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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
April 2025
26. Jahrgang
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1. Eine in einer Notwehrlage verübte Tat ist gemäß § 32 Abs. 2 StGB gerechtfertigt, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel handelt, das dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung steht. Ob dies der Fall ist, muss auf der Grundlage einer objektiven ex-ante-Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung beurteilt werden. Wird eine Person rechtswidrig angegriffen, ist sie grundsätzlich berechtigt, dasjenige Abwehrmittel zu wählen, welches eine endgültige Beseitigung der Gefahr gewährleistet. Der Angegriffene muss auf weniger gefährliche Verteidigungsmittel nur zurückgreifen, wenn deren Abwehrwirkung unzweifelhaft ist und ihm genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht.
2. Auch der sofortige, das Leben des Angreifers gefährdende Einsatz eines Messers kann durch Notwehr gerechtfertigt sein. Gegenüber einem unbewaffneten Angreifer ist dessen Gebrauch zwar regelmäßig anzudrohen und, sofern dies nicht ausreicht, der Versuch zu unternehmen, auf weniger sensible Körperpartien einzustechen. Diese Einschränkungen stehen jedoch unter dem Vorbehalt, dass die Drohung oder der weniger gefährliche Messereinsatz unter den konkreten Umständen eine so hohe
Erfolgsaussicht haben, dass dem Angegriffenen das Risiko eines Fehlschlags und der damit verbundenen Verkürzung seiner Verteidigungsmöglichkeiten zugemutet werden kann. Angesichts der geringen Kalkulierbarkeit des Fehlschlagrisikos dürfen an die in einer zugespitzten Situation zu treffende Entscheidung für oder gegen eine weniger gefährliche Verteidigungshandlung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden.
3. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit der Verteidigung im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB geht es nicht darum, ob eine weitere Eskalation der Situation hinaufbeschworen wird. Maßgeblich ist vielmehr die Frage, ob in der zugespitzten Angriffssituation die Verteidigung gewährleistet, dass der Angriff endgültig beendet wird.
4. Unter den Voraussetzungen der 1. Alternative des § 213 StGB ist auch im Rahmen des § 224 StGB regelmäßig die Annahme eines minder schweren Falles geboten, wenn dem nicht ausnahmsweise gravierende erschwerende Umstände entgegenstehen.
Bei einer in der Strafvorschrift enthaltenen statischen Verweisung auf ein anderes Gesetz hat weder die Änderung des in Bezug genommenen Gesetzes Auswirkungen auf den Inhalt der Verweisungsnorm, noch kommt es darauf an, ob die Bezugsnorm bereits oder noch gilt.
1. Für die Abgrenzung eines unbeendeten vom beendeten Versuch und damit für die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein strafbefreiender Rücktritt gemäß § 24 Abs. 1 StGB gegeben ist, kommt es darauf an, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für möglich hält (sog. Rücktrittshorizont). Tut er dies oder macht er sich zu diesem Zeitpunkt über die Folgen seiner Handlung keine Gedanken, so ist der Versuch beendet. Rechnet der Täter zu diesem Zeitpunkt hingegen noch nicht mit dem Eintritt des Erfolges, hält er jedoch die Vollendung weiterhin für möglich, liegt ein unbeendeter Versuch vor.
2. Die Annahme eines unbeendeten Versuchs setzt gerade bei gefährlichen Gewalthandlungen voraus, dass Umstände festgestellt werden, die im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Elemente der Tat die Wertung zulassen, der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter habe nach Beendigung seiner Tathandlung den tödlichen Erfolg nicht (mehr) für möglich gehalten.
3. Hinterlistig i.S. des § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist ein Überfall, wenn der Täter planmäßig in einer auf Verdeckung der wahren Absicht berechneten Weise vorgeht, um dem Gegner die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren und die Vorbereitung auf seine Verteidigung nach Möglichkeit auszuschließen. Es muss also ein Überraschungsangriff beabsichtigt, die wahre Absicht verdeckt und der Überfall gezielt in einer für das Opfer überraschenden Weise durchgeführt werden. Hierfür genügt in der Regel das Entgegentreten mit vorgetäuschter Friedfertigkeit oder ein von Heimlichkeit geprägtes Vorgehen.
1. Ein beendeter Versuch, von dem nur unter den erschwerten Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, Satz 2 StGB zurückgetreten werden kann, liegt auch dann vor, wenn sich der Täter im Augenblick des Verzichts auf eine mögliche Weiterführung der Tat keine Vorstellung von den Folgen seines bisherigen Verhaltens macht.
2. Diese gedankliche Indifferenz des Täters gegenüber den von ihm bis dahin angestrebten oder doch zumindest in Kauf genommenen Konsequenzen ist eine innere Tatsache, die positiv festgestellt und beweiswürdigend belegt werden muss. Hierzu bedarf es in der Regel einer zusammenfassenden Würdigung aller maßgeblichen objektiven Umstände. Auch hierbei gilt, dass an die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an die Beurteilung sonstiger Beweismittel. Sofern zentrale Teile der Einlassung des Angeklagten als Schutzbehauptungen zurückgewiesen werden, bedarf die Annahme partieller Glaubhaftigkeit anderer Erklärungsteile einer erkennbar kritischen Würdigung. Können keine eindeutigen Feststellungen getroffen werden, ist der Zweifelsgrundsatz anzuwenden.
