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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juli 2025
26. Jahrgang
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1. Wendet sich ein Beschuldigter mit einer Beschwerde gegen die – noch andauernde – Sicherstellung von Unterlagen im Rahmen einer Durchsuchung, so verletzt das Beschwerdegericht den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, wenn es seine Entscheidung bis zu der – von ihm nicht zu beeinflussenden – Gewährung von Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft zurückstellt.
2. Zwar kann bei erledigten Eingriffen wie etwa bei bereits vollzogenen Durchsuchungen die Zurückstellung der Beschwerdeentscheidung bis zur Gewährung von Aktenein-
sicht unter dem Gesichtspunkt des Rechts auf rechtliches Gehör geboten sein, damit der Beschuldigte Gelegenheit erhält, sich vor der abschließenden gerichtlichen Entscheidung in Kenntnis aller Entscheidungsgrundlagen gegen den Eingriff zu verteidigen (Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 9. September 2013 – 2 BvR 533/13 – [= HRRS 2013 Nr. 840]). Bei noch andauernden Eingriffen ist jedoch zügiger und effektiver Rechtsschutz zu gewähren. Geheimhaltungsinteressen der Ermittlungsbehörden ist dabei etwa dadurch Rechnung zu tragen, dass diese entweder auf offene Ermittlungsmaßnahmen verzichten oder hinsichtlich der Grundlagen des Eingriffs teilweise Einsicht in die Akten gewähren.
3. Eine Verfassungsbeschwerde ist mangels Erschöpfung des Rechtswegs sowie wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der materiellen Subsidiarität unzulässig, wenn der Beschwerdeführer gegen die Untätigkeit des Landgerichts als Beschwerdegericht weder eine – nicht offensichtlich unstatthafte – Beschwerde zum Oberlandesgericht eingelegt noch eine Verzögerungsrüge erhoben hat.
1. Die strafprozessualen Vorschriften über die Ausschließung und Ablehnung von Richtern dienen dem durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgten Ziel, auch im Einzelfall die Neutralität und Distanz der zur Entscheidung berufenen Richter zu sichern. Eine „Entziehung“ des gesetzlichen Richters kann nicht in jeder fehlerhaften Rechtsanwendung gesehen werden. Die Grenzen zum Verfassungsverstoß sind jedoch überschritten, wenn die Auslegung einer Zuständigkeitsnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar ist oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Garantie des gesetzlichen Richters grundlegend verkennt.
2. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist verletzt, wenn das Gericht ein gegen ein Mitglied des Spruchkörpers angebrachtes Befangenheitsgesuch willkürlich als unzulässig behandelt, obwohl das Antragsvorbringen zu einer materiellen Prüfung des Gesuchs genötigt hätte; denn über das unzulässige Ablehnungsgesuch befindet das Gericht, ohne dass der abgelehnte Richter ausscheidet, und damit in anderer Besetzung als im Falle eines zulässigen Befangenheitsantrags, über den das Gericht ohne Mitwirkung des Abgelehnten entscheidet.
3. Ein Ablehnungsgesuch, dessen Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung der Ablehnung völlig ungeeignet ist, kann – verfassungsrechtlich unbedenklich – einem Ablehnungsgesuch ohne Angabe eines Ablehnungsgrundes gleichgesetzt und damit als unzulässig behandelt werden. Eine „völlige Ungeeignetheit“ darf jedoch nur angenommen werden, wenn das Ablehnungsgesuch für sich allein und ohne jede weitere Aktenkenntnis offenkundig eine Ablehnung nicht zu begründen vermag, nicht hingegen, wenn das Gesuch eine – auch nur geringfügige – Prüfung der Art und Weise der Mitwirkung des abgelehnten Richters erfordert.
4. Ein Gericht verkennt den Gewährleistungsgehalt der Garantie des gesetzlichen Richters in grundlegender Weise, wenn es ein Befangenheitsgesuch außerhalb einer Hauptverhandlung – hier: in einem schriftlichen Verfahren nach dem StrRehaG – als verfristet und damit unzulässig verwirft und dabei verkennt, dass ein solches Gesuch bis spätestens zum Erlass der Entscheidung gestellt werden kann und im Übrigen keinen zeitlichen Beschränkungen unterliegt. Entsprechendes gilt für die Verwerfung eines Befangenheitsantrag als unzulässig, der einer inhaltlichen Prüfung bedurft hätte, weil er sich auf den – einer gesetzlichen Grundlage entbehrenden – gerichtlichen Hinweis stützt, das Ausbleiben einer Stellungnahme innerhalb einer bestimmten Frist werde als Antragsrücknahme gewertet.