Weiterhin habe er Kenntnis gehabt, dass sich die feindlichen Stellungen in bewohnten zivilen Ortschaften befänden und die Angriffe bei Dunkelheit vorgenommen würden. Ihm sei „somit bewusst“ gewesen, dass es „zu zahlreichen Tötungen unbeteiligter Zivilisten ... kommen würde“, was er billigend in Kauf genommen habe (UA S. 133 f.). Die Ausführungen lassen erkennen, dass das Oberlandesgericht den Vorsatz des Angeklagten aus der Art und Weise der Durchführung von militärisch veranlassten Operationen der FOCA hergeleitet hat. Sie deuten darauf hin („somit“), dass er nach Ansicht des erkennenden Strafsenats in der Vorstellung handelte, die Angriffe zielten auf den militärischen Gegner und Zivilisten würden hiervon deswegen betroffen sein, weil sie mit diesem zusammenlebten und Operationen im Dunkeln weniger präzise durchgeführt würden.

Eine solche Deutung steht zudem im Einklang mit der in den Urteilsgründen ausführlich dargelegten rechtlichen Beurteilung der Völkerrechtswidrigkeit des Vorgehens der FDLR-Milizionäre, die in erster Linie mit einem Verstoß gegen das „Unterscheidungsgebot“ betreffend militärische und zivile Ziele (Art. 51 Abs. 4 ZP I) begründet wird (vgl. UA S. 558 ff.). Trotz des Wissens um die Anwesenheit von Zivilisten hätten FOCA-Kämpfer „bei den meisten Angriffen ... nachts im Dunkeln mit automatischen Waffen auf menschliche Ziele und Gebäude“ gefeuert; sie hätten sich „um eine Unterscheidung“ zwischen Soldaten und Einwohnern „nicht gekümmert und keine effektiven Maßnahmen zum Schutz“ der - überdies als Feinde betrachteten - Zivilisten getroffen (UA S. 559).

Schließlich wird in den einzelnen an den Angeklagten gerichteten Nachrichten seiner „Gewährs- und Vertrauensleute“ aus den Reihen der FOCA, die in der Beweiswürdigung zum Beleg für die Kenntnis von den Kriegsverbrechen gegen Personen wiedergegeben sind, der Tod der Zivilisten damit erklärt, dass diese mit gegnerischen Soldaten und Kämpfern zusammenlebten und die Angriffe nachts stattfänden (vgl. UA S. 500 f.). Dem Urteil lässt sich dagegen nicht entnehmen, dass der Angeklagte im Einzelnen über die Strategie der Bestrafungsoperationen gerade auch gegen die lokale Bevölkerung informiert war (allgemein zu seiner Kenntnis von „Strafangriffen“ auf den militärischen Gegner s. UA S. 299, 471).

(b) Hinsichtlich des Vorsatzes in Bezug auf Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte (§ 9 Abs. 1 Variante 1, 2 VStGB), der in der rechtlichen Würdigung unerwähnt bleibt (s. UA S. 574 f.), hat das Oberlandesgericht festgestellt, dem Angeklagten Mu. sei aufgrund seines Wissens um in der Dunkelheit durchgeführte Operationen gegen den in bewohnten Siedlungen befindlichen militärischen Gegner bewusst gewesen, dass es - neben der Tötung von zahlreichen Zivilisten - „zu ... Plünderungen und Brandschatzungen kommen würde“ (UA S. 133). Der Schluss von dem Umstand, dass dem Angeklagten Anlass sowie Art und Weise des militärischen Vorgehens bekannt waren, auf die Kenntnis oder die billigende Inkaufnahme von hierdurch nicht gebotenen Gewaltexzessen lässt sich nicht ohne weiteres nachvollziehen. Zumindest der Vorsatz bezüglich des gezielten Niederbrennens zahlloser Gebäude wird auch nicht anderweitig belegt.

II. Revision des Angeklagten M.

Die Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten M. ergeben.

1. Den Verfahrensrügen bleibt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 23. August 2017 genannten Gründen der Erfolg versagt.

2. Der Schuld- und Strafausspruch gegen den Angeklagten M. hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Die Verurteilung des Angeklagten M. wegen Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung erweist sich auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen im Ergebnis als zutreffend. Der Angeklagte beteiligte sich vorsätzlich als Rädelsführer an der ausländischen terroristischen Vereinigung FDLR (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, § 129b Abs. 1 Satz 1 StGB), deren Zwecke und Tätigkeit darauf gerichtet waren, Mord oder Totschlag sowie Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte zu begehen.

aa) Die FDLR erfüllt den Vereinigungsbegriff des § 129a Abs. 1 StGB in der zur Tatzeit geltenden Fassung (hierzu s. MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 129 Rn. 14 ff.) ebenso wie die Voraussetzungen der Legaldefinition des § 129 Abs. 2 i.V.m. § 129a Abs. 1 StGB in der seit dem 22. Juli 2017 gültigen Fassung (vgl. § 2 Abs. 1, 3 StGB).

(1) Die FDLR stellte aufgrund ihrer Organisationsstruktur, der Anzahl und willensmäßigen Einbindung ihrer Mitglieder sowie der Dauerhaftigkeit der Verbindung eine Vereinigung im Ausland nach altem Recht dar (vgl. zu den Voraussetzungen BGH, Urteile vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, 107 ff.; vom 3. Dezember 2009 - 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216, 221).

Die FOCA war im Verhältnis zur FDLR kein getrennter, souveräner Personenverband; vielmehr war sie in diese hierarchisch eingebunden und unterstand den für die Gesamtorganisation zuständigen Gremien. Hiervon hat sich das Oberlandesgericht beanstandungsfrei überzeugt (s. UA S. 222 ff.). Die Beurteilung als Vereinigung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die FDLR auch als militärische Organisation nach den §§ 7, 8 VStGB anzusehen ist (s. hierzu im Einzelnen BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, BGHSt 55, 157, 173 f.; ferner Safferling, JZ 2010, 965, 968).