1. Wird die schwere Folge bei einem erfolgsqualifizierten Delikt (hier: Einschleusen mit Todesfolge) im Falle der mittäterschaftlichen Begehung des Grunddelikts durch eine über das gemeinsame Wollen hinausgehende und deshalb als Exzesshandlung zu qualifizierende Handlung verursacht, kann eine Zurechnung des Todes als qualifizierender Erfolg gleichwohl in Betracht kommen. Dies kann namentlich dann der Fall sein, wenn den gemeinschaftlich
verübten Handlungen, die der todesursächlichen Exzesshandlung vorausgegangen sind, bereits die spezifische Gefahr eines tödlichen Ausgangs anhaftet. Ein solcher Gefahrenzusammenhang kann in objektiver Hinsicht angenommen werden, wenn sich aus Art und Weise der Handlung einzelfallbezogen konkrete tatsächliche Umstände ergeben, welche die Möglichkeit einer tödlichen Eskalation nahelegen.
2. Da schon in der Begehung des Grunddelikts eine Sorgfaltspflichtverletzung liegt, kommt es für die Fahrlässigkeitsprüfung im Rahmen des erfolgsqualifizierten Delikts wesentlich auf die Voraussehbarkeit des (Todes-)Erfolgs im Zusammenhang mit der Einschleusungshandlung an. Im Sinne des Fahrlässigkeitstatbestands voraussehbar ist, was der Täter nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten in der konkreten Tatsituation als möglich hätte vorhersehen können. Für die Erfüllung der subjektiven Fahrlässigkeitskomponente genügt, wenn der Täter die Möglichkeit des Todeserfolgs im Ergebnis hätte voraussehen können. Einer Voraussehbarkeit aller Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs bedarf es hingegen nicht. Die Verantwortlichkeit des Täters entfällt indes für solche Ereignisse, die so sehr außerhalb der gewöhnlichen Erfahrung liegen, dass der Täter auch bei der nach den Umständen des Falles gebotenen und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen zuzumutenden Sorgfalt nicht mit ihnen rechnen musste.
3. Zudem muss sich die schwere Folge als Verwirklichung der dem Grunddelikt innewohnenden Gefahr darstellen. Dies setzt nicht voraus, dass der Erfolg unmittelbar durch die das Grunddelikt verwirklichende Handlung verursacht wird. Vielmehr ist es ausreichend, wenn die den qualifizierten Erfolg des Opfers herbeiführende Handlung derart eng mit dem Tatgeschehen verbunden ist, dass sich in der Todesfolge die der Tat eigentümliche besondere Gefährlichkeit des Grunddelikts verwirklicht.
1. Ein Verbotsirrtum im Sinne von § 17 StGB liegt nur dann vor, wenn dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht fehlt, Unrecht zu tun. Ohne Bedeutung ist dabei, ob er die Strafbarkeit seines Handelns kennt. Unrechtseinsicht hat der Täter bereits dann, wenn er bei der Begehung der Tat mit der Möglichkeit rechnet, Unrecht zu tun, und dies billigend in Kauf nimmt (st. Rspr.).
2. Dabei ist die Auffassung des Täters, die erkannte Rechtswidrigkeit sei für ihn – etwa aus politischen, religiösen oder sittlichen Gründen – nicht verbindlich, unbeachtlich. Wer meint, zu der Handlung moralisch berechtigt zu sein oder sogar entsprechend handeln zu müssen, hat dennoch Kenntnis von der Existenz eines rechtlichen Verbots.
Für die Strafbarkeit wegen Beihilfe durch Unterlassen bedarf es einer Garantenstellung. Diese kann sich unter anderem aus einem Vorverhalten ergeben, wenn der Hilfeleistende dadurch die Gefahr eines Schadens geschaffen oder mitgeschaffen hat (Ingerenz). Allerdings führt ein sozial übliches und von der Allgemeinheit gebilligtes Vorverhalten regelmäßig nicht zu einer Garantenstellung aus Ingerenz; vielmehr muss das Vorverhalten objektiv pflichtwidrig sein (st. Rspr.). Eine etwa erforderliche Abgrenzung des neutralen vom pflichtwidrigen Vorverhalten kann nur anhand der Feststellungen zur subjektiven Tatseite erfolgen (vgl. BGH NJW 2024, 3246, 3248; wistra 2014, 176, 178).