Der Beschwerdeführer hat eingewendet, bei der FOCA habe es sich um einen ihrerseits als Vereinigung zu qualifizierenden Personenverband innerhalb der Vereinigung FDLR gehandelt. Die FOCA habe ein ausreichendes Maß an organisatorischer Selbstständigkeit aufgewiesen und einen eigenen, von der FDLR unabhängigen Gesamtwillen bilden können; nach den Feststellungen seien überdies die Kriegsverbrechen allein von Angehörigen der FOCA angeordnet und ausgeführt worden, ohne dass die Hauptorganisation in die Entscheidungsprozesse eingebunden gewesen, um Zustimmung gebeten worden oder (im Einzelnen) informiert worden sei. Daher könnten die Kriegsverbrechen der FDLR nicht zugerechnet werden. Der Einwand, der sich augenscheinlich auf die zur Tatzeit geltende Fassung des § 129a Abs. 1 StGB bezieht, verfängt nicht:

(a) Ob die FOCA ihrerseits als eine Vereinigung im Sinne des § 129a Abs. 1 StGB aF zu beurteilen ist, kann letztlich dahinstehen, ist allerdings zweifelhaft.

Eine Teilorganisation einer Vereinigung unterfällt nur dann selbst dem alten Vereinigungsbegriff, wenn sie für sich genommen alle für eine Vereinigung notwendigen personellen, organisatorischen, zeitlichen und voluntativen Voraussetzungen erfüllt. Hieraus folgt unter anderem, dass die Teilorganisation einen eigenen, von der Gesamtorganisation unabhängigen Willensbildungsprozess vollziehen muss, dem sich ihre Mitglieder unterwerfen. Hierfür reicht es nicht aus, dass diese lediglich Einigkeit darüber erzielen, sich dem Willen der Gesamtorganisation unterzuordnen; erforderlich ist vielmehr, dass sich der für eine Vereinigung konstitutive, auf deren Zwecke bezogene Willensbildungsprozess in seiner Gesamtheit in der Teilorganisation vollzieht. Aus diesem Grund wird das für die Annahme einer Vereinigung notwendige voluntative Element in Bezug auf eine Untergruppierung auch nicht allein dadurch hinreichend belegt, dass deren Mitglieder mittel- oder langfristig ein gemeinsames politisch-ideologisches Ziel verfolgen, wenn es von der Hauptgruppierung vorgegeben wird (vgl. - für die inländische Teilorganisation einer ausländischen Vereinigung - BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10, BGHSt 56, 28, 32 ff.; ferner 127 128 BGH, Beschluss vom 14. April 2010 - StB 5/10, NJW 2010, 3042, 3044; Urteil vom 16. Februar 2012 - 3 StR 243/11, BGHSt 57, 160, 162).

Gegen die Annahme, die FOCA sei selbst eine Vereinigung nach altem Recht, spricht, dass sich den Feststellungen zufolge die Willensbildung im politischen Bereich nicht innerhalb dieser Teilorganisation, sondern auf der Ebene der Gesamtorganisation, namentlich im Comité Directeur, vollzog (s. etwa UA S. 232 f.). Diese Willensbildung betraf auch das gemeinsame übergeordnete Interesse, an der Macht in Ruanda teilzuhaben bzw. die Macht zu übernehmen (zur Bedeutung eines solchen Ziels für § 129 Abs. 1 StGB aF s. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216, 228 ff.). Die FOCA betrachtete sich selbst als bewaffneten Arm der FDLR, was auch die Revisionsbegründung nicht in Abrede stellt (zum Beispiel gemeinsame Begründungsschrift vom 10. Februar 2017, S. 311).

(b) Jedenfalls unterfällt die FDLR - ebenfalls - dem alten Vereinigungsbegriff. Selbst wenn die FOCA alle Vereinigungsmerkmale im Sinne des § 129a Abs. 1 StGB aF erfüllte, hinderte dies nicht, die FDLR ebenfalls als (Dach-)Vereinigung anzusehen, weil sich aus den Feststellungen ergibt, dass sich die FOCA-Angehörigen dem Willensbildungsprozess im politischen Bereich unterwarfen, der auf der Ebene der Gesamtorganisation stattfand (s. hierzu BGH, Beschluss vom 14. April 2010 - StB 5/10, NJW 2010, 3042, 3044; MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 129 Rn. 17). Da die FOCA in die FDLR integriert war, waren die Angehörigen der Teilorganisation zugleich Mitglieder der Gesamtorganisation (vgl. auch BGH, Beschluss vom 30. März 2001 - StB 4 u. 5/01, BGHSt 46, 349, 354). Für die Zwecke und die Tätigkeit der FDLR im Sinne des § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB waren daher die von FOCA-Führungskräften befohlenen und/oder von FOCA-Kämpfern verübten Delikte unmittelbar bedeutsam, ohne dass es eines zusätzlichen Zurechnungsschritts bedarf.

(2) Da die seit dem 22. Juli 2017 gültige Fassung des § 129 Abs. 2 i.V.m. § 129a Abs. 1 StGB - mit Ausnahme des Erfordernisses des gemeinsamen übergeordneten Interesses, das hier vorliegt (s. oben (1) (a)) - geringere Anforderungen an die Vereinigung stellt als das alte Recht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2018 - StB 32/17, NStZRR 2018, 206, 207; Urteil vom 14. Juni 2018 - 3 StR 585/17, NJW 2018, 2970, 2973), unterfällt die FDLR erst recht dem neuen Vereinigungsbegriff.

bb) Die Zwecke und die Tätigkeit der FDLR waren darauf gerichtet, Kriegsverbrechen gegen Personen, Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte sowie Mord und Totschlag zu begehen. Allerdings belegen die Feststellungen nur, dass sich der Vorsatz des Angeklagten M. auf die Straftatbestände der § 211 Abs. 2, § 212 Abs. 1 StGB, § 9 Abs. 1 VStGB, nicht auch auf denjenigen des § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 Nr. 2 VStGB bezog. Im Einzelnen:

(1) Für die Zielsetzungen im Sinne des § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB genügt es, wenn sich die Mitglieder der Vereinigung bewusst sind, dass es bei der Verfolgung ihrer Pläne zur Begehung von Katalogtaten kommen kann und sie dies auch wollen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 1999 - StB 5/99, NStZ 1999, 503, 504); die Organisation muss nicht ausschließlich das Ziel der Begehung solcher Taten verfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, BGHSt 55, 157, 174; MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 129a Rn. 42).