Bei der Steuerungsfähigkeit geht es um die Fähigkeit, entsprechend der Unrechtseinsicht zu handeln, also um Hemmungsvermögen, Willenssteuerung und Entscheidungssteuerung, nicht aber um exekutive Handlungskontrolle. Entscheidend kommt es auf die motivationale Steuerungsfähigkeit an, also die Fähigkeit, das eigene Handeln auch bei starken Wünschen und Bedürfnissen normgerecht zu kontrollieren und die Ausführung normwidriger Motivationen zu hemmen. Steuerungsfähigkeit darf nicht mit zweckrationalem Verhalten verwechselt werden. Denn auch bei geplantem und geordnetem Vorgehen kann die Fähigkeit erheblich eingeschränkt sein, Anreize zu einem bestimmten Verhalten und Hemmungsvorstellungen gegeneinander abzuwägen und danach den Willensentschluss zu bilden.
1. In eng umgrenzten Ausnahmefällen können finanzielle Zuwendungen eines Außenstehenden an ein Mitglied nicht als Unterstützung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung strafbar sein, obwohl sie dessen Beteiligung fördern. (BGHSt)
2. Auch bei Zuwiderhandlungen gegen das Bereitstellungsverbot einer unionsrechtlichen Embargoverordnung besteht ein eng begrenzter straffreier Raum für neutrale humanitäre Hilfe. (BGHSt)
3. Eine Strafbarkeit kann etwa dann ausscheiden, wenn der Außenstehende dem individuellen Mitglied aus persönlichen Gründen, insbesondere aufgrund einer engen verwandtschaftlichen oder persönlichen Beziehung, Geld- oder Sachmittel zuwendet, die keinen spezifischen Bezug zu den Zwecken und der Tätigkeit der Vereinigung selbst aufweisen, sondern für den Lebensunterhalt bestimmt sind, sich die Höhe und Frequenz am Grundbedarf des Begünstigten orientiert, ein nachvollziehbares, nicht nur vages Vertrauen des Zuwendenden in den zweckentsprechenden Einsatz der Mittel besteht und die Leistungen keine den Tatentschluss bestärkende Funktion haben. (Bearbeiter)
4. Das Bereitstellungsverbot in § 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AWG, das grundsätzlich weit zu verstehen ist, soll nur verhindern, dass gelistete Personen und Organisationen Finanzmittel für terroristische Aktivitäten erlangen. Die rein humanitäre Versorgung von Menschen durch Hilfslieferungen und Spenden – jedenfalls durch Staaten und internationale Organisationen – ist davon grundsätzlich nicht erfasst. (Bearbeiter)
1. Als Beugung des Rechts im Sinne von § 339 StGB kommen nur elementare Rechtsverstöße in Betracht. Die Schwere des Unwerturteils wird dadurch indiziert, dass Rechtsbeugung als Verbrechen eingeordnet ist und im Falle der Verurteilung das Richter- oder Beamtenverhältnis des Täters gemäß § 24 Nr. 1 DRiG, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG kraft Gesetzes endet. § 339 StGB erfasst nur Rechtsbrüche, bei denen sich der Richter oder Amtsträger bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache bewusst in schwerwiegender Weise zugunsten oder zum Nachteil einer Partei von Recht und Gesetz entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an eigenen Maßstäben ausrichtet.
2. Das Recht kann auch durch einen elementaren Verstoß gegen Verfahrensrecht gebeugt werden. Die Beurteilung, ob ein solcher Rechtsverstoß den Vorwurf der Rechtsbeugung begründet, erfolgt auf Grundlage einer Gesamtbetrachtung sämtlicher objektiver und subjektiver Umstände. Innerhalb dieser Prüfung kann neben Ausmaß und Schwere des Rechtsverstoßes insbesondere Bedeutung erlangen, welche Folgen dieser für die Partei hatte, inwieweit die Entscheidung materiell rechtskonform blieb und von welchen Motiven sich der Richter oder Amtsträger bei der Entscheidung leiten ließ.
3. Aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG sowie aus Art. 92, Art. 97 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG folgt unter anderem die Garantie der richterlichen Unparteilichkeit als fundamentales rechtsstaatliches Prinzip. Es gehört zum Wesen der richterlichen Tätigkeit, dass sie von nichtbetei-
ligten Dritten ausgeübt wird; dies erfordert Neutralität und gleiche Distanz gegenüber allen Verfahrensbeteiligten. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet, dass die Verfahrensbeteiligten im konkreten Fall vor einem Gericht stehen, dessen Mitglieder die Voraussetzungen der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit uneingeschränkt erfüllen. Während der Schutz der richterlichen Unabhängigkeit, der mittelbar auch der Sicherung der Unparteilichkeit dient, die allgemeine Stellung und Tätigkeit der Richter betrifft und von außen kommende rechtsfremde oder sachfremde Einwirkungen fernhalten will, zielt die Unparteilichkeit auf die Objektivität und Sachlichkeit im Hinblick auf Beziehungen der Richter zu den Beteiligten und zum Streitgegenstand im konkreten Verfahren. Die Entscheidungsfindung hat ohne Rücksicht auf eigene Interessen mit „unbedingter Neutralität“ zu erfolgen.