Als Zielsetzungen hat das Oberlandesgericht die - als Verpflegungsoperationen bezeichneten - systematischen Plünderungen sowie die während der (Bestrafungs-)Operationen gegen die fünf kongolesischen Siedlungen begangenen Straftaten bewertet (s. UA S. 578 f.). Die „Verpflegungsoperationen“ sind als Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte gemäß § 9 Abs. 1 Variante 1 VStGB zu bewerten; denn die FDLR-Milizionäre plünderten im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt Sachen der gegnerischen Partei (zu den Voraussetzungen s. oben B. I. 3. b) bb) i.V.m. aa) (2) (a) (aa) und (b) (aa)). Dass die Kämpfer in Mianga, Busurungi, Chiriba und Manje eine Vielzahl von Kriegsverbrechen gegen Personen sowie von Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte nach § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 Nr. 2, § 9 Abs. 1 Variante 1, 2 VStGB begingen, ist bereits im Einzelnen dargelegt worden (s. B. I. 3. b) aa) und bb)). Gleiches gilt für den Angriff auf Kipopo. Die Tötung der Zivilisten erfüllt dabei zugleich den Tatbestand des Mordes (§ 211 Abs. 2 StGB) oder des Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB). Auf die Taten, auf deren Begehung die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung gerichtet sind, muss dabei deutsches Strafrecht nach den §§ 3 ff. StGB oder weitergehenden Sonderregelungen - wie hier § 1 VStGB für die Kriegsverbrechen - nicht anwendbar sein (vgl. LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 129 Rn. 66 f.; § 129b Rn. 16; MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 129 Rn. 47, § 129b Rn. 10 aE; S/S/Sternberg-Lieben, StGB, 30. Aufl., § 129b Rn. 4); denn es geht nicht um die strafrechtliche Ahndung dieser Taten.

(2) Der Vorsatz des Angeklagten M. - wie auch des Angeklagten Mu. - umfasste jedenfalls allgemein die Möglichkeit von vorsätzlichen Tötungsdelikten an Zivilisten sowie von Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte durch diverse gezielte Plünderungsaktionen.

Der Angeklagte M. hat ausgesagt, er habe aus Berichten von Menschenrechtsorganisationen und der Vereinten Nationen sowie aus den Medien, beginnend bereits im Jahr 2008, Informationen über der FDLR angelastete Verbrechen erhalten, ihnen aber keinen Glauben geschenkt, weil er die Berichte für Propaganda und Falschmeldungen gehalten habe (vgl. UA S. 179 ff.). Das Oberlandesgericht hat sich mit rechtlich nicht zu beanstandender Begründung davon überzeugt, dass der Angeklagte M. tatsächlich annahm, es habe sich bei den Informationen nicht um schlicht wahrheitswidrige Behauptungen gehandelt (s. UA S. 142, 521 ff.). Aus - in der Beweiswürdigung exemplarisch wiedergegebenen (s. etwa UA S. 467 f., 524) - Berichten geht hervor, dass solche Informationen sowohl Tötungen von Zivilisten als auch Plünderungen betrafen. Ohne rechtliche Bedeutung ist insoweit, ob der Angeklagte auch über das systematische Vorgehen der FDLR im Wege der sogenannten Verpflegungsoperationen und deren Ausmaß informiert war.

Bezüglich der in den fünf kongolesischen Siedlungen begangenen zahlreichen Kriegsverbrechen nach § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 Nr. 2 und § 9 Abs. 1 VStGB handelte der Angeklagte M. indes - nicht ausschließbar - ohne Vorsatz. Für ihn gelten die diesbezüglichen Darlegungen betreffend den Angeklagten Mu. (s. oben B. I. 3. b) cc) (3)) sinngemäß, dies umso mehr, als der Angeklagte M. nur in geringerem Umfang mit den in der Demokratischen Republik Kongo lebenden FDLR-Mitgliedern in Kontakt stand und weniger Nachrichten aus den Kivu-Provinzen erhielt (vgl. UA S. 509). Freilich stellen diese Taten, soweit sie sich gegen das Leben von Zivilisten richteten, zugleich vorsätzliche Tötungsdelikte dar. Dass sich der Vorsatz des Angeklagten M. allgemein auf derartige Zielsetzungen erstreckte, hat das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei festgestellt. Soweit sich der Angeklagte in seiner Einlassung auf fehlende Rechtskenntnis berufen hat (s. UA S. 181), ist dies unbeachtlich.

(3) Nach alledem kommt es nicht mehr darauf an, dass auch insoweit, als FDLR-Milizionäre bei bewaffneten Auseinandersetzungen den Zielsetzungen der FDLR entsprechend feindliche Soldaten und Kämpfer töteten, Tötungsdelikte im Sinne des § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB - ungeachtet im Einzelfall denkbarer Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe - vorliegen. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Rechtsgrund sich die Milizionäre auf das sogenannte Kombattantenprivileg (s. oben B. I. 3. b) aa) (4)) berufen können sollten.

cc) Zutreffend hat das Oberlandesgericht den Angeklagten M. als Rädelsführer im Sinne des § 129a Abs. 4 StGB angesehen.

Rädelsführer ist, wer in der Vereinigung dadurch eine führende Rolle spielt, dass er sich in besonders maßgebender Weise für sie betätigt. Entscheidend ist dabei nicht der Umfang der geleisteten Beiträge, sondern das Gewicht, das diese für die Vereinigung haben. Besonders maßgebend ist eine Tätigkeit dann, wenn sie von Einfluss ist auf die Führung der Vereinigung im Ganzen oder in wesentlichen Teilen. Eine rein formale Stellung innerhalb eines Führungsgremiums reicht für sich genommen nicht aus. Der vom Täter ausgeübte Einfluss muss der Sache nach beträchtlich sein und sich auf die Vereinigung als solche richten, mithin etwa die Bestimmung der Organisationszwecke, -tätigkeiten oder -ziele, die ideologische Ausrichtung der Vereinigung, deren Organisationsstruktur, oder sonstige Belange mit für die Vereinigung wesentlicher Bedeutung betreffen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2012 - 3 StR 243/11, BGHSt 57, 160, 161 f.; ferner BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2014 - StB 25/14, NStZ-RR 2015, 221, 222; vom 12. November 2015 - AK 36/15, NStZ-RR 2016, 170, 171). Ist der Täter Rädelsführer, so sind alle mitgliedschaftlichen Beteiligungshandlungen einheitlich zu beurteilen. Es kommt allein darauf an, dass er diese Stellung innehat, nicht hingegen, bei welchem konkreten Betätigungsakt er als Rädelsführer agiert (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Mai 2016 - 3 StR 86/16, juris Rn. 18).