4. Zwar unterliegen Verfahren gemäß § 1666 BGB dem Offizialprinzip und werden – unabhängig davon, ob eine Anregung nach § 24 Abs. 1 FamFG vorliegt – von Amts wegen eingeleitet, wenn hinreichende Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vorliegen. Überdies können Erklärungen, die auf die Anregung eines Verfahrens nach § 1666 BGB lauten, nicht nur zur Niederschrift der Geschäftsstelle, sondern auch vor dem sachlich zuständigen Richter abgegeben werden, wobei die Beteiligten unterstützt werden dürfen und auf die Stellung sachdienlicher und formgerechter Anträge hingewirkt werden soll. Die Bestimmungen über das Verfahren im ersten Rechtszug in den §§ 23 ff. FamFG setzen aber unausgesprochen voraus, dass sowohl eine etwa gewährte Hilfestellung bei der Abgabe von Erklärungen als auch eine bestimmte Voreinstellung des Richters bei der Entscheidung über die amtswegige Einleitung eines Verfahrens nach § 1666 BGB aktenkundig werden. Nur so sieht das Gesetz gewährleistet, dass die auf verfassungsrechtlicher Grundlage nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FamFG gebotene Unparteilichkeit des Gerichts, deren Sicherung das Prozessrecht dient, durchgehend verfahrensöffentlich von sämtlichen Beteiligten überprüft werden kann. Die verheimlichte Mitwirkung bei der Anregung zur Einleitung des Verfahrens anstelle einer Verfahrenseinleitung unabhängig von einer Anregung verletzt Grundprinzipien des Verfahrens in Kindschaftssachen.
5. Sachverständige sind nach §§ 29, 30 Abs. 1 FamFG im laufenden Verfahren auszuwählen. Ihre Auswahl steht im Ermessen des Gerichts. Das Gericht ist gehalten, sich bei der Auswahl des Sachverständigen an dessen Fachkompetenz zu orientieren. Verfügen mehrere Sachverständige über die erforderliche Expertise, entscheidet das Gericht unter pflichtgemäßer Ausübung seines Ermessens frei darüber, wem der Gutachtenauftrag erteilt wird. Im Rahmen der Ermessensausübung verbieten sich Gesichtspunkte parteipolitischer, persönlicher oder außerdienstlicher Art. Fehlerhaft ist die Auswahlentscheidung, wenn sie aus sachfremden Motiven getroffen worden ist.
6. Zugunsten oder zum Nachteil eines Verfahrensbeteiligten wirkt sich eine Beugung des Rechts nach § 339 StGB aus, wenn sie den Beteiligten besser oder schlechter stellt, als er bei richtiger Rechtsanwendung stünde. Durch die Verletzung von Verfahrens- und Zuständigkeitsvorschriften muss die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung begründet werden, ohne dass allerdings ein Vor- oder Nachteil tatsächlich eingetreten sein muss. Mit Blick auf das Tatbestandsmerkmal der Benachteiligung kommt es demnach nicht entscheidend auf die materielle Richtigkeit der „Endentscheidung“ an; eine Benachteiligung kann auch in der Verschlechterung der prozessualen Situation der Verfahrensbeteiligten liegen.
7. In subjektiver Hinsicht wird eine „Beugung des Rechts“ nicht schon durch jede (bedingt) vorsätzlich begangene Rechtsverletzung verwirklicht. Vielmehr wird vorausgesetzt, dass der Richter sich bewusst in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt. Der Täter des § 339 StGB muss also einerseits die Unvertretbarkeit seiner Rechtsansicht für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben; andererseits muss er sich der grundlegenden Bedeutung der verletzten Rechtsregel für die Verwirklichung von Recht und Gesetz bewusst gewesen sein. Allein der Wunsch oder die Vorstellung des Richters, „gerecht“ zu handeln oder „das Richtige“ zu tun, schließt eine Rechtsbeugung nicht aus. Daneben muss der Täter für möglich halten und billigend in Kauf nehmen, dass seine fehlerhafte Entscheidung zur Bevorzugung oder Benachteiligung eines Verfahrensbeteiligten führt.
8. Die Abgrenzung zwischen strafbarem Tun und Unterlassen gemäß § 13 StGB ist eine Wertungsfrage, die nicht nach rein äußeren oder formalen Kriterien zu entscheiden ist, sondern eine normative Betrachtung unter Berücksichtigung des sozialen Handlungssinns verlangt. Maßgeblich ist insofern, wo der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt.
1. Es ist unschädlich, dass eine ausreichende Verfolgungsermächtigung zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils noch nicht vorgelegen hat. Denn eine Verfolgungsermächtigung kann auch noch während des Revisionsverfahrens wirksam erteilt werden.
2. Tätergruppierungen aus dem Bereich der organisierten Kriminalität können ebenso wie sonstige Zusammenschlüsse aus dem Gebiet der Wirtschaftskriminalität unter den Begriff der kriminellen Vereinigung fallen. Dies gilt auch für Hawala-Banking-Netzwerke.