Gemessen daran gehörte der Angeklagte M. auf der Grundlage der Feststellungen zu den Rädelsführern der FDLR. Dies ergibt sich zwar nicht schon allein aus der von ihm bekleideten formalen Position des ersten Vizepräsidenten. Wie vom Oberlandesgericht im Einzelnen festgestellt und belegt (s. UA S. 135 ff., 509 ff.), hatte der Angeklagte vielmehr materiell eine maßgebliche Führungsrolle innerhalb der Gesamtorganisation inne und übte einen beträchtlichen Einfluss auf diese aus. Insbesondere war er aktives Mitglied des Comité Directeur und des Exekutivkomitees. So wirkte er im Comité Directeur, dem faktisch obersten Entscheidungsgremium der FDLR, in dem namentlich die grundsätzlichen politischen Entscheidungen getroffen wurden, ebenso an der Vorbereitung von Versammlungen mit wie an den Entscheidungen und Empfehlungen, über die auf der letzten mehrtägigen Versammlung im Januar 2009 verhandelt und beschlossen wurde, sowie deren Ausformulierung. Daneben beteiligte er sich vor allem auch an der Öffentlichkeitsund Propagandaarbeit. Zwar waren der Angeklagte Mu. und der Exekutivsekretär Mb. auf diesem Gebiet federführend tätig; gleichwohl hatten die diesbezüglichen Beiträge des Angeklagten M. erhebliches Gewicht. Ungeachtet dessen, dass er gerade im Laufe des Jahres 2009 auch zahlreiche mitgliedschaftliche Beteiligungshandlungen vornahm, die nicht Ausfluss seiner Führungsrolle waren, war seine Stellung, insgesamt betrachtet, die einer Führungskraft.

Anders als die Revision geltend macht, ist die Rädelsführerschaft des Angeklagten M. nicht davon abhängig, dass dessen Betätigungen ein „eigenes Strafpotential“ gehabt hätten, der von ihm ausgeübte wesentliche Einfluss auf die FDLR mithin die terroristischen Zielsetzungen selbst betroffen hätte. Nach den dargelegten rechtlichen Maßstäben genügt es, dass er - in enger Zusammenarbeit mit dem Angeklagten Mu. - die für die Organisation besonders bedeutsamen politisch-ideologischen Ziele einschließlich ihrer Außendarstellung mitbeherrschte.

b) Die Strafzumessung weist ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten M. auf.

III. Revisionen des Generalbundesanwalts

1. Die vom Generalbundesanwalt gegen den Angeklagten Mu. geführte Revision deckt sowohl diesen begünstigende als auch ihn benachteiligende (§ 301 StPO) Rechtsfehler auf.

a) Allerdings hat das Oberlandesgericht auf der Grundlage der Feststellungen eine täterschaftliche Beteiligung des Angeklagten Mu. an den von Angehörigen der FDLR verübten völkerstrafrechtlichen Delikten zu Recht verneint, sei es nach der Sonderregelung des § 4 VStGB, sei es nach den - über § 2 VStGB anwendbaren - allgemeinen Regeln des StGB.

aa) Der Angeklagte Mu. ist hinsichtlich der Operationen gegen die fünf Ortschaften in den Kivu-Provinzen nicht als militärischer Befehlshaber oder anderer Vorgesetzter gemäß § 4 VStGB für Verstöße gegen das VStGB verantwortlich.

(1) Eine strafrechtliche Haftung des militärischen Befehlshabers für völkerstrafrechtswidriges Verhalten der Untergebenen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 VStGB setzt tatsächliche Befehlsgewalt voraus, die überdies auf einer rechtlichen Grundlage beruht. Unter tatsächlicher Befehlsgewalt ist die faktisch ausübbare Möglichkeit zu verstehen, den Befehlsunterworfenen verbindliche Anweisungen zu erteilen und diese durchzusetzen (s. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, BGHSt 55, 157, 168). Es kennzeichnet die Befehlsgewalt, dass sie ihre Grundlage in einer der bewaffneten Einheit eigenen spezifisch militärischen Kommandostruktur hat (vgl. MüKoStGB/Weigend, 3. Aufl., § 4 VStGB Rn. 29). Demgegenüber regelt § 4 Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 VStGB die Verantwortlichkeit des Defacto-Anführers. Sie kann in der ausschließlich tatsächlichen - mithin nicht rechtlich abgesicherten - Befehlsgewalt begründet sein, etwa durch dem Vorgesetzten effektiv zur Verfügung stehende Machtmittel innerhalb einer im rechtlosen Raum agierenden Konfliktpartei (vgl. MüKoStGB/Weigend aaO, Rn. 18 f., 27 ff.). Für den Defacto-Anführer kommt darüber hinaus nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 VStGB eine Haftung auch dann in Betracht, wenn er zwar keine Befehlsgewalt, aber tatsächliche Führungsgewalt innehat; diese kann namentlich an persönliche Merkmale anknüpfen, die seine Stellung als maßgebliche Autorität begründen (vgl. MüKoStGB/Weigend aaO, Rn. 29).

Für die Verantwortlichkeit sowohl wegen Befehls- als auch wegen Führungsgewalt ist eine effektive Ausübung von Kontrolle durch den Vorgesetzten erforderlich (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 1 VStGB). Er muss - prinzipiell - die Möglichkeit haben, das Verhalten seiner Untergebenen faktisch zu bestimmen, insbesondere Straftaten wirksam zu unterbinden (s. BT-Drucks. 14/8524, S. 19). Allein ein Titel oder eine formale Position vermag eine Verantwortlichkeit nach § 4 VStGB nicht zu begründen (vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, BGHSt 55, 157, 168 f.; Burghardt in Kreß [Hrsg.], 10 Jahre Arbeitskreis Völkerstrafrecht, 2015, S. 197, 223 f.; MüKoStGB/ Weigend, 3. Aufl., § 4 VStGB Rn. 20, 27, 30; s. auch BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2012 - StB 9/12, NStZ-RR 2013, 16, 17; Safferling, JZ 2010, 965, 967). In gleicher Weise verlangt der Internationale Strafgerichtshof für die Parallelregelung des Art. 28 Buchst. a IStGH-Statut eine „effective control“, die die Fähigkeit einschließt, Straftaten zu verhindern und zu ahnden (s. die Nachweise bei Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 4. Aufl., Rn. 612).

(2) Hiernach kommt es für die Vorgesetztenverantwortlichkeit nach § 4 VStGB nicht entscheidend darauf an, dass der Angeklagte Mu. als Präsident der FDLR nach Art. 24 des Regelwerks „Reglement der inneren Ordnung der Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas - FDLR“ den Oberbefehl über die Streitkräfte innehatte. Ebenso wenig ist von maßgebender Bedeutung, welche Rechtsnatur derartige organisationsinterne Regeln haben, die von den Organen der FDLR für die Vereinigung erlassen wurden, und inwieweit sie für deren Mitglieder überhaupt verbindlich sein können. Denn die Vorschrift des § 4 VStGB setzt - wie dargelegt (s. oben (1)) - die Ausübung effektiver Kontrolle voraus, gleichviel ob eine Verantwortlichkeit des Angeklagten Mu. als militärischer Befehlshaber oder als Defacto-Anführer mit tatsächlicher Befehls- oder mit tatsächlicher Führungsgewalt geprüft wird; erforderlich ist eine faktische Durchsetzungsmacht.

Von der Ausübung effektiver Kontrolle durch den Angeklagten Mu. hat sich das Oberlandesgericht indes nicht überzeugen können, ohne dass dagegen revisionsrechtlich etwas zu erinnern wäre. Der Angeklagte hatte keine Möglichkeit, auf Entscheidungen des FOCA-Kommandos Einfluss zu nehmen (s. UA S. 117, 123) oder den FOCA-Kommandeur Mudacumura „seines Amtes zu entheben“ (UA S. 446, 567). In der Praxis erteilte er an die Milizionäre keine Befehle oder Anweisungen und sah sich hierzu auch, den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend, nicht in der Lage (vgl. UA S. 441 ff.). Belegt ist dies etwa mit einer vom erkennenden Strafsenat für glaubhaft befundenen Zeugenaussage des ehemaligen Vizekommandanten des Bataillon Police Militaire Nz., der Angeklagte sei „Zivilist“, habe „beim Militär keine Rolle“ gespielt und „keine Befehle geben“ können; wenn er dies dennoch getan hätte, wären solche Direktiven aller Voraussicht nach nicht befolgt worden (UA S. 443 f.). Der Angeklagte war daher faktisch außerstande, verbindliche Anweisungen strategischen Inhalts oder solche für konkrete Kampfmethoden oder -handlungen zu erteilen, zumal er über geplante militärische Operationen nicht im Voraus informiert wurde (s. UA S. 445, 566).

Soweit der Generalbundesanwalt - unter Berufung auf Schrifttum zum Schweizerischen Recht (Vest in Vest/Ziegler/Lindenmann/Wehrenberg, Die völkerstrafrechtlichen Bestimmungen des StGB, 2014, Art. 264k Rn. 4) - vorgebracht hat, es sei ausreichend, dass der Angeklagte Mu. die Möglichkeit gehabt habe, sich über Verstöße gegen das VStGB Bericht erstatten zu lassen und sie disziplinarisch zu ahnden, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob diese Kriterien im Einzelfall für § 4 VStGB genügen könnten. Deren Erfüllung ist jedenfalls hier nicht belegt. Vielmehr lässt es insbesondere der Inhalt der in den Urteilsgründen wiedergegebenen Kommunikation zwischen dem Angeklagten und anderen FDLR- bzw. FOCA-Verantwortlichen als fernliegend erscheinen, dass dem Angeklagten die vom Generalbundesanwalt behauptete Kompetenz tatsächlich zur Verfügung gestanden hätte.

(3) Nach alledem kann dahinstehen, ob § 4 VStGB eine - vom Oberlandesgericht ebenfalls für erforderlich gehaltene - hypothetische Vermeidungskausalität dergestalt voraussetzt, dass die gebotenen und zumutbaren (einer realiter bestehenden Kompetenz gemäßen) Verhinderungsbemühungen mit Sicherheit Erfolg gehabt hätten. Die Internationalen Strafgerichtshöfe für das ehemalige Jugoslawien und für Ruanda sowie der Internationale Strafgerichtshof verlangen einen solchen Ursachenzusammenhang grundsätzlich nicht (vgl. Burghardt, Die Vorgesetztenverantwortlichkeit im völkerrechtlichen Straftatsystem, 2008, S. 205 ff.; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 4. Aufl., Rn. 632, 639, jeweils mwN; s. auch BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, BGHSt 55, 157, 168 f., wo dies ebenfalls nicht gefordert wird, vielmehr dahingestellt bleibt, ob es, sollte § 4 VStGB anwendbar sein, zur Vermeidung der Strafbarkeit ausreichend ist, wenn der Vorgesetzte alle ihm möglichen, erforderlichen und angemessenen Verhinderungsbemühungen unternimmt, ohne dass die Straftat hierdurch abgewendet wurde). Rechtsdogmatisch wäre die hypothetische Vermeidungskausalität für § 4 VStGB verzichtbar, weil die Vorgesetztenverantwortlichkeit als verselbständigte Beihilfe durch Unterlassen mit der Rechtsfolge täterschaftlicher Bestrafung qualifiziert werden kann (vgl. BTDrucks. 14/8524, S. 18 f.; MüKoStGB/Weigend, 3. Aufl., § 4 VStGB Rn. 13) und die Beihilfe keine Kausalität, sondern lediglich eine Förderungs- oder Erleichterungswirkung voraussetzt (für einen Zusammenhang im Sinne einer conditio sine qua non im Wege der teleologischen Reduktion des § 4 VStGB s. Burghardt, ZIS 2010, 695, 707; ders. in Kreß [Hrsg.], 10 Jahre Arbeitskreis Völkerstrafrecht, 2015, S. 197, 226 ff.; Werle, JZ 2012, 373, 376 ["in Betracht zu ziehen"]; Werle/Jeßberger aaO, Rn. 643; ferner MüKoStGB/Weigend aaO, Rn. 53).

bb) Der Angeklagte Mu. war an den in den fünf kongolesischen Siedlungen begangenen Verstößen gegen das VStGB ebenso wenig nach allgemeinen Regeln täterschaftlich beteiligt, weder als mittelbarer Täter durch Unterlassen noch als Mittäter.