3. Die geografische Einordnung einer Vereinigung richtet sich nach einer an den konkreten Umständen des Einzelfalls orientierten Gesamtbetrachtung, wobei vornehmlich – handlungsbezogen – entscheidend ist, von welchem Ort aus die Vereinigung maßgeblich in ihrem Bestand, ihrer
Struktur, Ausrichtung und Zielsetzung geprägt und gesteuert wird.
4. Die „Kundengelder“ des Hawalla-Banking können in Bezug auf die Strafbarkeit nach § 63 Abs. 1 Nr. 4, § 10 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ZAG Tatobjekte im Sinne des § 74 Abs. 2 StGB sein. In Bezug auf die Strafbarkeit nach § 129 Abs. 1 Satz 1 StGB können sie Tatmittel im Sinne des § 74 Abs. 1 Variante 2 StGB sein; das Gleiche gilt für nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b AufenthG strafbare Unterstützungsleistungen bei der Einschleusung von Ausländern als Teil einer Hawala-Tätigkeit. Das bestimmungsgemäße Weiterleiten von „Kundengeldern“ im Rahmen des Hawala-Banking ist dabei aber keine Einziehungsvereitelung im Sinne des § 74c Abs. 1 StGB.
5. Die „Kundengelder“ sind keine Taterträge im Sinne des § 73 Abs. 1 Alt. 1 StGB, auch wenn eine solche Qualifizierung rein begrifflich möglich wäre.
1. Liegen keine Besonderheiten vor, kann das Tatgericht im Kontext des Täuschungsmerkmals i.S.d. § 263 StGB regelmäßig von allgemein verbreiteten, durch die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmten Erwartungen auf den tatsächlichen Inhalt konkludenter Kommunikation schließen. Mit Blick auf die Regelungen der Coronavirus-Testverordnung des Landes Berlin (BerTestV) ist in diesem Sinne regelmäßig davon auszugehen, dass die Identität der abrechnenden Person mit derjenigen des zertifizierten Teststellenbetreibers für die Kassenärztlichen Vereinigungen eine für die Beurteilung der Erstattungsansprüche so wesentliche Tatsache darstellte, dass jeder Abrechnungserklärung hierzu zwangsläufig ein dahingehender Erklärungswert zukommt.
2. Bei standardisierten, auf Massenerledigung angelegten Abrechnungsverfahren ist der Prüfungsmaßstab für den Irrtum i.S.d. § 263 StGB herabgesetzt. Es genügt die stillschweigende Annahme, ein entsprechender Vorgang (hier: Abrechnung von „Corona-Tests“) sei insgesamt „in Ordnung“. Unter diesen Umständen kann regelmäßig von einem sachgedanklichen Mitbewusstsein ausgegangen werden, welches das Vorliegen der Abrechnungsvoraussetzungen umfasst.
3. Die Regelungen der BerTestV formulieren hinsichtlich der Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs für Testleistungen eine normative Standardisierung der abrechnungsfähigen Leistungen mit der Konsequenz, dass ein Erstattungsanspruch unabhängig von einem etwaigen Marktwert von bestimmten rechtlichen Voraussetzungen abhängt und bei deren Fehlen entfällt. Ein etwaiger Marktwert ist deshalb nach der Ansicht des Senats auch nicht als mögliche Kompensation im Rahmen der Prüfung des Vermögensschadens i.S.d. § 263 StGB in Anschlag zu bringen.
1. Eine Täuschung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB kann auch konkludent durch eine schlüssige Handlung vorgenommen werden. Welcher Inhalt einer (ausdrücklichen oder konkludenten) Erklärung zukommt, bestimmt sich ganz wesentlich durch den Empfängerhorizont und die Erwartungen der Beteiligten. Diese werden regelmäßig durch den normativen Gesamtzusammenhang geprägt, in dem die Erklärung steht. Dabei erwartet der Verkehr im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Anspruchs vor allem eine wahrheitsgemäße Darstellung, soweit die Tatsache wesentlich für die Beurteilung des Anspruchs ist und der Adressat sie aus seiner Situation nicht ohne Weiteres überprüfen kann. Liegen keine Besonderheiten vor, kann das Tatgericht regelmäßig von allgemein verbreiteten, durch die Verkehrsanschauung und den rechtlichen Rahmen bestimmten Erwartungen auf den tatsächlichen Inhalt konkludenter Kommunikation schließen.
2. Sind bei abgerechneten Corona-Tests – hier: nach der der Coronavirus-Testverordnung des Landes Berlin (BerTestV) – die Leistungen nicht oder nicht ordnungsgemäß erbracht, die entsprechenden Dokumentationspflichten nicht vollständig erfüllt worden oder haben die geltend gemachten Kosten nicht den tatsächlichen Kosten entsprochen, führt dies regelmäßig in voller Höhe zu einem Schaden nach § 263 StGB. Denn in diesem Fall kommt es mangels eines Erstattungsanspruchs nicht zu einer Kompensation der geleisteten Zahlung durch die Erfüllung einer Verbindlichkeit. Die Regelungen der TestV formulieren insoweit eine normative Standardisierung der abrechnungsfähigen Leistungen mit der Konsequenz, dass ein Erstattungsanspruch unabhängig von einem etwaigen Marktwert von bestimmten rechtlichen Voraussetzungen abhängt und bei deren Fehlen entfällt.
1. Ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögenswerts unmittelbar vor und nach der Verfügung des Getäuschten. Ein Vermögensschaden entsteht auch, wenn die Wahrscheinlichkeit – nicht nur die Möglichkeit – eines endgültigen Verlustes eines Vermögensbestandteils so groß ist, dass dies bereits im Zeitpunkt der Vermögensverfügung eine objektive Minderung des Gesamtvermögenswerts zur Folge hat.
2. Bei einem Betrug durch einen Untermakler zulasten eines Hauptmaklers ist der Schaden nicht mit der an den Untermakler ausgezahlten Maklerprovision gleichzusetzen. Vielmehr ist er anhand eines Vergleichs zwischen dem aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu ermittelnden monetären Risiko, vom Hauptmakler auf Rückzahlung des an den Untermakler geleisteten Teils der Provision in Anspruch genommen zu werden, und dem wirtschaftlichen Wert eines Rückzahlungsanspruchs des Hauptmaklers gegen den Untermakler zu ermitteln. In den Urteilsgründen ist der so bestimmte Vermögensschaden in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise darzulegen und der Höhe nach zu beziffern.
3. Auch wenn sich ein Rechtsfehler bei der Bestimmung der Schadenshöhe nicht auf den Schuldspruch auswirkt, weil ausgeschlossen werden kann, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung kein Schaden entstanden ist, kann der Rechtsfehler zur Aufhebung des Strafausspruchs führen.
4. Der Täter kann auch dadurch etwas i.S. des § 73 Abs. 1 StGB durch die Tat erlangen, dass Vermögenswerte zunächst an einen Dritten fließen und dieser die Beträge nachfolgend ganz oder teilweise ohne Gegenleistung an den Täter weiterleitet. Beim Tatbestand des Betruges ist nicht nur der den Vermögensschaden nach § 263 Abs. 1 StGB begründende Vermögenszufluss durch die Tat erlangt, sondern sind es auch sonstige Vermögenswerte, die dem Täter aufgrund der Tatbegehung zufließen.
5. Das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung dient nicht der Nachholung von nicht fristgemäß erhobenen Verfahrensrügen. Nur bei besonderen Verfahrenslagen, in denen dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint, kommen Ausnahmen von diesem Grundsatz in Betracht, etwa wenn der Angeklagte durch äußere Umstände gehindert worden ist, die Verfahrensrüge innerhalb der Revisionsbegründungsfrist geltend zu machen, oder wenn Begründungsmängel auf im Einflussbereich des Gerichts liegende Ursachen zurückzuführen sind. Zur Zulässigkeit eines solchen Wiedereinsetzungsantrages ist es allerdings erforderlich, dass der Beschwerdeführer für jede Rüge darlegt, dass er gerade durch die fehlende Akteneinsicht an einer ordnungsgemäßen Begründung gehindert war.
1. Heimtückisch handelt, wer in feindseliger Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Wesentlich ist, dass der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Maßgebend für die Beurteilung ist die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs. Das bedeutet, dass sich das Opfer beim Eintritt der Tat in das Versuchsstadium im Zustand der Arglosigkeit befunden haben muss. Für das bewusste Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit ist es erforderlich, dass der Täter diese in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen.
2. Nach § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat vor, sobald der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Dies ist nicht erst dann der Fall, wenn er bereits eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt bzw. ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Auch eine frühere, vorgelagerte Handlung kann bereits die Strafbarkeit wegen Versuchs begründen. Das ist der Fall, wenn sie nach der Vorstellung des Täters bei ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte zur Tatbestandsverwirklichung führt oder im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in sie einmündet. Diese abstrakten Maßstäbe bedürfen angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen jedoch stets der wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls. Hierher können etwa die Dichte des Tatplans und der Grad der Rechtsgutsgefährdung, die aus Sicht des Täters durch die zu beurteilende Handlung bewirkt wird, für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium Bedeutung gewinnen.
3. § 240 Abs. 1 StGB ist als Erfolgsdelikt ausgestaltet. Die Anwendung des Nötigungsmittels muss in kausalem Sinne zu dem vom Täter geforderten Verhalten des Opfers führen. Das Verhalten des Opfers darf sich daher nicht in der bloßen Duldung der Nötigungshandlung (z.B. der Anwendung von Gewalt) erschöpfen, sondern muss über den darin liegenden Zwang hinausgehen.