(1) Das Oberlandesgericht hat es mit rechtlich einwandfreier Begründung abgelehnt, den Angeklagten Mu. (in Anlehnung an BGH, Urteil vom 6. November 2002 - 5 StR 281/01, BGHSt 48, 77 [Politbüro]; s. zur Übertragbarkeit der rechtlichen Erwägungen Safferling/HartwigAsteroth/Scheffler, ZIS 2013, 447, 451 ff.) deshalb als mittelbaren Unterlassungstäter kraft organisatorischen Machtapparats (§ 2 VStGB, § 13 Abs. 1, § 25 Abs. 1 Alternative 2 StGB) zu beurteilen, weil er als Vorsitzender Mitglied des faktisch obersten Entscheidungsgremiums der FDLR, des Comité Directeur, war, das gegen die Taten nicht einschritt. Dieses Gremium hätte den jeweiligen tatbestandlichen Erfolg nicht abwenden können. Der erkennende Strafsenat hat beanstandungsfrei die Überzeugung gewonnen, dass der Angeklagte nach Januar 2009 infolge der Bürgerkriegswirren im Ost-Kongo nicht mehr die Möglichkeit hatte, erfolgreich auf eine Versammlung des Comité Directeur hinzuwirken, und es für zweifelhaft gehalten, dass die FOCA-Führung eine Entscheidung umgesetzt hätte, von Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder von Kriegsverbrechen abzusehen (s. UA S. 568 ff.).

(2) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts sind dem Angeklagten Mu. die völkerstrafrechtlichen Verbrechen nicht als Mittäter (§ 2 VStGB, § 25 Abs. 2 StGB) zuzurechnen.

(a) Gemeinschaftlich im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB handelt, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass dieser als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, ist aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen. Maßgebende Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, sodass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Beteiligten abhängen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 2017 - 3 StR 455/16, juris Rn. 4; vom 4. April 2017 - 3 StR 451/16, juris Rn. 7; vom 15. Mai 2018 - 3 StR 130/18, juris Rn. 13). Inwieweit dieser unter dem Blickwinkel der Tatherrschaft Einfluss auf die Tatausführung nehmen kann, bestimmt sich nach dem Verhältnis seines Beitrags zu der eigentlichen tatbestandsverwirklichenden Ausführungshandlung (s. BGH, Beschluss vom 19. April 2018 - 3 StR 638/17, NStZ-RR 2018, 271, 272 mwN).

(b) Ungeachtet der Frage eines - gegebenenfalls im Wege einer konkludenten Übereinkunft gefassten - gemeinsamen Tatplans tragen die Feststellungen nicht die Annahme von Mittäterschaft. Im Rahmen der wertenden Gesamtbetrachtung fällt insbesondere ins Gewicht, dass der Angeklagte Mu. weder Tatherrschaft noch den Willen dazu hatte. Die tatbestandlichen Ausführungshandlungen selbst hatte er nicht in der Hand. Er nahm keinen Einfluss auf die militärischen Entscheidungen der FOCA-Führung. Weder war er an der Entwicklung der Strategie der Bestrafungsoperationen noch an der Anordnung einzelner Operationen beteiligt. Soweit er hierüber überhaupt informiert wurde, geschah dies erst im Nachhinein. Die in den Urteilsgründen wiedergegebenen, an ihn gerichteten Nachrichten seiner „Gewährsund Vertrauensleute“ aus den Reihen der FOCA zu den verfahrensgegenständlichen Angriffen auf die Siedlungen (s. UA S. 500 f.) beschönigten gerade das Geschehen.

Soweit der Generalbundesanwalt in eigener Würdigung der Beweisergebnisse einen relevanten Einfluss des Angeklagten Mu. auf die jeweilige Tatausführung selbst damit begründet hat (s. Revisionsbegründungsschrift vom 9. Februar 2017, S. 21 f.), dass die FDLR-Milizionäre dessen Durchhalteappelle „als eindeutige Aufforderung“ hätten verstehen müssen, „ihr Treiben fortzusetzen“, weil er trotz Aufforderung durch Dritte nicht zur Schonung von Zivilisten gemahnt habe, ist dies revisionsrechtlich unbeachtlich. Im Übrigen steht diese Würdigung nicht ohne weiteres in Einklang mit anderen Beweisergebnissen (s. UA S. 446 ff.), etwa der Zeugenaussage des ehemaligen Leiters des Informationsbüros des FOCA-Kommandos Se., der Angeklagte habe in der Osterbotschaft 2009 zum Schutz kongolesischer Zivilisten 158 159 aufgerufen, wohingegen nach den Anweisungen des FOCA-Kommandeurs Mudacumura jeder Kongolese als „Feind“ der FDLR zu betrachten gewesen sei (UA S. 450 f.).

b) Das Urteil hält dagegen sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit das Oberlandesgericht in den Kivu-Provinzen verübte Verbrechen gegen die Menschlichkeit verneint hat. Überdies sind die Darlegungen zum Gehilfenvorsatz mit den Angeklagten Mu. begünstigenden wie benachteiligenden Rechtsfehlern behaftet. Im Einzelnen:

aa) Entgegen der vom Oberlandesgericht vorgenommenen rechtlichen Bewertung belegen die Feststellungen die Strafbarkeit der FOCA-Führungskräfte und -kämpfer wegen - in Kipopo, Mianga, Busurungi, Chiriba und Manje begangener - Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 VStGB.

(1) Die Operationen gegen die fünf Siedlungen waren Bestandteile eines vorsätzlich durchgeführten systematischen Angriffs auf die Zivilbevölkerung gemäß § 7 Abs. 1 VStGB. Ob der Angriff daneben auch im Sinne dieser Regelung ausgedehnt war, braucht der Senat nicht zu entscheiden; denn es genügt, dass eines der beiden alternativen Tatbestandsmerkmale erfüllt ist (vgl. Gropengießer/Kreicker in Eser/Kreicker [Hrsg.], Nationale Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen, Band 1: Deutschland, 2003, S. 119; Zimmermann, NJW 2002, 3068, 3069).

(a) Die von FOCA-Führungskräften angeordneten und den FOCA-Kämpfern ausgeführten Taten richteten sich gegen die Zivilbevölkerung als Ganze.

Bei einer Zivilbevölkerung handelt es sich um eine größere Gruppe von Menschen, die über gemeinsame Unterscheidungsmerkmale verfügen, aufgrund derer sie angegriffen werden. Es ist nicht notwendig, dass das Vorgehen auf die gesamte in einem bestimmten geografischen Gebiet ansässige Bevölkerung zielt. Ausreichend ist bereits, dass eine erhebliche Anzahl von Einzelpersonen angegriffen wird. Ein Angriff auf einige wenige, zufällig ausgewählte Menschen ist dagegen nicht tatbestandsmäßig (vgl. MüKoStGB/Werle, 3. Aufl., § 7 VStGB Rn. 21 mwN). Hier richteten sich die Tötungshandlungen gegen eine Vielzahl von Einwohnern eines Gebiets von 60 Quadratkilometern. Die Zivilisten wurden zu Opfern gerade wegen ihrer Zugehörigkeit zur ortsansässigen Bevölkerung.

Soweit das Oberlandesgericht (offenbar mit Blick auf MüKoStGB/Werle, 3. Aufl., § 7 VStGB Rn. 16 aE) ein für § 7 Abs. 1 VStGB „taugliches Tatobjekt“ verneint hat, weil es sich nicht die Überzeugung habe verschaffen können, dass in den fünf Ortschaften „der zivile Charakter der angegriffenen Personengruppe“ überwogen habe (UA S. 561 f.), hat es seiner rechtlichen Beurteilung nicht den jeweils maßgeblichen Tatzeitpunkt zugrunde gelegt. Zur Zeit der Tötungshandlungen waren die Bewohner, wenngleich sie in der Vergangenheit gegnerische Soldaten und Kämpfer in ihre Siedlungen aufgenommen hatten, kein Teil einer organisierten, Gewalt anwendenden Macht (s. hierzu MüKoStGB/Werle aaO, Rn. 18 f.; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 4. Aufl., Rn. 926 ff.). Wie dargelegt (s. B. I. 3. b) aa) (2) (a) (bb)), wurde in Mianga, Busurungi, Chiriba und Manje die weit überwiegende Anzahl der Tötungsdelikte an Zivilisten - ohne militärische Notwendigkeit - erst verübt, als die Ortschaften nicht mehr unter der Kontrolle der kongolesischen Soldaten standen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war die ortsansässige Zivilbevölkerung das primäre Ziel des gewaltsamen Vorgehens (s. Werle/Jeßberger aaO, Rn. 925), sodass der zivile Charakter der angegriffenen Personengruppe überwog. Das gilt ebenso für Kipopo. Zu dieser Operation ist festgestellt, dass die Milizionäre Dorfbewohner in Häuser einsperrten und diese in Brand setzten, wodurch ihre Opfer bei lebendigem Leib verbrannten. Selbst im Fall der Anwesenheit von FARDC-Soldaten - hierzu konnten keine Feststellungen getroffen werden - hätten sich derartige, nicht einmalige Handlungen nicht gegen diese gerichtet.

(b) Desgleichen lag ein systematischer Angriff vor. Ein gegen die Bevölkerung gerichteter Angriff ist ein Gesamtvorgang, in den sich die mehrfache Verwirklichung der Einzeltatbestände des § 7 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 VStGB einfügt und hinter dem ein Staat oder eine Organisation, mithin ein Kollektiv, steht (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, BGHSt 55, 157, 164 f.; MüKoStGB/Werle, 3. Aufl., § 7 VStGB Rn. 23). Als systematisch ist der Angriff zu beurteilen, wenn die Gewaltanwendung organisiert ist und planmäßig im Sinne eines konsequenten Handelns ausgeführt wird (vgl. BGH aaO, S. 165; MüKoStGB/Werle aaO, Rn. 27).

Mit dem Oberlandesgericht ist aus der generalstabsmäßigen Planung, der Einbindung und Benachrichtigung des FOCA-Kommandos, der Betrachtung der Zivilisten als „Feinde“ sowie dem Ausmaß der Tötungen, Brandstiftungen und Plünderungen der Schluss zu ziehen, es habe sich hierbei „um geplante, organisierte und geleitete Einzeltaten im Rahmen einer Gesamttat“ gehandelt (UA S. 563). Den an den Ortsbewohnern verübten gezielten Tötungsdelikten lag die vom FOCA-Kommando entwickelte Strategie der sogenannten Bestrafungsoperationen zugrunde. Mit solchen Operationen verfolgte die FOCA unter anderem das Ziel, die Zivilbevölkerung, welche die feindlichen Truppen - auch nur vermeintlich - unterstützte, zu bestrafen und davon abzuschrecken, der kongolesischen Armee und mit dieser verbündeten Gruppierungen Hilfe zu leisten. Die Teile der Bevölkerung, die, nachdem die FARDC-Soldaten in den Siedlungen Stellungen eingenommen hatten, in diesen blieben oder sich dort niederließen, galten nach dem Verständnis der FOCA als „Feinde“. Davon, dass die Kämpfer bei den Operationen Ortsbewohner töteten, ging die FOCA-Führung aus. Für Kipopo, Mianga, Busurungi und Manje hat das Oberlandesgericht ausdrücklich festgestellt, dass die Einzeldelikte im Rahmen von Bestrafungsoperationen ausgeführt wurden. Für Chiriba ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, dass diese Strategie den von den Kämpfern ausgeführten einzelnen Taten zugrunde lag. Das geht auch aus dem letzten Drohschreiben hervor. Derartige Schreiben waren Bestandteil der Strategie (s. UA S. 100).