1. Arglosigkeit kann auch dann vorliegen, wenn der Täter dem Opfer zwar offen feindselig gegenübertritt, die Zeitspanne zwischen Erkennen der Gefahr und unmittelbarem
Angriff aber so kurz ist, dass dem Opfer keine Möglichkeit der Abwehr verbleibt. Die Möglichkeit von Abwehrversuchen im letzten Moment steht der Annahme von Heimtücke nicht entgegen.
2. Der Versuch, sich durch Spurenbeseitigung selbst der Strafverfolgung zu entziehen, ist als solcher kein zulässiger Strafschärfungsgrund. Nur dann, wenn das Nachtatverhalten neues Unrecht schafft oder der Täter Ziele verfolgt, die ein ungünstiges Licht auf ihn werfen (sog. qualifizierte Spurenbeseitigung), kann etwas Anderes gelten.
3. Es ist anerkannt, dass das Tatgericht entlastende Angaben eines Angeklagten, für die keine zureichenden Anhaltspunkte bestehen und deren Wahrheitsgehalt fraglich ist, nicht ohne weiteres seiner Entscheidung zugrunde legen darf, nur weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt. Die Zurückweisung einer Einlassung erfordert auch nicht, dass sich ihr Gegenteil positiv feststellen lässt. Vielmehr muss sich das Tatgericht aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung bilden.
§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB setzt dem Grund der Strafschärfung entsprechend ein einverständliches Zusammenwirken von mindestens zwei Angreifern in dem Sinne voraus, dass diese dem Geschädigten körperlich gegenüberstehen und jener deshalb in seiner Verteidigungsmöglichkeit tatsächlich oder vermeintlich eingeschränkt ist. Dafür kann genügen, dass ein Beteiligter die Wirkung der Körperverletzungshandlung des anderen bewusst in einer Weise verstärkt, welche die Lage des Verletzten verschlechtert. An dem erforderlichen Zusammenwirken fehlt es jedoch, wenn sich mehrere Opfer jeweils nur einem Angreifer ausgesetzt sehen, ohne dass die Positionen ausgetauscht werden.
1. Für die Feststellung einer in allen Tatvarianten des § 315c Abs. 1 StGB vorausgesetzten konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert ist die Feststellung eines „Beinahe-Unfalls“ erforderlich, also eines Geschehens, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, es sei „noch einmal gut gegangen“. Eine solche wertende Einschätzung muss von Feststellungen getragen werden, nach denen die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt hat, in der – was nach allgemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt wurde, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht.
2. Ein vorschriftswidriges Verhalten im fließenden Verkehr wird von § 315b StGB nur erfasst, wenn ein Fahrzeugführer das von ihm gesteuerte Kraftfahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig einsetzt, er mithin in der Absicht handelt, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu „pervertieren“, und es ihm darauf ankommt, hierdurch in die Sicherheit des Straßenverkehrs einzugreifen.
3. Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr erfordert zudem, dass durch den tatbestandsmäßigen Eingriff Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert konkret gefährdet werden. Bei Vorgängen im fließenden Verkehr muss zu einem bewusst zweckwidrigen Einsatz des Fahrzeugs in verkehrsfeindlicher Absicht ferner hinzukommen, dass das Fahrzeug mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz missbraucht wurde.
Der 6. Strafsenat lässt offen, ob für Fälle der Bedrohung mit einem Verbrechen in der durch das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität vom 30. März 2021 (BGBl. I 2021, S. 441 i.V.m. S. 442) geänderten Fassung des § 241 StGB an der Rechtsauffassung festzuhalten ist, dass die Bedrohung im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter die (versuchte) Nötigung zurücktritt, oder ob ‒ wozu er mit dem 1., 4. und 5. Strafsenat neigt ‒ aus Gründen der Klarstellung Tateinheit anzunehmen ist.
Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Annahme der Tatvollendung in Fällen eines sogenannten Tankbetruges voraus, dass der Täter durch (konkludentes) Vortäuschen seiner Zahlungsbereitschaft bei einem Tankstellenbeschäftigten einen Irrtum hervorruft, der anschließend zu der schädigenden Vermögensverfügung (Einverständnis mit dem Tankvorgang) führt. Hierfür ist die Feststellung
erforderlich, dass der Tankvorgang vom Personal überhaupt bemerkt wurde. Fehlt eine entsprechende Feststellung, ist mangels Irrtumserregung nur ein versuchter Betrug gegeben.
1. Die absolute Unfähigkeit zur Willensbildung oder -äußerung i.S. des § 177 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB kann darauf beruhen, dass das Opfer schläft. In diesen Fällen kommt es bei mehreren gleichförmigen Geschehensabläufen nicht darauf an, ob und zu welchen von anderen unterscheidbaren Gelegenheiten des Geschehens das Opfer seinen entgegenstehenden Willen konkret zum Ausdruck gebracht hatte. Eine Verwirklichung dieser Tatbestandsalternative scheidet vielmehr nur dann aus, wenn das Opfer bereits vor dem Einschlafen seine Einwilligung zu den sexuellen Handlungen gegeben hat.