(c) Der Senat kann dahinstehen lassen, ob das Tatbestandsmerkmal des Angriffs im Sinne von § 7 Abs. 1 VStGB - in Anlehnung an Art. 7 Abs. 2 Buchst. a IStGH-Statut, der nach dem Willen des Gesetzgebers als Leitlinie für die Auslegung der Vorschrift dienen soll (vgl. BT-Drucks. 14/8524, S. 20; Gropengießer/Kreicker in Eser/Kreicker [Hrsg.], Nationale Strafverfolgung völkerrechtlicher Verbrechen, Band 1: Deutschland, 2003, S. 119) - zusätzlich ein „Politikelement“ enthält, wonach ein Angriff voraussetzt, dass er in Ausführung oder zur Unterstützung der Politik eines Staats oder einer Organisation vorgenommen wird, die einen solchen Angriff zum Ziel hat (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, BGHSt 55, 157, 165; MüKoStGB/Werle, 3. Aufl., § 7 VStGB Rn. 30 ff.; zum „Politikelement“ s. Ambos, Internationales Strafrecht, 5. Aufl., § 7 Rn. 186 f.); denn diese - auch vom Oberlandesgericht bejahten (s. UA S. 563) - Voraussetzungen liegen hier mit Blick auf die Strategie der Bestrafungsoperationen vor.

(2) Im Rahmen dieses systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung verursachten die Angehörigen der FDLR durch ihr Verhalten vorsätzlich den Tod der in den fünf Siedlungen noch aufhältigen Einwohner (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 VStGB).

bb) Soweit die Urteilsausführungen zum auf die Haupttaten bezogenen Gehilfenvorsatz des Angeklagten Mu. Rechtsfehler aufweisen (s. B. I. 3. b) cc) (3)), haben sich diese nicht nur zu seinen Lasten (vgl. § 301 StPO), sondern auch zu seinen Gunsten ausgewirkt.

Da sich dem Urteil nicht entnehmen lässt, welche Vorstellungen der Angeklagte Mu. von den Taten hatte, welche die FDLR-Milizionäre während der Operationen gegen die kongolesischen Siedlungen begingen, lässt sich auch nicht entscheiden, inwieweit sich sein Vorsatz auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit bei zutreffender Auslegung und Anwendung dieses Straftatbestands (s. oben aa)) erstreckte. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung ist zwar ausgeführt, der erkennende Strafsenat habe sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte Mu. Kenntnis von einer Politik des militärischen Flügels gehabt hätte, systematisch und planmäßig mittels Tötungsdelikten gegen diejenige kongolesische Zivilbevölkerung vorzugehen, die mit dem militärischen Gegner der FDLR kooperiert oder ihn in den Ortschaften aufgenommen habe (s. UA S. 564, 566). Mit einem solchen partiellen Unwissen lässt sich jedoch schon nicht vereinbaren, dass dem Angeklagten die Art und Weise des Vorgehens der FOCA gegen die Zivilbevölkerung in den Siedlungen bekannt gewesen sein soll (s. zu den nicht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen oben B. I. 3. b) cc) (3) (a)); denn dieses Vorgehen war dadurch gekennzeichnet, dass die Kämpfer jeweils gezielt die Zivilbevölkerung angriffen und dabei wiederholt zahlreiche schutzlose Menschen töteten.

Darüber hinaus hat das Oberlandesgericht rechtsfehlerhaft die subjektiven Voraussetzungen der Beihilfe hinsichtlich der in Kipopo verübten Kriegsverbrechen gegen Personen sowie gegen Eigentum und sonstige Rechte abgelehnt. Auch diesbezüglich sind die Vorstellungen des Angeklagten, wie sich bereits aus den Darlegungen zu dessen Revision ergibt (s. insbesondere B. I. 3. b) cc) (3) (a) (aa)), nicht klar und widerspruchsfrei dargetan.

2. Die vom Generalbundesanwalt gegen den Angeklagten M. geführte, auf den Strafausspruch beschränkte Revision ist unbegründet. Insbesondere ist dem Generalbundesanwalt nicht darin zu folgen, dass sich die gegen jenen verhängte Freiheitsstrafe nach unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Der teilgeständige und unbestrafte Angeklagte hatte im Vergleich zum Angeklagten Mu. eine weniger gewichtige Führungsrolle innerhalb der FDLR inne und hat sich - nach den hinreichend belegten Feststellungen (s. UA S. 15) - während der erstinstanzlichen Hauptverhandlung von der Vereinigung losgesagt.

C.

I. Infolgedessen ist das Urteil, soweit es den Angeklagten Mu. betrifft, auf dessen Revision und diejenige des Generalbundesanwalts aufzuheben. Die im Urteilstenor unter 1. bezeichneten Feststellungen werden von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

II. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache erneuter Verhandlung und Entscheidung. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass, sollte der nunmehr zur Entscheidung berufene Strafsenat den Angeklagten Mu. der Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung sowie der Beihilfe zu Straftaten nach dem VStGB für schuldig befinden, für die Bewertung der Konkurrenzen Folgendes zu gelten hätte:

Zur Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung stünde die Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit und/oder zu Kriegsverbrechen in Tateinheit (§ 2 VStGB, § 52 StGB), soweit sich der Angeklagte Mu. mit der vorsätzlichen Hilfeleistung für die jeweiligen 173 174 175 176 Straftaten nach dem VStGB (etwa Propagandatätigkeit) zugleich für die Vereinigung betätigt hätte. Hierzu träten weitere mitgliedschaftliche Beteiligungshandlungen, die nicht gegen ein anderes Strafgesetz als die §§ 129a, 129b StGB verstoßen (etwa Vorbereitung und Leitung von Versammlungen des Comité Directeur sowie Verhandlungen auf internationaler Ebene), als weitere materiell selbständige Tat (§ 2 VStGB, § 53 StGB) hinzu (s. BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308, 311 f., 319 f.; vom 20. Dezember 2016 - 3 StR 355/16, BGHR StGB § 129a Konkurrenzen 6; vom 8. November 2017 - AK 54/17, NStZ-RR 2018, 42, 43).

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 419

Externe Fundstellen: BGHSt 64, 10; NJW 2019, 1818; StV 2019, 608

Bearbeiter: Karsten Gaede