2. Bei der Aburteilung in Serie begangener sexueller Missbrauchshandlungen muss sich das Tatgericht in objektiv nachvollziehbarer Weise zumindest die Überzeugung verschaffen, dass es in einem gewissen Zeitraum zu einer bestimmten Mindestzahl von Straftaten gekommen ist. Dabei dürfen jedoch zur Vermeidung unvertretbarer Strafbarkeitslücken an die Individualisierung der einzelnen Taten im Urteil keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden, da eine Konkretisierung der jeweiligen Straftaten nach genauer Tatzeit und exaktem Geschehensablauf oft nicht möglich ist. Entscheidend dabei ist nicht, dass eine – möglicherweise auf nicht völlig sicherer Grundlage hochgerechnete – Gesamtzahl festgestellt wird, sondern dass das Gericht von jeder einzelnen individuellen Straftat, die es aburteilt, überzeugt ist. Ist eine Individualisierung einzelner Taten mangels Besonderheiten im Tatbild oder der Tatumstände nicht möglich, sind zumindest die Anknüpfungspunkte zu bezeichnen, anhand derer das Tatgericht den Tatzeitraum eingrenzt und auf die sich seine Überzeugung von der Mindestzahl und der Begehungsweise der Missbrauchstaten des Angeklagten in diesem Zeitraum gründet.
Der im StGB an verschiedenen Stellen verwendete unbestimmte Rechtsbegriff einer „großen Zahl von Menschen“ bedarf einer tatbestandsspezifischen Auslegung. Für die Strafvorschrift des § 308 Abs. 2 Alt. 2 StGB sieht der Senat keinen Anlass, die Zahl von zwölf Personen für die Annahme einer „großen Zahl von Menschen“ als zu gering zu erachten.
1. Bei einer Geiselnahme nach § 239b Abs. 1 StGB muss zwischen der Entführung oder Bemächtigung und der qualifizierten Nötigung ein funktionaler und zeitlicher Zusammenhang in der Weise bestehen, dass der Täter das Opfer während der Dauer der Zwangslage nötigen will und die abgenötigte Handlung während der Dauer der Zwangslage vorgenommen wird. Ein solcher funktionaler Zusammenhang kann auch dann noch angenommen werden, wenn der Täter während der Bemächtigungslage einen Teilerfolg erreichen wollte, der aus seiner Sicht eine bedeutende eigenständige Vorstufe auf dem Weg zur Erreichung des Endzieles darstellt. Die abgenötigte Zusage, nach Ende der Bemächtigungslage nicht zur Polizei zu gehen, reicht als eigenständig bedeutsamer Teilerfolg regelmäßig nicht aus.
2. Zwar wird die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) regelmäßig nicht verletzt, wenn ein früherer Mitangeklagter nach Verfahrensabtrennung nicht nochmals als Zeuge zum Thema seiner ehemaligen Aussage gehört wird. Aber ein Beweisantrag kann nach einem solchen Wechsel der Verfahrensrolle grundsätzlich nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass der Zeuge bereits früher als Mitangeklagter ausgesagt habe und der Antrag deshalb auf die bloße Wiederholung der Beweisaufnahme gerichtet sei. Denn die Aussage eines zu wahrheitsgemäßen Angaben verpflichteten und hierüber belehrten Zeugen kann einen anderen Inhalt und auch einen anderen Beweiswert haben als die Einlassung eines Angeklagten. Ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn das Beweisthema mit den früheren Aussagen der als Zeugen benannten Personen übereinstimmt, kann der Senat hier offenlassen.
„Zugefügte Mißhandlung“ im Sinne des § 213 erste Alternative StGB ist nicht im technischen Sinne der Tatbestände des Strafgesetzbuchs zu verstehen. Für die Annahme einer dem Täter von dem Tatopfer zugefügten Misshandlung ist deshalb nicht erforderlich, dass diese vollendet wurde und einen tatbestandlichen Erfolg im Sinne des § 223 StGB herbeigeführt hat. Als Misshandlungen können sich nicht nur körperliche Beeinträchtigungen darstellen; in Betracht kommen auch seelische Misshandlungen. Eine solche kann je nach den Umständen – insbesondere der Gefährlichkeit der Bedrohung – auch in einem fehlgeschlagenen Angriff auf Leib oder Leben liegen. Entscheidend für die Anwendung des § 213 erste Alternative StGB kann bei einer am Sinn und Zweck der Vorschrift
orientierten Auslegung nicht sein, ob das körperliche Wohlbefinden des Täters durch eine Misshandlung mehr als unerheblich beeinträchtigt worden ist oder ihm Verletzungen zugefügt worden sind. Maßgeblich ist vielmehr, ob die zugefügte Misshandlung oder Beleidigung von dem Gewicht war, dass sie „eine gegen das Leben gerichtete Jähtat als verständliche Reaktion erscheinen“ lässt.
Im Rahmen einer einverständlichen Schlägerei sind beide Seiten gleichermaßen Angreifer und Verteidiger; ein Notwehrrecht steht den Beteiligten schon deshalb nicht zu.